Rezensionen - Einstellungsjahr 2017
Verfasser: Uwe Bekemann (sofern nicht jeweils ein anderer Verfasser genannt ist)
The Hedgehog vs the English/Reti
Igor Lysyj, Roman Ovetchkin
The Hedgehog vs the English/Reti
443 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-619-7188-13-4
24,95 Euro
The Hedgehog vs the English/Reti
In ihrem Gemeinschaftswerk "The Hedgehog vs the English/Reti" stellen die beiden Autoren Igor Lysyj und Roman Ovetchkin ein Repertoire für Schwarz im Kampf gegen die Englische Eröffnung und die Reti-Eröffnung zusammen und bereiten es so für den Leser auf, dass dieser es mit Verstand einzusetzen lernt. Dabei bedienen sie sich in einer leicht abgewandelten Form dem besonderen Aufbau der Repertoirebücher aus dem bulgarischen Verlag Chess Stars, in dem das Werk 2017 erschienen ist.
Das Buch beinhaltet vier Teile, von denen drei der Englischen und einer der Reti-Eröffnung gewidmet sind. Auf diese verteilen sich insgesamt 22 Kapitel, sechs davon entfallen auf die Reti-Eröffnung.
Üblicherweise sind die einzelnen Kapitel bei Chess Stars und bei Büchern dieses Genres in drei Abschnitte unterteilt. In "Quick Repertoire" wird der Leser mit den Grundzügen der betrachteten Variante vertraut gemacht, während im Anschluss die tiefe theoretische Betrachtung im Abschnitt "Step by Step" erfolgt. Regelmäßig findet man in einem dritten Abschnitt "Illustrative Games" kommentierte Beispielpartien, hier aber nicht. "The Hedgehog vs the English/Reti" bietet solche Partien zwar ebenfalls an, allerdings in einer reduzierten Anzahl und im Anschluss an die Theoriekapitel.
Zunächst etwas irritierend war für mich die Entscheidung des Verlags, vor "Step by Step" wieder die Kapitelüberschrift einzusetzen, so dass sie kurz hintereinander zweimal erscheint. Hat man dies erst mal bemerkt, gewöhnt man sich daran, ein echter Nachteil in der Übersicht verbindet sich damit nicht. Platz hätte man damit aber durchaus einsparen können, um auf den insgesamt 443 Buchseiten dann vielleicht noch die eine oder andere zusätzliche Beispielpartie hätte platzieren können. Mein erster Verdacht, dass der Schriftsetzer dem "verschwendeten" Platz hat Tribut zollen müssen, bestätigte sich aber nicht. Er kam auf, als ich gleich am Anfang des Werkes das Wort "forustoobtaina" fand und trotz eines ganz ordentlichen Wortschatzes nicht einen Schimmer hatte, was es bedeuten konnte. Hier ist aber nur der Satzteil "for us to obtain a" so zusammengequetscht worden, das er nicht mehr richtig lesbar ist. Der Drucksatz ist insgesamt völlig in Ordnung, "forustoobtaina" ist nur die eine Regel bestätigende Ausnahme.
"Hedgehog" ist das englische Wort für Igel; Lysyj und Ovetchkin hehandeln entsprechend schwarze Aufbaumöglichkeiten, die dem Gedanken des "Igelsystem" folgen. Hier muss man vom "Englischen Igel" sprechen, der immer 1…c7-c5 beinhaltet. Gegen die Englische Eröffnung lenkt der Nachziehende das Spiel somit generell in die Symmetrievariante. Gegen die Reti-Eröffnung entstehen auf diese Weise verwandte Strukturen auf dem Brett.
Idealtypisch beinhaltet der "Englische Igel" den schwarzen Aufbau mit auf den Feldern c5, e6 und b6 postierten Bauern, den Damenläufer auf b7 und den Königsspringer auf f6. Im Eco-System findet sich ein besonderer Eintrag unter A30 für ihn.
Die Autoren interpretieren den Igel variabel, so dass verschiedene Grundstrukturen zum Einsatz kommen. So lässt sich sagen, dass sie sich zwar von den Grundgedanken des Igelsystems leiten lassen, sich aber angepasster Methoden bzw. Vorgehensweisen bedienen, um die Igel-Ziele zu erreichen. Die oben skizzierte Grundstruktur kommt komplett entsprechend nur in manchen Abspielen zum Einsatz, in anderen kommen nur Teile davon auf das Brett.
Das Inhaltsverzeichnis ist zugbasiert aufgestellt worden und informiert entsprechend gut über die Zuglinien, die im Buch behandelt werden. Auszugsweise und für das deutschsprachige Auge aufbereitet sieht es wie folgt aus:
Teil 1
1.c4 c5 2.Sc3 Sf6 3.Sf3 e6 4.g3 b6 5.Lg2 Lb7 6.0- 0 Le7
1. Seltene Abspiele; 7.Te1 d5
2. 7.d4 cd 8.Sxd4 Lxg2 9.Kxg2 Dc8
3. 8.Dxd4 0-0 A) 9.Lg5; B) 9.Lf4
4. 9.b3 d6
5. 9.Td1 d6
Teil 2
1.c4 c5
6. A) 2.b3; B) 2.e3
7. 2.Sc3 Sf6 A) 3.g3; B) 3.e4
8. 3.Sf3 e6 4.e3 Sc6
9. 4.d4 cd 5.Sxd4 d5
10. 4.e4 Sc6
11. 4.g3 b6
Teil 3
1.c4 c5 2.g3 Sc6
12. A) 3.Sf3 g6; B) 3.Lg2 g6 verschieden; 4.e3 Lg7
13. 3.Lg2 g6 4.Sc3 Lg7 verschieden; A) 5.b3; B) 5.a3
14. 5.d3 Sf6 verschieden; A) 6.Ld2; B) 6.Sf3
15. 5.Sf3 e6 A) 6.h4; B) 6.a3; C) 6.0-0
16. 5.Sf3 e6 6.d4 cd 7.Sb5 d5
Teil 4
1.Sf3 c5
17. A) 2.d4; B) 2.Sc3; C) 2.e3; D) 2.b3
18. 2.c3 d5 3.d4 Sf6
19. 2.g3 b6 verschieden; 3.Lg2 Lb7
20. 2.c4 Sf6 3.e3 g6
21. 2.c4 Sf6 3.d4 cd 4.Sxd4 e6
22. 2.c4 Sf6 3.g3 b6
Vollständige Partien.
Die besondere Stärke von "The Hedgehog vs the English/Reti" liegt darin, wie die Autoren den Leser die Systeme verstehen lassen. Sie legen großen Wert auf die Darstellung der strategischen Hintergründe und die konkreten Pläne. Damit legen sie den Grundstein dafür, dass der Leser jeweils das große Ganze erkennt und sich nicht in Varianten verzettelt, die er sich vielleicht einprägen kann, aber eben nicht versteht. Diesem hohen Anspruch folgen Lysyj und Ovetchkin grundsätzlich auch in Passagen, die eher taktisch geprägt sind, wenn auch nicht mehr ganz so intensiv. Auch hier erklären sie zumeist, warum sie eine Entscheidung als gut ansehen oder woran sie Probleme des Spielers festmachen, wenn auch nicht mehr durchgehend. Auch kann es hier schon mal sein, dass eine etwas längere Variante abgebildet und nur die Schlussstellung kommentiert wird. Der Verlauf ist dann nicht immer zwingend und hat damit teilweise nur einen Beispielcharakter.
Ein Leser mit dem Format eines Klubspielers wird inhaltlich problemlos mit allen Passagen zurechtkommen und seinen Nutzen daraus ziehen können. Für den Anfänger im Schach dürften die Autoren ihr Werk weniger geschrieben haben.
"The Hedgehog vs the English/Reti" ist ein Repertoirebuch für Schwarz und deshalb auch aus dessen Warte geschrieben. Dies bedeutet, dass es alle wesentlichen Zugmöglichkeiten für Weiß enthalten muss, damit der Nachziehende dafür eine Empfehlung zum Umgang erhält. Für die schwarzen Alternativen gilt dies nicht in gleicher Weise. Für den Spieler mit Weiß ist das Werk im Rahmen der für Schwarz getroffenen Auswahlen hilfreich.
"The Hedgehog vs the English/Reti" ist ein ins Englische übersetzte Werk. Die Originalsprache dürfte wohl Russisch gewesen sein, was dem Buch aber nicht zu entnehmen ist. Die sprachliche Ausführung ist gut verständlich, der Wortschatz ist nicht "überdreht". Als Fremdsprachler kommt man gut mit allem zurecht, wobei ich denke, dass Kenntnisse auf Schulniveau völlig ausreichen.
Das Variantenverzeichnis auf den letzten Buchseiten setzt auf dem Inhaltsverzeichnis auf und erlaubt damit eine gute Orientierung über alle Inhalte hinweg.
Fazit: "The Hedgehog vs the English/Reti" ist ein Repertoirebuch für Schwarz, das insbesondere dem Klubspieler empfohlen werden kann. Es vermittelt ihm ein Repertoire gegen die Englische Eröffnung und gegen die Reti-Eröffnung, das sich an den Strukturen des "Englischen Igels" orientiert. Die besondere Stärke des Werkes liegt in der qualifizierten Art, wie die Autoren den Leser das Repertoire verstehen lassen wollen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Geniales Schach im Wiener Kaffeehaus 1750-1918
Michael Ehn
Geniales Schach im Wiener Kaffeehaus 1750-1918
350 Seiten, gebunden und mit Festkarton
ISBN: 978-3-902494-80-1
29,00 Euro
Geniales Schach im Wiener Kaffeehaus 1750-1918
"Geniales Schach im Wiener Kaffeehaus 1750-1918" von Michael Ehn, Neuerscheinung 2017 in der Edition Steinbauer, ist ein schachgeschichtliches Werk, dessen Informationsbreite im Titel nicht umfassend deutlich wird. Es umfasst 350 Seiten, sehr viel Lesestoff, ergänzt um nach Thema eingestreute historische Partien, Turniertabellen und sehr viele, oft sehr ausführliche Quellenzitate. Sein Autor ist Michael Ehn, einer der führenden deutschsprachigen Schachhistoriker. Ehn ist Österreicher, selbst in Wien geboren und Verfasser unzähliger Artikel in Tageszeitungen und Fachzeitschriften. Zudem hat er mehr als ein Dutzend Bücher zur Schachgeschichte geschrieben.
Dem Buchtitel entsprechend ist das Schachleben Wiens im besagten Zeitraum der inhaltliche Kristallisationskern, dem sich aber verwandte Themen anlagern. So erfährt der Leser viel über die Entwicklung des Schachspiels allgemein, das zunächst als Glücksspiel verpönt war und um seine Anerkennung kämpfen musste, über seine Rolle in Gesellschaft und Kultur sowie deren Veränderung, über herausragende Schachgrößen, über Frauenschach, über Zusammenhänge zwischen dem Schachspiel und seiner Entwicklung und dem - sich ändernden - politischen und gesellschaftlichen Leben und sehr viel mehr.
Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis mag diese angesprochene Vielseitigkeit veranschaulichen. Die folgende Zusammenstellung folgt der Chronologie des Buches, ist aber nicht vollständig. Sie enthält nur solche Einträge, aus denen der Leser dieser Rezension ausreichend konkret erkennen kann, was an der bereiten Stelle des Buches erörtert wird. Unterhalb der Kapitelebene arbeitet Ehn mit Abschnitten, die jeweils eigene Überschriften tragen.
Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis:
- Das Zeitalter des Spiels und des Betrugs
- Das Kaffeehaus als Forum von Aufklärung und Vernunft
- Oberster Schachmeister Johann Baptist Allgaier
- Erste Schachbücher und erste Schachmeister
- Die Wiener Schachgesellschaft und ihre Meister
- Wilhelm Steinitz - der erste Schachweltmeister
- Die Wiener Schachszene um die Jahrhundertwende
- Carl Schlechter - stilles Genie und beinahe Weltmeister
- Frauenschach
- Prominenz am Schachbrett
- Politisierung und Antisemitismus
- Drei Wiener Meister im Porträt
- Anhang 2: Wiener Schachcafés 1750-2005
- Anhang 3: Die 25 bedeutendsten Schachturniere in Wien 1873-1923.
Beeindruckend ist der Detaillierungsgrad der von Ehn vermittelten Informationen. Selbst als Schachanhänger, dessen Interesse sich auch auf die Schachgeschichte erstreckt und dessen Erfahrung über Jahrzehnte hinweg zusammengekommen ist, kann man Neues erfahren. So ist es verblüffend, was Ehn beispielsweise alles über den Schachtürken zu schreiben weiß (in "Das Zeitalter des Spiels und des Betrugs"). Nur ein kleiner Teil dessen ist der sonstigen allgemeinen Literatur zu entnehmen.
Nun darf man sich nicht vorstellen, dass "Geniales Schach im Wiener Kaffeehaus 1750-1918" im Stil eines Geschichtsbuches daherkommt, wie man es aus Schulzeiten kennt. Das Werk ist mit einem hohen Unterhaltungswert ausgestattet, u.a. auch wegen zahlreicher Passagen, die an Plaudereien erinnern. Hierzu ein Beispiel aus "Das Kaffeehaus als Forum von Aufklärung und Vernunft" und dort dem Abschnitt "Die Anfänge des Schachcafés": Kaiser Josef II. besuchte 1791 inkognito das "Café de la Régence" in Paris, forderte einen Offizier zu einer Schachpartie heraus und verlor. Als der Offizier ihm eine Revanche mit der Begründung versagte, die Oper besuchen und dort Joseph II. sehen zu wollen, offenbarte er sich.
Aber auch die "reinen Fakten" bringt Ehn in einer angenehm erzählenden Weise an den Leser. Wenn er beispielsweise darüber informiert, dass die ersten Schachcafés im Übergang des 18. auf das 19 Jahrhundert entstanden und es 1839 bereits 88 Kaffeehäuser in Wien gab, bettet er seine Information narrativ in ein größeres Ganzes ein. Das Entstehen des Professionalismus im Schach führt er mit dieser Entwicklung der Kaffeehäuser zusammen. Diese wiederum setzt er in Beziehung mit Schachklubs, wie wir sie kennen und die es im damaligen Wien noch nicht gab.
Entsprechend hängt die Entwicklung Wiens zur Schachmetropole untrennbar damit zusammen, dass sich die Schachcafés als Orte entwickelten, an denen fast rund um die Uhr Schach gespielt werden konnte.
Ob die Zeit des Kaffeehausschachs nun eine goldene Zeit war, dürfte im Auge des Betrachters oder, in die damalige Zeit zurückversetzt, des Beteiligten liegen. Die Schachenthusiasten, die sich täglich und von morgens bis abends im Wiener Kaffeehaus ihrer Leidenschaft hingeben konnten, würden der Einschätzung womöglich zustimmen. Ob dies auch alle Kaffeehausbetreiber so sähen, sei dahingestellt, denn der Besuch durch viele Schachspieler bedeutete nicht auch immer ausreichende Einnahmen durch Verzehr.
Auch dürften diejenigen in Zweifel kommen, die andere Seiten der Medaille kennen gelernt haben. So wird von Ehn eine Anekdote aufgeführt, nach der ein Fremder einem eingesessenen und wohl nicht ganz so ehrlich veranlagten Dauergast unter den Spielern ins Garn gegangen ist. Im Spiel um Geld wurde dieser ausgenommen, indem ihm über zwei erste Partien mit einem wohl gesteuerten Ergebnis ein Wettkampf schmackhaft gemacht wurde, den sein Gegenüber dann aber mit voller Spielstärke absolvierte und ihn dabei kräftig ausnahm.
"Geniales Schach im Wiener Kaffeehaus 1750-1918" ist gebunden und ist mit einem festen Einband versehen.
Fazit: Ich halte "Geniales Schach im Wiener Kaffeehaus 1750-1918" für eine wertvolle Arbeit zur Historie des Schachspiels. Dass ich mit meiner Einschätzung richtig liegen dürfte, zeigt auch die finanzielle Unterstützung seitens des Zukunftsfonds der Republik Österreich zur Realisierung des Buchprojektes.
"Geniales Schach im Wiener Kaffeehaus 1750-1918" ist geschichtliches Werk zum Schachspiel, das reich an Informationen und gut zu lesen ist, wobei zahlreiche Anekdoten und Plaudereien ihren Beitrag leisten. Es ist eine Empfehlung an jeden Schachfreund, der mehr zum Schachspiel erfahren möchten als das, was konkret auf seinen 64 Feldern stattfindet.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
The Berlin Defence Unraveled
Luis Bernal
The Berlin Defence Unraveled
272 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-740-1
27,95 Euro
The Berlin Defence Unraveled
"The Berlin Defence Unraveled" aus der Feder des spanischen IM, Trainer und Schachjournalisten Luis Javier Bernal, Neuerscheinung 2017 bei New In Chess (NIC) ist eine aktualisierte Übersetzung eines bereits 2016 in Spanisch erschienenen Buches. Es versteht sich als Führer für Schwarz und Weiß durch die Berliner Verteidigung der Spanischen Partie. Seit dem Jahr 2000, als Kramnik dem damaligen Weltmeister Kasparow auf der Basis dieses Systems den Titel abtrotzen konnte, hat sich für den Kern der Betrachtung die Bezeichnung "Berlin Wall" etabliert, also Berliner Mauer. Es ist zäh und lässt dem Angreifer nicht viele Möglichkeiten, der Verteidigungsstellung beizukommen. Bernal hat es sich aber auch zur Aufgabe gemacht, die aktiven Perspektiven des Nachziehenden weiter ans Licht zu bringen. "Unraveled" kann mit "enträtselt" und auch "entwirrt" übersetzt werden, was eben die vornehme Aufgabe eines Führers im Reich der Sachbücher ist.
Ginge es nach der Weisheit, dass man keine zweite Chance für einen guten ersten Eindruck bekommt, dann könnte man - und dies wäre hier sehr schade - beim ersten Zugriff Vorbehalte entwickeln. Erst als es zu spät war, ist es dem Verlag aufgefallen, dass es Fehler im Inhaltsverzeichnis gibt. Dort sind die figurinen Zeichen von Turm und Läufer vertauscht worden. So hat man sich damit beholfen, dass nach der Korrektur ein neues Blatt gedruckt und in das Buch eingelegt worden ist. Die Ästhetik mag darunter leiden, den Gebrauchswert schmälert diese Besonderheit nicht. Wer sich am fehlerhaften Inhaltsverzeichnis stört, kann es mit der Korrekturseite überkleben. Ich begrüße ein solches Fehlermanagement eines Verlages; er versteckt sich nicht nach dem Motto "Augen zu und durch", sondern steht zu dem Fehler und merzt ihn angemessen aus.
"The Berlin Defence Unraveled" ist nicht mit einem monographischem Werk oder auch einem Repertoirebuch zu verwechseln. Bernal nimmt sich in 19 Theoriekapiteln jeweils eine Variante vor und zeigt auf, wie sie von beiden Seiten gespielt werden sollte, um sich jeweils selbst die größten Chancen zu versprechen. Er richtet seine Betrachtung dabei eher an Tendenzen aus und verfolgt nicht die Absicht, für alle realistischen Züge des Gegners Antwortvorschläge zu geben. Sein Augenmerk zielt darauf ab, wie die jeweilige Seite ihr Spiel aufziehen sollte. In den von ihm gewählten konkreten Zugfolgen bzw. Varianten sieht er jeweils die Hauptfortsetzung, die hinsichtlich der strategischen Ausrichtung aber eben auch nur das erste bzw. beste Beispiel sind. Das Rückgrat seiner Ordnung im Buch bildet jeweils eine Partie aus der Praxis. Nicht selten erklärt er, dass er in der Fortsetzung des Spielers Xy die Hauptvariante sieht, an der er seine Darstellungen deshalb ausrichtet. Dabei versucht er die Meinung der Theorie an ihrer Spitze zu treffen. Er konzentriert sich deshalb darauf, was aktuell und nach den neuesten Ideen auf der Turnierbühne als am besten gilt. Die bis dahin als "Thronfortsetzung" gesehene Zugalternative gibt er häufig nicht mehr an.
Im Ergebnis erhält der Leser eine Anleitung, wie eine Variante zu spielen ist, und die nach den Erkenntnissen des Autors besten konkreten Zugalternativen dazu. Bernal erklärt sehr viel und begründet seine Vorschläge. Ich habe durchgehend den Eindruck gewonnen, dass er seine Erfahrung als Trainer gut genutzt hat, um den Leser den Stoff verstehen zu lassen, ihn sich verinnerlichen zu lassen.
Dabei sehe ich den Klubspieler als ersten Adressaten an. Er ist in der Lage, die Hinweise des Autors aufzunehmen und für sich zu nutzen.
Aber wie sollte dieser Klubspieler vorkonditioniert sein? Aus meiner Sicht wird er dann am meisten profitieren, wenn er bereits Vorkenntnisse zum behandelten System hat. Die von Bernal vermittelten Informationen sorgen für den Feinschliff und die Aktualisierung von Kenntnissen, die der Leser sich zuvor vielleicht über eine Monographie oder ein Repertoirebuch und / oder bestenfalls sogar eigene Erfahrungen am Brett verschafft hat.
Zu den oben angesprochenen Theoriekapiteln gesellen sich drei weitere, die 25 kommentierte Beispielpartien anbieten, dem Leser per Diagramm Aufgaben zum Lösen stellen und die Lösungen auf diese Aufgaben enthalten. Zumeist erhält der Leser über die Diagrammstellung hinaus keinen Hinweis, was er zu tun hat. So ist er gehalten, allein aus der Stellung heraus seine Lösung zu entwickeln, so wie er es auch in seiner praktischen Partie machen müsste. Er hat dabei das anzuwenden, was er sich im vorangegangenen Studium der Theorie gerade erst erarbeitet hat. In einer Vorbemerkung zu den Aufgaben weist Bernal darauf hin, dass die zu findende Lösung nicht immer die Top-Empfehlung der Theorie sein muss, sie aber immer im Einklang mit den im Theoriestudium vermittelten Ideen steht.
Ich verzichte bewusst auf die Abbildung des Inhaltsverzeichnisses. Dies ist nicht mit dem oben erwähnten Fehler begründet, sondern damit, dass es einerseits sehr lang ist und andererseits die in Kapitelüberschriften verwendeten Namen nicht immer als allgemein anerkannt angesehen werden können.
Eine Erwähnung wert ist auf jeden Fall auch der lockere Schreibstil des Autors. Bisweilen wird es richtig humorvoll, so etwa auf der Seite 43, auf der er sich zu den Fernschachspielern äußert. Diese bezeichnet er in unseren modernen Zeiten als die Goldschmiede des Schachspiels. Die an dieser Stelle von ihm aufgezeigte Zugumstellung in die Richtung der Italienischen Partie haben sie allerdings nur erfunden, um die Autoren von Schachbüchern zu quälen.
Die Buchsprache ist Englisch.
Abgeschlossen wird das Werk von einem Namens-, einem Partien- und einem Variantenverzeichnis, das um Diagrammstellungen zu den Weichenstellungen bereichert worden ist, sowie ein recht spärliches Quellenverzeichnis.
Fazit: "The Berlin Defence Unraveled" führt den Leser durch den Urwald der Berliner Vereidigung. Er gibt ihm Wegempfehlungen durch Hinweise zur strategischen Spielführung, konkrete Zug- und Variantenempfehlungen nach dem aktuellen "modischen" Stand der Theorie und die Darstellung von typischen Brettstrukturen. Meine besondere Empfehlung gilt dem Klubspieler, der das Werk mit Vorerfahrungen zur Hand nimmt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Winning Material / Mastering Defensive Technique
Susan Polgar
Winning Material / Mastering Defensive Technique
Winning Material: 168 Seiten, kartoniert / Mastering Defensive Technique: 166 Seiten, kartoniert
Winning Material: ISBN 978-1-941270-45-5 / Mastering Defensive Technique: ISBN 978-1-941270-49-3
je 18,95 Euro
Winning Material / Mastering Defensive Technique
"Winning Material" und "Mastering Defensive Technique" sind die Bände 2 und 3 aus der fünfbändigen Buchreihe "Learn Chess the Right Way" von Russell Enterprises. Autorin ist Susan Polgar, Großmeisterin, mehrfache Gewinnerin des Weltmeistertitels der Damen und Trainerin. Die Buchreihe richtet sich an Spieler, die gerade mal die Grundregeln des Schachspiels beherrschen, bis hin zu unerfahrenen Neulingen, wenn ich sie mal so bezeichnen darf. Als Adressat genannt werden auch die mittelmäßig erfahrenen Spieler, wenn ich "intermediate" mal so übersetzen darf. Die Schwelle des Klubspielers sehe ich jedoch als zu hoch gesetzt an, die vom Buch gestellten Anforderungen liegen darunter.
Die Leitidee hinter den Werken liegt darin, dem Leser über Diagramme in hoher Zahl Aufgaben zu stellen, die dieser lösen soll. In den beiden betrachteten Bänden sind dies jeweils exakt 500 solcher Übungen. Die von ihm jeweils benötigte Zeit soll er unter jedem Diagramm notieren. Wenn er den Empfehlungen des Buches folgt, wird er die Aufgaben mehrfach angehen und in späteren Durchgängen jeweils weniger Zeit als zuvor zum Lösen benötigen, was einen Fortschritt seiner Fertigkeiten dokumentiert. Nach Möglichkeit soll er kein Brett zu Hilfe nehmen, sondern allein mit den Diagrammen im Buch arbeiten. Wenn er vier solche Diagramme, die auf jeweils einer Seite stehen, in einer Minute schafft, hat er den angestrebten Lernerfolg erzielt. Polgar empfiehlt ihm, zumindest in wiederholenden Durchgängen nur noch anhand der Diagramme im Buch die Aufgaben zu lösen, wenn der Leser für den ersten Aufschlag doch ein körperliches Brett benötigen sollte.
Thematisch 13 (Band 2) bzw. 10 (Band 3) Kapiteln zugeordnet werden die Übungen behandelt. Jeweils im letzten Kapitel muss der Leser aus einer Palette von Möglichkeiten das richtige Verfahren auswählen, muss also oft auf in den vorhergehenden Bereichen erlernte Verfahren zurückgreifen. In allen Bereichen davor kann er aus der Thematik des Kapitels schließen, welche Art von Lösung es für ihn zu finden gilt. Was es an theoretischem Inhalt mitzunehmen gibt, wird in der Einleitung der Kapitel beschrieben. Auch hierin ist der niedrige Spielstärkeansatz zu erkennen, Polgar beginnt bei den "Basics" für den Leser, der gerade mal so die Figuren korrekt zu bewegen weiß. Dies ist im Band 2 beispielsweise das einzügige Schlagen mit der Dame und im Band 3 das Erkennen, dass die Dame einzügig bedroht ist und weggezogen werden sollte. Das Anforderungsniveau innerhalb des Kapitels steigt dann nach und nach im schon beschriebenen Umfang an.
Die Lösungen auf alle Aufgaben des Bandes findet der Leser gesammelt im Anschluss an die Aufgabenstellungen. Sie reduzieren sich auf den Schlüsselzug bzw. die kurze Folge des Schlüsselweges. Zusätzliche Erklärungen, Erläuterungen etc. werden nicht gegeben.
Die Buchsprache ist Englisch. Der komplette Aufgabenbereich und auch die Lösungen können ohne Fremdsprachkenntnisse aufgenommen werden.
Beide Bände sind auch als eBook erhältlich.
Fazit: Die beiden betrachteten Bände aus der Buchserie "Learn Chess the Right Way" sind Anfängerbücher, die dem Leser über das Lösen vieler Aufgabenstellungen ein Heben der Spielstärke ermöglichen.
Die Rezensionsexemplare wurden freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
The Tactician's Handbook
Victor Charushin
The Tactician's Handbook
240 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-941270-34-9
21,95 Euro
The Tactician's Handbook
"The Tactician's Handbook" von Victor Charushin war für mich im Zuge der Vorbereitung dieser Rezension ein Werk, dessen Wert mir erst deutlich geworden ist, als ich tiefer eingestiegen bin. Beim ersten lockeren Durchgehen fiel mir auf, dass alle Beispiele aus Schachpartien betagt sind, teilweise als historisch bezeichnet werden müssen. Auch fiel mir auf, dass der Begriff "Handbook" nach meinem Verständnis falsche Erwartungen würde aufkeimen lassen können. "The Tactician's Handbook" ist kein Handbuch, das sich mit dem kompletten Besteck der Schachtaktik befasst, sondern mehrere Besteckteile intensiv beleuchtet.
Der Fernschachspieler Victor Charushin ist als Autor angegeben, aber auch dies bedarf einer Erläuterung. Er hat insgesamt sieben Manuskripte verfasst, die sich jeweils einem taktischen Thema intensiv widmeten. Fünf dieser Themen sind in Büchern zu rund 100 Seiten Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts in Amerika veröffentlicht worden. Diese Bücher und die beiden bisher nicht publizierten Manuskripte bilden die Grundlage des vorliegenden Werkes, was damit auch die Angabe Victor Charushins als Autor begründet.
In der nun veröffentlichten Form hat es "The Tactician's Handbook" noch nicht gegeben. Für diese ist eine zusätzliche Autorenangabe gerechtfertigt, und zwar den deutschen Großmeister und bekannten Autor Dr. Karsten Müller betreffend. Er hat Charushins Werk durchgearbeitet, den Stoff auf den jetzt im Buch abgebildeten Umfang reduziert und alle Angaben auf Korrektheit überprüft. Die Varianten und Einschätzungen wurden auch mittels Computeranalysen auf Korrektheit durchleuchtet. Karsten Müller hat bei Bedarf korrigierend eingegriffen, Erläuterungen eingefügt und auch (ersatzweise) neue Beispiele und zuguterletzt auch noch Übungsaufgaben integriert. Er schreibt zu seiner Arbeit, dass er den Geist des ursprünglichen Werkes erhalten lassen wollte. Dies ist ihm gelungen und zugleich hat er dennoch seine eigene Handschrift deutlich hinterlassen.
