Das nachfolgende Interview führte der PR-Manager des Deutschen Fernschachbundes Ludger Heiermann mit dem Präsidenten des Deutschen Fernschachbundes Herr Manfred Scheiba nach der Mitgliederversammlung 2023. Das Interview ist in der Rochade Europa, Ausgabe November, Seite 56 und im BdF-Newsletter Oktober veröffentlicht worden.
Ludger Heiermann: „Herr Scheiba, Sie sind Präsident des Deutschen Fernschachbundes e.V. Wie bewerten Sie den aktuellen Stand des Fernschachs?“
Manfred Scheiba: „Die gegenwärtige Situation spiegelt den Einfluss von digitalen Medien (z.B. Datenbanken, Vernetzung im Internet, soziale Medien, YouTube usw.) und Engines wider. Der Informationsaustausch und -zugriff geschieht unglaublich schnell durch die Berichterstattung über Schach und Schachturniere im Internet. Für die Spieler, egal welcher Spielstärke, eröffnen sich dadurch ganz neue Möglichkeiten der Partiegestaltung. Eine Folge ist, dass die Partieergebnisse nicht immer das Ergebnis eigener Überlegungen oder Analysen sind und somit auch Unterschiede in der Spielstärke nivelliert werden.“
Ludger Heiermann: „Wie kann unter diesen Bedingungen das Fernschach attraktiv bleiben?“
Manfred Scheiba: „Der Deutsche Fernschachbund e.V. bietet auf seinem eigenen Schachserver unterschiedliche Turnierformen an. Dabei wird versucht die unterschiedlichen Ambitionen der Fernschachspieler/-innen abzudecken, z.B. leistungsorientierte Turniere (Deutsche Meisterschaften), leistungsoffene Turniere, Turniere ohne Nutzung einer Engine sowie 960Schach-Turniere. Wir bieten zudem den Zugang zu den unterschiedlichen Turnierformaten des Weltfernschachbundes ICCF an.“
Ludger Heiermann: „Wie bewerten Sie den Gehalt einer Fernschachpartie im technischen Umfeld von heute?“
Manfred Scheiba: „Fernschach in Deutschland hat eine sehr lange und erfolgreiche Tradition. Wir sprechen mit unseren Angeboten, wie erwähnt, alle Altersgruppen und alle Spielstärken vom Anfänger bis zum Spitzenspieler an. Wir sind uns der Konkurrenz von Online-Schach bewusst und wissen auch, dass sich durch die Nutzung der digitalen Medien der Charakter der Partie geändert hat. Die Suche nach dem besten Zug ohne Zeitdruck und bei Ausnutzung aller Möglichkeiten bekommt einen neuen Gehalt. Trotz aller „technischen“ Hilfsmittel spielt aber auch beim Fernschach der Spieler mit seinen Fähigkeiten und Eigenschaften die größte Rolle.“
Ludger Heiermann: „Dem Fernschach wird ja seit Jahren der „Remistod“ prognostiziert. Es enden immer mehr Partien remis, was ja wohl auch am Einsatz der Engines zurückzuführen ist. Wie beurteilen Sie diese Situation?“
Manfred Scheiba: „Es besteht die Gefahr, dass durch die Priorität von sportlichen Erfolgen die Risikobereitschaft in der Partieanlage minimiert wird. Man versucht nicht zu verlieren und wählt eine Partiestrategie, die nach den bisherigen Erfahrungen (meist) zum Remis führt. Ich bin der Ansicht, dass Fernschach dann eine Zukunft hat, wenn es in der Partie mehr um die Attraktivität sowie das Finden und Ausprobieren von neuen Ideen geht als um das Ergebnis.“
Ludger Heiermann: „Welche persönlichen Ideen sollten im Jahre 2024 im Deutschen Fernschachbund e.V. angeregt werden?“
Manfred Scheiba: „Dem Interview kann man entnehmen, dass der Verein ein großes Interesse an neuen Mitgliedern hat. Ich würde versuchen, ein „vereinsoffenes Turnier“ auf dem Server des BdF zur organisieren, wo „neugierige“ Schachspieler auf erfolgreiche deutsche Fernschachspieler treffen. Im Vordergrund dieses Turniers soll das Kennenlernen der Attraktivität des Fernschachs ohne den Druck des Erfolgszwangs stehen. Zusätzlich wollen wir den Austausch zwischen dem „Einsteiger“ und dem „Spitzenspieler“ während der Partie anregen, um die Geheimnisse und die Schönheit des Fernschachs zu vermitteln.“
Ludger Heiermann: „Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Freude und Erfolg beim Fernschach.“