"The Tactician's Handbook" ist bei Russell Enterprises in englischer Sprache erschienen. Schon an dieser frühen Stelle sei angemerkt, dass die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse nicht immer niedrig sind.
Das Werk umfasst ausweislich des Inhaltsverzeichnisses 21 Abschnitte, die von einem Vorwort Judit Polgars und den üblichen "technischen" Angaben ergänzt werden. Es ist recht schwierig, in einer Rezension genau zu beschreiben, was Charushin zum Gegenstand seiner Betrachtung aus dem Bereich der Schachtaktik gemacht hat. Dies liegt auch daran, dass er teilweise Motive, die herkömmlich voneinander getrennt behandelt werden, miteinander verwoben hat. Da dies aus einem praktischen Blickwinkel verständlich ist, finde ich seine Entscheidung durchaus gut. Teilweise hat er auch neue Namen kreiert bzw. ungewöhnliche Bezeichnungen gewählt.
Ich habe mich entschieden, die thematischen Schwerpunkte hier darzustellen, ohne mich an Kapitel und Bezeichnungen zu halten. Ich denke, dass ich den Leserinnen und Lesern meiner Rezension so am besten aufzeigen kann, was "The Tactician's Handbook" ihnen gibt.
Charushin geht intensiv auf Blockadezüge ein, die auf der sechsten (bzw. für Schwarz auf der dritten) Reihe als Angriffsmittel möglich sind. Die angreifende Partei kann auf diese Weise gegnerische Kräfte lahmlegen, vom Spiel ausschließen und Verteidigungsstellungen aufreißen. Es wird zumeist eine Figur eben auf der besagten Reihe zum Opfer angeboten. Korrekt ausgeführt bleibt dem Verteidiger nur die Wahl zwischen schlecht und ganz schlecht. Selbst die Dame ist für einen solchen Opfereinsatz nicht zu teuer. Fesselungen und Kreuzfesselungen sind das nächste Thema des Befassens. Dem folgt ein Bereich, der mit "Domination" überschrieben ist. Die Übersetzung mit "Dominanz" oder "Herrschaft" wäre eher etwas unglücklich bzw. nicht ausreichend für die Beschreibung des Inhalts. Es geht darum, eine eigene Überlegenheit aufzubauen, indem man gegnerische Potenziale schwächt, etwa weil man Einfluss darauf nimmt. So könnten Figuren Gegenstand des Handelns sein, die man vielleicht aussperren oder später auch erobern kann, aber auch Brettbereiche bis hin zum gesamten Spielfeld.
(Doppelte) Läuferopfer gegen die gegnerische Rochadestellung und die Ablenkung gegnerischer Verteidigungsfiguren sind die nächsten Schwerpunktthemen. Gleich zu Beginn hat Charushin hier ein Beispiel mit Damenopfer eingearbeitet, das die Schönheit des Schachspiels und seine - jawohl - Unberechenbarkeit unterstreicht.
Die Bauernumwandlung bzw. der Lauf des Bauern vom Ausgangsfeld bis hin zur Umwandlung ist das folgende Thema, bevor verschiedene weitere Motive in einer eher gesammelten Form das Ende der Betrachtungen bilden.
Die erwähnten und von Karsten Müller eingearbeiteten Übungen, mittels Diagramm an den Leser herangetragene Aufgaben, und die Lösungen dazu runden das Bild eines gut durchdachten Buches zur Schachtaktik ab.
Fazit: "The Tactician's Handbook" ist eine Empfehlung für den Leser, dessen Spielstärke die Anfangsgründe deutlich hinter sich gelassen hat. Er kann dann besser von ihm profitieren, wenn er bereits gute Grundkenntnisse zur Schachtaktik aufgebaut hat. Charushins Originalausführungen sind erhalten geblieben, soweit sie Überprüfungen standgehalten haben. Sie sind sehr logisch aufgebaut und geben Verständnis zur Materie teilweise auch über historische Herleitungen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
The King's Indian Defence - move by move
Sam Collins
The King's Indian Defence - move by move
239 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-404-2
20,95 Euro
The King's Indian Defence - move by move
"The King's Indian Defence - move by move" von Sam Collins bewirbt sich um Käufer in einem Bereich der Eröffnungsliteratur, der in der jüngsten Zeit sehr intensiv beackert worden ist - die Königsindische Verteidigung. Mit einem Blick in das umfangreiche Verzeichnis der vom Autor genutzten Quellen konnte ich feststellen, dass ich allein schon aus dem Bereich der genannten Spezialwerke ein halbes Dutzend für eine Rezension untersucht habe. Darunter waren Arbeiten wie das mehrbändige Monumentalwerk von Kotronias über eine stark von individuellen Erfahrungen und Sichtweisen geprägte Darstellung von Smirin bis zu mehr in die Richtung eines Generalisten gehende Buch von Kornev. Aber welches Werk ist das bestgeeignete für einen Spieler, der das Klubspielerniveau erreicht hat und sich an die schwer zu verinnerlichende Königsindische Verteidigung machen will, um sie richtig zu verstehen? Es ist in meinen Augen genau das hier rezensierte Werk "The King's Indian Defence" aus der "move by move"-Reihe von Everyman Chess, eine 2017er Neuerscheinung.
Aber im Einzelnen: Anhand von 29 sehr instruktiv erörterten Partien peitsch Collins, irischer IM und erfahrener Buchautor, den Leser geradezu in ein strategisches Verständnis hinein. Er arbeitet fortlaufend daraufhin, den Leser die strategischen Gedanken für Schwarz und auch für Weiß auf dem Schirm zu halten. Er dirigiert den Anziehenden regelmäßig auf den Damenflügel und arbeitet die Strukturen heraus, die für dessen aktives Spiel förderlich oder erforderlich sind, und macht dies für den Spieler mit Schwarz für den Königsflügel. Auch wenn das Buch aus der schwarzen Sicht geschrieben ist, vernachlässigt es die weiße Warte nicht. Im Wettlauf um Initiative und Angriff sind die weißen Möglichkeiten für den Nachziehenden natürlich ebenfalls äußerst wichtig, da sie nach Möglichkeit zu vermeiden sind; Collins sorgt dafür, dass der Leser immer beides im Blick behält. Allein soweit es darum geht, dass "The King's Indian Defence" auch ein Basisrepertoire anbietet, steht die weiße Seite in der Behandlung zurück. Allerdings ist dies beim vorliegenden Werk von einer eher niedrigen Bedeutung, da das Repertoire zu einem Eröffnungsboliden wie der Königsindischen Verteidigung in einem Buch wie diesem lückenhaft bleiben muss.
Das Inhaltsverzeichnis sieht wie folgt aus:
About the Author
Bibliography
Introduction
1 The Fianchetto Variation
2 The Classical Variation
3 The Sämisch Variation
4 Systems with h2-h3
5 Systems with Be2
6 Other Lines
Index of Variations
Index of Complete Games.
In der schulenden Kommentierung setzt Collins die für die "move by move"-Bücher typischen Fragen und Übungen ein, mit denen sich der Leser beim Durcharbeiten befassen soll. Wenn man sich diese gezielt anschaut, erkennt man, wie bewusst Collins sie platziert hat und wie sie - dies ist fast in jedem Einzelfall gut zu erkennen - ganz spezifisch wirken sollen. Zwei Alternativen dominieren dabei; dies ist zum Einen immer wieder der Anstubser für eine Auseinandersetzung mit der Strategie und zum Anderen mit ganz spezifischen taktischen Wendungen, die Collins oft mit den jeweiligen strategischen Ansätzen verwebt. So erfährt der Leser beispielsweise anhand einer Partie eine aussichtsreiche strategische Spielführung, die dann in einer besonderen taktischen Wendung quasi eine Krönung erhält.
Nicht selten wirkt "The King's Indian Defence" im Vergleich mit anderen "move by move"-Büchern etwas untypisch. Diese Aussage erklärt sich daraus, dass Collins in der Behandlung an wichtigen Stellen sowie an Stellen mit unterschiedlichen Fortsetzungsmöglichkeiten in Breite und Tiefe investiert. Hier verlässt er den Pfad der jeweiligen Partie und arbeitet quasi dem Repertoirewert des Werkes zu bzw. nimmt er Anleihen bei Monographien über Eröffnungen. Für den Klubspieler wie auch den Fernschachspieler dürfte dies den praktischen Nutzen weiter steigern.
Die Buchsprache ist Englisch, Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau reichen zumeist für ein bequemes Verstehen aus.
Beim Variantenverzeichnis war Schmalhans Küchenmeister, aber es ist immerhin vorhanden.
Fazit: "The King's Indian Defence" ist in meinen Augen ein sehr empfehlenswertes Lehrbuch zur Königsindischen Verteidigung für den Spieler ab Klubniveau.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
The Hyper Accelerated Dragon
Raja Panjwani
The Hyper Accelerated Dragon
226 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-94-9251-009-9
26,50 Euro
The Hyper Accelerated Dragon
"The Hyper Accelerated Dragon" aus der Feder des kanadischen IM Raja Panjwani, Neuerscheinung 2017 bei Thinkers Publishing, zählt zu jenen Büchern, die ich zur Vorbereitung meiner Rezension nicht am Stück in einem zusammenhängenden Zeitraum durchgehen konnte. Ich habe es mindestens ein halbes Dutzend Male in die Hand genommen, Feststellungen getroffenen und Bewertungen notiert und es dann wieder beiseitegelegt, um meine Arbeit später fortzusetzen. Der Grund hierfür liegt darin, dass mir zu mehreren Aspekten eine Einschätzung schlicht schwergefallen ist. Selbst nach dem nunmehr erreichten Abschluss meiner Arbeit bin ich mir nicht in allen Punkten schlüssig. Soweit dies der Fall ist, zeige ich dies dann entsprechend auf.
Die "Beschleunigte Drachenvariante" der Sizilianischen Verteidigung ist gegenüber der Normalvariante dadurch gekennzeichnet, dass Schwarz vor dem Fianchetto seines Königsläufers auf d7-d6 verzichtet. Die "Hyperbeschleunigte Drachenvariante", wenn ich mal den von Panjwani im Buchtitel verwendeten Namen eins zu eins ins Deutsche übernehmen darf, zieht g7-g6 ganz nach vorne, nämlich bereits in den zweiten Zug von Schwarz.
Oftmals sorgt dieses Vorziehen mehr oder weniger nur für eine Zugumstellung, doch muss dies nicht so sein. Zwei Folgen sind unmittelbar mit dieser Abweichung verbunden. Einerseits wird ein weißes 3.Lb5 vermieden, vor allem also der Rossolimo-Angriff. Demgegenüber wird nach 3.d4 cxd4 das Zurückschlagen mit der Dame mittels 4.Dxd4 mit Angriff auf den Th8 möglich. Folgerichtig und wie man es auch erwarten muss nimmt Panjwani die sich damit ergebenden Möglichkeiten ins Visier und widmet ihnen ein eigenes Kapitel.
"The Hyper Accelerated Dragon" umfasst insgesamt sieben Kapitel, das Inhaltsverzeichnis hat in einer deutschen Übersetzung das folgende Aussehen:
Kapitel 1: Klassische Variante (Le2)
Kapitel 2: 7.Lc4: Anti-Jugoslawischer Angriff
Kapitel 3: 7.Lc4: Mein System
Kapitel 4: Maroczy-Aufbau: Breyer-Variante
Kapitel 5: Maroczy-Aufbau: Hauptvariante
Kapitel 6: Variante mit 4.Dxd4
Kapitel 7: Anti-Sizilianer Alapin-Variante und Morra-Gambit.
Panjwani stellt heraus, dass sein Werk nicht unter den Ansprüchen an eine Monographie geschrieben worden ist und es auch kein Repertoirebuch im üblichen Sinn sein soll. Es ist ein Buch über SEIN Repertoire. Mehr als in anderen Büchern dieses Genres haben damit persönliche, subjektive Aspekte Einfluss auf die Auswahl der schwarzen Zugmöglichkeiten gefunden. Dieser Anspruch wird besonders über das dritte Kapitel deutlich, das übersetzt den anspruchsvollen Titel "7.Lc4: Mein System" trägt. Aus einer Selbsterkenntnis heraus, dass ihm nach 1.e4 c5 2.Sf3 g6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 Lg7 6.Le3 Sf6 7.Lc4 (ECO B35) ein gutes Vorgehen fehlte, entwickelte er die Idee, Manöver aus der Taimanov-Variante, die ebenfalls zu seinem Repertoire als Spieler zählt, in die beschleunigte Drachenvariante zu übertragen. Seine zentrale Idee ist dabei der Bauernzug e7-e6, der eventuell gegen Lc4 gestellt werden soll. Es sei erwähnt, dass zu diesem Zeitpunkt seiner Betrachtung das Spiel in herkömmliche Bahnen der beschleunigten Drachenvariante übergegangen ist, aus einem "hyper-beschleunigten" Vorgehen resultierende Besonderheiten somit keine Rolle mehr spielen. Sein als "Mein System" vorgestelltes Vorgehen gibt er dem Leser als Alternative zu 7…Da5 an die Hand, das Gegenstand des zweiten Kapitels ist. Panjwani erhebt den Anspruch, mit seinem Aufbauplan ein komplett neues System erfunden zu haben, erklärt aber zugleich, dass es zweifellos nicht komplett ist und weiterer Betrachtungen bedarf.
Ich vermag nicht einzuschätzen, inwieweit Panjwanis strategische Ansätze objektiv erfolgversprechend sind. Sie sind aber logisch und nachvollziehbar und in seiner Hand am Brett erfolgreich. Sie sind Neuland und damit gut geeignet, den Gegner in ein für ihn unbekanntes Terrain zu führen. Ich habe mal meine Partiendatenbanken durchforstet und gesucht, was mir an praktischem Material vorliegt. Für Panjwanis Hauptvariante 7.Lc4 0-0 8.Lb3 a6 9.0-0 Dc7 10.f4 d6 11.h3 Sa5 12.Dd3 b5 13.Sd5 Sxd5 14.Lxd5 Lb7 15.b3 e6 endet dies bei einer bescheidenen Einzelpartie.
Mit seinem 15. Zug hat Schwarz den strategischen Plan umgesetzt - e7-e6 als Antwort auf Lc4, …a6, …Dc7, …b5, …Sa5. In der betrachteten Variante nicht, aber grundsätzlich setzt er zudem auf ein spätes Manöver Sf6-e8-d6.
Nach den beiden Kapiteln 4 und 5, die sich dem Maroczy-Aufbau (c2-c4) widmen, befasst sich Kapitel 6 mit 4.Dxd4, das aufgrund der "Hyper-Beschleunigung" mit Angriff auf den Th8 möglich wird. Für mich ist das, was aus dieser Besonderheit folgt, theoretisches Neuland. Panjwani bleibt keine Antworten auf weiße Schlüsselzüge schuldig. Ob diese aber die Feststellung erlauben, dass Schwarz bei einem korrekten weißen Spiel immer in zumindest die Nähe des Ausgleichs kommen kann, muss ich selbst als Antwort schuldig bleiben. Diese Frage lässt sich zur Verwendung in einer Rezension nicht abschließend mit einem angemessenen Aufwand klären.
Panjwani setzt sowohl ausgeprägt auf Texterläuterungen als auch auf reichlich Varianten. Für mich persönlich nehme ich das Ergebnis als eine gesunde Mischung wahr, die den Leser Panjwanis Gedanken und Auffassungen gut nachvollziehen lässt und konkrete Folgen sichtbar macht. Varianten können sich auch schon mal über viele Züge hinziehen, so dass sie fortschreitend Beispielcharakter erlangen und so einen Veranschaulichungswert entwickeln.
Ich sehe von diesem Werk besonders den Klubspieler angesprochen, der neben einem besonderen und praxiserprobten Repertoire auch noch die Möglichkeit erhält, seinem Gegner vom zweiten Zug an etwas Neues vor die Nase zu setzen. Daneben sehe ich aber auch keinen Grund, dass der für Neues offene Klassespieler seine Aufmerksamkeit Ranjwanis Ideen versagen sollte. Der Fernschachspieler, der sich der beschleunigten Drachenvariante allgemein bedient, sollte vorab besonders prüfen, inwieweit er mit den Folgen der "Hyper-Beschleunigung" zurechtkommen könnte.
Panjwani meint, dass Computer häufig, wenn sie im Bereich seines Repertoires herangezogen werden, Weiß einen leichten Vorteil einräumen. Er sieht eine Parallele etwa zur Königsindischen Verteidigung, die von den Engines ebenfalls hinsichtlich der schwarzen Chancen regelmäßig unterbewertet wird. Es entzieht sich meiner Einschätzung, ob ihm hier zuzustimmen ist.
Leider fehlt ein Variantenverzeichnis, das der Orientierung im Stoff gutgetan hätte.
Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind mit einem ordentlichen Schulenglisch zu stemmen.
Fazit: "The Hyper Accelerated Dragon" stellt dem Leser ein persönliches Repertoire des Autors zur Verfügung, das dieser teilweise nicht nur zusammengestellt, sondern theoretisch selbst herausgearbeitet hat. Es fußt als Besonderheit auf dem frühen Zug g7-g6 in der Sizilianischen Verteidigung. In Teilen zeigt es einen durchaus als experimentell zu beschreibenden Charakter, in Teilen greift es auf theoretisch Bekanntes und Erprobtes zurück.
Nicht zuletzt auch wegen etlicher neuartiger Ideen und unabhängig davon, dass es nicht in allen Punkten mit einem klaren Rezensionsurteil gerecht behandelt würde, verdient das Werk eine deutliche Empfehlung.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
The Catalan - move by move
Neil McDonald
The Catalan - move by move
300 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-263-5
19,95 Euro
The Catalan - move by move
Ich habe schon einige Bücher aus der "move by move"-Serie von Everyman Chess rezensiert, die hier besprochene 2017er Neuerscheinung "The Catalan" greift in den Kampf um den Titel des besten Bands insgesamt mit ein. Geschrieben hat das Werk Neil McDonald, Großmeister und anerkannter Autor von der britischen Insel. Dies ist seine dritte Arbeit für die genannte Buchreihe.
Die Katalanische Eröffnung ist quasi ein Damengambit mit Fianchetto des Königsläufers. Sie wird bevorzugt von Spielern angesteuert, die ihre Stärken in einem positionellen Kampf sehen, der von beiden ein genaues Spiel fordert und mit nur sanften Veränderungen auf dem Brett einhergeht.
Ein "Geheimnis", das die Katalanische Eröffnung nach Neil McDonald in sich trägt, verrät er auf Seite 207. Sinngemäß ins Deutsche übersetzt schreibt er: "Starke Spieler schwimmen/straucheln oft in Stellungen, in denen sie leicht schlechter stehen und in denen sie keinen konstruktiven Plan haben. Allgemein gesagt lieben es die Spieler, etwas zu tun zu haben. Wenn es nichts Gutes gibt, dann finden sie etwas Schlechtes." Hinter diesen Worten steckt die Aussage, dass die Katalanische Eröffnung auch eine gute Wahl gegen Gegner ist, denen das lange Kneten einer Stellung mit minimalen Veränderungen als Resultat nicht liegt und die dann irgendwann die Geduld verlieren.
McDonald hat 43 Partien aus dem aktuellen meisterlichen Turniergeschehen im Stil der "move by move"-Reihe kommentiert. In vier Teilen mit insgesamt 10 Kapiteln führt er den Leser anhand dieser Partien in die Theorie der Katalanischen Eröffnung ein und stellt für ihn damit zugleich ein Grundrepertoire zusammen. Aus dem Fernschach hat er keine Beispiele gewählt.
Vor dem tiefen Einstieg geht er auf die Zugfolgen ein, die zur Themaeröffnung führen, und auch auf Zugumstellungen. Er empfiehlt dem Leser, zunächst mehr in die späteren Kapitel zu schauen und erst dann in diesen Bereich. Dies ist ein bemerkenswerter Hinweis, denn so stellt er einerseits sicher, dass der interessierte Leser gleich zu Beginn die Standardzugfolgen aufnehmen kann, wenn er denn möchte; andererseits lässt er ihn zunächst einen Überblick über die Stellungsstrukturen gewinnen, bevor er sich den Wegen hinein widmet, solange er dem Rat des Autors folgt.
Bezogen auf die Kerndarstellungen zur Theorie und in einer sinngemäßen deutschen Übersetzung sieht das Inhaltsverzeichnis wie folgt aus:
Einführung
Zugfolgen und Zugumstellungen
Teil 1 - 1 d4 d5 2 c4 e6 3 Sf3 Sf6 4 g3
1. Geschlossenes Zentrum mit 4...Le7 oder 4...Lb4+
Teil 2 - Schwarz räumt das Zentrum mit 4...dxc4
2. Weiß spielt auf Rückgewinn des Bauern mit 5 Da4+
Teil 3 - Weiße Entwicklung mit 5 Lg2
3. Schwarz spielt auf ein Halten von c4 mit 5...b5, 5...a6 oder 5...c6
4. Schwarz spielt 5...Lb4+ oder 5...Sc6 6 Da4 Lb4+
5. Schwarz spielt im Zentrum mit ...c7-c5
6. Schwarzer Gegenangriff mit ...Ld7 und ...Lc6
Teil 4 - 4...Le7 5 Lg2 0-0 6 0-0 dxc4
7. Hauptlinie: 7 Se5
8. Hauptlinie: 7 Dc2 b6 oder 7...b5
9. Hauptlinie: 7 Dc2 a6 8 a4
10. Hauptlinie: 7 Dc2 a6 8 Dxc4.
McDonald arbeitet sehr ausgeprägt mit Textkommentaren. Varianten beschränken sich zumeist auf eine erste Ebene und sind zuvorderst Beispiel jeweils für das, was er zuvor textlich ausgeführt hat. Dabei fällt auf, dass er sich intensiv regelmäßig auch der Frage widmet, wie die Spielführung als solche aussehen sollte, also den strategischen Aspekten. Wie es das Aushängeschild der "move by move"-Serie von Everyman Chess ist, hat er kontinuierlich, aber zugleich auch gut dosiert sogenannte "Questions" und "Exercises" eingearbeitet, also Fragen und Übungsaufgaben. Diese richten sich an den Leser als Stellvertreter für einen "Präsenzschüler" des Schachlehrers, in dessen Rolle der Autor geschlüpft ist. Hierdurch einbezogen setzt sich der Leser von McDonald angeleitet ebenso kontinuierlich mit den wesentlichen Ideen, Anforderungen, Besonderheiten etc. der Katalanischen Verteidigung auseinander. Ob seine Antworten und seine Lösungen richtig sind, erfährt der Leser sogleich im Anschluss im Rahmen der weiteren Kommentierung.
Die jeweils erste Übung und erste Frage zeigen schon sehr gut an, welchen Ansätzen der Autor folgt. So erklärt er vor der ersten "Exercise", dass Spieler mit Schwarz den Aufbau mit einem Läufer auf e7 bevorzugen. Er ergänzt, dass die Theorie das Zwischenschalten eines Schachgebotes auf b4 empfiehlt, worauf der weiße Läufer sich auf d2 dazwischen stellt und erst dann der eigene Läufer zurück nach e7 geführt wird. Er fordert den Leser nun auf, die Gründe hierfür herauszuarbeiten.
Die bald folgende erste Fragestellung richtet sich konkret auf einen Zug. "Is this a strong and sensible move", skizziert die Problematik, der sich der Leser stellen soll.
Es wird durchgehend deutlich, dass McDonald über eine große Erfahrung als Großmeister mit der Katalanischen Eröffnung im Repertoire verfügt und ein ebenso erfahrener und anerkannter Trainer ist. Er zählt zu jenen Autoren, denen es in einer besonderen Weise gelingt, beides ebenso gut in eine Buchform zu fassen.
Gelegentlich ist zu lesen, wie Stockfish eine bestimmte Stellung bewertet und welche Fortsetzung die Engine empfiehlt. Der Computer hat also auch als "Dienstleister für Berechnungen" mitgewirkt.
Man kann erkennen, dass McDonald das Werk in seiner Muttersprache verfasst hat. Auch wenn das Bemühen zu sehen ist, möglichst einfache Satzstrukturen zu verwenden, sind die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers höher als in vielen anderen Schachbüchern. Dies liegt daran, dass sich das verwendete Vokabular nicht selten aus einem gehobenen Wortschatz bedient. Wer alles verstehen möchte und sich nicht scheut, einige Bedeutungen nachzuschauen, muss diese Anforderungen nicht als Hinderungsgrund sehen. Die intensive Art und Weise der Besprechung im Stil McDonalds führt dazu, dass der Leser viel Text aufnehmen muss. Um dies einigermaßen bequem tun zu können, ist eine gewisse Übung Voraussetzung.
Ein ordentliches Variantenverzeichnis und ein Partienverzeichnis komplettieren das Werk.
Fazit: "The Catalan" ist eines der besten Bücher, die ich zu Eröffnungsthemen aus der "move by move"-Reihe von Everyman Chess bisher rezensieren durfte. Der Leser wird ausgezeichnet angeleitet, um die Eröffnung mit Sinn und Verstand einsetzen zu können. Hinzu erhält er ein Grundrepertoire, das ihn für den Einsatz im Klubspiel bereits gut präpariert.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Training with Moska
Viktor Moskalenko
Training with Moska
349 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-676-3
27,95 Euro
Training with Moska
In die Buchkategorie "nichts für nur einen flüchtigen Kontakt" ist das Werk "Training with Moska" einzuordnen, eine bei New In Chess (NIC) jüngst erschienene neue Arbeit von Viktor Moskalenko. Für den noch lernenden Spieler ist diese Ergänzung auf dem Büchermarkt zugleich ein Lehr- und ein Trainingsbuch, für den stärkeren Spieler ein Trainingsbuch allein. Moskalenko sieht von ihm Spieler ab einer Elozahl von 1400 angesprochen und bezeichnet die 2100 als oberes Ende.
Der Autor, Großmeister, FIDE Senior Trainer und Verfasser bereits mehrerer von der Schachwelt ausgezeichnet angenommener Bücher, ist ein sehr erfahrener Schachlehrer und Trainer. Aus seinem Praxismaterial hat er mit "Training with Moska" einen Kurs zusammengestellt, der dem Leser ein qualifiziertes autodidaktisches Studium erlaubt und anderen Lehrern und Trainern als Arbeitsgrundlage dienen kann. Er ist so reichhaltig, dass er tatsächlich Beschäftigung für Monate, wenn nicht sogar wiederkehrend und dann für Jahre bietet.
Das Werk besteht aus drei Teilen. Im ersten Abschnitt geht es um die Elemente der Schachtaktik, von Doppelangriff über Fesselung und Zugzwang bis hin zur "wundersamen Rettung". Der zweite Teil befasst sich mit der Strategie, z.B. mit der Platzierung von Bauern und Figuren sowie mit statischen und dynamischen Merkmalen. Diese beiden Bereiche vermitteln Wissen und Anwendungserfahrung, die im dritten bereits Verwendung finden können. In diesem geht es dann um die Endspielführung.
Ganz bewusst habe ich den Begriff "Anwendungserfahrung" gebraucht, weil Moskalenko nicht einfach nur seine Kenntnisse niedergeschrieben hat, sondern im Buch von Anfang bis Ende beständig den Leser einbezieht. Fortlaufend werden ihm Fragen und Aufgaben zum aktuellen Besprechungsgegenstand gestellt, die ihm Übung im Umgang damit vermitteln. Die Lösungen findet der Leser gesammelt im Anschluss an den theoretischen Stoff. Diesen folgt ein neuer Bereich mit Aufgabenstellungen, die den Leser allerdings in eine Examenssituation führen. Diese Aufgaben sind nicht nach Motiven sortiert, der Leser muss das ganze Spektrum des Stoffes aus dem ersten Abschnitt parat haben und anwenden. Eine besondere Unterstützung durch Hinweise des Autors erfährt er dabei nicht, er ist wie in seiner eigenen Partie auf sich allein gestellt.
Aus dieser Darstellung wird das Muster in Moskalenkos Aufbau, das für alle drei Teile des Buches gilt, deutlich. Zunächst wird der jeweilige Gegenstand des Interesses intensiv besprochen. Anhand von fortlaufenden Übungen wird der Leser einbezogen. Hinweise und Rückschlüsse, die der Leser sein Wissen steigernd aus der aktuellen Besprechung mitnehmen soll, generalisieren die Erkenntnisse aus den Beispielen. Anhand von besonders herausfordernden Diagrammaufgaben muss er dann sein "Examen" ablegen.
Insgesamt sieht sich der Leser mehr als 500 Aufgabenstellungen gegenüber, über die oben skizzierten drei Teile hinweg.
Die "Examensaufgaben" zur Strategie und zu den Endspielen entscheiden sich insoweit von jenen im Abschnitt zur Taktik, dass sie konkretisierende Hinweise zur Aufgabenstellung enthalten können. Weitere Unterschiede ergeben sich nicht.
Moskalenko arbeitet mit Symbolen, die Textstellen markieren und dabei anzeigen, worum es in diesen tendenziell geht. So zeigt ein Klemmbrett beispielsweise einen Plan an, ein Achtung-Schild etwas zum Einprägen und ein Statistiksymbol allgemeine Daten an, denen der Autor Bedeutung zum Thema beimisst.
Der Leser, der sich intensiv mit "Training with Moska" befasst, wird in meinen Augen zweifellos an Spielverständnis und Spielstärke gewinnen, wenn er nicht schon für besonders hohe Weihen prädestiniert ist. Seinen höchsten Wert für den Leser wird das Buch dann entfalten, wenn er sich einen durchgearbeiteten Stoff erneut vornimmt, vielleicht unmittelbar darauf oder auch erst in einem gewissen zeitlichen Abstand.
Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind an sich nicht hoch, der im Buch verwendete Wortschatz aber geht bisweilen über die Standardbreite hinaus. Ich bin nicht umhingekommen, einige Bedeutungen nachzuschauen, um zweifelsfrei verstehen zu können. Insgesamt aber sollte der Leser mit einem ordentlichen Schulenglisch keine nennenswerten Probleme mit dem Werk haben.
Vom Cover abgesehen gefällt mir schlicht alles an Moskalenkos neuem Werk.
Fazit: "Training with Moska" ist ein ausgezeichnetes Lehr- und Trainingsbuch. Es richtet sich an eine breite Palette von Spielern, vom ungeübten Schachfreund bis hin zum starken Klubspieler. Der Leser, der bereit ist, konzentriert, diszipliniert und mit dem dafür erforderlichen Zeiteinsatz mit dem Werk zu arbeiten, es möglichst sogar wiederkehrend in die Hand zu nehmen, wird ein besserer Spieler werden.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Mastering queen vs piece endgames
Efstratios Grivas
Mastering queen vs piece endgames
308 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-615-80713-1-4
24,95 Euro
Mastering queen vs piece endgames
"Mastering queen vs piece endgames" ist ein weiterer Band aus der Reihe "The Modern Endgame Manual" des Autoren-Trios Adrian Michaltschischin, Csaba Balogh und Efstratios Grivas, das von Chess Evolution herausgegeben wird. Dieser Band ist von Grivas geschrieben worden.
In insgesamt sieben Kapiteln werden alle Endspiele behandelt, in denen sich eine Dame mit und ohne eigene Bauernbegleitung mit gegnerischen Konstellationen auseinanderzusetzen hat, die aus einer Dame mit Figuren, mit Figuren und Bauern und alles ohne eine Dame bestehen. Innerhalb der Kapitel gibt es für jede aufgegriffene Konstellation einen eigenen Abschnitt.
Der nachfolgende übersetzte Ausschnitt aus dem Inhaltsverzeichnis gibt Auskunft über die Struktur der stofflichen Behandlung sowie über deren Schwerpunkte. Das Kapitel drei, das sich mit den besonders wichtigen Endspielen mit Türmen befasst, habe ich exemplarisch um die "internen" Abschnitte erweitert. Die Unterteilung der weiteren Kapitel ist ähnlich, wenn auch nicht so umfangreich wie im genannten.
KAPITEL 1. DAME VS DAME & LÄUFER
KAPITEL 2. DAME VS DAME & SPRINGER
KAPITEL 3. DAME VS TURM
Dame vs Turm & Bauer
Dame vs Turm & Bauern
Dame & Bauern vs Turm & Bauern
Dame vs zwei Türme
Dame vs zwei Türme & Bauern
Dame & Bauern vs zwei Türme & Bauern
Dame vs Turm & Leichtfigur
Dame vs Turm & zwei Leichtfiguren
Dame vs zwei Türme & Leichtfigur
Dame & Leichtfigur vs zwei Türme
KAPITEL 4. DAME VS LÄUFER & BAUERN
KAPITEL 5. DAME VS SPRINGER & BAUERN
KAPITEL 6. DAME VS LÄUFER & SPRINGER
KAPITEL 7. DAME VS DREI LEICHTFIGUREN.
Auch dieser Band orientiert sich so wie seiner Vorgänger klar an den Praxisbedürfnissen des Spielers. Einen sehr interessanten und sicher wichtigen Aspekt hierzu aus dem heutigen Turnierschach erwähnt Grivas bereits in seinem persönlichen Vorwort. Er weist darauf hin, dass im heutigen Turnierschach mit deutlich weniger Bedenkzeit als früher gespielt wird. Daraus leitet er ab, dass der Spieler mehr als früher ein klares Endspielwissen benötigt, um seine Entscheidungen in der Praxis schnell treffen zu können, denn für weite Herleitungen reicht die Zeit nicht aus.
"Mastering queen vs piece endgames" ist von vorne bis hinten gleich durchstrukturiert. Zunächst wird die jeweilige Kräftekonstellation kurz eingeleitet. Hiermit verbindet Grivas die klare Aussage zum Potenzial, das sich für beide Seiten ergibt, ob beispielsweise eine Gewinnmöglichkeit besteht oder nicht. Wenn es zwar eine bestimmte Richtung zur Erfolgsaussicht gibt, von bestimmten Umständen abhängende Ausnahmen aber möglich sind, dann spricht er diese ebenfalls an. Sodann beschreibt er die Richtschnur, nach der die Parteien ihre Spielführung richten sollten.
Diese jeweilige Einleitung ist für den Leser quasi Lehrsatz und Fazit zugleich. "Gewinnbar, ja oder nein, wie ist vorzugehen, wie kann sonst ein Remis zu erreichen versucht werden?", das ist es, was der Leser jeweils gleich zu Beginn erfährt.
Anhand von Beispielen aus der Praxis illustriert Grivas in der Folge die Umsetzung. Die Konkretisierung ist die eigentliche Anleitung des Lesers. Hier erfährt er auch etwas über gute Entscheidungen und über Fehler, die aber nicht mehr wie eine Art Lehrsätze zu betrachten sind, sondern Aspekte aus Einzelfällen skizzieren.
Aus herkömmlichen Lehrbüchern zu Endspielen kennt man teilweise sehr differenzierte Anleitungen zu Manövern, bei denen sogar bestimmte und ganz konkrete Feldersituationen behandelt werden. So erfährt der solche Bücher durcharbeitende Leser beispielsweise, dass eine Figur bei einem gegnerischen sowieso auf dem Feld xy nur gewinnen kann, wenn er auf den Feldern von xyz bis zyx steht, nicht aber auf abc oder auf cba. Ich habe mich früher schon immer gefragt, wie hoch der Praxiswert für einen herkömmlichen Klubspieler sein soll, diese Ausnahmesituationen zu beherrschen, und wie hoch seine Motivation sein muss, um dies alles zu studieren. Mir selbst jedenfalls hat dazu immer der Ehrgeiz gefehlt.
Die Buchreihe "The Modern Endgame Manual" beschränkt sich ausdrücklich auf die Endspiele, die der Leser mit großer Wahrscheinlichkeit immer wieder mal auf das Brett bekommen kann. Die Ausnahmesituationen mit den verquicktesten Konstellationen lassen die Bände dieser Reihe außen vor und so ist es auch beim vorliegenden Buch.
Meine Anmerkung oben, dass der Spieler am Brett heute weniger Zeit für seine Endspielführung hat als Turnierspieler früher, ist nicht in gleicher Weise auf Fernschachspieler zu übertragen. Hier bleibt im herkömmlichen Spiel weiterhin genügend Zeit für ein durchdachtes Vorgehen. Auch in einer Zeit der Computerunterstützung sollte der Spieler in groben Zügen wissen, wie das Endspiel zu bewerten ist. In der Praxis ist es immer wieder anzutreffen, dass ein Spieler sich offenkundig von einem positiven Engineurteil vor Erreichen der Tablebases blenden lässt und auf einen Gewinn spielt, der nur ein Luftschloss ist. Paradefall sind Endspiele mit ungleichfarbigen Läufern, in denen der Gegner einen Bauernvorteil umzusetzen versucht, ohne dass sein Läufer das Umwandlungsfeld seines Kandidaten Bauern bestreichen kann. "Mastering queen vs piece endgames" ist ein gutes Werk, um genau das Verständnis für Damenendspiele zu vermitteln, das für das absolute Gros der Partien gebraucht wird.
Die Buchsprache ist Englisch, Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau reichen für ein gutes Verstehen aus.
Fazit: "Mastering queen vs piece endgames" ist eine klare Empfehlung für den regelfesten Anfänger bis zum Klubspieler, der seine Endspielfertigkeiten im vom Werk abgedeckten Stoffgebiet praxisorientiert ausbilden möchte.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Grandmaster Repertoire: The Nimzo-Indian Defence
Michael Roiz
Grandmaster Repertoire: The Nimzo-Indian Defence
383 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78483-027-4
25,99 Euro
Grandmaster Repertoire: The Nimzo-Indian Defence
Mit der Serie "Grandmaster Repertoire" hat Quality Chess neue Maßstäbe im Bereich der Repertoirebücher gesetzt. Inzwischen ist die Serie rund 10 Jahre alt und stattlich mit Werken zu einer breiten Palette von Eröffnungen gefüllt. Mit dem neuen Spezialwerk "The Nimzo-Indian Defence" hat der israelische und frühere Top-40-Spieler Michael Roiz eine wichtige Lücke gefüllt. Auf rund 380 Seiten stattet er Schwarz mit einem Komplettrepertoire der Nimzoindischen Verteidigung aus, also für alles nach 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4. Das Buch ist eine Neuerscheinung aus dem laufenden Jahr 2017.
Als "echtes Repertoirebuch" ist es aus der Warte von Schwarz geschrieben. Dies bedeutet, dass der Leser für alle weißen beachtenswerten Zugalternativen Empfehlungen des Autors vorfindet, soweit sie auf schwarze Variantenentscheidungen folgen können. Die schwarzen Möglichkeiten werden im Buch aber nur dann behandelt, wenn Roiz sie zu seinen Empfehlungen erhoben hat. Dies sei am Kapitel 17 genauer erklärt, das erste Kapitel zur Klassischen Variante. Roiz schreibt in einer sinngemäßen Übersetzung zu 4…d5: "Neben anderen Optionen hat Schwarz auch die Möglichkeit zu 4…0-0 und 4…c5, die als die beiden weiteren Hauptzüge zu bezeichnen sind. Ich kann nicht behaupten, dass der Textzug besser ist, aber ich habe mich auf ihn als meine Empfehlung festgelegt."
Im zweiten Hauptsystem, der mit 4.e3 eingeleiteten Rubinstein-Variante, orientiert sich Roiz an der Weichenstellung 4…0-0.
Um sicherzugehen, dass ein gesuchter Inhalt tatsächlich im Werk zu finden ist, müsste der Interessent das vollständige Variantenverzeichnis einsehen. Das nachstehende auszugsweise abgebildete Inhaltsverzeichnis gibt insoweit nur einen eingeschränkten Einblick.
Various 4th Moves
Kapitel 1: Rare Options
Kapitel 2: 4.Qb3
Kapitel 3: 4.Bd2
Kapitel 4: 4.Bg5
Kapitel 5: 4.f3
Kapitel 6: 4.a3
Kapitel 7: 4.g3
Kapitel 8: 4.Nf3
Kapitel 9: 4.Nf3 - Main Line
4.e3
Kapitel 10: Rare 5th Moves
Kapitel 11: 5.a3
Kapitel 12: 5.Nge2
Kapitel 13: 5.Bd3
Kapitel 14: 6.a3
Kapitel 15: 6.Nf3
Kapitel 16: 10.Bg5 - Main Line
4.Qc2
Kapitel 17: Various 5th Moves
Kapitel 18: 5.a3
Kapitel 19: 7.Nf3
Kapitel 20: 7.Bg5
Kapitel 21: 5.cxd5
Kapitel 22: 6.e3 c5 7.Bd2
Kapitel 23: 6.Nf3
Kapitel 24: 7.Qb3
Variation Index
Das Variantenverzeichnis ist sehr detailliert und auf den letzten Buchseiten zu finden. Jedes Kapitel enthält auf der jeweils ersten Seite einen Auszug daraus, soweit es den skizzierten Stoff behandelt. Zur Orientierung über alle Buchinhalte hinweg ist diese Lösung optimal.
Als Zwischenfazit bleibt für mich festzuhalten, dass "The Nimzo-Indian Defence" es schafft, eine so komplexe Eröffnung wie die Nimzoindische Verteidigung in einem einzigen Repertoireband unterzubringen, aber eben unter der Maßgabe, die Auswahl der dem Nachziehenden empfohlenen Wege strikt und teilweise auch einschneidend zu limitieren.
Bisweilen reduziert Roiz den Buchumfang auch dadurch, dass er auf wichtige Partien hinweist, sie aber nicht fragmentarisch aufnimmt. So kann der Leser das jeweilige Spiel in seiner Datenbank aufrufen und als Beispiel für einen Aspekt einer gelungenen Spielführung heranziehen oder sie sich ggf. zu verschaffen.
"The Nimzo-Indian Defence" bedient sich des klassischen Aufbaus eines Eröffnungsbuches. Die Theorie wird durch einen Baum aus Haupt- und Nebenvarianten strukturiert. Vollständige Partien enthält das Werk nicht, auch nicht zur Illustration.
Michael Roiz erklärt sehr viel, setzt dabei aber auch einiges an Fertigkeiten beim Leser voraus. Soweit es um strategische Grundgedanken geht, holt er auch den unerfahrenen Spieler ab. Dies sieht erneut am Beispiel des 17. Kapitels zur Einleitung der Klassischen Variante (4.Dc2) wie folgt aus: Roiz erklärt die Grundidee des Damenzuges mit der Vorbereitung von a2-a3, ohne einen Doppelbauern auf der c-Linie entstehen zu lassen, und der Unterstützung eines eventuellen Vorstoßes e2-e4. Wenn es späterhin dann aber um den qualifizierten Umgang mit bestimmten Stellungsmerkmalen geht, muss der Leser alleine wissen, was sie bedeuten und was zu tun ist. Dies gilt beispielsweise für abschließende Hinweise wie "der König steckt in der Mitte fest" und "die Schwäche der hellen Felder im Lager des Anziehenden gibt Schwarz genügend Raum für ein Konterspiel".
"The Nimzo-Indian Defence" ist ein Buch für den Klubspieler aufwärts, auch der schon sehr versierte Spieler dürfte noch einiges für sich finden. Dies hängt auch damit zusammen, dass das Werk mit zahlreichen Neuerungen gespickt ist, durchaus auch für die noch frühe Partiephase. Soweit der Autor sie als besonders bemerkenswert ansieht, werden sie schon auf der Titelseite des jeweiligen Kapitels angezeigt, mit Diagramm und einem Hinweis, wo im späteren Text mehr dazu zu finden ist (bezeichnet nach der Gliederungsziffer). Natürlich heißt Neuerung nicht immer zugleich auch Verbesserung. Auf der Suche nach neuen Ideen wird der Leser für Schwarz auf jeden Fall bemerkenswert oft fündig werden.
Das Buch ist locker und mit recht einfachen Satzkonstruktionen geschrieben, was dem fremdsprachigen Leser das Verstehen erleichtert. Das verwendete Vokabular ist ebenfalls unauffällig, so dass ein mit Schulenglisch ausgestatteter Leser ohne größere Probleme gut mit ihm arbeiten können wird.
Der Rezension lag eine kartonierte Ausführung zugrunde. Das Werk kann auch in gebundener Fassung bezogen werden, dann mit einem preislichen Aufschlag von 4 Euro.
Fazit: Ich mache es kurz: ein weiteres Top-Repertoirebuch aus der Grandmaster Repertoire-Serie von Quality Chess.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Winning with the Slow (but Venomous!) Italian
Dr. Karsten Müller, Georgios Souleidis
Winning with the Slow (but Venomous!) Italian
234 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-674-9
27,95 Euro
Winning with the Slow (but Venomous!) Italian
"Winning with the Slow (but Venomous!) Italian" ist ein Buch, das in mehrfacher Hinsicht zu erwähnende Besonderheiten aufweist. Es ist ein bei New In Chess (NIC) erschienenes Gemeinschaftswerk von Dr. Karsten Müller, GM und Autor so geschätzter Erzeugnisse wie "Bobby Fischer: The Career and Complete Games of the American World Chess Champion", "Schachendspiele", DVD-Serie bei ChessBase und "Gelfand-Anand 2012: Match for the World Chess Championship", und IM Georgios Souleidis.
Die beiden Verfasser haben es sich zur Aufgabe gemacht, dem Leser ein Repertoire für Weiß zu vermitteln, das in die Italienische Partie führt. Es stützt sich auf den langsamen, dafür aber ultra-soliden und nachhaltigen Aufbau mit c2-c3 und d2-d3 und verzichtet somit auf den frühen Doppelschritt d2-d4.
Die erste der zu erwähnenden Besonderheiten liegt darin, dass vor wenigen Wochen ein deutschsprachiges Werk mit dem Titel "Italienisch mit c3 und d3" von den beiden Autoren im Joachim Beyer Verlag erschienen ist. Dieses Buch lag mir ebenfalls für eine Rezension vor, ich habe es aber an zu diesem Zweck einen Kollegen weitergegeben, so dass mir keine unmittelbaren Vergleiche möglichen waren. Um zu klären, welche Unterschiede es zwischen beiden Büchern gibt, habe ich Dr. Müller angeschrieben. Er hat mir bestätigt, dass beide Titel bis auf drei schachliche Ergänzungen im deutschen Buch identisch sind, wobei es sich nicht um Fehlerkorrekturen handelt, sondern um Reaktionen auf aktuelle Entwicklungen bzw Artikel.
Die Herangehensweise der beiden Verfasser, dem Leser ein Repertoire einzupflanzen (diesen Ausdruck verwende ich ganz bewusst), darf ich als mustergültig bezeichnen. Sie ist konzeptionell eine weitere Besonderheit, einzelne Schritte daraus sind dies ebenso.
Gleich zu Beginn, im Vorwort, wird das Grundschema des gesamten weißen Aufbaus vermittelt. Zu einem ausgewählt frühen Zeitpunkt erfährt der Leser somit, wo seine Kräfte regelmäßig zu stehen kommen sollten. Er erhält ein Bild, das er in seiner eigenen Partie immer wieder mit seinem geistigen Auge heranziehen kann. Mit diesem gezielten Ansatz ist es aber nicht getan. Im Abschnitt "Concept oft he book" setzen die Autoren ihr Anliegen, dem Leser Richtschnüre zu geben, durch die Aufzählung verschiedener Grundprinzipien fort. Hier erfährt er beispielsweise, dass er vor einem Tf1-e1 checken soll, dass …Sg4 nicht gefährlich werden kann, oder dass h2-h3 gewöhnlich nur nach der schwarzen Rochade gespielt wird, weil Schwarz sonst auf das Manöver g7-g5-g4 setzen kann.
Eine konzentrierte Aufnahme dieser Informationen vorausgesetzt kann der Leser in der nachfolgenden Erörterung des Repertoires fortwährend verfolgen, inwieweit und wie es diesen anleitenden Punkten folgt.
Machen wir in der Besprechung nun zunächst einen Sprung bis ins zehnte von 14 Kapiteln. Hier erwartet den Leser eine nächste Besonderheit. Dr. Müller und Souleidis setzen darin ihr Repertoire in Beziehung zu Repertoireempfehlungen anderer Autoren, aber für die Partei mit den schwarzen Steinen. Hier prüfen sie, ob die eigenen Empfehlungen der von anderen Autoren ausgearbeiteten "Konkurrenz" standhalten können und auch auf alles reagieren, was beachtenswert vorgetragen worden ist. Gewissermaßen sind die mit "Winning with the Slow (but Venomous!) Italian" ausgestatteten Spieler dem Gegenüber eine Nasenlänge voraus.
Weitere Kapitel sind der Strategie in den empfohlenen Varianten, typischen Endspielen, Übungen (unterteilt nach Taktik und typischen Strategien) und Lösungen darauf gewidmet.
Insgesamt sieht das Inhaltsverzeichnis, konzentriert auf die wesentlichen Punkte, wie folgt aus:
Preface
Introduction
Concept of the book
Kapitel 1 Third move sidelines
Kapitel 2 Italian fourth move sidelines
Kapitel 3 Two Knights without ...Bc5
Kapitel 4 Black plays ...d7-d5
Kapitel 5 Minor black alternatives
Kapitel 6 The knight transfer to g6
Kapitel 7 Black plays ...Nh5
Kapitel 8 Black plays ...Be6
Kapitel 9 White alternatives
Kapitel 10 Black repertoires
Kapitel 11 Strategy
Kapitel 12 Typical endgames
Kapitel 13 Tactical exercises
Typical strategies
Kapitel 14 Solutions
226 Solutions to strategic exercises.
Wie zu erkennen ist, wird das "eigentliche" Repertoire in den Kapiteln 1 bis 9 behandelt. Die einzelnen Kapitel sind im Wesentlichen vergleichbar aufgebaut. Einer knapp gefassten Einleitung folgt die Darstellung der Theorie in einer Mischung als Text und Varianten. Den Abschluss bildet eine wertende Zusammenfassung, die sich ebenfalls auf das Notwendigste beschränkt. Es macht in meinen Augen durchaus Sinn, wenn der Leser nach der Aufnahme der einleitenden Informationen zunächst bis zum Kapitelende durchblättert, um sich an der Zusammenfassung zu orientieren.
Die beiden Autoren beschränken sich nicht hinsichtlich der Abbildung von Varianten. So vermitteln die einzelnen Seiten bei einem ersten oberflächlichen Blick zumeist den Eindruck, dass Varianten die Inhalte dominieren. Dies ist aber beim genaueren Hinsehen nicht der Fall. Dr. Müller und Souleidis erklären viel, geben Hintergründe für Ihre Einschätzungen an und weihen den Leser damit textlich in die Theorie ein. Dies ergänzen sie regelmäßig mit einer stattlichen Zahl an Varianten, die dann ganz konkret und teilweise auch weit sowie in sich gefächert Einblick in die plausiblen oder auch schon in der Praxis getesteten Folgen geben. Etliche Partiefragmente stammen auch aus dem Fernschach. Mir sind dabei einige bekannte deutsche Spieler aufgefallen.
Die ausgeprägte, aber eben nicht dominierende Aufnahme von Varianten ist besonders für den Fernschachspieler von Interesse, der sie in seiner eigenen Partie direkt aus dem Buch übernehmen kann.
Nimmt man alle Buchinhalte zusammen, von der einleitenden Darstellung des typischen Aufbaus, den konkreten und von der Entwicklung des Spiels abhängenden Grundprinzipien, den Erörterungen selbst zur Theorie sowie Fokussierungen auf die spezifische Strategie und Taktik und die abschließenden Übungen, so wird deutlich, dass der Leser nicht einfach nur Varianten erlernen und inselartige Empfehlungen zur Theorie aufnehmen soll, sondern ihm ein echtes Verstehen möglich werden soll. Die Autoren haben ein Gesamtpaket geschnürt, das seine Richtschnur aus einer Konfuzius-Weisheit zu ziehen scheint ("Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich werde es können.").
Als Adressat des Werkes sehe ich den schon stärkeren Klubspieler und auch den Fernschachspieler an. Die beiden Autoren setzen einiges an Fertigkeiten im Schach voraus, was gesichert in meinen Augen erst der genannte Klubspieler zu bringen in der Lage ist. Dies liegt auch daran, dass leider ein Variantenverzeichnis fehlt, das die Übersicht über die Buchinhalte hinweg und die wichtige inhaltliche Orientierung erleichtern würde.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind moderat. Zudem hat er die Wahl zwischen dem hier besprochenen Werk und jenem, das weitgehend identisch in Deutsch ("Italienisch mit c3 und d3") erhältlich ist.
Fazit: "Winning with the Slow (but Venomous!) Italian" ist nach meiner Wahrnehmung aus der Reihe der Repertoirebücher, die mir in den vergangenen Monaten in die Hände geraten sind, dasjenige mit dem überzeugendsten Konzept. Dieses und auch die Art der Umsetzung sind in meinen Augen mustergültig.
Wer als Weißer Italienisch mit c3 und d3 in ein Repertoire aufnehmen möchte, bekommt mit diesem Werk eine ausgezeichnete Basis in die Hand.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Key Concepts of Gambit Play
uri Rasuwajew
Key Concepts of Gambit Play
291 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78483-011-3
24,99 Euro
Key Concepts of Gambit Play
Unter dem Buchtitel "Key Concepts of Gambit Play", übersetzt "Schlüsselkonzepte des Gambitspiels", habe ich mir ein Werk vorgestellt, das sich damit auseinandersetzt, wie man Gambits allgemein oder bestimmte Gambits spezifisch spielt. Ein Schlüsselkonzept ist für mich ein konkreter Plan, nach dem ich ein Vorhaben systematisch und zielorientiert verfolge und der dabei von einer zentralen Bedeutung ist. Mit meiner so geprägten Erwartungshaltung war ich zunächst enttäuscht, als ich mich zur Vorbereitung dieser Rezension mit dem bei Quality Chess erschienenen Werk befasst habe.
Das Buch fußt auf einer Übersetzung einer russischen Originalausgabe aus der Feder von Juri Rasuwajew aus dem Jahre 2004. Aus Gründen der Aktualisierung enthält es jedoch zu allen Kapiteln eine Ergänzung von Jacob Aagaard, die sich mit aktuellen Entwicklungen in den behandelten Systemen befasst. Die Nummer 15 unter den Kapiteln ist ebenfalls eine Ergänzung zur Aktualisierung, die sich mit Neuerungen im Gambitbereich allgemein befasst, also über die ursprünglich von Rasuwajew berücksichtigten Systeme hinausgeht.
"Key Concepts of Gambit Play" ist eher ein Streifzug durch die Gambitlandschaft, bei dem einzelne Gambits dargestellt werden. Dieser macht das Werk durchaus interessant, aber eben nicht unter der strengen Auslegung des Titels. Wenn doch gelegentlich Aspekte aufflackern, die sich mit einem vielleicht guten Willen mit einem Schlüsselkonzept in Verbindung bringen lassen, dann sind sie in Aagaards Ergänzungen zu finden.
Der folgende Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis, aus dem ich die oben schon genannten Ergänzungen durch Aagaard entfernt habe, gibt in der Originalsprache Auskunft darüber, welchen Systemen und Spielweisen sowie einzelnen Gambits Rasuwajew sein Augenmerk gewidmet hat.
1. Scotch Game
2. Yakov Estrin's Gambit
3. Four Knights Game
4. Marshall Attack
5. Alekhine-Chatard Attack
6. My Own Gambit
7. Ragozin Defence
8. Queen's Gambit Accepted
9. Shabalov-Shirov or Riga Gambit
10. Spassky-Kasparov or Champions Gambit
11. Queen's Indian Defence
12. Nimzo-Indian Defence
13. Khalifman-Gelfand Gambit
14. Gin's Gambit (or Georgian Gambit).
Die einzelnen Kapitel sind ähnlich bis identisch aufgebaut. Nach einigen informativen Zeilen zur Einführung stellt Rasuwajew das jeweilige Gambit anhand von Partien vor, die aus einem weiten zeitlichen Rahmen stammen und zumeist im Spitzenschach gespielt worden sind. Diese sind eher zurückhaltend kommentiert, was den Charakter des Werkes als Streifzug in meinen Augen unterstreicht. Der Autor zeigt dabei auf, welche Linien Erfolg versprechen und von welchen ggf. auch besser Abstand genommen werden sollte. Eine variantenreiche und tiefe Untersuchung zur Theorie des behandelten Systems nimmt er nicht vor. Der Leser, der sich hier mehr wünscht, wird von Aagaards Ergänzungen bedient. Diese übertreffen die Betrachtungen Rasuwajews zumeist in Breite und Tiefe.
Insgesamt sind 78 vollständige kommentierte Partien im Werk zu finden.
Mit einem Partienverzeichnis und einem Namensverzeichnis schließt das Buch ab.
"Key Conceps of Gambit Play" stellt keine allzu hohen Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers, zumal - von einigen Passagen abgesehen - auch nicht übermäßig viel Text zu bewältigen ist. Wer mit Englischkenntnissen auf Schulniveau ausgestattet ist, sollte gut zurechtkommen.
Fazit: "Key Concepts of Gambit Play" stellt verschiedene Gambits vor. Es werden die Varianten abgebildet, die den größten Erfolg versprechen, wobei die Tiefe der Betrachtung zwischen der Originalausgabe und den Ergänzungen differiert. Durch diese Ergänzungen wird zudem eine Aktualisierung der Eröffnungserkenntnisse auf den Stand von heute erreicht.
Neben der kartonierten Ausgabe gibt es das Werk gegen einen kleinen Aufschlag auch in einer gebundenen Form zu kaufen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Chess Training for Candidate Masters
Alexander Kalinin
Chess Training for Candidate Masters
208 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-715-9
18,95 Euro
Chess Training for Candidate Masters
Eine interessante Neuerscheinung bei New In Chess (NIC) aus dem laufenden Jahr verbirgt sich hinter dem Titel "Chess Training for Candidate Masters". Sein Autor ist der russische GM und erfahrene Trainer Alexander Kalinin.
Das Buch besteht aus zwei Teilen mit den, sinngemäß übersetzt, beiden Überschriften "Allgemeine Fragen zur Schachpädagogik" und "Wie Schachspieler ausgebildet werden", von denen der zweite den deutlich größten Raum für sich in Anspruch nimmt. So entfallen sieben der insgesamt neun Kapitel auf ihn.
Das Inhaltsverzeichnis, reduziert auf die Kernelemente des Buches, hat in der Originalsprache Englisch das folgende Gesicht:
Introduction - How to train the masters of the future
Part 1 - General questions of chess pedagogy
Chapter 1 - Historical overview
Chapter 2 - Man and computer
Part 2 - How chess players are formed
Chapter 3 - The aesthetics of chess
Chapter 4 - The benfits of solving endgame studies
Chapter 5 - Analytical exercises
Chapter 6 - The classical heritage
Chapter 7 - Personal influences
Chapter 8 - Lessons at the chessboard
Chapter 9 - The fight against weaknesses.
"Chess Training for Candidate Masters" ist das "etwas andere Buch" zur systematischen Hebung der Spielstärke. Es richtet sich insbesondere sowohl an den Autodidakten als auch an den Schachlehrer. Dabei handelt es sich insgesamt betrachtet weniger um eine Zusammenstellung von Material, Übungseinheiten und ähnlich, sondern quasi um einen an Beispielen orientierten Kurs, der nach Kalinins Auffassung als Weg zum Empfang höherer Weihen hilfreiche Dienste leistet. Dabei ist es sein elementares Ziel, den Leser zu einem eigenständigen Denken im Schach zu verhelfen und nicht den Rechenergebnissen des Computers zu verfallen. Er ist weit davon entfernt, die Engines als Hilfsmittel und Trainingspartner zu verteufeln, im Gegenteil. Er will den Leser u.a. auch anleiten, den Computer für seine Ziele einzusetzen, ohne dabei seine eigenen Fähigkeiten zu vernachlässigen oder unvorteilhaft zu spezialisieren. Er möchte auch zeigen, dass der Computer nicht ein Guru ist, der verlässliche Antworten auf alle Stellungsfragen hat.
Kalinin hält die klassische Ausbildung der Fähigkeiten im Schach für unverzichtbar, auch in Zeiten des Computers. Dieser aber hat nicht nur das Spiel verändert, sondern auch neue Möglichkeiten der Ausbildung und des Trainings geschaffen wie auch Gefahren dafür verursacht. Um die Entwicklung der klassischen Schachausbildung als solcher nicht nur festzuhalten, sondern auch deren Bedeutung bis ins heutige Schach hinein im Verständnis des Lesers fest zu verankern, hat er das 1. Kapitel in der Art einer Chronologie gestaltet. Darin kommen namhafte Meister aus quasi allen Epochen des modernen Spiels zu Wort und zeigen ihre Ansprüche an die Ausbildung der Fähigkeiten auf. Auch wenn man die weiteren Teile des Werkes ohne die Kenntnis dieses Einstiegs nutzen kann, empfehle ich auf die Lektüre des Eingangskapitels nicht zu verzichten. Es wirkt wie ein Unterbau im Verständnis auch zu dem, was dann weiter folgt.
Wie sollte das Verhältnis zwischen Spieler und Computer aussehen und wie sieht es tatsächlich häufig in unseren Tagen aus? Dies ist der Gegenstand des 2. Kapitels.
Kalinin geht es insbesondere auch darum, die Unterschiede zwischen dem Berechnen der Maschine und der Denkweise des Menschen herauszuarbeiten. Im Rechnen ist der Mensch den heutigen Computern hoffnungslos unterlegen. Dafür aber ist dieser nicht in der Lage, in großen Kategorien "zu denken". Wenn dieser beispielsweise einen Material- und einen Raumvorteil für eine Partei errechnet, dann wirft er einen Vorteil für sie aus. Wenn sich daraus aber kein Kapital schlagen lässt, weil der Gegner eine Art Festung aufgebaut hat und es keine Einbruchsfelder gibt, dann wäre "Ausgleich" das korrekte Urteil.
Kalinin lässt seine Darstellungen sehr schön auf Beispielen aus der Praxis fußen. Für die gerade beschriebene Thematik greift er auf eine WM-Partie zwischen Anand und Kramnik, Bonn 2008, zurück, wobei er auch einen Kommentar von Khalifman eingearbeitet hat. Naheliegender Weise setzt er in diesem Bereich seiner Erörterungen intensiv auch auf Partien aus dem Fernschach, auch von ihm selbst geführte. Sehr interessant ist dabei ein Beispiel, in dem er als Schwarzer Königsindisch gespielt hat und er seinem Gegner vorhält, dem Computer gefolgt zu sein. Der Spieler, in diesem Fall er selbst, erkennt über die besonderen Merkmale der Stellung seine guten Aussichten auf längere Sicht, während die Engines diese noch nicht errechnen können.
Im zweiten Teil des Werkes widmet sich Kalinin in eigenständigen Kapiteln zunächst den Fähigkeiten des Spielers, die dieser zur Vervollkommnung seiner Spielstärke sich erarbeiten sollte, bzw. auch den Methoden, wie er sie sich verschaffen kann. Dabei arbeitet er die Elemente ab, die er hierzu bereits in seiner Einleitung aufgezählt hat. Diese sind, sinngemäß übersetzt:
1. Entwicklung einer zum Schach als eine Kunst.
2. Perfektionierung der Analysefähigkeit, über die dann die eigenen Partien wie auch jene von anderen kritisch untersucht werden können.
3. Studium des "klassischen Erbes".
4. Nutzung der Erkenntnisse aus den eigenen Auseinandersetzungen mit den Mitbewerbern und mit erfahreneren Spielern.
Diese ergänzt er in den letzten drei Kapiteln um Einflüsse und Methoden, die daneben von Bedeutung sind (vgl. hierzu den obenstehenden Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis).
In einer Mischung aus umfangreichen Textpassagen und Beispielen aus der Praxis führt Kalinin den Leser in ein Studium und ein Training ein, die dieser dann als Methoden erlernt und über das hinaus, was "Chess Training for Candidate Masters" an Arbeitsmaterial selbst zu bieten hat, fortsetzen und erweitern kann.
Auf den Punkt gebracht gibt Kalinin Antworten und Anleitung auf:
1. Was brauche ich, um ein starker Spieler zu werden?
2. Wie eigne ich mir diese Fähigkeiten an, wie studiere ich richtig?
Hinsichtlich der Anforderungen an seine Fremdsprachkenntnisse sollte der Interessent berücksichtigen, dass das Buch über umfangreiche Textpassagen verfügt. Wortschatz und Satzbau sind hingegen keine besonderen Herausforderungen.
Fazit: "Chess Training for Candidate Masters" ist ein gelungenes Werk "anderer Art". Es verfolgt das Ziel, den Leser zu einem systematischen Studium unter Berücksichtigung der klassischen Schachausbildung anzuleiten und ihm die Fähigkeiten zum eigenständigen Denken zu vermitteln. Er soll den Computer gut für seine Zwecke einzusetzen lernen und sich in seiner Entwicklung nicht von ihm stören lassen.
Adressat des Buches ist auch die Gilde der Schachlehrer.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Das Mittelspiel im Schach
Eugène Snosko-Borowski
Das Mittelspiel im Schach (J. Beyer Verlag 2016, 2. Auflage)
215 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-395920-010-3
19,80 Euro
Das Mittelspiel im Schach (Eine Gastrezension von Gerd Schowalter, Bad Kreuznach)
Der Autor ist in Deutschland hauptsächlich bekannt geworden durch sein Buch "Eröffnungsfallen am Schachbrett", das weite Verbreitung gefunden hatte. Dieses Werk über das Mittelspiel ist schon 1922 auf Englisch erschienen, kam aber erst vier Jahre später auf Deutsch heraus. Es beinhaltet drei Teile mit vier bzw. fünf Kapiteln sowie ein einführendes Vorwort und ein abrundendes Schlusswort.
In einem umfassenden 1. Teil breitet der Autor sich geradezu philologisch-philosophisch auf 67 Seiten über Elemente des Schachs, die verschiedenen Figuren, wesentliche Grundlagen des Spiels und über Eröffnungen aus. Anschauliche Diagramme, elementar und leicht verständlich dargeboten, unterstützen die gründlichen Darlegungen über Raum, Zeit und Kraft im Schach, die er die Elemente nennt.
Wer sich bis dahin durchgearbeitet (oder auch manches überblättert) hat, findet ab Seite 70 das eigentliche Thema des Buches.
Snosko-Borowski nennt das Mittelspiel den wichtigsten und entscheidenden Teil einer Schachpartie. Für ihn ist es das eigentliche Schach. Es zeigt sich mit all seinen Möglichkeiten, seinen Angriffen, Verteidigungen, Opfern usw. Er bedauert, dass es neben der Vielfalt der Eröffnungs- und Endspielbücher nur wenige Auseinandersetzungen mit der Theorie des Mittelspiels in seiner Zeit gibt. Schon der große Capablanca nannte vor fast 100 Jahren dieses Buch "als nahezu das einzige zum Thema, das er einer Lektüre für wert erachte."
In neuerer Zeit nennt der US-amerikanische "Allround-Wissenschaftler" Anthony Saidy in seinem "Kampf der Ideen" das Mittelspiel die eigentliche Arena, wo die überwiegende Zahl der Kämpfe durch eigenes Können entschieden wird: "Dennoch versuchen nur wenige Autoren sich an dieser Materie, während es Schachbücher über Eröffnungen und selbst Endspielbücher wie Sand am Meer gibt. Und doch wurde eine systematisch-logische Betrachtung des Mittelspiels schon vor fast 100 Jahren, dank Snosko- Boroski, versucht".
Sein Ziel war es, wie er im Schlusswort sagt, übliche Stellungstypen zu zeigen, die den Spieler im Schach zu leiten haben. Er meint, dass eine Partie nicht nur ein logisches individuelles Ganzes ist, in dem jeder Fehler unausweichlich bestraft wird, sondern dass auch objektive Fakten bestehen, mit deren Hilfe der Schachfreund seinen Weg finden kann. So wollte er die Probleme der Stellungsbeurteilung und die Umsetzung eines Planes in den Vordergrund stellen. Er wirbt dafür, die Elemente (Raum, Zeit und Kraft) sorgfältig zu bedenken, um sie zu begreifen. Das hilft ihm, eine Partie richtig zu führen. Dabei nennt er drei Klassen: Spiel in Überlegenheit, Unterlegenheit und in Ausgeglichenheit, also aktives, passives oder neutrales Spiel.
Die ausgewählten Beispiele sind, gemäß seiner Diktion, keine kompletten Partien, sondern Mittelspielstellungen. Thematisch geordnet, sind sie instruktiv und lehrreich.
Fazit: Dem Beyer Verlag ist es wieder einmal gelungen, ein klassisches Werk dem Vergessen zu entreißen. Die Neuauflage ist gründlich durchgesehen und korrigiert. Missverständliche Darstellungen und Übersetzungsfehler wurden ausgeräumt. So ist die Sprache korrekt und verständlich. Obwohl die Einführung etwas langatmig wirkt, überzeugen die anschließenden Teile durch konsequenten und logischen Aufbau. So ist das ernsthafte Studium dieses Buches für den Schachfreund auf Vereinsspielerbasis unbedingt förderlich. Es wird ihn weiterbringen, sein Spielverständnis steigern und seine Spielstärke heben. Daher: Sehr empfehlenswert!
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachverlag Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung gestellt.
A Practical Black Repertoire with Sf6, g6, d6, Band 1
Alexei Kornev
A Practical Black Repertoire with Sf6, g6, d6, Band 1
375 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-619-7188-11-0
21,95 Euro
A Practical Black Repertoire with Sf6, g6, d6, Band 1
Mit "A Practical Black Repertoire with Sf6, g6, d6", Band 1, hat der russische GM und erfahrene Autor Alexei Kornev den 1. Aufschlag unternommen, den Leser mit einem Komplettrepertoire auszustatten, das sich nach Möglichkeit der im Titel skizzierten Aufstellung bedient. Der Nachziehende soll unabhängig davon auf diese Aufbaustruktur setzen können, was ihm Weiß als dessen Eröffnungsentscheidung präsentiert. Kornev will seinen Leser gegen grundsätzlich alles rüsten, was Weiß mit 1.e4, 1.d4 oder auch anders einleitet. Erschienen ist das Werk 2016 im bulgarischen Chess Stars-Verlag.
Sein Entschluss, dieses Repertoire in zwei Bänden vorzuschlagen, ist nach seinen Worten daraus erwachsen, dass er vor Jahren ein weißes Repertoire mit 1.d4 und 2.c4 zusammengestellt hat, seine Arbeit gut aufgenommen worden ist und eine Art Gegenstück für Schwarz ein folgerichtiger Schritt ist.
Die seine Ausführungen bestimmende Aufbaustruktur zeigt an, dass er sich schwerpunktmäßig auf Systeme wie die Pirc-Verteidigung und die Königsindische Verteidigung konzentriert. So ist es auch tatsächlich, denn die erstgenannte Eröffnung prägt den vorliegenden Band und die zweite ist der Schwerpunkt des 2. Bandes. Dieser steht auch bereits seit geraumer Zeit in den Verkaufslisten des Buchhandels und ist auch bereits von mir besprochen worden.
Von den insgesamt 26 Kapiteln (nicht 27, wie Kornev in seinem Vorwort schreibt) befassen sich 16 mit der Pirc-Verteidigung. Zuvor sind die Kapitel 1 bis 9 Repertoireempfehlungen vorbehalten, die Schwarz einsetzen kann, wenn sein Kontrahent Nebensysteme ansteuert (z.B. Reti-Eröffnung, Trompowsky-Angriff, Orang-Utan u.w.). Kornev hat seine Arbeit als klassisches Eröffnungsbuch aufgebaut. Er vermittelt seine Erkenntnisse auf der Basis eines Baumes aus Haupt- und Nebenvarianten, also nicht über miteinander thematisch verbundene Einzelpartien. Vollständig werden Partien an keiner Stelle des Werkes verwendet, auch nicht zur Illustration. Lediglich in der Kommentierung können sie schon mal bis zum Ende zu finden sein, aber dann auch nur als Nebenvariante.
Kornev bedient sich nicht des dreiteiligen Kapitelaufbaus, für das die Eröffnungsbücher von Chess Stars bekannt sind. Bei ihm wird ein Kapitel, soweit er dies als erforderlich ansieht, kurz eingeleitet, die Vollbetrachtung schließt sich dann sogleich an.
Kornev erklärt sehr viel und auch erkennbar mit dem Ziel, den Leser anzuleiten. So erfährt dieser regelmäßig die strategischen Leitgedanken und den Sinn hinter den wesentlichen einzelnen Entscheidungen. Den noch in den Anfangsgründen der Schachkenntnisse befindlichen Spieler sehe ich dennoch nicht im Hauptadressatenkreis. Dies liegt vor allem daran, dass die Schwerpunkteröffnung kein Anfängersystem ist, sondern schon einiges an Spielverständnis voraussetzt. Der Klubspieler aber wird von dem Werk angesprochen, auch wenn er in diesem Segment der Spielstärke noch nicht um die höchsten Weihen erfolgreich kämpfen kann.
Bei meiner früher schon erarbeiteten Rezension über den Band 2 mit Königsindisch im Zentrum hatte ich mich besonders von der sehr gut schulenden Art der Darstellungen leiten lassen und dem Aspekt, dass auch die Königsindische Verteidigung nicht gerade etwas für den Anfänger ist, weniger Bedeutung beigemessen.
Wenn man A Practical Black Repertoire with Sf6, g6, d6", Band 1, durcharbeitet, fällt eine Qualität früh ganz besonders auf. Kornev hat sich sehr intensiv mit Übergängen zwischen den Systemen, Zugumstellungen etc. befasst. So wartet das Buch mit einer Vielzahl an Verweisen auf, die den Leser führen. Bereichsweise zeigt die Systematik fast schon einen beginnenden akademischen Charakter. Gerade für den Leser im unteren Klubbereich dürfte dieses Merkmal besonders wichtig sein. Ihm fällt es regelmäßig nicht so ganz leicht, am Ende einer vermeintlichen Variantensackgasse die Zugumstellung zu erkennen und dann an die bereite Stelle zu wechseln. Aber auch durch meine Brille als Fernschachspieler ist dieser Service sehr zu begrüßen.
In seinen Anmerkungen nutzt Kornev auffällig viele Fragmente aus Fernpartien, die meisten davon sind in der jüngsten Zeit gespielt worden. Ich habe zahlreiche mir bekannte Spieler identifiziert. Sofern Kornev einzelne Varianten nicht selbst auch mit dem Computer geprüft haben sollte, ist davon auszugehen, dass sie zumeist aber der rechnergestützten Kontrolle der jeweiligen Spieler unterlegen haben.
GM Zdenek Nyvlt aus Tschechien, aktuelle Fernschach-Elo 2423, ist sehr häufig anzutreffen. Sein Repertoire deckt sich offensichtlich sehr mit einem Teil der Empfehlungen Kornevs.
Die schon angesprochenen zahlreichen Verweise in den Kapiteln helfen dem Leser sehr bei der Orientierung im Werk. Darüber hinaus wird er dabei durch das qualifizierte Variantenverzeichnis am Ende unterstützt. Zudem ist bereits das Inhaltsverzeichnis zugbasiert gestaltet. Reduziert auf den Schwerpunkt des 1. Bandes, die Pirc-Verteidigung, sieht es (übersetzt und sprachlich erweitert) wie folgt aus:
Teil 3. Pirc-Verteidigung - 1.e4 d6
Kapitel 10: Verschieden ohne 2.d4 & 2.Sc3
Kapitel 11: 2.Sc3 Sf6 ohne d4
Kapitel 12: 2.d4 Sf6 3.Sd2
Kapitel 13: 2.d4 Sf6 3.Ld3
Kapitel 14: 2.d4 Sf6 3.f3
Kapitel 15: 2.d4 Sf6 3.Sc3 g6 4.Lf4; 4.Lc4
Kapitel 16: 4.Le2
Kapitel 17: 4.g3
Kapitel 18: 4.Lg5
Kapitel 19: 4.Le3
Kapitel 20: 4.f3
Kapitel 21: 4.Sf3 Lg7 5.Le3; 5.h3
Kapitel 22: 5.Lc4
Kapitel 23: 5.Le2
Kapitel 24: 4.f4 Lg7 5.e5; 5.Sf3 0-0 6.e5; 6.Le3
Kapitel 25: 5.Sf3 0-0 6.Le2
Kapitel 26:6.Ld3.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an den Fremdsprachler sind trotz des erheblichen Textumfangs insgesamt niedrig.
Abschließend noch eine kleine Anmerkung zu den Vorzügen der Pirc-Verteidigung, wie Kornev diese im Vorwort selbst skizziert. Er weist darauf hin, dass dieses System noch nicht so weit durchanalysiert ist wie andere sich anbietende Spielweisen und dass Schwarz auf mehr als nur Ausgleich spielen kann. Das erste Argument dürfte aber mehr Bedeutung am Turnierbrett als für den Fernschachspieler haben. In erster Linie sollte man sich aber mit dem strategischen Ansatz der Eröffnung zurechtfinden, wenn man sie wählt. Was nutzt es, wenn die Theorie noch nicht so weit ausgewalzt ist, der Spieler aber selbst nicht mit dem langen Atem zurechtkommt, den die Pirc-Verteidigung voraussetzt, bis der Motor erst mal so richtig auf Touren kommt. Und wenn es um ein Ziel jenseits nur eines Ausgleichs geht, dann kann der Spieler beispielsweise auch zu Sizilianisch greifen.
"A Practical Black Repertoire with Sf6, g6, d6", Band 1, kann mehr, als Kornev im Vorwort zwischen den Zeilen andeutet. Wem ein System liegt, in dem man als Schwarzer seinen Gegner sich zunächst mal austoben lässt, um dann auf der Basis des eigenen soliden Aufbaus aktiver zu werden, der erhält über das vorliegende Werk eine gute Anleitung und eine gute Ausstattung.
Fazit: "A Practical Black Repertoire with Sf6, g6, d6", Band 1, ist als einzelner Band eine Empfehlung für den Spieler ab Klubniveau. Zusammen mit dem ebenfalls schon länger erhältlichen Band 2 kann dieser sich einen Eröffnungsfächer verschaffen, der nach Möglichkeit auf identischen Teilstrukturen aufbaut und dem Spieler hilft, Erfahrung aufzubauen und in unterschiedlichen Systemen gleichartig einzusetzen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Der Schachtherapeut - Reloaded
anfred Herbold
Der Schachtherapeut - Reloaded
220 Seiten, Hardcover, mit Fadenheftung
ISBN: -
19,80 Euro
Der Schachtherapeut - Reloaded
Und er hat es wieder getan! In bester Loriot-Manier hat Manfred Herbold den Schachspielern auf den Mund, die Finger und ins Gehirn geschaut, um sie dann scharf gezeichnet, humorvoll, oft spitzzüngig und manchmal auch entlarvend so zu porträtieren, dass wir alle den einen oder anderen Zeitgenossen wiedererkennen, manchmal uns selbst sogar wie in einem Spiegel.
Nach seinem Erstlingswerk "Der Schachtherapeut" im Jahre 2009 erschienen, hat er nun einen Folgeband mit dem Titel "Der Schachtherapeut - Reloaded" (Band 2) auf die Menschheit losgelassen. Manfred Herbold lässt uns mit seinen Beschreibungen den Schachspieler als solchen mit fast allen unseren Sinnen virtuell wahrnehmen; man kann ihn quasi sehen, hören, manchmal leider auch riechen und auch ertasten. Allein schmecken lässt er ihn uns nicht, und das ist auch gut so.
Als Schachtherapeut nimmt er sich der Sorgen und Nöte seiner Patienten an, versucht deren Seele oder Psyche wieder in die Reihe zu bringen. Ob sie immer wieder suizidale Eröffnungen spielen, den Patzer des Jahrhunderts auf das Brett gezaubert haben oder einfach nur spielen können, wenn ihr Plüschtier neben dem Brett hockt - der Schachtherapeut hilft. Nur bei seinem schwierigsten Patienten, Herrn Lobrehd, da wird er sich die Zähne ausbeißen. Dieser Herr ist allerdings niemand anders als der Herr Autor selbst, dessen Name sich hier hinter einem Ananym versteckt.
"Der Schachtherapeut - Reloaded" ist eine Mischung aus vielen bunten Geschichten und Geschichtchen, amüsant, lustig oder auch brüllend komisch, und Schach. Es gibt kommentierte Partien aus dem Amateurschach und dem Meisterspiel, Fragmente, Studien, Kunstpartien unter einem bestimmten Themendach und sehr viel mehr. Zu dem "Sehr-viel-mehr" zählt beispielsweise auch ein Strauß großartiger Illustrationen von Frank Stiefel, die an sich schon überaus sehenswert sind und zudem noch in eine Symbiose mit dem jeweiligen Gegenstand der Beschreibung treten.
Herbold trägt den Titel eines Candidate Master (CM), ist ein überaus fleißiger und erfahrener Turnierspieler und in seinem "Zivilberuf" Lehrer, was ein sicheres Indiz dafür ist, dass er lesen und schreiben kann. Mit "Der Schachtherapeut - Reloaded" beweist er erneut, dass er nicht nur schreiben kann, sondern ein ausgezeichneter Schreiber in Sachen Schachunterhaltung ist.
In einem zweiten wichtigen Teil des Buches wird er von mehreren Schachenthusiasten unterstützt, die Gastbeiträge beigesteuert haben. Für die bunte Mischung zeigen sich u. a. Franz Jittenmeier, Kopf hinter dem Internetportal Schachticker (Award-Gewinner 2015), Rainer Schlenker, legendärer "Reiter" des früheren Magazins RANDSPRINGER und Erfinder so amüsanter Begriffe wie "lange Peitsche" im Schach, sowie der "Glarean"-Herausgeber Walter Eigenmann verantwortlich, um nur drei aus diesem Reigen zu nennen.
Der dritte und zugleich letzte Teil des Werkes, überschrieben mit "Extras", enthält tatsächlich Extras, also in der Regel kurze Beiträge, für die es keinen inhaltlich gemeinsamen Nenner gibt. Hier finden sich kommentierte Partien, Überlegungen zu einem Eröffnungsthema, kurze Textbeiträge und so das "übliche Formelle" wie ein Partienverzeichnis.
Wenn ein Buch mit mehreren Vorworten ("Vorwörtern") aufwartet und die Verfasser GM Matthias Wahls, GM Ralf Appel und Ulrich Höfer (Saarländische Schachkultur e. V.) heißen, dann scheint es viel zu versprechen. Ich habe mich davon überzeugt, dass es nicht bei diesem Versprechen bleibt, sondern es den Leser ausgezeichnet unterhält.
Manfred Herbold stemmt das Projekt beinahe ganz alleine. So ist das Buch vorwiegend über seine Webseite www.schachtherapeut.de bestellbar. (Email: mherbold@gmx.net / Tel.: 06351-125374)
In der Vorbereitung meiner Rezension hat er mir einen kleinen erfreulichen Ausblick gegeben. Es sind auch schon Band 3 "Der Schachtherapeut - Revolutions" und Band 4 (zusammen mit GM Michael Hoffmann) "Der Schachtherapeut - 60 Shades of Chess - Mein Schachtestament" in Planung und Arbeit.
"Der Schachtherapeut - Reloaded" ist als Hardcover, mit Fadenheftung, auf 135 gr. Qualitätspapier ausgezeichnet verarbeitet. Das Buch kostet 19,80 Euro (der Versand als Büchersendung erfolgt kostenfrei). Band 1 ist übrigens in einer überarbeiteten Auflage ebenfalls erhältlich (Preis: 16,80 Euro, versandkostenfrei).
Fazit: "Der Schachtherapeut - Reloaded" ist ein sehr zu empfehlender Vertreter aus dem Hause Schachunterhaltung. Es macht einfach Spaß, darin zu lesen, und sorgt für gute Laune. So ist es auch ein echter Kandidat für ein Geschenk an einen Schachfreund oder aber an sich selbst.
Playing the Ragozin
ichard Pert
Playing the Ragozin
440 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78483-030-4
24,99 Euro
Playing the Ragozin
Die mit den Zügen 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 Lb4 eingeleitete Ragosin-Verteidigung ist eine Variante im Abgelehnten Damengambit, die aber gut auch über die Nimzowitsch-Indische Verteidigung entstehen kann (1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sf3 d5 4. Sc3 Lb4). Diesem System hat der englische IM Richard Pert in "Playing the Ragozin", Quality Chess 2016, seine Aufmerksamkeit gewidmet.
Das Buch steht in einer gewissen Konkurrenz zum Werk "The Complete Ragozin" von Mattieu Cornette, Chess Evolution 2017, das ich erst vor wenigen Wochen rezensieren durfte. Der Leser hat also die Wahl zwischen gleich zwei aktuellen Büchern sowie eine Ergänzungsmöglichkeit.
Ich erlaube mir eine kleine Erleichterung, indem ich eine kurze Passage aus meiner Rezension zum Cornette-Werk erlaube: Die Ragosin-Verteidigung ist nach dem sowjetischen GM Wjatscheslaw Wassiljewitsch Ragosin benannt, der sich auch im Fernschach einen großen Namen gemacht hat, indem er als 2. Weltmeister in die "Hall of Fame" eingezogen ist.
Auf den Gegenstand des Interesses konzentriert sieht das Inhaltsverzeichnis des Pert-Werkes in einer sinngemäßen deutschen Übersetzung wie folgt aus:
Teil I - Ragosin 5.cxd5
Einleitung
1. 6.Lg5 Dd6!?
2 6.Lg5 h6
3. Alternativen im 6. Zug
Teil II - Ragosin 5.Lg5
Einleitung
4. 6.a3 & 6.e3
5. Alternativen nach 6.e4 c5
6. 7.Lxc4
7. 6...b5
Teil III - Ragosin 5.Da4+
Einleitung
8. Alternativen im 6. und 7. Zug
9. 6.e3 0- 0 7.Dc2!?
10. 7.Ld2
Teil IV - Ragosin 5.Db3
Einleitung
11. Nebenlinien
12. 6.dxc5
Teil V - Weitere Ragosin-Linien
Einleitung
13. 5.g3
14. 5.e3
15. 5.Ld2 & 5.Dc2
Teil VI - 3.Sc3 Lb4
Einleitung
16. Alternativen nach 4.e3 Sf6
17. Alternativen im 5. Zug
18. Verschiedene 4. Züge
Teil VII - Katalanisch und andere 4. Züge
Einleitung
19. Katalanisch mit 5.Sbd2
20. Katalanisch mit 5.Ld2
21. 4.Lf4 & 4.Lg5
22. 4.cxd5 & 4.e3.
Wie man sieht, ist "Playing the Ragozin" in sieben Teile untergliedert, die insgesamt 22 Kapitel beherbergen. Diese sind allerdings nicht alle der Ragosin-Verteidigung gewidmet, sondern auch Katalanisch und verschiedenen Abweichungen. Das Werk will ein Komplettrepertoire anbieten, wobei zu klären ist, gegen welche weißen Wege. Wenn Weiß 1.d4 wählt und dann im 2. oder 3. Zug vom Damengambit abweicht, bietet "Playing the Ragozin" keine (vollen) Lösungen an. Ab dem 4. Zug ist Schwarz "in der Spur", also nach 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sf3 Sf6 4.g3 und anders. Hier haben wir also eine deutliche inhaltliche Abweichung zum Buch von Cornette, die der potenzielle Interessent berücksichtigen sollte. Eine gewisse Zwischenstellung nimmt dabei der 6. Teil des Werkes mit den Kapiteln 16 bis 18 ein. Er geht auf die Folgen von 3.Sc3 Lb4 ein, wobei also das Pärchen 3.Sf3 Sf6 fehlt. Wenn es nachgeschoben wird, landet das Spiel natürlich unter Zugumstellung wieder im System. Kommt es aber zu 4.e3 d5, so geht die Partie in Nimzowitsch-Indisch über und Cornette ist mit seinem Buch am Zuge. Daneben behandelt Pert verschiedene Spielweisen, die man vielleicht auch unter einer Kategorie "Hybrid-Abspiele" fassen kann.
Gewisse partielle Querverbindungen zwischen den beiden genannten neuen Werke gibt es zudem noch über den 4. Teil des Pert-Buches. Insgesamt lässt sich also feststellen: Die Teile 1 bis 3 von "Playing the Ragozin" und damit die Kapitel 1 bis 12 sind thematisch eng verwandt mit dem Buch von Cornette, danach ergeben sich Abweichungen und gegenseitige Ergänzungen.
"Playing the Ragozin" ist klassisch als Eröffnungswerk aufgebaut. Es orientiert sich also an einem Baum aus Haupt- und Nebenvarianten. Vollständige Partien sind nicht enthalten, auch nicht zur Illustration. Der Käufer erhält somit Theorie pur. Natürlich sind aber zahllose Fragmente aus der Praxis enthalten. Diese sind dann wie etwa auch die Analysen des Autors in dessen Kommentare eingefasst oder als Nebenvarianten aufgenommen worden. Etliche Beispiele stammen von ihm selbst, er hat viel Erfahrung in den von ihm behandelten Systemen angehäuft. Aufgenommen hat er dabei auch im Internet gespielte Partien, auch solche aus dem Blitzschach, die er unter einem Pseudonym gespielt hat.
Eine Angabe des Autors sehe ich als bemerkenswert an, weil sie dem Amateurspieler wie mir selbst quasi aus dem Munde spricht. Er erklärt, dass er anders als viele Kontrahenten im Spiel sich nicht als Berufsspieler im Schach bewegen kann und doch mithalten möchte. Den größten Nachteil für sich gegenüber seiner Konkurrenz sieht er dabei im Eröffnungsbereich. Er kann vergleichsweise nur wenig Zeit investieren, um Züge und Varianten bis weit in eine Partie hinein auswendig zu lernen. Er braucht Systeme, in denen ein kleines Maß an Theoriekenntnissen reicht, um in Stellungen zu kommen, die sich mit Spielfertigkeiten gut und chancenreich führen lassen. Dies ist ein wichtiger Grund für ihn zum Einsatz der Ragosin-Verteidigung. Das System lässt sich leicht erlernen und erlaubt das Erreichen aktiver Mittelspielstellungen für Schwarz.
"Playing the Ragozin" ist für Bücher von Quality Chess typisch gestaltet; es ähnelt den Werken aus der Serie Grandmaster Repertoire. Die übergeordneten sieben Teile des Buches starten mit einer kurzen Einleitung, die im Wesentlichen der Übersicht über das Folgende dienen und zudem den jeweiligen Stoff einordnen, ggf. auch allgemein, also im Zusammenspiel mit nicht behandelten Bereichen der Theorie. Es folgen dann die einzelnen Kapitel, ebenfalls zunächst mit einer Übersichtsseite. Diese enthält u. a. auch eine Variantenübersicht, die sehr schön das ausführliche Gesamtverzeichnis der Varianten auf den letzten Buchseiten ergänzt und eine sehr gute Orientierung im Stoff erlaubt. Das Kapitelende bildet jeweils eine kurze wertende Zusammenfassung.
Pert erklärt sehr viel und versucht, den Leser nicht einfach mit Varianten alleine zu lassen, an deren Ende dann eine Stellungsbewertung steht, für deren Vergabe aber keine Hinweise zur Begründung gegeben werden. Mir gefällt die Gestaltung in diesem Punkt sehr gut. Es gibt zahlreiche Varianten, was auch den Fernschachspieler unter den Lesern interessieren wird, aber zumeist findet der Leser sie in einer Symbiose aus Text und Zügen vor.
Es ist nicht ganz einfach, den erstrangigen Adressaten für das Werk zu bestimmen. Insgesamt möchte ich ihn aber beim Klubspieler verorten, der schon ein gewisses Spielvermögen erreicht hat, damit er mit den Hinweisen des Autors genügend viel anfangen kann. Nach oben in Sachen Spielstärke möchte ich keine Grenze ziehen.
Mir hat bereits das vorhergehende Werk von Richard Pert gefallen, es war "Playing the Trompowsky". Beide Bücher ähneln einander und ich sehe sie auch qualitativ auf einer Ebene.
Ganz bewusst verzichte ich auf die Untersuchung, ob einzelne der von Pert berücksichtigten Varianten aussichtsreich sind oder nicht. Wenn am Ende einer Variante ein Werturteil des Autors steht, so ist dieses subjektiv und muss nicht von jedem Leser geteilt werden. Zudem ist es nicht zuletzt auch von der Mentalität des Lesers beeinflusst.
Ein Buch wie dieses, das mit 440 Seiten aufwartet, gefüllt mit Eröffnungstheorie über Eröffnungstheorie, enthält garantiert auch zweifelhafte Wege und sicherlich auch Fehler, so wie jedes andere Buch auch. Das vorhergehende Werk Perts ist teilweise für - und dies waren dann nur sehr wenige - aus der Sicht der Rezensenten zweifelhafte Varianten kritisiert worden, aus meiner Sicht ungerechtfertigt. Sehen Sie dies auch als einen Grund dafür, dass ich mir einzelne Varianten bei der Arbeit an dieser Rezension nicht kritisch angeschaut habe.
Wer mehr über die Varianteneinordnung und auch deren Bewertung erfahren möchte, kann sich entsprechende Informationen auch über eine gelungene Rezension von IM Dirk Schuh verschaffen, die bei der Firma Niggemann online verfügbar ist.
IM Pert hat auch auf das Fernschachspiel als Quelle gesetzt, aber eher zurückhaltend. So halten sich die im Buch verwendeten Beispiele aus der Fernschachpraxis in einem übersichtlichen Bereich. Im Quellenverzeichnis ist auch keine ausdrückliche Fernschach-Datenbank zu finden.
Man merkt, dass Pert das Werk als Muttersprachler in Englisch geschrieben hat. Der fremdsprachige Leser sollte schon auf ein mindestens gutes Schulenglisch vertrauen können, wenn er denn alles bequem und möglichst ohne Hilfsmittel verstehen möchte.
Das Rezensionsexemplar kostet 24,99 Euro und ist kartoniert; es gibt auch eine Ausgabe als Hardcover, die fünf Euro mehr kostet.
Fazit: "Playing the Ragozin" ist ein gelungenes und klar zu empfehlendes Werk besonders für den Klubspieler. Es gibt Überschneidungen und Ergänzungen zu "The Complete Ragozin" von Mattieu Cornette, die der Interessent ins Auge fassen sollte. Beide Werke zusammen decken ein breites Spektrum ab, das die Möglichkeiten des Schwarzspielers zur Reaktion auf weiße Variantenentscheidungen deutlich erweitert.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Chess Calculation Training - Volume 1: Middlegames
Romain Eduard
Chess Calculation Training - Volume 1: Middlegames
237 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-9492510037
25,00 Euro
Chess Calculation Training - Volume 1: Middlegames
Bücher, die sich mit über Diagrammstellungen erzeugten Schachaufgaben an den Leser richten, haben seit einigen Jahren Konjunktur. So freut man sich als Rezensent, wenn man ein entsprechendes Werk in die Hand bekommt, das sich in der einen oder anderen Beziehung abhebt. Genau dies ist bei "Chess Calculation Training - Volume 1: Middlegames" von Romain Edouard der Fall. Der sehr starke französische GM und erfahrene Buchautor hat eine vom belgischen Verlagshaus Thinkers Publishing herausgebrachte Arbeit vorgelegt, die mir ausgezeichnet zusagt, wenn ich mal mein Werturteil über ein geprüftes Werk an ganz früher Stelle aussprechen darf. Es soll Element einer Serie sein, angekündigt ist bereits der Band 2, der sich mit Aufgaben zur Endspielphase befassen wird.
Insgesamt enthält "Chess Calculation Training - Volume 1: Middlegames" 496 Aufgaben, die sich auf 11 Kapitel verteilen. Diese sind in der Mehrzahl nach speziellen Anforderungen, die sich an einen Spieler in seiner Partie richten, typisiert, teilweise sind sie nach formalen Kriterien definiert bzw. fungieren sie als Sammlung für Aufgaben ohne inhaltliche Zuordnung. Nach der Einschätzung von Edouard richtet sich sein Werk an Spieler mit einer mäßigen bis zu einer sehr guten Spielstärke. Ich kann sein Urteil nachvollziehen, wobei ich berücksichtige, dass es Unterschiede im Schwierigkeitsgrad zwischen den einzelnen Aufgaben gibt. Der noch nicht so erfahrene Spieler wird nicht selten schnell seine Grenzen erkennen. Zugleich aber wird er zweifellos Übung bekommen und dabei auch seine Fähigkeiten verbessern. Besonders anspruchsvolle Aufgaben hat der Autor mit einem Sternchen gekennzeichnet. Hier wird auch der starke Vereinsspieler die eine oder andere für ihn schwere Nuss zu knacken haben.
Die Fertigkeiten und Schwächen sind im Schach nun einmal von Spieler zu Spieler unterschiedlich. Edouards neues Werk befasst sich mit Problemen aus Strategie und Taktik, aus Angriff und Verteidigung, sucht Gewinnzüge oder auch verborgene Kombinationen oder Ressourcen etc. Entsprechend werden die Leser für sich den ganz individuellen Nutzen des Werkes selbst ausloten.
Das Inhaltsverzeichnis hat, konzentriert auf das Wesentliche, das folgende Gesicht:
Kapitel 1: Warm Up
Kapitel 2: Punish Bad Coordination!
Kapitel 3: Find the Unexpected Blow!
Kapitel 4: Play the Right Move Under Pressure!
Kapitel 5: A Devasting Attacking Move!
Kapitel 6: Find the Stunning Winning Move!
Kapitel 7: Play the Killer Positional Move!
Kapitel 8: Find the Missed Move!
Kapitel 9: Evaluate the Opportunity!
Kapitel 10: Make the Right Choice!
Kapitel 11: Special Section.
Das mit "Warm Up" überschriebene 1. Kapitel ist das längste im Werk. Der Titel ist nicht etwa der Hinweis auf einen lockeren Aufgalopp, sondern sagt eher aus, dass der Leser sich ohne Kategorisierung in immer gleicher Offenheit jeder neuen Aufgabe zu stellen hat. Er weiß also nicht, was die Stellung hergibt oder was gesucht wird. Er erfährt, aus welcher Partie die Stellung stammt - die meisten Aufgaben sind aktuellen Duellen entnommen - und der wievielte Zug für welche Seite gesucht wird, und natürlich hat er die Diagrammstellung vor Augen. Mit diesen rudimentären Informationen muss er ermitteln, was nun am besten gespielt werden sollte. Der erfahrene Spieler wird hier und auch in den späteren Kapiteln überwiegend ohne ein zusätzliches Brett auskommen. Wer sich in seiner Vorstellungskraft überfordert fühlt, nimmt einfach sein Brett hinzu. Ich empfehle dabei ein herkömmliches Spiel, also nicht die Arbeit am Bildschirm. Aus dem Warm Up soll der Spieler nach Edouards Rat vier bis acht Aufgaben maximal am Tag lösen.
Die Kapitel 2 bis 10 sind auf spezielle Fertigkeiten des Schachspielers ausgerichtet. Sehr schön gibt Edouard zu Beginn immer an, was genau geschult werden soll, ggf. auch warum die entsprechende Fertigkeit im Spiel des Lesers wichtig ist, wie genau zur Lösung vorzugehen ist und aus welchem Schwierigkeitsbereich die Aufgaben stammen. Die sich anschließenden Aufgaben selbst sind dann unterschiedlich konstruiert. Mal müssen einzelne Züge gefunden werden, mal auch eine Mehrzahl oder noch wieder etwas Anderes von Interesse. Besonders erwähnen möchte ich die Kapitel 6 und 8. Für das Kapitel 6 hat Edouard eine Hilfeseite eingebaut, die dem Leser unter die Arme greift, wenn er mit einer bestimmten Aufgabe nicht zurechtkommt. Mit zusätzlichen Hinweisen kann er sich dann neu versuchen. Sehr interessant sind die Aufgabenstellungen des 8. Kapitels. Hier wird dem Leser eine kleine Zugfolge präsentiert, in der ich etwas verbirgt, was ein Spieler in der Partie übersehen hat. Hier weiß der Leser also noch nicht einmal, wann genau, also in welcher konkreten Stellung hier etwas möglich war, sondern nur, dass es so war. Wirklich sehr spannend und unterhaltsam!
Das Kapitel 11 enthält Aufgaben mit besonderen Anleitungen. Hier hat jedes Beispiel wieder etwas Neues zu bieten.
Für alle Aufgaben gibt es die Lösungen jeweils am Kapitelende. Diese sind überwiegend zugbasiert gestaltet, enthalten oft aber auch in kurzer Form Texterläuterungen.
Das Buch ist in englischer Sprache verfasst, wobei der Fremdsprachler mit einem Anforderungsgrad auf Schulniveau rechnen sollte.
Ich bin schon mehrfach darauf angesprochen worden, dass ich in meinen Rezensionen auch mal etwas zur Schriftgröße sagen sollte, damit der Leser mit eingeschränktem Sehvermögen eine für ihn wichtige Information erhält. Das vorliegende Werk ist eine gute Gelegenheit, um diesen Wunsch zu erfüllen. "Chess Calculation Training - Volume 1: Middlegames" wartet mit einer vergleichsweise großen Schrift auf.
Fazit: "Chess Calculation Training - Volume 1: Middlegames" ist in meinen Augen ein rundum gelungenes Werk, das ich zum Kauf empfehlen kann. Die Beschäftigung mit ihm macht Spaß, die Spielstärke des konzentriert vorgehenden Lesers wird in meinen Augen zweifellos steigen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Most instructive endgames of 2016
Arkadij Naiditsch, Csaba Balogh
Most instructive endgames of 2016
218 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-83-945362-6-8
24,95 Euro
Most instructive endgames of 2016
Offensichtlich bestärkt durch den Erfolg ihres gemeinsamen Buches "Most instructive endgames 2012 - 2015" aus dem vergangenen Jahr haben die beiden Autoren GM Arkadij Naiditsch und GM Czaba Balogh nunmehr "Most instructive endgames of 2016" über den polnischen Verlag Chess Evolution in die Schachwelt gegeben. Das Werk enthält 70 Endspiele, zumeist in der absoluten Weltspitze und in den bedeutendsten Turnieren gespielt. Sie verteilen sich über insgesamt neun Teile, in die das Buch gegliedert ist. Diese tragen die folgenden Überschriften, aus denen dann jeweils schon die jeweilige Endspielart ersehen werden kann:
1. Pawn endgames
2. Transposing into pawn endgames
3. Queen endgames
4. Transposing into queen endgames
5. Minor piece endgames
6. Transposing into minor piece endgames
7. Rook endgames
8. Transposing into rook endgames
9. Complex endgames.
In ihrer Einleitung stellen die beiden Autoren heraus, dass ihnen in der Darstellung der Endspielführung eine spielsituationsnahe Warte wichtig ist. Sie wollen den Leser so einbinden, dass er einen freien Blick auf die Denkarbeit des Spielers erhält. Es geht ihnen also nicht um computergestützte und von Tablebases beeinflusste möglichst fehlerfreie Endspiele, sondern die Freude des Lesers an packenden Endspielverläufen und brillanten Ideen. So ist es ganz natürlich, dass nicht wenige Begegnungen mit echten Fehlern entschieden werden. Diese gehören zum Schachspiel dazu und machen nach den Worten der beiden Autoren auch dessen Natürlichkeit aus. In erster Linie dient "Most instructive endgames of 2016" der Unterhaltung des Lesers. Um voll auf seine Kosten zu kommen, empfehlen sie ihm, die Endspiele an einem herkömmlichen Brett nachzuspielen. Natürlicherweise wird man beim konzentrierten Durchgehen des Buches auch in seinem eigenen Spielvermögen profitieren. Der Leser, dem es also nicht reicht, "nur" von einem Buch unterhalten zu werden, muss also keinen Bogen um diese Neuerscheinung 2017 machen.
Alle Beispiele werden identisch behandelt. Sie sind jeweils von einem der beiden Autoren kommentiert worden. Eingeführt werden sie über ein Diagramm, es sind also nicht die vollständigen Partien abgebildet. Eine textliche Einleitung führt den Leser in das Szenario ein. Mal erfährt er etwas zum vorhergehenden Verlauf im Duell bis zur erreichten Brettstellung, dann zur Turniersituation oder etwas zu den beiden Kontrahenten. Der Fortgang des Endspiels wird überwiegend mit Textkommentaren und einfachen Varianten begleitet. Beide Kommentatoren gehen dabei identisch vor, der Leser wird von ihnen gleichartig aufs Pferd gehoben. In tiefere Variantenzweige verliert sich die Betrachtung nicht, was dem Ziel einer unterhaltenden Darstellung sehr dienlich ist.
Drei Partien stammen aus dem Weltmeisterschaftskampf 2016 zwischen Carlsen und Karjakin. Es ist interessant, was die beiden Kommentatoren daraus jeweils entwickelt haben, mit der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit und Muße und im Vergleich zu den Kommentatoren, die damals in Echtzeit begleitend tätig geworden sind. Die am 21.11.2016 gespielte 8. Wettkampfpartie hat die damaligen Kommentatoren vor besondere Herausforderungen gestellt. Dies ist die Begegnung, die Carlsen letztendlich verloren hat, weil er einen Bauern Karjakins auf der a-Linie nicht mehr halten konnte. Ein interessierter Amateur wie ich stellte sich damals schon früh vom Beobachterstuhl aus die Frage, ob Carlsens Plan aufgehen konnte, und hatte erheblichen Zweifel daran. Dies sahen manche Kommentatoren auch so, andere waren sich bis unweit des tatsächlichen Partieendes unschlüssig.
In diesem Fall zeigt Arkadij Naiditsch als Kommentator auf, dass ganz viel mehr in diesem Partieendspiel steckte, als der einfache Betrachter wie auch so mancher geneigte Kommentator zu erkennen glaubte. Gerade dieses Spiel zeigt einen Reiz der in "Most instructive endgames of 2016" behandelten Beispiele auf.
Die Buchsprache ist Englisch, Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau reichen für einen weitgehend bequemen Umgang mit dem Werk aus.
Fazit: "Most instructive endgames of 2016" ist eine Sammlung von 70 der interessantesten Endspiele des Jahres 2016, ganz überwiegend gespielt von den Spitzenspielern in Spitzenturnieren. Die Kommentierung will nicht nur die Wahrheit im Schach herausarbeiten, sondern auch seine Schönheit unterstreichen, die nicht zuletzt auch in der Endphase der Partie facettenreich erkennbar wird.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Attacking Chess for Club Players
Herman Grooten
Attacking Chess for Club Players
351 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-655-8
27,95 Euro
Attacking Chess for Club Players
"Attacking Chess for Club Players", New In Chess (NIC) 2016, ist ein neues und sehr instruktives Werk von Herman Grooten, zu dem inhaltlich aber seine Lebenspartnerin, FM Petra Schuurman, viel beigetragen hat. Um es von Anfang an richtig zu verstehen, ist ein Blick in das Vorwort hilfreich. Dort ist in einer sinngemäßen deutschen Übersetzung zu lesen: "Es ist das Leitmotiv des Buches, verschiedene Fähigkeiten oder Teile davon darzustellen. Zugleich haben wir versucht, mit möglichst konkreten Übungen sich den Leser in diesen Fähigkeiten üben zu lassen." Ebenfalls ins Deutsche übersetzt zeigt der Buchtitel die Richtung aller Inhalte an - "Angriffsschach für Klubspieler".
Das Buch ist in erster Linie ein Kurs für den Spieler, der schon das Format eines Klubspielers hat, um sein Angriffsspiel zu verbessern. Es bietet aber auch und damit über den Buchtitel hinaus dem regelfesten Anfänger die Chance, seine Fähigkeiten strukturiert in die Richtung des Klubspielers zu entwickeln. Dabei geht es, dem Inhaltsverzeichnis entsprechend, um die folgenden Themen:
Kapitel 1: Angriffsmotive
Kapitel 2: Zusammenspiel der Figuren
Kapitel 3: Offene Linien für sich nutzen
Kapitel 4: Schwächen ausnutzen
Kapitel 5: Stereotype Motive in Eröffnungsvarianten
Kapitel 6: Fähigkeiten trainieren
Kapitel 7: Angriffspartien von Spitzenspielern.
In einem 8. Kapitel werden dem Leser die Lösungen zu den Aufgaben ausgezeigt, die im Rahmen der vorhergehenden Kapitel an ihn gerichtet worden sind.
Zur Beschreibung des Werkes konzentriere ich mich nach dem Prinzip "pars pro toto" auf das 6. Kapitel, das mir besonders zusagt. Zunächst lässt Grooten den Leser sich einen Spieler vorstellen, der sich ein hohes Maß an Wissen angeeignet hat, dieses aber in seiner Partie nicht auf die Kette bekommt und so auch Gegnern unterliegt, denen er theoretisch klar überlegen ist. Er zeigt damit gut nachvollziehbar den Unterschied zwischen Wissen und Fähigkeit auf. Man kann etwas wissen, ohne es in der Praxis erfolgreich anwenden zu können. Über eine Zusammenstellung von Fähigkeiten, die Schachtrainer oft zu vermitteln versuchen, vom Erkennen bekannter Strukturen über die Berechnung von Varianten bis hin zur Ausarbeitung von Stellungen, und einer Liste von benötigten Fähigkeiten, die sich nicht allein auf das Schachspiel beziehen (z.B. Konzentrationsfähigkeit, Zeitplanung und logisches Denken) kommt er zum Denkprozess des Spielers in seiner konkreten Stellung. Punkt für Punkt listet er instruktiv auf, wie der Spieler vorankommt. Er beginnt mit der Orientierungsphase, in der er die Charakteristika der Stellung ermittelt, und schließt mit einem abschließenden Check vor der Ausführung eines Zuges.
Anhand eines Beispiels aus der Praxis veranschaulicht Grooten das Vorgehen, was dem Leser hilft, den doch insgesamt etwas abstrakten Prozess im Denken des Spielers praktisch wahrzunehmen.
Auf dieser Basis widmet sich das Kapitel dann der Entwicklung von Teilfähigkeiten, über die der Spieler verfügen muss, um am Brett eine Qualifizierung seiner Variantenberechnung zu erreichen. Hier geht es dann um Dinge wie Visualisierung/Vorstellungsvermögen, vorausschauendes Denken etc. Dabei doziert Grooten nicht etwa nur, indem er die Gegenstände der Erörterung darstellt und den Leser damit konsumieren lässt, sondern fasst auch praktische Übungen mit ein. Diese sind voll in den Textablauf integriert, die Lösungen für alle Aufgaben findet der Leser gesammelt im hinteren Bereich des Werkes, so wie bereits oben zum Inhaltsverzeichnis erwähnt.
Die besondere Stärke von "Attacking Chess for Club Players" ist seine Art der Wissensvermittlung, aus der sich erkennen lässt, dass hier sehr viel Erfahrung im Umgang mit lernwilligen Schachfreunden vorliegt. Grooten und seine Lebenspartnerin haben Material eingesetzt, das in ihrer Schachschule erprobt worden ist. Es ist das Ergebnis eine Jahre langen Sichtens, Sammelns, Überprüfens und Einsetzens.
Das Buch ist insgesamt kein Komplettkurs, sondern widmet sich ausgewählten Aspekten und Stellungsbildern, dies dann allerdings auf rund 350 Seiten. Die Fähigkeiten, die der Leser beim Studium entwickelt, sind aber natürlich nicht auf die ausgesuchten Strukturen beschränkt, sie wirken allgemein. Allein bestimmte Motive, beispielsweise gegen die kurze Rochadestellung, sind spezifisch.
Grooten erklärt und erläutert sehr viel. Dies bewirkt, dass der Leser beim Verstehen an die Hand genommen wird. Dies bedeutet aber auch, dass er englische Sprachkenntnisse benötigt, um mit dem Werk arbeiten zu können. Die Anforderungen daran sind aber niedrig, übliches Schulenglisch reicht komplett aus.
Ich empfehle sehr, einen Blick in Leseproben zum Buch zu nehmen, die über das Internet verfügbar sind. Aussagekräftig ist beispielsweise jene, die bei der Fa. Niggemann eingesehen werden kann.
Fazit: "Attacking Chess for Club Players" ist ein sehr gutes Schulungs- und Trainingsbuch. Ich denke, dass es für den regelfesten Anfänger bis zum guten Klubspieler ein Gewinn sein kann. Hervorzuheben sind sein Praxisbezug, seine beinahe analytische Aufarbeitung von (Denk-)Prozessen und Abläufen sowie seine intensiven Erläuterungen und Erklärungen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Fischers Vermächtnis
Jerzy Konikowski / Pit Schulenburg
Fischers Vermächtnis (J. Beyer Verlag 2017, 3. Auflage)
248 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-95920-046-2
19,80 Euro
Fischers Vermächtnis (Eine Gastrezension von Gerd Schowalter, Bad Kreuznach)
Die Autoren hielten eine 3. Auflage nach der zweiten von 2003 für nötig, wie sie im Vorwort darlegen. Nicht nur seine Fans, sondern viele Schachfreunde halten Bobby Fischer für den größten Schachmeister aller Zeiten. Sein allzu früher Tod im Januar 2008, mit nicht einmal 65 Jahren, sorgte für weltweite Trauer, ließ aber seine Anhänger und Bewunderer eher noch anwachsen. Das beweisen nicht nur die zahlreichen Werke über den genialen Amerikaner, sondern seine immer noch aktuellen Partien. Leider beendete er seine große Karriere nach Erringung der Weltmeisterschaft 1972. Erst 20 Jahre später erschien er bekanntlich wieder auf der Weltbühne, als er mit seinem Vorgänger Spasski im ehemaligen Jugoslawien zu einem verspäteten, aber dennoch stark beachteten Rückkampf antrat. Gerade aus diesem spektakulären, aber auch umstrittenen Wettkampf ergänzten die Autoren wesentliche Fragmente der Eröffnungstheorie für seine Anhänger.
Das Buch zeigt einen Abriss von Fischers Lebensweg sowie etliche Partien, will aber keine Partiensammlung und keine Biografie sein. Es soll vielmehr als Lehrbuch dienen, das die einzigartige Klarheit von Fischers Schaffen dokumentiert. Im Eingang wird Fischers Schachlaufbahn gründlich dargestellt. Dann folgt der Teil "Robert James Fischer ist Weltmeister!" bevor seine wichtigsten Erfolge aufgelistet werden.
Sehr übersichtlich sind die fünf Hauptkapitel mit den Untertiteln:" Angriff auf den König", "Entgegengesetzte Rochaden" und "Gleichseitige Rochaden" als Lehrmaterial dargestellt. Sie beinhalten die Partien 1-31. Im 2. Kapitel geht es um das Positionsspiel, mit den Teilen "Der Freibauer", "Der Doppelbauer", "Der isolierte Bauer", "Die hängenden Bauern" und "Verschiedene Motive" (Partien 32- 46). Das 3. Kapitel bringt "Spanische Duelle", war Fischer doch ein großer Experte der Spanischen Eröffnung (Partien 47- 60). Im 4. Kapitel folgt "Das Endspiel", das Fischers großartige Endspielkunst dokumentiert (Partien 61- 73). Schließlich heißt es in Kapitel 5 "Spiele wie Fischer". Dort findet der lernwillige Leser 28 Diagramme, die zum Lösen auffordern. Erst im Anschluss daran werden Fischers Züge verraten. Am Ende gibt es ein Eröffnungsverzeichnis sowie die Auflistung seiner Gegner in den vorgestellten Partien und in den Übungsaufgaben. Selbst ein Literaturverzeichnis fehlt nicht in diesem wohlgestalteten Lehrbuch. Gibt es denn auch etwas daran zu kritisieren? Ein bekannter Verleger sagte mir einmal: "Es gibt kein Buch, das ohne Fehler wäre..."
Mir fielen beim Durchstudieren folgende sechs kleinen Textmängel auf: In Partie 14 (S. 67) fehlt der 6. schwarze Bauernzug. In Partie 26 (S. 106) müsste es in der Anmerkung zum 22. Zug statt "f5" richtig "f6" heißen. In Partie 53 (S. 192) müsste es statt "22. gxf5" richtig "gxh5" heißen. In Partie 56 (S. 198) fehlt das Zugpaar Nr. 50. In Partie 72 (S. 227) ist der Zug 19...Kc7 nicht möglich. Im Diagramm Nr. 16 (S. 233) wäre statt "Schwarz gewinnt" richtig "Weiß gewinnt" gewesen. Man verzeihe mir meine Pedanterie.
Fazit: Die beiden bekannten Autoren, die bei der Überarbeitung und Gestaltung der Analysen von Meister Lothar Nikolaiczuk unterstützt wurden, haben ein großartiges Werk vorgelegt! Die minimalen Ungenauigkeiten können vom Leser erraten werden. Sie schmälern den Wert des Lehrbuches für den Nachspielenden nicht. Sehr schön sind auch die Fotos der meisten Gegner am Anfang der Musterpartien. "Spiele wie Fischer!" wird uns normal Sterblichen nicht gelingen, aber von ihm zu lernen, ist durch dieses Buch möglich.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachverlag Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung gestellt.
Lehrbuch der Verteidigung
Lothar Nikolaiczuk
Lehrbuch der Verteidigung
212 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-95920-045-5
19,80 Euro
Lehrbuch der Verteidigung
Dem nur selten angefassten Thema der Verteidigung in der Schachpartie widmet sich Lothar Nikolaiczuk in seinem neuen Werk "Lehrbuch der Verteidigung". Es ist jüngst im Joachim Beyer Verlag als Imprint des Schachverlags Ullrich erschienen.
Zunächst wirft Nikolaiczuk die vermutlich nie abschließend zu beantwortende Frage auf, warum die Verteidigung im Gegensatz zum Angriff so wenig Aufmerksamkeit erhält, sowohl im Training der Spieler als auch in der Literatur. Er verweist darauf, dass sie im Schach wie in anderen Sportarten so wichtig ist wie der Angriff und lässt uns das Schicksal eines Boxers im Ring vorstellen, der nur angreift und seine Deckung vernachlässigt. Nach seiner Rechnung ist ein halber Punkt, der durch eine gute Verteidigung gegen eine drohende Niederlage errungen wird, genauso wertvoll wie ein Sieg, der einen halben Punkt mehr als das zu erwartende Remis herausholt.
Es wird Nikolaiczuk mit seinem Buch nicht gelingen, die Wertschätzung der Verteidigung fundamental zu heben, aber sehr wohl kann er die Fähigkeiten des Lesers darin heben, institutionalisieren und Manöver selbstverständlicher machen.
Er beginnt mit einem Abschnitt, den er als Experiment bezeichnet und mit dem er deutlich machen will, dass sich eine gute oder eine schlechte Stellung auch nach dem Auge des Betrachters bestimmt. Worum es im Kern geht, kann man schon bei seinem Hinweis vermuten, dass er sich von einem Beispiel einer Fotoserie mit lächelnden Massenmördern und finster blickenden Wohltätern hat inspirieren lassen. Zehn Diagrammstellungen veranlassen den Betrachter zu einem schnellen Urteil, das sich beim genauen Hinsehen als optische Täuschung entpuppt. Wie es tatsächlich um beide Seiten bestellt ist, ob ein Sieg möglich wird oder eine versteckte Verteidigung in der Stellung schlummert, wird erst über eine konkrete und auch qualifizierte Analyse deutlich. Ich habe mir alle Stellungen intensiv angeschaut und kann dem Autor bestätigen, dass den Spieler in seiner Partie in solchen Situationen die "reine" Optik ins Bockshorn führt.
Soweit schon mal geläutert gelangt man als Leser in den Teil 1 und damit in den ersten Saal des Kernbereichs im Buch. Hier werden ihm wesentliche Prinzipien der Verteidigung vorgestellt, vom Aufspüren gegnerischer Schwachstellen über Störmanöver etc. bis hin zur Königsflucht. Als Ausgangspunkt dienen immer mehrere Beispiele aus der Turnierschachpraxis, die über ein Diagramm eingeführt und dann quasi in Kurzform und auf die wesentlichen Aspekte konzentriert analysiert werden. Dem Leser wird jeweils aufgezeigt, worauf es in der Stellung ankommt und wie sie zu spielen ist.
Das "Lehrbuch der Verteidigung" ist in erster Linie ein Lehr- und Trainingsbuch zur Schachtaktik, konzentriert auf die Verteidigungsressourcen. Diese soll der Leser sich in die Erinnerung zurückrufen, sie neu erfahren bzw. kennen lernen und die Situationen, in denen sie je nach Art in seiner Partie genutzt werden können, (neu) zu erkennen lernen, um sie dann anzuwenden zu wissen.
Vom Ansatz her richtet sich das Buch eher nicht an den Anfänger, sondern setzt schon einiges an Kenntnis und Fertigkeiten voraus. So dürften dem Leser, auf den ich den Fokus richte, die wichtigsten Prinzipien der Verteidigung schon einmal begegnet sein. Er erhält ein in meinen Augen ausgezeichnetes Buch, das ihn seine alten und vielleicht auch schon etwas verschütteten Fähigkeiten reaktivieren und auf jeden Fall trainieren lässt. Lehrbuchmäßig dargestellt ist dabei jeweils die Analyse, um die wahre Situation auf dem Brett zu ermitteln.
Der zweite Teil des Werkes ist mit "Überhaupt nichts los" überschrieben. Ich muss zugeben, dass mich diese Überschrift etwas irritiert hat, denn so richtig habe ich nicht erkennen können, warum Nikolaiczuk gerade sie so gewählt hat. In diesem Teil stellt er zahlreiche Beispiele vor, in denen alle Themen der Verteidigung eine Rolle spielen (können). Die Art der Darstellung entspricht dabei jener im vorangehenden Abschnitt, nur dass der Leser hier keine Lösung nach einer bestimmten Kategorie erwarten kann. Zudem gehen die analytischen Betrachtungen tendenziell etwas weiter in die Tiefe.
Im dritten Teil schließen sich 100 Diagrammaufgaben und die Lösungen darauf an. In ihnen geht es darum, "am laufenden Band" die Rettung zu finden. Hinweise, die ihn auf den richtigen Weg führen könnten, erhält der Leser nicht. Er erfährt nur, wer am Zug ist, und hat dann eine ähnliche Aufgabe wie in seiner eigenen Partie zu bewältigen. Der Schwierigkeitsgrad der einzelnen Aufgaben ist überwiegend recht hoch. Um sie gut lösen zu können, bleibt dem Leser nichts anderes übrig, als eine analytische Bestandsaufnahme durchzuführen, die ihm Nikolaiczuk in den vorangehenden Beispielen vorgemacht hat.
Im sich anschließenden vierten Teil mit der Überschrift "Mit einem blauen Auge …" geht es um genau das, was sie vermuten lässt. Entweder ist der Verteidiger gerade noch davongekommen oder er hatte die Chance dazu. Im fünften und letzten Teil, der nur sehr kurz gehalten ist, geht es darum, wie man in einer echten Verluststellung dem Gegner das Gewinnen zumindest noch möglichst schwer machen kann.
Alle im Buch verwendeten Beispiele aus der Praxis sind nach Eignung und nicht nach Alter ausgewählt. Ganz überwiegend sind sie schon betagt, was aber bei einem Werk wie diesem ohne jede Bedeutung ist.
Fazit: Das "Lehrbuch der Verteidigung" ist für den fortgeschrittenen Spieler prädestiniert. Es ist ein Lehr- und Trainingsbuch, das auf eine grundlegende Einführung in die Verteidigung mittels Lehrsätzen etc. verzichtet. Geschult wird das taktische Vermögen des Lesers, in der eigenen Partie in schlechterer Stellung die Verteidigungsressourcen zu erkennen und fundiert anzuwenden.
In meinen Augen ist das Buch eine lohnenswerte Anschaffung für jeden Vereinsspieler. Eine Grenze nach oben sehe ich dabei nicht, auch der versierte Spieler wird passagenweise an seine Grenzen kommen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachverlag Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung gestellt.
The Complete Ragozin
Matthieu Cornette
The Complete Ragozin
304 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-615-80713-0-7
24,95 Euro
The Complete Ragozin
"The Complete Ragozin" von Mathieu Cornette, aktuelle Neuerscheinung bei Chess Evolution aus Polen, ist ein aus der Sicht von Schwarz geschriebenes Repertoirebuch. Für Cornette, Großmeister aus Frankreich, ist die im Werk behandelte Ragozin-Verteidigung eine ideale Ergänzung zur Nimzo-Indischen Verteidigung, die ansonsten zu seinen eigenen bevorzugten Waffen gegen 1.d4 zählt.
Bisher unbekannt war mir, dass dieses System früher teilweise auch als "Ragosin-System der Nimzowitsch-Indischen Verteidigung" bezeichnet wurde.
Hauptsächlich entsteht die Ragosin-Verteidigung über den Weg des abgelehnten Damengambits. Die Schlüsselzugfolge ist dann 1. d4 d5 2. c4 e6 3. Sc3 Sf6 4. Sf3 Lb4. Wenn der Nachziehende dieses System gezielt neben dem Nimzoinder einsetzen will, geht er besser über die Zugfolge 1. d4 Sf6 mit der Folge 2. c4 e6 3. Sf3 d5 4. Sc3 Lb4. So werden beide Spielweisen gezielter nebeneinander angesteuert und Schwarz kann effektiver Einfluss auf den Eröffnungsweg nehmen und seine Wunschformation ansteuern.
Die Ragosin-Verteidigung ist nach dem sowjetischen GM Wjatscheslaw Wassiljewitsch Ragosin benannt, der sich auch im Fernschach einen großen Namen gemacht hat, indem er als 2. Weltmeister in die "Hall of Fame" eingezogen ist.
"The Complete Ragozin" ist in sechs Teile untergliedert, die insgesamt 16 Kapitel enthalten. Der folgende Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis, begrenzt auf die genannten sechs Teile, gibt Auskunft darüber, wie Mathieu Cornette seine Arbeit organisiert hat.
Teil 1: System mit Da4+
(5 Kapitel)
Teil 2: System mit Db3
(2 Kapitel)
Teil 3: 5.cxd5 Hauptvariante
(3 Kapitel)
Teil 4: 4.Lg5 h6
(2 Kapitel)
Teil 5: Übergang zum Nimzo-Inder
(2 Kapitel)
Teil 6: Die beschleunigte Ragosin-Verteidigung
(2 Kapitel).
Die einzelnen Kapitel sind allesamt gleichartig aufgebaut. Cornette kommt im Anschluss an die jeweilige Initialzugfolge und zumeist einem Ausgangsdiagramm schnell zur Sache. Während er die übergeordneten Teile jeweils mit zumindest wenigen Worten einführt, widmet er sich in den Kapiteln durchgehend sofort der Theorie. Den Kapitelabschluss bildet eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Aspekte der Variante.
In seiner Einleitung schreibt er, dass er manche Varianten vielleicht etwas weit entwickelt haben mag. Dies rechtfertigt er damit, dass er immer an der Wahrheit interessiert ist und überlässt es dem Leser, den Punkt des Abbrechens selbst zu bestimmen. Zugleich spricht er den Trost aus, dass auch er selbst sich nicht alles merken könne, was ihm Buch steht.
Wenn man im Werk voranschreitet, stellt man fest, dass Cornettes "Vorwarnung" berechtigt ist, auch wenn ich im Laufe der Jahre schon einige Bücher gesehen habe, die noch deutlich mehr Kandidaten hierfür gewesen wären.
Es ist keineswegs so, dass hier nur Varianten abgespult werden. Vielmehr ergibt sich ein Mix aus Varianten und Texterklärungen, wobei eben bisweilen bis deutlich in die Partie hinein der Weg eines Aufbaus verfolgt wird. So bilden lange Varianten ohne jede Anmerkung tatsächlich nur eine Ausnahme.
Ich habe mir recht schnell die Frage gestellt, für welchen Leser dieses Buch eine Empfehlung sein kann. Der erstrangige Adressat ist der fortgeschrittene Spieler. Wenn er die Ragosin-Verteidigung bereits im Repertoire hat, wird er mindestens auf eine Aktualisierung seiner Kenntnisse setzen können, denn Cornette hat versucht, die immense Entwicklung des Systems in den vergangenen Jahren - die Big Database von Chessbase enthält allein für 2016 132 Top-Level-Partien - aufzunehmen. Unter wirklichkeitsnahen Annahmen ist aber davon auszugehen, dass 99 Prozent oder mehr der Spieler auch neues für sich aus dem Werk werden ziehen können. Gleich neben diesem Spieler-Typus sehe ich denjenigen, der genau wie Cornette selbst sehr auf die Nimzo-Indische Verteidigung setzt und die Ragosin-Verteidigung ggf. unter Zugumstellung auf das Brett bekommen will, um ein möglichst gleich gut beherrschtes System auf weiße Abweichungen einsetzen zu können.
Wie fast immer bei Büchern, die auch eine erhebliche Variantenbreite aufweisen, gehört auch der Fernschachspieler zum Top-Adressatenkreis. Er bekommt mit "The Complete Ragozin" ein inhaltsreiches Spezialwerk in die Hand, das er seine Partie begleitend und damit ohne Einschränkungen durch ein begrenztes Gedächtnis einsetzen kann. Dem noch nicht allzu gut versierten Spieler kann ich das Werk nicht empfehlen. Aus seiner Warte betrachtet enthält es zu wenig grundlegende Ausführungen und ist inhaltlich zu breit angelegt. Er wäre von Anfang an überfordert und könnte, von vielleicht wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum von dem Werk profitieren.
In seinen Darstellungen bedient es sich übrigens eines klassischen Aufbaus in der Form eines Baumes aus Haupt- und Nebenvarianten. Vollständige Partien zur Illustrationen enthält es nicht, der Leser erhält "Theorie pur".
Etwas enttäuschend ist das Fehlen eines Variantenverzeichnisses. Dieser Mangel wird auch nicht von dem zugorientierten Inhaltsverzeichnis aufgefangen, da dieses für einen solchen Zweck der dann erforderliche Tiefgang fehlt.
Die Buchsprache Englisch stellt keine erwähnenswerten Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers.
Fazit: "The Complete Ragozin" ist ein gelungenes Werk, das seine Qualität in der Hand des fortgeschrittenen Spielers, besonders wenn er auf die "Variantenliebe" des Autors einzugehen bereit ist, und des Fernschachspielers entfalten kann. Wie bei allen Repertoirebüchern liegt der individuelle Nutzen im Auge des Lesers. Wird er thematisch erreicht, wird ihm das Werk mit allergrößter Wahrscheinlichkeit viel bringen. In die Hand des Anfängers im Schach gehört das Werk eher nicht.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
The Center
Adrian B. Mikhalchishin, Georg Mohr |
Aljechin - Leben und Sterben eines Schachgenies
Ulrich Geilmann
Aljechin - Leben und Sterben eines Schachgenies
108 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-95920-041-7
14,95 Euro
Aljechin - Leben und Sterben eines Schachgenies (Eine Gastrezension von Gerd Schowalter, Bad Kreuznach)
Aljechin. Immer wieder Aljechin! Zweifellos ist der 4. Schachweltmeister einer der Größten der Schachgeschichte. Nach Alexander Kotows "Das Schacherbe Aljechins" haben Vater und Sohn Isaak und Wladimir Linder, die beiden russischen Historiker, das wechselvolle Leben des Schachtitanen gründlich erforscht. Das geschah zuletzt in dem englischen Werk "Alexander Alekhine" aus dem Verlag Russell Enterprise, Milford, USA, das eine deutsche Übersetzung verdient hätte.
Der Autor U. Geilmann, ein diplomierter Stadtplaner im öffentlichen Dienst, ist ein Hobbyschachspieler, Mitglied in der E.-Lasker- Gesellschaft und Vizepräsident der Schachbundesliga. In seinem Erstlingswerk geht er ganz andere Wege: Geilmann schreibt einen Roman über den großen Aljechin. IGM Rustem Dautov verfasste ein einführendes Vorwort, dem noch ein Prolog des Verfassers folgt, bevor er in 13 gut recherchierten Kapiteln das inhaltsreiche Leben und dramatische Sterben Aljechins romanhaft nachzeichnet.
Der glücklichen Kindheit in Moskau folgen die ersten Schritte in das Schachleben. Diese beinhalten auch Enttäuschungen, bevor sich Erfolge um Erfolge zeigen. Sein Studium der Rechte beginnt er in St. Petersburg in einer unruhigen Zeit, die in den schrecklichen I. Weltkrieg einmündet. Bekanntlich wurde das große Turnier in Mannheim abgebrochen, und die russischen Meister wurden interniert. Schlimmer noch wurde die Oktoberrevolution, in deren Folge Aljechin sogar zum Tode verurteilt wurde. Nur mit viel Glück entging er dem grausamen Urteil. Wie viele andere Russen emigrierte er nach Westeuropa. "Er sollte seine alte Heimat nie mehr betreten. Für ihn begann damit ein ruheloses Leben als professioneller Schachspieler." Gewinn der Weltmeisterschaft, Verlust derselben gegen M. Euwe und Rückgewinn 1937 sind hinreichend bekannt.
Der Verfasser lässt auch die dunklen Seiten des Weltmeisters, der politisch oft auf der falschen Seite stand, nicht aus. Zeitweilige Alkoholprobleme, zwei Ehescheidungen und eine dritte Partnerschaft werden geschildert. Erwähnt werden eine Tochter Anna aus erster Ehe sowie der Sohn Alexander aus der zweiten Ehe, um die er sich offenbar wenig gekümmerte hat. Er wurde auch in der Schweiz und dem von ihm als neue Heimat bezeichneten Frankreich nicht glücklich. Seine letzten Jahre endeten in Spanien und schließlich in Portugal.
Sein rätselhafter Tod findet in dem Roman eine gewagte Theorie.
Das Buch ist nicht nur für Schachfreunde, sondern für alle an Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts Interessierte geschrieben. Im Text finden sich 17 Kombinationen Aljechins, deren Lösungen erst im Anhang aufgesucht werden können. Die Schachterminologie wird den Laien wundern, wenn es heißt (S.32):"Er begann seine Lage zu analysieren und seine Möglichkeiten zu berechnen. Er hatte keine gute Stellung..."
Im Buch erscheinen auch kurz russische Politiker wie Lenin und Trotzki, selbst Chrustschow wird erwähnt. Die eingestreuten Fotos zeigen hingegen nur Schachmeister, wie etwa Lasker, Capablanca usw. Des Öfteren ist die Rede vom spanischen Wunderkind und späteren Großmeister Arturo Pomar Salamanca. Der ist bei uns als Arturo Pomar bekannt. Er nennt ihn ungewöhnlich Salamanca, an einer Stelle sogar Alfred. Im Epilog lässt er Pomar mit einer Zufallsbekanntschaft eine Flasche schweren Portweins trinken. "Er schüttete Salamanca ein." Dieser Satz wird nicht nur Weinfreunde in den Anbaugebieten Süddeutschlands, sondern auch Weintrinker in allen Gegenden unserer Heimat belustigen. Denn guter Wein wird niemals ausgeschüttet (höchstens ausgeschenkt oder eingegossen)!
Fazit: Der Autor ist ein Wagnis eingegangen, den großen Aljechin romanhaft vorzustellen. Das ist ihm weitgehend gelungen. Ein paar wenige Druckfehler stören den interessierten Leser kaum. Die eingestreuten Kombinationen auf sauberen Diagrammen erfreuen den lesenden Schachfreund, wenngleich die Partieangaben wohl besser unter dieselben gesetzt worden wären. Erfreulich ist die Wiedergabe der Diagramme mit prägnanter kurzer Lösungsangabe.
Selbst wer schon mehrere Bücher über den 4. Weltmeister besitzt, wird gern zu diesem neuen Roman, der überzeugen kann, greifen. Meine Empfehlung.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachverlag Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung gestellt.
The Spanish Main Road
Jewgeni Soloschenkin
The Spanish Main Road
275 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-619-7188-07-3
24,95 Euro
The Spanish Main Road
Mit "The Spanish Main Road" von Jewgeni Soloschenkin hat der bulgarische Verlag Chess Stars im Jahr 2016 ein Repertoirebuch zur Spanischen Partie herausgebracht, das sich an der Warte des Nachziehenden ausrichtet. Der Verlag ist für einen besonderen Aufbau seiner Werke dieses Genres bekannt, der diesmal aber nicht zum Tragen gekommen ist. "The Spanish Main Road" bringt seine Inhalte nicht in einem dreigeteilten Kapitelaufbau nach - ins Deutsche übersetzt - "Zentrale Ideen", "Schritt für Schritt" und "Illustrative Partien" an seine Leserinnen und Leser, sondern klassisch in der Form eines in Haupt- und Nebenlinien unterteilten Variantengitters.
Das zentrale System des von Soloschenkin zusammengestellten Vollrepertoires bildet die Saizew-Variante, die über die Zugfolge 1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. 0-0 Le7 6. Te1 b5 7. Lb3 d6 8. c3 0-0 9. h3 Lb7 auf dem Brett entsteht. Auf dem Weg in die Ausgangsstellung der Betrachtung kann durch Abweichungen des Gegners mit Weiß die Partie in anderen Gefilden der Spanischen Partie landen. Diese fängt Soloschenkin in der Form jeweiliger Repertoirezusammenstellungen ab.
"The Spanish Main Road" ist in sechs Teile gegliedert, die insgesamt 26 Kapitel enthalten. Teil 5 enthält alles, was Soloschenkin zum Saizew-System selbst anbietet. In Teil 6 geht er auf die Folgen ein, wenn Schwarz die mögliche Zugwiederholung über Sf3-g5-f3 ins Remis, für die das System bekannt ist, vermeidet. Die Teile 1 bis 4 sichern das Repertoire gegen weiße Ausbrüche ab, indem er zur Abtauschvariante greift, im fünften oder sechsten Zug abweicht oder die Partie in weitere Bereiche des "geschlossenen Spaniers" überführt.
Wie oben schon kurz erwähnt, handelt es sich im Werk um ein Schwarzrepertoire. Was dies bedeutet, erklärt der Autor seine Arbeit einleitend. Für Weiß werden alle plausiblen Zugmöglichkeiten berücksichtigt, für Schwarz aber nur die aus Soloschenkins Sicht besten Alternativen. Bisweilen gibt er auch für Schwarz mehr als einen Weg zur Auswahl an, wenn er sich nicht uneingeschränkt festlegen will.
Teilweise sind die in den Kapiteln behandelten Spielweisen mit Namen betitelt, die im deutschen Sprachraum nicht geläufig sind. Es macht deshalb keinen Sinn, das Inhaltsverzeichnis in dieser Rezension abzubilden.
Soloschenkin ist Großmeister und russischer Verbandstrainer. Seiner Angabe nach hat er das Buch für seine Studenten geschrieben. So wie das Buch gestaltet ist, kann dies aber nur für die Variantenauswahl und eine an einigen Stellen erkennbar werdende Anforderungsschwelle gelten, mit der er seine Leser konfrontiert. Insgesamt erscheint das Werk vor dem Hintergrund der Aussage indifferent, indem es sowohl Basiserläuterungen enthält wie auch Informationen, mit denen Otto Normalverbraucher nur eingeschränkt wird arbeiten können.
Damit sind wir bei der Frage angekommen, an wen sich "The Spanish Main Road" in erster Linie richten dürfte. Und darauf kann ich keine eindeutige Aussage treffen. Aber ich kann meine Eindrücke und Feststellungen schildern.
1. Regelmäßig wird die Spielweise, der ein Kapitel gewidmet ist, sehr anschaulich eingeführt. Der Leser wird mit Hintergrundinformationen ausgestattet, erhält Hinweise zu Plänen, taktischen Besonderheiten etc. Die ersten Züge werden intensiv kommentiert und erläutert. Diese Teile des Werkes sind so verständlich gestaltet, dass sie zweifellos von jedem Spieler aufgenommen werden können, der eine Spielstärke erreicht hat, ab der ein Repertoirebuch überhaupt erst Sinn macht.
2. Mit zunehmender Zugzahl nehmen die erläuternden Texte ab, sie fallen kürzer aus und beschränken sich auf grundlegende Aspekte. Wenn der "einfache" Klubspieler in dieser Region, in die sich die Partie dann schon um einiges entwickelt hat, noch an seinem Repertoire feilen will, sieht er sich gehobenen Anforderungen an sein Verständnis gegenüber.
3. Sodann gibt es Bereiche, in denen ich mich gefragt habe, welchen Leser Soloschenkin hier noch erreicht. Diese sind von der Abbildung von Varianten gekennzeichnet, die auch schon mal über 15 bis 20 Vollzüge laufen und sich auch aneinanderreihen können. Am Beispiel der Doppelseite 186 / 187 bedeutet dies, dass der Leser neben vier Diagrammen und rund 20 Wörtern außerhalb von Namen eine Fülle von Zugfolgen vorfindet. Ich halte dies für ein Repertoirebuch, wenn es sich an den Brettschachspieler unterhalb der Spitzenlinie richtet, als sehr "optimistisch" eingeschätzt.
Für den Fernschachspieler, der ein Repertoirebuch während des Spielens nutzen kann, sieht dies anders aus. Er muss sich nichts an langen und vielen Varianten einprägen, er liest sie und setzt sie ein. Der Vorteil im Einsatz des Werkes gegenüber einer eigenen Auswertung seiner Partiendatenbank liegt für den Fernschachspieler dann auch darin, dass er nach des Autors Bewertung wichtige Linien nicht übersehen kann, soweit er aufgrund von Praxisbeispielen überhaupt über sie verfügt.
Festzustellen bleibt, dass Soloschenkin sehr viele Varianten aus Fernschachpartien gezogen hat. Ich habe zahlreiche deutsche und internationale Spielerinnen und Spieler erkannt.
Die Erörterungen der Theorie werden um insgesamt 18 kommentierte Partien ergänzt, die der Autor gesammelt im Anschluss an die 26 Kapitel aufgenommen hat. Die Kommentare bestehen aus einem Mix aus Text und Varianten, wobei der Textanteil erfreulich hoch ist.
Das Variantenverzeichnis am Ende des Werkes ist ausführlich und bei der Orientierung im Stoff damit sehr hilfreich.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind nicht erwähnenswert.
Fazit: "The Spanish Main Road" halt auf 275 Seiten ein Schwarzrepertoire bereit, das den Leser für den Einsatz gegen die Spanische Partie rüsten soll. Der Kern des Repertoires wird vom Saizew-System eingenommen. Auf dem Weg bis zu dessen Ausgangsstellung ist das Repertoire gut abgesichert.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
The Sicilian Sveshnikov - move by move
Cyrus Lakdawala
The Sicilian Sveshnikov - move by move
400 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-355-7
21,95 Euro
The Sicilian Sveshnikov - move by move
Die mit 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e5 eingeleitete Sweschnikow-Variante ist eine Spielweise, über die sich das Urteil der Schachtheorie in den vergangenen Jahrzehnten zum Positiven geändert hat. Einen gehörigen Anteil zu dieser Entwicklung hat Jewgeni Sweschnikow beigetragen, was der Spielweise auch ihren heute gebräuchlichen Namen eingebracht hat. Für sie sind auch ältere Namensgebungen wie Lasker-Variante, Pelikan-Variante oder die aktuelle Kombination der Namen in Lasker-Pelikan-Sweschnikow-Variante bekannt.
Während früher die entstehende geschwächte schwarze Bauernstruktur Theoretiker und das Gros der Praktiker die Nase rümpfen ließ, wenn sie das System zu bewerten hatten, weiß man heute, dass der nicht wegzudiskutierenden Schwächung respektable schwarze Gegenchancen durch ein dynamisches Figurenspiel gegenüberstehen. Dieses lässt sich oft in einen starken Königsangriff entwickeln.
Gerade auch im Fernschach hat die Sweschnikow-Variante in der jüngeren Vergangenheit sehr an Bedeutung gewonnen und kommt insbesondere auch dann zum Einsatz, wenn der Spieler mit Schwarz auf den vollen Punkt spielen will und ein Spiel auf des Messers Schneide im Vertrauen auf seine eigenen Angriffsfähigkeiten anstrebt.
Der amerikanische IM Cyrus Lakdawala, der Bücher beinahe wie vom Fließband abliefert, hat sich in "The Sicilian Sveshnikov" aus der "move by move"-Reihe von Everyman Chess die Aufgabe gestellt, dieses System so an Mann und Frau zu bringen, dass diese es fundiert in die eigene Praxis übernehmen können. Er hat das Werk aus der Warte des Nachziehenden geschrieben, es ist aber auch für denjenigen geeignet, der seine Fähigkeiten mit den weißen Steinen im Duell gegen einen "Sweschnikow" spielenden Gegner entwickeln möchte.
Auf insgesamt 400 Seiten erhält der Leser eine zugleich kompakte wie detaillierte Darstellung des Systems, der Schwarzspieler in Verbindung mit einem Mini-Repertoire. Wie für die Buchserie typisch werden fortlaufend Fragen an ihn gerichtet bzw. ihm Aufgaben gestellt. Dadurch wird er animiert, mitzuwirken und sich in die Besonderheiten der Eröffnung einzudenken. Zugleich kann er in quasi einer Selbstkontrolle feststellen, ob er mit seinen Überlegungen oder Berechnungen richtig lag. Die Auflösung aller Leserbeiträge erfolgt unmittelbar im Anschluss im Rahmen der Kommentierung.
Die Übungen unterscheiden sich in ihrem jeweiligen Schwerpunkt, beispielsweise in Richtung Planung oder Kombination.
Lakdawala zeichnet eine bildreiche, blumige Sprache aus. Sein Schreibstil wirkt nicht selten etwas emotional. Dies hat sich in früheren "move by move"-Büchern von ihm auch schon mal in den an den Leser gerichteten Fragen abgebildet, indem sie Ausrufe und ähnlich enthielten. Wer dies als Auflockerung oder schlicht unterhaltsam wahrnimmt, kann sich dann freuen, ich habe es eher als gekünstelt und überzogen wahrgenommen. Diesmal sind nur wenige Male mit Lakdawala "die Pferde durchgegangen", was mir persönlich besser zusagt.
Ein Lob gebührt der Aufarbeitung des Stoffes. Der Autor gibt sich große Mühe, um dem Leser über Erläuterungen die Theorie verständlich zu machen. Es gibt auch nicht zu knapp Varianten, aber der Schwerpunkt ist auf Text gesetzt. Besonders hervorheben möchte ich, dass Lakdawala sich oft des Mittels einer Aufzählung bedient. Wenn es darum geht, Vor- oder Nachteile einer Stellung abzuwägen, aus der Sicht beider Parteien, oder Schritte für die weitere Spielplanung darzustellen, empfinde ich persönlich diese Art der Darstellung als sehr hilfreich. Als Leser bekommt man auf den Punkt gebracht das präsentiert, was aus der Sicht des Autors maßgeblich ist und Gewicht hat. Bisweilen haben diese Aussagen quasi den Rang einer Art Regel für die Behandlung von Stellungen der gerade betrachteten Art.
Es kommt reichlich Text im Buch vor. Dies in Verbindung mit der oben schon erwähnten blumigen Sprache setzt Ansprüche an die Englischkenntnisse des Lesers. Das Vokabular ist anspruchsvoll und Metaphern lassen sich nicht wörtlich übersetzen, um den Sinngehalt zu erfahren. Wenn der Leser geschmeidig mit dem Werk arbeiten können und an sprachlich "schwierigen" Stellen nicht "Mut zur Lücke" haben will, sollte er über sichere und geübte Sprachkenntnisse verfügen.
Zur Auswahl des Stoffes, der Varianten: In einer anderen Besprechung habe ich die Kritik gelesen, dass Lakdawala den "Mainstream" abbildet und eventuell chancenreiche Nebenvarianten vernachlässigt. Ich halte die Feststellung zu Lakdawalas Auswahl für zutreffend, die Kritik aber nicht für berechtigt. Ich begründe dies mit dem Adressatenkreis, den ich für dieses Buch sehe. Es ist in meinen Augen an den Klubspieler gerichtet, der ein solides Verständnis für ein Sizilianisch-System braucht, das er als Dauerwaffe in sein Repertoire aufnehmen will. Es wird ihm Zeit und Disziplin abverlangen, wenn er "The Sicilian Sveshnikov - move by move" komplett durcharbeiten will, um sich umfassend zu wappnen. Dann aber dürfte er Kenntnisse, vor allem aber auch Verständnis und Gefühl für das System haben, so dass er es qualifiziert spielen kann. Er wird seine praktischen Partien zumeist in den Zweigen des Buches wiederfinden, so dass er sie an diesem ausgerichtet analysieren kann.
Wenn ein Leser Spezialvarianten sucht, dann wird er mit anderen Quellen sicher besser bedient als mit dem vorliegenden Werk. Nur für diesen Fall sehe ich die oben genannte Kritik als zutreffend an, eingeschränkt aber auf die dann nicht so ganz nachvollziehbare Auswahl dieses Buches für einen Zweck, für den es nicht geschrieben sein dürfte.
Entsprechend lässt sich zur Auswahl der Varianten nicht viel sagen - Standard halt, fast ausschließlich. Es gibt sechs Kapitel im Buch, nur das letzte im Reigen bietet Raum für ein paar zusätzliche Worte. Es trägt den Titel "The Ulfie: 6…h6!?". Hinter "Ulfie" verbirgt sich die Anspielung auf den Namen von Ulf Andersson, 6…h6!? ist kein Standard, aber eine interessante und spannende Nebenidee. Sie wird auf 60 Seiten behandelt.
51 Partien aus der Meisterpraxis, zumeist nach 2000 gespielt, bilden das Rückgrat des Werkes. Sie geben die Varianten vor und enthalten die Erläuterungen zur Theorie anhand der Kommentierung. Zwei Duelle sind im Fernschach gespielt worden.
Dem Fernschachspieler wird vertraut vorkommen, dass Lakdawala zur Variantenberechnung auch auf die Engine Komodo gesetzt hat. Sie ist auch im Fernschach geschätzt und verbreitet. Er setzt sich aber bisweilen auch kritisch mit deren Rechenergebnissen auseinander. Er selbst ist ein sehr erfahrener Spieler am Turnierbrett. So wird sein Auge auch immer darauf gerichtet sein, was ein Spieler am Brett tatsächlich wird leisten können. Das rechnergestützte Fernschachspiel kann hier andere Erwartungen rechtfertigen, die dann auf Komodo mehr vertrauen lassen können.
Die Bibliografie ist kurz und enthält nicht alle wichtigen Werke, soweit sie Aktualität besitzen. Es gibt ein solides Variantenverzeichnis, über das gesuchte Theoriebereiche gut angesteuert werden können.
Fazit: "The Sicilian Sveshnikov - move by move" ist ein Buch, das vor allem den Klubspieler ansprechen dürfte. Es ist gut geeignet, um ihn die Sweschnikow-Variante erlernen und verstehen zu lassen, so dass er sie in sein Repertoire aufnehmen kann.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Black is Back!
Andras Adorjan
Black is Back!
319 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-661-9
22,95 Euro
Black is Back!
Wie groß ist der weiße Eröffnungsvorteil in der Partie? Wenn es nach Andras Adorjan geht, ist er unbedeutend, sofern überhaupt real vorhanden. Eine fehlerfrei geführte Partie würde mit einem Remis enden und nicht mit einem weißen Sieg, was er als seine Skepsis bestätigend anführt.
Mit "Black is Back!", 2016 bei New In Chess (NIC) erschienen, schlägt er in eine Kerbe, die er mit früheren Veröffentlichungen geschaffen hat. Zusammen mit Peter Boel, der nicht als Autor genannt wird, aber wohl einen erheblichen Teil der "administrativen" Arbeit an dem Werk verrichtet und ein Kapitel selbst beigetragen hat, versucht er die Aussichten des Nachziehenden in der Partie als ebenbürtig zu rehabilitieren. Den klaren Schwerpunkt der Argumente bildet eine Vielzahl von kommentierten Partien, die ganz überwiegend von Adorjan selbst gespielt worden und bis auf eine mit einem schwarzen Sieg geendet sind. Zu dieser einen Ausnahmepartie gibt es die neckische Aufforderung an den Leser, sie im Buch zu suchen. Dies habe ich nicht gemacht und vertraue darauf, dass es sie wirklich gibt.
Die wesentliche Wurzel für die statistisch etwas schlechteren Zahlen für Schwarz zum Erfolg in den Partieausgängen sieht Adorjan in der Psychologie. Während dem Spieler schon in der Ausbildung dann, wenn er die weißen Steine führt, ein offenes und aktives Vorgehen eingeimpft wird, damit er "seinen" Anzugsvorteil in eine vorteilhafte Eröffnungsstellung entwickeln kann, soll er mit den schwarzen Steinen einen soliden Aufbau schaffen, keine Schwächen zulassen und mental "die zweite Geige spielen". Mit dieser Grundeinstellung zum Partiebeginn ist für Adorjan der Weg für Weiß bereitet, tatsächlich einen Anzugsvorteil zu erwirtschaften. Er sieht sich in seinem Kampf um ein Umdenken wie Don Quichote, der ebenfalls nimmermüde gegen Windmühlen kämpfe, ohne gewinnen zu können.
Beim Durcharbeiten des Werkes zur Vorbereitung dieser Rezension musste ich unwillkürlich an eine eigene Erfahrung denken, die ich vor ein paar Jahren gemacht habe. Wegen eines gesundheitlichen Problems mit einer Hand wurde mir vom Hausarzt geraten, darauf Acht zu geben, dass ich nicht noch darauf fallen würde. Seinen Rat habe ich mir zu Herzen genommen und bin sehr vorsichtig geworden. In den nächsten Tagen habe ich glatt drei Mal "den Boden geküsst" - Jahrzehnte vorher überhaupt nicht und auch nach der Genesung nie wieder. Mir dürfte wohl das wiederfahren sein, was den Schwarzspieler im übertragenen Sinne in seiner Partie auf die Nase fallen lässt - ein zu vorsichtiges Agieren mit dem Ziel, Fehler zu vermeiden.
Wie oben schon erwähnt, ist "Black is Back!" in besonderem Maße eine Partiensammlung. Sie ist dabei weniger autobiographisch gestaltet und mehr als Überblick über Adorjans Schaffen als Spieler zu verstehen, so wie es das Werk auch selbst sieht. Das von Peter Boel beigetragene Kapitel 6 enthält zwischen Gelfand und Nakamura gespielte Partien. Ältere Partien von Adorjan - das Buch setzt 1962 ein - hat er noch unter einem früheren Familiennamen Jocha gespielt.
In der Kommentierung blitzt immer wieder mal der Ansatz auf, die schwarzen Eröffnungschancen als gleichwertig darzustellen. Ansonsten sind die Partien herkömmlich kommentiert, Varianten und Analysen machen dabei einen erheblichen Teil der Erläuterungen aus. Neben Aussagen zum jeweiligen Spiel findet der Leser auch etliche narrative Elemente vor, die beispielsweise Spielerpersönlichkeiten gewidmet sind oder Informationen aus Adorjans Leben enthalten.
Neben den Kapiteln, die den Partien gewidmet sind, gibt es vier weitere mit anderen Tributen an den Spieler mit Schwarz. Die Nummer 6 im Reigen enthält ausführliche statistische Informationen zum Thema Chancengleichheit in der Eröffnung. Besonders hervorzuheben ist Kapitel 9, das ein schwarzes initiatives Eröffnungsrepertoire anbietet, gestaltet wie ein computerbasiertes Eröffnungsbuch. Kapitel 11 ist eine Zusammenstellung von Einschätzungen von Spielerpersönlichkeiten zur Farbverteilung im Schach, eigenen Vorlieben und eben zur Verteilung der objektiven Chancen in der Partie. Das abschließende Kapitel 12 ist eine Art Verneigung Adorjans vor zahlreichen Partnern, Unterstützern, Schülern und Weggefährten, indem er diese kurz in einem Mini-Porträt vorstellt und sie dann in einer eigenen Partie zu Wort kommen lässt, natürlich mit Schwarz gespielt und gewonnen.
"Black is Back!" ist keine systematische Aufarbeitung zur Frage, ob Schwarz in der Eröffnung und damit in der Partie gleiche Chancen hat oder nicht. Das Werk ist vielmehr eine Zusammenstellung von Schwarzsiegen, interessanten und teilweise auch erstaunlichen Informationen sowie von Erinnerungen, die Adorjan als früherer Weltklassespieler mit der Souveränität und Gelassenheit eines "Elder Statesmen" Revue passieren lässt.
Fazit: "Black is Back!" ist ein gelungenes Buch zu einem interessanten Thema. Wer eine Quelle für ein eigenes Selbstvertrauen sucht, das ihn in der nächsten eigenen Schwarzpartie mit breiter Brust antreten lässt, der wird mit ihm fündig. Daneben ist das Werk eine umfangreiche Sammlung kommentierter Partien. Ob es Don Quichote die Windmühlen besiegen lässt, mag jeder selbst entscheiden.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
the English
David Cummings
the English
399 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-374-8
24,95 Euro
the English
"the English" von IM David Cummings", Ende 2016 erschienen bei Everyman Chess, versucht sich als Repertoirebuch in einem umkämpften Bereich der Eröffnungslandschaft zu etablieren, der Englischen Eröffnung. Zu ihr gab es in den letzten Jahren mehrere einflussreiche Neuerscheinungen. Ganz vorne zu nennen sind dabei die Bände 1 bis 3 von "Grandmaster Repertoire, The English Opening" aus der Feder von Mihail Marin (Quality Chess 2009 bis 2010) und auch, um einiges abgestuft, "A Practical White Repertoire with 1 d4 and 2 c4" von Alexei Kornev (Chess Stars 2013/2014). Das neue und hier nun besprochene Werk findet aber eine klare Nische für sich.
Cummings hat sein Repertoire unter Verzicht auf ein frühes g2-g3 zusammengestellt und sich damit bewusst von den heute zumeist beschrittenen Pfaden entfernt, sich nicht zuletzt auch aus den Gefilden der Marin-Bücher entfernt. Er gibt dem Spieler damit Alternativen an die Hand, die ihn flexibler machen. Zugleich fängt er eine natürliche Reaktion ab, zu der es nicht selten auf einflussreiche Bücher kommt, nämlich die Suche nach Gegenwegen, die dann in neuen Veröffentlichungen publiziert werden. Rede und Gegenrede im aktuell am meisten diskutierten Bereich der Englischen Eröffnung geht Cummings aus dem Weg.
Die angesprochene Nische orientiert der Autor nach meiner Einschätzung auf den Klubspieler. Diese Aussage möchte ich anhand von zwei Feststellungen begründen.
1. In einer Einführung stellt er typische Aufbauten bzw. Vorgehensweisen für Weiß vor. Diese ordnet er den Partien zu, die in den Kapiteln folgen. Der Klubspieler bringt die Fähigkeiten mit, um diese Hinweise aufnehmen und verwerten zu können. Er braucht sie aber auch am ehesten, denn er wird die vermittelten Muster in seiner Praxis in Partien erkennen können, die oft nicht umfassend theoretisch folgerichtig gespielt sein werden. Die Muster bleiben, selbst wenn der Weg zu ihnen von der Theorie abweichend gelaufen ist.
2. Cummings erklärt viel, aber ich erkenne eine Entwicklung in den von ihm gesetzten Anforderungen. Frühe Züge, die bis dahin noch nicht behandelt worden sind, kommentiert er auf "Einsteigerniveau". Er holt damit auch den Spieler ab, der einen ersten Zugang zur Englischen Eröffnung braucht, selbst wenn er schon im unteren Bereich des Klubspielers angekommen ist. Spätere Einschätzungen, Hinweise und Kommentare bewegen sich von diesem Ansatz fort. Hier werden dann oft auch Varianten aus Partien eingestreut, die mit einer generalisierenden Aussage enden, etwa mit dem Hinweis auf bessere Chancen für die eine oder andere Seite. Hier muss der Leser dann schon mehr auf eigenes Knowhow setzen können, um die Gründe für die jeweilige Aussage zu erkennen.
Das Repertoire wird über 44 kommentierte Partien dargestellt und erörtert. Diese entspringen ganz überwiegend den letzten Jahren der Turnierpraxis im Spitzenschach. Fernschachpartien sind nicht darunter, diese fließen aber oft über Fragmente im Bereich der Kommentierung ein. Es gibt insgesamt 16 Kapitel im Buch, auf die sich die Partien aufteilen. Ich verzichte auf einen Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis, weil einige Einträge darin nicht genügend auf die jeweiligen Inhalte eines Kapitels schließen lassen. Ergänzen möchte ich aber, dass "the English" auch "Anti-Systeme" anbietet, also Spielweisen gegen Damengambit und Slawisch, Indische Eröffnungen und auch Holländisch. Das Quellenverzeichnis ist immens lang und zeigt an, dass Cunnings viel und modernes Material ausgewertet hat, auch für diese Gegenstände seines Werkes.
Die Kapitel enden mit einer Zusammenfassung der wichtigsten zu ziehenden Erkenntnisse. Etliche theoretische Erläuterungen finden sich am Anfang von Kapiteln wie auch als Einschübe im Ablauf. Diese kann der Leser wie Lehrsätze aufnehmen und sich inhaltlich einprägen.
Das Variantenverzeichnis am Ende des Werkes hilft bei der Navigation über die Inhalte des Buches hinweg. Daneben ist die oben schon angesprochene Darstellung der Aufbauten bzw. Muster noch einmal zu erwähnen. Unter diesem Ansatz einer Suche kommt der Leser weniger nach Zügen und mehr nach Stellungstyp zum Ziel.
Die Buchsprache ist Englisch, Schulenglisch reicht zum Verstehen allemal aus.
Fazit: "the English" ist ein Repertoirebuch, das dem Spieler Alternativen zu ansonsten aktuell hoch gehandelten Spielweisen anbietet. Es richtet sich vor allem an den Klubspieler, es setzt im Zuge der Erläuterungen einiges an Fertigkeiten voraus. Ein Trumpf spielt das Werk dadurch aus, dass es dem Praktiker eine Orientierung auch an Aufbaumustern vermittelt und ihm Wege an die Hand gibt, auf denen er schwarze Eröffnungsspielräume in anderen Systemen beschränkt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
World Chess Championship 1948
Paul Keres
World Chess Championship 1948
542 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag
ISBN: 978-91-983665-0-1
37,50 Euro
World Chess Championship 1948
Hin und wieder kommt es vor, dass ich mich mit einer großen Vorfreude an die Rezension eines Buches mache. So geschehen ist es auch bei "World Chess Championship 1948" von Paul Keres. Hierbei handelt es sich um eine Übersetzung von "Maailmameistri Turniir Haag-Moskva 1948" ins Englische. Übersetzt hat diesen Klassiker Jan Verendel, erschienen ist das neue Werk bei Verendel Publishing in Schweden, was damit eine Art Selbstverlag-Projekt ist. Auf seiner Website gibt Verendel an, dass das vorliegende Buch sein erstes Projekt ist, das sofort einen sehr großen Zuspruch erhielt. Die 1. Auflage war in kurzer Zeit ausverkauft, eine neue ist gedruckt.
Meine Vorfreude hat mich nicht betrogen, das Buch ist klasse. Für den Schachliebhaber mit bibliophilen Neigungen ist es in meinen Augen ein Muss. Ausgeliefert wird es in gebundener Form mit Schutzumschlag.
Erstmals ist dieses Werk in englischer Sprache verfügbar. 1949 war es ist estnischer und in russischer Sprache erschienen. Eine deutsche Übersetzung ist mir nicht bekannt.
Kernstück des Buches sind die von Keres kommentierten Partien. Diese stammen alle aus dem WM-Turnier 1948, das in zwei Abschnitten in zunächst Den Haag und dann in Moskau ausgetragen wurde. In fünf Runden traten Michail Botvinnik, Max Euwe, Paul Keres, Samuel Reshevsky und Wassili Smyslov gegeneinander an, um den durch Alexander Aljechins Tod 1946 vakant gewordenen Weltmeistertitel unter der Regie der FIDE auszukämpfen. Zur Teilnahme nominiert war auch Reuben Fine, der aber von seinem Recht zurücktrat.
Über die fünf Runden hinweg hatte jeder Teilnehmer insgesamt fünf Partien gegen jeden seiner Gegner auszutragen. Wegen der ungeraden Zahl der Wettstreiter hatte ein Spieler in einer Runde jeweils spielfrei. Somit waren insgesamt 50 Turnierpartien auszutragen, die allesamt im Buch Aufnahme gefunden haben.
Paul Keres zählt nicht nur zu den stärksten Spielern aller Zeiten, denen es nicht vergönnt war, den Weltmeistertitel zu erringen, sondern gilt als ein hervorragender Autor. Dies hat er mit dem vorliegenden Werk voll unter Beweis gestellt. Die Partien sind in einer Mischung aus Wort und Varianten kommentiert, sie sind zugleich unterhaltsam und meißeln die Wahrheit im Schach aus dem groben Klotz der Notation heraus. Ich habe mir fünf Partien vorgenommen, je eine aus allen Runden. Unabhängig von den Kontrahenten, insbesondere ob Keres selbst mit am Brett gesessen hat oder nicht, habe ich mich in die Feinheiten des Kampfes eingeweiht gefühlt. In einer Klarheit, wie man sie nicht allzu oft erfährt, trifft Keres seine Aussagen zum Geschehen, zur Stellungsbewertung etc. Für die Deutlichkeit in seinen Aussagen entschuldigt er sich quasi in seiner Einleitung; er begründet sie mit seinem Anspruch, auch dem schwächeren Spieler alles so aufzuzeigen, dass er profitieren kann. Keres ist nicht nur als untadeliger Sportsmann am Brett und im persönlichen Umgang bekannt, sondern auch als Autor ein Gentleman.
Jede Runde leitet er mit einer kurzen Übersicht zum Stand im Turnier und besonders zum Verlauf sowie zum Ergebnis der neu ausgetragenen Partien ein.
Wie es sich für ein Spitzenwerk aus dem Genre der Turnierbücher gehört, werden zunächst die Regularien beschrieben, unter denen die Teilnehmer antreten, um dann diese selbst mittels ihrer bis dahin erreichten Erfolge und Ergebnisse vorzustellen. Nach der sich anschließenden Dokumentation des Ergebnisses anhand der Turniertabelle und drei Begegnungstabellen widmet sich der Autor unter der Überschrift "Overview of Opening Theory" den im Turnier gewählten Eröffnungen, um sich dann intensiv und umfangreich den in den einzelnen Runden gespielten Partien zu widmen.
Abgeschlossen wird das Werk von einem Index der gespielten Eröffnungen.
Fazit: "World Chess Championship 1948" ist ein wunderbares Buch. Es ist an sich schon ein Turnierbuch von Beispiel gebender Qualität. Dazu ist es ein wichtiges Stück Schachgeschichte. Die Auslieferung in gebundener Form mit Schutzumschlag gibt dem Ganzen auch noch den angemessenen "technischen" Rahmen. Mit 37,50 Euro ist es nicht billig, aber es ist jeden Cent wert.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
The Complete Manual of Positional Chess
Konstantin Sakaev, Konstantin Landa
The Complete Manual of Positional Chess
320 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-682-4
27,95 Euro
The Complete Manual of Positional Chess
Wenn sich ein Buch darauf berufen kann, auf Material der russischen Schachschule aufzubauen, dann ist dies wie eine Art Prä-Qualifizierung. Was von dort kommt, muss gut sein, denn Erfolge lügen nicht - so oder ähnlich sieht die Wirkung auf den Betrachter aus.
"The Complete Manual of Positionel Chess" von Konstantin Sakaev und Konstantin Landa, 2016 von New In Chess (NIC) auf den Markt gebracht, basiert auf Material, mit dem Schachlehrer der DYSS, Talentschule im russischen Schach, schon viele fortgeschrittene junge Spielerinnen und Spieler zur weiteren Entwicklung verholfen haben. Ausgerichtet ist es an einer Spielstärke der Schützlinge, die sich an einer Elozahl von ca. 2000 bis 2200 orientiert. Die Autoren wollen in erster Linie Schachlehrer mit ihrem Werk erreichen und ihnen Material, Anleitung und Unterstützung zukommen lassen. Daneben richten sie sich auch an Autodidakten, was ich nach der Gestaltung des Werkes und der schon sehr respektablen Spielstärke der adressierten Spielerinnen und Spieler für sehr nachvollziehbar halte.
Das Buch besteht aus zwei Teilen, die insgesamt 30 Kapitel beinhalten. Teil 1 befasst sich mit der Eröffnung, Teil 2 mit dem Mittelspiel. Das Inhaltsverzeichnis ist sehr konkret und damit besonders aussagekräftig. Deshalb habe ich mich entschieden, es vollständig aufzunehmen, auch wenn es einen erheblichen Umfang hat.
"The Complete Manual of Positionel Chess widmet sich den folgenden Gegenständen des Positionsspiels:
Teil I - The Opening
Kapitel 1: An advantage in development
Kapitel 2: The centre and its significance
Kapitel 3: Do not make unnecessary pawn moves if you have not completed your development
Kapitel 4: Do not develop the queen too early
Kapitel 5: Do not move the same piece twice
Kapitel 6: Do not leave the king in the centre
Kapitel 7: An unprepared attack
Teil II - The Middlegame
Kapitel 8: Calculation of variations and methods of taking decisions
Kapitel 9: The piece and pawn centre and the fight against it
Kapitel 10: Coordination and piece activity
Kapitel 11: Developing the initiative
Kapitel 12: Prophylactic thinking. Fighting against the opponent’s ideas
Kapitel 13: Limiting the opponent’s counterplay and piece manoeuvrability
Kapitel 14: Prophylaxis, strengthening one’s own position
Kapitel 15: Schematic thinking. Regrouping one’s forces, transferring pieces to more favourable positions
Kapitel 16: A space advantage
Kapitel 17: The problem of exchanges. Simplifying positions
Kapitel 18: Weak squares. Control of key central squares or a complex thereof
Kapitel 19: Open and half-open files
Kapitel 20: The advantage of two bishops
Kapitel 21: ‘Good’ and ‘bad’ bishops
Kapitel 22: Knight or bishop?
Kapitel 23: Opposite-coloured bishops
Kapitel 24: Secure points, outposts
Kapitel 25: A knight on the edge of the board stands badly/well
Kapitel 26: Play on the wing. Do not attack on the wing if the centre is insecure!
Kapitel 27: Transferring the king from flank to flank
Kapitel 28: ‘Superfluous’ pieces
Kapitel 29: Paying attention to the opponent’s possibilities. Loss of concentration
Kapitel 30: Methods of defence
Die Kapitel sind grundsätzlich gleichartig aufgebaut. Zunächst findet der Leser eine Einleitung vor, die eine Beschreibung des behandelten Gegenstandes mit Erfahrungswissen verbindet. So erfährt er nicht nur, worum es im Detail gerade geht, sondern auch etwas zum Auftreten in einer Partie, zu Stellungstypen und mehr. Es ist nicht so, dass die "Basics" des Positionsspiels in der Einleitung ganz außen vor bleiben, sie werden nur nicht weiter ausgeführt. So spricht das Werk beispielsweise von guten und schlechten Läufern sowie von schwachen Feldern und sagt dann, was einen Läufer dem einen oder dem anderen Lager zuordnen lässt bzw. wie sich die Schwäche eines Feldes definiert. Damit sollte dem Leser klar sein, worum es geht. Die Detailkenntnisse sollte er dann parat haben, was angesichts der Ausrichtung des Buches an einer Spielstärke jenseits von 2000 Elo angemessen ist.
Der Einführung schließen sich kommentierte Partiefragmente, ausnahmsweise auch ganze Partien an, die das eigentliche Schulungsmaterial ergeben. Ein oder mehrere Sterne geben einen Hinweis auf den Schwierigkeitsgrad des folgenden Stoffes, immer von einfach bis schwer geordnet.
Der Schachlehrer soll, so empfehlen es die Autoren zu Beginn des Werkes, seinen Schüler immer erst zu einer eigenen Stellungseinschätzung animieren und ihn ausführen lassen, wie die Partie weiter behandelt werden sollte, mit welchem Zug fortgesetzt werden sollte etc. Der Schüler soll sich selbst mit einer Stellung auseinandersetzen und sich so das Gefühl für die angebrachte Behandlung erarbeiten. Dem dient auch der Hinweis, dass die Partien komplett durchgegangen werden sollen, also immer auch die angegebenen Varianten. Diese sind bewusst insoweit reduziert, dass sie die generellen Vorgehensweisen verdeutlichen, den Schüler also lernend profitieren lassen. Anders als bei allgemein kommentierten Partien geht es also weniger um die Abbildung alles dessen, was im Verlauf eines Duells schlummerte oder wie alle plausiblen Varianten hätten verlaufen können, sondern immer nur um das Herausfeilen der Aspekte, die ein gutes Beispiel für die richtige Spielführung bilden.
Den Kapitelabschluss bildet fast immer die Zusammenstellung von Ergänzungsmaterial, bestehend aus Partien, die dann aus einer anderen Quelle stammen müssen, regelmäßig aus einer Partiendatenbank.
Das für den Schachlehrer beschriebene Vorgehen empfehlen die Autoren auch dem autodidaktisch lernenden Spieler. Auch er soll sich immer zunächst seine eigenen Gedanken machen, bevor er den Partien und Kommentaren folgt. Ihm fehlen dann allerdings die Rückmeldungen eines Tutors.
Die Autoren legen Wert auf die Feststellung, dass "The Complete Manual of Positionel Chess" durchgearbeitet werden kann, ohne dass die Reihenfolge der Kapitel eingehalten werden muss. Es sollte nur sichergestellt sein, dass alle Stoffgebiete am Ende auch tatsächlich behandelt worden sind.
Die zur Schulung verwendeten Partien stammen aus fast allen Epochen des Schachspiels. Es sind also sehr alte Schätzchen genauso wie Duelle aus der modernen Turnierpraxis enthalten. Das Alter eines Beispiels spielt bei einem Buch wie diesem keine nachteilige Rolle, eine damit verbundene Skepsis ist unbegründet. Wenn es schon vor zig Jahren bewiesen hat, dass es gut zur Anleitung taugt, dann wird es diese Eignung auch nicht verloren haben.
Im Rahmen der Einführung geben die Autoren noch allgemeine Empfehlungen zur Anleitung eines Spielers und damit auch zur Selbst-Schulung. Die hier ausgeführten Punkte von Studium der Partien aus Partiensammlungen bis zur Analyse der eigenen Spiele, von Empfehlungen zur Steigerung der Kompetenz im Schach sowie zur Rolle des körperlichen und des psychischen Befindens des Spielers sind genereller Natur und zählen zum Standard von Handbüchern ("Manuals") wie diesem.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fähigkeiten des Fremdsprachlers sind nicht allzu hoch.
Zu erwähnen bleibt, dass "The Complete Manual of Positionel Chess" der erste Band einer zweiteiligen Mini-Serie ist. Angekündigt ist Band 2 mit dem Fokus auf die Bauern und die Dynamik im Mittelspiel.
Fazit: "The Complete Manual of Positionel Chess" ist ein qualifiziertes Schulungs- und Trainingsbuch, das den schon recht spielstarken Schachfreund (ca. 2000 - 2200 Elo) im Auge hat. Es richtet sich an Schachlehrer und Autodidakten und enthält eine umfängliche Darstellung der Elemente des Positionsspiels. Diese vermittelt es in einer Weise, die dem Lernenden ein Verinnerlichen der Methoden erlauben soll.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Legendary Chess Careers: Vlastimil Hort
Tibor Károlyi
Legendary Chess Careers: Vlastimil Hort
125 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-83-944290-5-8
19,99 Euro
Legendary Chess Careers: Vlastimil Hort
"Legendary Chess Careers" ist eine Reihe aus jeweils nicht besonders umfangreichen Büchern des polnischen Verlagshauses Chess Evolution, in denen es Werk für Werk um eine Persönlichkeit aus dem Spitzenschach geht. Nach Jan Timman und Lajos Portisch war es im Jahr 2016 Vlastimil Hort, der vom ungarischen GM und bekannten Autor Tibor Károlyi porträtiert wurde. Nicht von ungefähr ist Károlyi der Verfasser aller drei Bände, denn er hatte ursprünglich vor, ein Buch mit mehreren Porträts zu schreiben. Er hatte bereits Material gesammelt, war aber nicht zur Umsetzung gekommen. Czaba Balogh hat ihm dann vorgeschlagen, mehrere Bücher nach der Ursprungsidee zu schreiben, wozu es dann auch gekommen ist.
So ist es auch zu erklären, dass ein mit Hort durchgeführtes Interview schon sieben Jahr alt war, als "Vlastimil Hort" als Buch in der Reihe "Legendary Chess Careers" erschien.
Es gibt zwei Hauptbestandteile des Buches - Interviewfragen mit Horts Antworten darauf sowie einige kommentierte Partien und Partiefragmente. Für mich selbst ist der Smalltalk zwischen Károlyi und Hort das interessantere Element von beiden, aber dies mag ein anderer Leser für sich ganz anders sehen.
Die Fragen interessieren sich für eine bunte Mischung aus persönlichen Belangen, Dingen aus der Karriere Horts, aus politischen Umständen, Fragen nach Sympathien und Antipathien gegenüber Spielerkollegen, besondere Fähigkeit wie auf Schwächen auf dem Schachbrett und manches mehr. Wenn man die Antworten liest, bekommt man automatisch die Stimme Horts ins geistige Ohr, so wie sie sich in oftmaligen Fernsehsendungen eingeprägt hat. Ergänzt um seinen netten Dialekt ist sie unverkennbar mit ihm verbunden, ebenso wie sein oft leicht verschmitztes Lächeln, das vom eigenen geistigen Auge gleich hinzu geliefert wird. Kurzum, das Interview liest sich genauso wie es sich anhören ließe, wenn es denn elektronisch verfügbar wäre.
Es sind etliche Dinge in meiner Erinnerung verblieben, die ich über das Interview erfahren habe. So hat mich die besondere Situation beeindruckt, über die Hort, damals noch in seinem Geburtsland CSSR, zum Schachspiel gekommen ist. Erlernt hat er es von einem Krankenhausarzt, der Nachtdienst hatte und sich des kleinen Jungen von etwa sechs Jahren auf seiner Station annahm. Hort war wegen einer Infektionskrankheit, die zuvor niemand genau einschätzen konnte, in die stationäre Behandlung gegeben worden. Der Arzt spielte selbst Fernschach und zeigte seinem kleinen Patienten, wie Schach gespielt wurde. Er hatte also einen großen Anteil daran, dass sein Schützling eine große Schachkarriere startete, erfuhr es aber nie, weil er bald darauf in die Schweiz emigrierte und in Zürich bei einem Autounfall ums Leben kam.
Lev Polugajewski war ein Spieler, den er später überhaupt nicht mochte. Hort erklärt dies unter anderem auch mit einem Gedanken aus dem politischen Bereich, aber so wie es sich insgesamt liest, dürfte es wohl mindestens auch eine allgemeine persönliche Abneigung gewesen sein, die bei ihm vorlag. Interessant ist dies auch in dem Zusammenhang, wie er sich vor einer Partie gegen den nicht geschätzten Kontrahenten selbst aufgeputscht hat. Ein Sieg in der Partie würde etwas für die Ewigkeit sein, hämmerte er sich ein, und es wurde etwas für die Ewigkeit.
Das vorhergehende Beispiel macht deutlich, dass Hort auch ein sehr psychologisches Verhältnis zum Schach hat(te) und dass er in seiner Spitzenzeit ein sehr psychologisches Schach gespielt hat. "I played psychological chess always, always, always" ist ein Zitat aus dem Buch, das diesen Aspekt in Horts Spiel kaum deutlicher hervorheben könnte.
Die Partien und die Partiefragmente sind unterhaltsam in einer guten Mischung aus Text und Analysen kommentiert. Natürlich kann man auch von diesen Partien lernen, wie Károlyi in seinem Vorwort erklärt, ich persönlich sehe aber den Unterhaltungsaspekt ganz vorne stehen.
Auswahlkriterien für die Partien waren nach der Aussage des Autors ein Sieg gegen einen Weltmeister oder mindestens gegen einen Spieler der Weltklasse sowie ein herrlich geführtes Endspiel.
Vlastimil Jansa, Rainer Knaak und Jan Smejkal waren vom Autor Tibor Károlyi gebeten worden, ein kurzes Statement zu Vlastimil Hort abzugeben. Sie sind der Bitte nachgekommen und haben damit den Stoff für die letzten 1,5 Seiten im Buch beigetragen, so zur Abrundung des Ganzen quasi.
Vom Wortschatz und grammatikalisch ist das in Englisch geschriebene Werk keine Herausforderung an den Fremdsprachler. Da es allerdings sehr viel Text zu lesen gibt, wie es nun mal bei Interviews nicht überraschen sollte, sind gesicherte Englischkenntnisse auf Schulniveau von Vorteil.
Fazit: "Vlastimil Hort" aus der Reihe "Legendary Chess Careers" von Chess Evolution ist ein in erster Linie unterhaltsames und kurzweilig zu lesendes Werk.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
The Complete Chess Course
Fred Reinfeld
The Complete Chess Course
288 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-941270-24-0
22,95 Euro
The Complete Chess Course
"The Complete Chess Course" von Fred Reinfeld, Russell Enterprises 2016, zählt zu jenen Werken, über die mir eine Rezension zu schreiben schwergefallen ist. Es ist mit mehreren Besonderheiten verbunden, die seinen Wert ganz nach dem Auge des Betrachters sehr hoch oder entgegensetzt nur niedrig erscheinen lassen dürften. Ich habe mich deshalb dazu entschieden, es nur zu beschreiben und mich zu bemühen, keinerlei subjektive Bewertungen einfließen zu lassen. So kann der Leser dieser Rezension von mir unbeeinflusst entscheiden, ob das Buch für ihn ein Kaufkandidat sein kann oder eben auch nicht.
Zunächst aber ein paar Worte zum Autor: Fred Reinfeld war Amerikaner und hat von 1920 bis 1964 gelebt. Er war ein starker Schachspieler und hat mehr als 100 Bücher geschrieben, die meisten davon zum Schachspiel.
Und nun zum Buch:
"The Complete Chess Course" enthält acht Kapitel, hier als "Buch" bezeichnet, auf die sich in großer Zahl einzelne thematisch orientierte Abschnitte verteilen. Die Abbildung des Inhaltsverzeichnisses würde den Umfang dieser Rezension sprengen, so dass sich nur die Aufnahme der acht Kapitelüberschriften anbietet. Diese Zusammenstellung ergibt das folgende Bild:
Book One - The Basic Rules of Chess
Book Two - The Nine Bad Moves
Book Three - How to Play the White Pieces
Book Four - How to Play the Black Pieces
Book Five - How to Win When You're Ahead
Book Six - How to Fight Back
Book Seven - How to Play the e-pawn Openings
Book Eight - How to Play the d-pawn Openings.
Kleine Anmerkung: Mit "The Nine Bad Moves" im Kapitel 2 sind Dinge wie der gedankenlose Bauernraub, die Schwächung der eigenen Rochadestellung und sich fesseln lassen gemeint.
Wie schon der Buchtitel ankündigt (ins Deutsche sinngemäß übersetzt "ein vollständiger Kurs zum Schachspiel") und auch die Inhaltsübersicht bestätigt, ist "The Complete Chess Course" ein Universalist zum Schach. Das Werk enthält von einer Einführung ins Schachspiel bis zu Insidertipps für den schon recht weit entwickelten Spieler eine breite Palette von Einzelangeboten. Es kann damit von einem Interessenten als Einstieg ins Spiel genutzt werden und von einem anderen als Trainingswerk oder Anleitung zur Steigerung seiner Spielstärke.
Und nun zur Aufzählung der Dinge, die mir als erwähnenswert aufgefallen sind:
- In seiner aktuellen Veröffentlichung ist "The Complete Chess Course" das Ergebnis einer Überarbeitung des amerikanischen Spielers und bekannten Schachbuchautors Peter Kurzdorfer.
- Das Buch ist ursprünglich nicht in einer zusammengestellten Form von Fred Reinfeld ausgeliefert worden, sondern über Teilveröffentlichungen. Dies erklärt auch, dass die einzelnen Kapitel als "Buch" und eben nicht als "Kapitel" bezeichnet sind. Reinfeld hatte seine Arbeit aber von Anfang an so konzipiert, dass die Einzellieferungen in ihrer Gesamtheit einen einheitlichen Kurs ergeben sollten.
- Im Original waren die einzelnen "Bücher" in der sogenannten Englischen Notation erschienen, die von Kurzdorfer selbst als "archaisch" bezeichnet wird. "The Complete Chess Course" aber greift vollständig auf die heute gebräuchliche algebraische Notation zurück. Das Werk ist also komplett umgesetzt worden.
- Kurzdorfer freut sich, dass mit der Neuausgabe das Werk von Fred Reinfeld erhalten und überliefert werden kann. Er versteht es somit entsprechend auch als eine Hommage.
- Die beiden abschließenden "Kapitel" zur Behandlung der Eröffnungen mit dem e- und mit dem d-Bauern sind inhaltlich nicht mehr aktuell, was auch Kurzdorfer anspricht.
- Die letzte Buchseite ist Korrekturen vorbehalten, die Kurzdorfer hier zusammenstellt. Jeweils mit Bezug auf die Fundstelle im Werk zeigt er die fehlerhafte Stelle auf und verbessert sie. Er erklärt dazu, dass er beim Überarbeiten des Originals mit dem Computer gearbeitet hat, der Reinfeld damals noch nicht zur Verfügung gestanden hat. Es sind insgesamt 14 Korrekturen auf dieser Seite zu finden.
- Die Buchsprache ist Englisch.
Fazit: Es hängt stark von der persönlichen Neigung des Schachfreundes vom Buchsammler über den Historiker bis zum Spieler auf der Suche nach Trainingsmaterial ab, ob "The Complete Chess Course" für ihn eine Anschaffung lohnenswert wäre.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Mastering Minor Piece endings 1
Adrian Michaltschischin, Csaba Balogh
Mastering Minor Piece endings 1
251 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-83-945362-2-0
24,95 Euro
Mastering Minor Piece endings 1
"Mastering Minor Piece endings 1" ist der 2. Band aus der Reihe "The Modern Endgame Manual" aus dem polnischen Verlag "Chess Evolution". Vor wenigen Wochen hatte ich bereits die Gelegenheit, mit "Mastering Queen and Pawn endgames" das Premierenwerk zum Zweck einer Rezension zu prüfen.
Verlag und Autoren haben die Endspiele mit gleichartigen Leichtfiguren auf zwei Bände verteilt. Den Anfang machen hier nun die Läuferendspiele, die Springerendspiele bilden den Gegenstand des 3. Bandes, dem sich dann zwei Werke mit unterschiedlichen Materialkonstellationen anschließen werden. Darin werden dann sicher auch die Endspiele zwischen Läufer und Springer behandelt werden.
Die Autoren sind Adrian Michaltschischin und Csaba Balogh, wobei im Vorwort des Herausgebers und im Rückentext auch noch Efstratios Grivas als Mitautor genannt wird. Ich vermute, dass dies aber nicht für "Mastering Minor Piece endings" gilt, sondern für erst noch zu veröffentlichende weitere Bücher aus der Serie.
Es gibt noch etwas, was mir im Vergleich zum 1. Band als neue bzw. als abweichende Information des Herausgebers aufgefallen ist. Er gibt nunmehr an, dass die gesamte Serie aus neun Bänden bestehen wird, während zuvor von 14 Bänden die Rede war. Nach der früheren Ankündigung waren die Bände 9 bis 14 für praktische Endspiele zum Selbststudium und mit Übungen zu allen Endspieltechniken vorgesehen, zu denen nun aber keine Aussage mehr getroffen wird. Band 9 soll sich nun den Abtäuschen und Vereinfachungen widmen, für die früher Band 8 vorgesehen war. Da sich in der Reihenfolge der Behandlung weitere Unterschiede zum Vorwort im früheren Band ergeben, gehe ich davon aus, dass die Planung der gesamten Serie neu erstellt worden und die Anzahl der insgesamt vorgesehenen Bände reduziert worden ist, muss aber ein kleines Fragezeichen dazu anbringen. Wir werden sehen!
"Mastering Minor Piece endings 1" enthält vier Kapitel, wobei das letzte davon zu "ungewöhnlichen praktischen Endspielen" nur einen sehr geringen Umfang hat. Wesentlich sind die drei vorangehenden Teile, in denen sich die Autoren zunächst den Endspielen von Läufern gegen Bauern widmen und dann dem Läuferkampf untereinander, gegliedert nach gleichfarbigen und ungleichfarbigen Protagonisten auf dem Brett. Im Detail und auf die Darstellungen der Theorie beschränkt ist das Werk wie folgt aufgebaut:
Kapitel 1: Läufer gegen Bauern
1.0: Matt mit zwei Läufern
1.1. Läufer und Bauer vs König
1.2. Läufer und Bauer vs König und Bauern
1.3. Läufer vs mehrere Bauern
Kapitel 2: Endspiele mit gleichfarbigen Läufern
2.1. Läufer und Bauer vs Läufer
2.2 Läufer und zwei Bauern vs Läufer oder Läufer und Bauer
2.3. Komplexe Läuferendspiele
2.4. Aufbau von Barrieren
2.5. Praktische Läuferendspiele
Kapitel 3: Endspiele mit ungleichfarbigen Läufern
3.1. Läufer und verbudene Bauern vs Läufer
3.2. Läufer und getrennte Bauern vs Läufer
3.3. Komplexe Läuferendspiele
3.4. Praktische Läuferendspiele
Kapitel 4: Ungewöhnliche praktische Endspiele.
Der Stoff wird jeweils von leicht bis schwierig, von einfach bis komplex entwickelt. Der Leser wächst in seinem Knowhow mit, soweit er bei 0 anfangen musste. Als erfahrenem Spieler waren für mich die Einstiege jeweils weniger interessant, aber im Verlauf der Abschnitte und Kapitel sah ich mich dann zunehmend herausgefordert. Aus einer solchen Warte heraus rufen die ersten Inhalte eines Bereichs jeweils Endspielwissen aus der Erinnerung des Lesers ab und lassen ihn seine Fertigkeiten trainieren, während er je nach Vorkenntnissen irgendwann im weiteren Verlauf sein Wissen zu erweitern vermag.
Regelmäßig werden ihm über Diagramme, die theoretisch wichtige Formationen zeigen, die dann kommentiert in die weitere Zugfolge entwickelt werden, die grundsätzlichen Manöver etc. illustriert. Er begleitet dabei sowohl die richtige Behandlung als auch ein Vermeiden von Fehlern, die ihm in gleicher Weise als möglich vor Augen geführt werden. Auf diesem Grundwissen aufbauend konfrontieren die Autoren den Leser dann mit Diagrammstellungen, die nach praktischen Aspekten ausgewählt worden sind. Hier wird er schon näher an Situationen gebracht, die ihn in seiner eigenen Partie erwarten werden. In der Materialverteilung mit Läufern auf beiden Seiten schließen sich dann komplexe Endspielstellungen an, die teilweise bereits erheblich "ans Eingemachte" gehen.
"Mastering Minor Piece endings 1" ist genauso wie Band 1 der Serie weit davon entfernt, ein klassisches Buch zum Einpauken der Endspielbehandlung zu sein. Die Autoren arbeiten nach dem Prinzip, die wichtigsten Merkmale einer Stellung und damit einer Konstellation aus materiellen und dynamischen Aspekten aufzuzeigen, um dann zu demonstrieren, wie bei bestem Spiel ein Sieg errungen oder als Verteidiger eine Remisstellung erreicht werden kann. Der Leser lernt also am - ausgezeichnet - erklärten Beispiel. Regeln werden dabei gut verpackt im Rahmen der Kommentierung formuliert und nicht als Merksätze herausgestellt.
Durch Abwandlung einer gerade behandelten Stellung in eine neue, zum Beispiel durch ein Verschieben der Stellung um eine Reihe oder Linie, lassen die Autoren den Leser die Unterschiede erkennen und dabei die Auswirkungen auf die Stellungseinschätzung sowie das erforderliche Vorgehen verstehen.
Die Autoren erklären und erläutern ausgezeichnet. Es gibt viel Text zu lesen und Varianten nur insoweit, wie dies aus einer praktischen Sicht erforderlich ist. Dies passt insoweit auch gut zur Intention des Buches, den Leser für das Gros seiner selbst gespielten Partien zu rüsten und nicht für solche mit Ausnahmeendspielen. Dem Leitsatz "wir wollen, dass der Leser in den 99 % seiner Partien, die in einem üblichen Endspiel enden, mehr Punkte holt, und wir wollen nicht, dass er in dem einen Prozent, die selten vorkommen und für die ganz speziell viel Theorie erlernt werden müsste, punktet", folgen die Autoren konsequent. Studien beispielsweise, die einen ausgeklügelten Weg zum Erfolg in einem immens schwierig zu führenden Endspiel zeigen, haben keinen Platz im Werk gefunden. So kann ich meine Aussage schon zum vorhergehenden Band wiederholen: "Mastering Minor Piece endings 1" passt nicht zum Image früherer verkrusteter Endspielbücher.
Ich habe Spaß empfunden, als ich mich zur Vorbereitung dieser Rezension mit "Mastering Minor Piece endings 1" beschäftigt habe. Um einen echten Zugang zu dem Werk zu finden, habe ich mich mit mehreren Passagen so befasst, als hätte ich es mir gezielt gekauft. Sehr angenehm ist, dass man keinen noch so gearteten Druck zum Lernen verspürt; man muss keine Regeln etc. auswendig lernen, also verspürt man auch kein schlechtes Gewissen, wie wenn man sich einer solchen Erwartung eines Buches entzieht. Man erkennt zudem, dass die Beschäftigung mit dem Werk fruchtet, indem man aus den Ideen des zuvor behandelten Stoffes heraus mit mehr Sinn und Verstand an die komplexen Stellungen herangeht. In der Art seiner Gestaltung animiert "Mastering Minor Piece endings 1" den Leser dazu, bei der Stange zu bleiben, es motiviert zum Lernen.
Ein Neuling im Schach, der die Regeln sicher beherrscht, wird bereits mit diesem Buch arbeiten und von ihm profitieren können.
Nach oben gibt es im Bereich des Klubspielers kaum eine Grenze. Auch der schon erfahrene und spielstarke Schachfreund wird für sich neben Trainingsmaterial auch Neues finden.
Mit 24,95 Euro ist "Mastering Minor Piece endings 1" nicht gerade billig. Wenn man zudem bedenkt, dass der Erwerb der kompletten Reihe nach aktuellem Stand den Kauf von neun Büchern erforderlich machen wird, kommt schon eine stattliche Summe zusammen. Dafür erhält der Leser dann aber eine Ausstattung zur Endspielführung, die zeitlos ist. Anders als Bücher aus dem Bereich der Eröffnungsliteratur werden die Werke aus der der Serie "The Modern Endgame Manual" künftig kaum etwas an ihrer Gültigkeit einbüßen.
Zusätzlich lässt das bandweise erscheinen dem Schachfreund die Möglichkeit, das Portemonnaie nur für ausgewählte Endspiele nach seinem ganz eigenen Bedarf zu öffnen. Wie schon sein Vorgänger lässt sich auch der hier besprochene Band problemlos eigenständig im Sinne von isoliert nutzen.
Das Buch kommt aus einem polnischen Verlagshaus, ist aber in Englisch geschrieben. Mit ordentlichem Schulenglisch wird der Leser bestens durch das Werk kommen.
Fazit: "Mastering Minor Piece endings 1" ist eine klare Empfehlung für den gerade mal regelfesten Anfänger im Schach bis zum erfolgreichen Klubspieler, der sich in den Läuferendspielen, die das Gros in seinen eigenen Partien ausmachen werden, verbessern oder diese trainieren will. Das Buch lebt von Erläuterungen und Erklärungen und nicht von Variantenketten, Studien und Merksätzen.
Die FIDE hat die Genehmigung dazu gegeben, das eigene Logo auf der Titelseite abzubilden. Dies darf als sicherer Hinweis dafür angesehen werden, dass die Weltorganisation der Schachspieler zu einer ähnlich positiven Einschätzung kommt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
The Sicilian Dragon - move by move
Carsten Hansen
The Sicilian Dragon - move by move
464 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-226-0
24,95 Euro
The Sicilian Dragon - move by move
Die Drachenvariante der Sizilianischen Verteidigung zählt zu den Systemen, für die es besonders weit in die Partie hinein und breit angelegt Empfehlungen der Theorie gibt. So ist es schon eine Herausforderung, der sich ein Autor stellt, wenn er sie so in einem Buch aufzubereiten versucht, dass der Leser Verständnis und genügend theoretisches Rüstzeug zugleich erhält. Mit "The Sicilian Dragon - move by move" hat sich der dänische FM Carsten Hansen der Aufgabe angenommen und ein stattliches Werk von 464 Seite abgeliefert. Wie schon angedeutet, ist das Buch in der "move by move"-Reihe von Everyman Chess erschienen, und dies im Jahr 2016.
Zunächst zum Autor: Als Verfasser von Schachbüchern ist er sehr erfahren. Bei einem Dutzend Werken habe ich zu zählen aufgehört, als ich mir über das Internet einen Überblick verschaffen wollte. Teilweise ist er als Co-Autor aufgetreten, auch in Zusammenarbeit mit "Schwergewichten" in der Schachwelt.
Sehr lange, für rund 15 Jahre, hat er für Chesscafe.com geschrieben. Den Mittelpunkt seiner Arbeit dort haben Rezensionen über Eröffnungsbücher gebildet. Er weiß also, worauf es ankommt, wenn man ein gutes Buch dieses Genres abgeben möchte. Und ohne viel vorwegnehmen zu wollen, kann ich sagen, dass er nach meiner Einschätzung genau dies auch geschafft hat.
"The Sicilian Dragon" ist in drei Teile untergliedert, die insgesamt 16 Kapitel beinhalten. Diese drei Teile teilen den Stoff wie folgt auf sich auf:
Teil 1: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 g6 ohne Übergang in den Jugoslawischen Angriff
Teil 2: 6.Le3 Lg7 7.f3 0-0 8.Dd2 Sc6 Jugoslawischer Angriff ohne Varianten mit Lc4
Teil 3: Wie Teil 2, aber alles mit Lc4.
Hansen stellt die Theorie anhand von 80 kommentierten Partien dar, wobei die Anmerkungen auch auf das typische "move by move"-Merkmal von eingestreuten und an den Leser gerichteten Fragen zurückgreifen, die gleich im Anschluss im Rahmen der Erörterungen beantwortet werden. Damit alles auf die oben schon genannten 464 Buchseiten passt, hat der Verlag gleich mal das Schriftbild verkleinert, was sich bei einem Vergleich mit zumindest einigen früheren Bänden aus der Serie zeigt.
Die Schwerpunktsetzung des Autors bei der Kommentierung der einzelnen Partien gefällt mir ausgezeichnet. Zunächst einmal hat Hansen sein besonderes Augenmerk auf die vorderen Passagen gerichtet, wie es auch sein muss. Hier geht er sehr ins Detail, während er die Anmerkungen im Umfang weit zurückfährt, sobald die Phase der Eröffnung gelaufen ist. Indem er den Leser dennoch weiter durch die Partie bis zu deren Ende begleitet, schafft er es, die Folgen der Eröffnungsbehandlung auch mit dem Mittelspiel und dem Endspiel in eine natürliche Verbindung zu bringen.
Die jeweils sehr ausführliche Behandlung der Züge, die er in einer Variante auf den Prüfstand stellt, mutet dem Leser einiges zu. Er erläutert, wie dieser die Spielweise anfassen sollte, spart aber zugleich auch nicht mit Zugfolgen, die er in seiner eigenen Partie kennen sollte. Hier hat es der Fernschachspieler leichter als sein Kollege am Turnierschachbrett, indem er "The Sicilian Dragon" auch zum Nachschlage nutzen kann. Wer den Drachen im Turniersaal einsetzen will, kommt ohnehin nicht umhin, sich einiges dazu einzuprägen. Hansen hilft dabei durch seine Auswahl. Dies ist für mich zugleich das Stichwort für einen Hinweis. Ich habe die Drachenvariante früher auch selbst gespielt und bin erst davon abgegangen, als sie mich doch etwas überfordert hat, auch hinsichtlich der Breite des vorauszusetzenden Variantenwissens. Nach meinem Eindruck versucht Hansen den Leser auch dadurch zu unterstützen, indem er Theorie auszublenden versucht. Er bedient sich, wenn ich in meiner Annahme richtig liegen sollte, dabei des Mittels, durchaus aussichtsreiche Alternativen zu Hauptzügen zu behandeln, sofern die Partie erstens schon einiges vorangeschritten ist und zweitens hinter dieser Alternative deutlich weniger Theorie steht als hinter dem Hauptzug.
Damit sind wir bei einer weiteren Funktion von "The Sicilian Dragon - move by move", nämlich jener, zugleich auch ein gewisses Grundrepertoire für die Drachenvariante anzubieten. Und hier muss sich das Werk gegen eine sehr qualifizierte Konkurrenz behaupten, insbesondere auch gegen "The Dragon 1" und "The Dragon 2", beide aus der Feder von GM Gawain Jones und 2015 erschienen bei Quality Chess.
Ich denke, dass das versprochene Werk diese Konkurrenz nicht fürchten muss, aber eher einen anderen Leser bedient als die Jones-Bände. Auch diese habe ich damals rezensiert und den Leser, der von ihnen profitiert, im Leistungsbereich des Klubspielers und höher verortet. Angesichts der oben schon angesprochenen Anforderungen an die Fertigkeiten des Lesers gilt das Gleiche für mich auch für das vorliegende Werk. Es ist aber mehr auf den Nahschachspieler ausgerichtet als die beiden Bücher von Quality Chess. Und nicht unerwähnt bleiben sollte dabei auch, dass "The Sicilian Dragon - move by move" 24,95 Euro kostet, während die beiden Jones-Bücher schon in ihrer kartonierten Fassung fast 50 Euro verlangen (gebunden und mit festem Einband sogar fast 60 Euro).
Es kommt also darauf an, was der Spieler will und wofür er sich wappnet.
Das Variantenverzeichnis auf den letzten Seiten des Buches ist angenehm ausführlich und eine echte Hilfe bei der Navigation im Buch.
Von den insgesamt 80 behandelten Partien wurden mehrere im Fernschach gespielt. Daneben ist das Fernschachspiel durch zahlreiche Partiefragmente referenziert, die Hansen im Rahmen seiner Kommentierung verwendet.
Die Buchsprache ist Englisch. Fremdsprachkenntnisse auf einem guten Schulniveau sollten ausreichen, um bequem mit dem Werk arbeiten zu können.
Fazit: "The Sicilian Dragon - move by move" ist eine empfehlenswerte Anschaffung für den Spieler, der seine Spielstärke im Bereich des Klubspielers oder höher einordnet. Das Werk ist der gelungene Versuch, den schwer zu zähmenden "Sizilianischen Drachen" aufzubereiten, so dass der Spieler seine eigenen Partien ohne weitere Literatur darauf fußen lassen kann. Der Nahschachspieler, Disziplin und Ehrgeiz beim Durcharbeiten eines anspruchsvollen Buches wie diesem vorausgesetzt, wird mit einem Wissen ausgestattet, dass auf Spielverständnis und eingeprägten Varianten basiert und jenem der meisten Gegner überlegen sein dürfte.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
The Zaitsev System
Alexey Kuzmin
The Zaitsev System
255 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-684-8
27,95 Euro
The Zaitsev System
Im fortgeschrittenen Jahr 2016 ist "The Zaitsev System" bei New In Chess (NIC) erschienen. Geschrieben hat es Alexey Kuzmin, früherer Mitarbeiter im Trainerstab von Anatoly Karpov und Sekundant von Alexander Morosewitsch. Schon zu seiner Zeit an der Seite von Karpov hat er begonnen, sich intensiv mit dem Saitzew-System (oder auch Flohr-Saitzew-System) zu befassen, wie es in Deutsch geschrieben wird. Er verfügt somit über eine Jahrzehnte lange Erfahrung, die ihn als Autor gerade für das vorliegende Werk qualifiziert. Es ist gespickt mit Neuerungen aus seiner Analyseküche und bietet in einem eigenständigen Teil eine Behandlungsweise der Eröffnung an, die als separate und neue Variante angesehen werden kann. Er bezeichnet sie als "Saratov-Variante", dazu später mehr.
Das Saitzew-System gehört zur Spanischen Partie und wird in der Behandlung des Buches über die Züge 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6 8.c3 0-0 9.h3 Lb7 10.d4 Te8 11.Sbd2 Lf8 erreicht. Es liegt in der Hand von Schwarz, ob es auf das Brett kommt, und der Nachziehende ist auch der Adressat von "The Zaitsev System". Mit seiner Wahl gibt er seinem Gegenüber allerdings die Möglichkeit in die Hand, über eine Zugwiederholung ein frühes Remis zu erreichen. Diesen Weg will Kuzmin durch "seine" Saratov-Variante verschließen. Wenn ihm dies in der Praxis dauerhaft gelingen sollte, würde diese beliebte Eröffnung sicher noch weitere Anhänger gewinnen, denn die frühe Remismöglichkeit in des Gegners Hand hält so machen Spieler von ihrer Wahl ab.
Weiß kann die Partie über 11.Sg5 Tf8 12.Sf3 Te8 13.Sg5 Tf8 14.Sf3 ins Remis dirigieren. Ein Weg zur Vermeidung liegt im Übergang in die Smyslow-Variante mit 12…h6.
Kuzmin, der übrigens eine enorme Ähnlichkeit zum früheren Fußball-Torhüter Oliver Kahn aufweist, hat das Buch in sechs Teile mit insgesamt 20 Kapiteln gegliedert. Es macht wenig Sinn, hier einen Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis abzubilden, weil er den behandelten Varianten teilweise eigene Namen gibt. Es ließe sich also kaum erkennen, was der Leser konkret hinter den einzelnen Einträgen zu erwarten hätte. Um dennoch die Inhalte zumindest grob skizzieren zu können, zeige ich nachstehend auf, womit jeweils die einzelnen Varianten eingeleitet werden.
Teil 1: 12.a4
Teil 2: 12.a3
Teil 3: 12.d5
Teil 4: 12.Lc2
Teil 5: 11. Sg5, 11.Lg5, 11.a4, 11.a3 und 11.Sbd2 Lf8 12.Sg5
Teil 6: The Saratov Variation, a Way to Avoid the Repetition": 10…Sd7 11.Sbd2 exd4 12.cxd4 Lf6 13.Sf1 Sa5 14.Lc2 Te8.
Davor findet der Leser noch ein Vorwort von Fabiano Caruana, ein weiteres Vorwort von Peter Svidler, eine Einführung von niemandem anders als Igor Saitzew, eine weitere Einführung von Alexey Kuzmin sowie "ein bisschen Geschichte" zur Variante im Buch.
Wie oben schon kurz angesprochen hat Kuzmin das Material aus der Sicht von Schwarz zusammengestellt. Dies bedeutet, dass alle wichtigen Zugalternativen für Weiß behandelt werden, für Schwarz aber nur jene, die des Autors Empfehlung sein sollen.
"The Zaitsev System" soll ein Handbuch sein und ist es auch. Kuzmin legt einen Schwerpunkt auf verbale Kommentare. Über sie gibt er durchgehend eine Anleitung, wie das System zu spielen ist. Er zeigt die Strategie auf, macht auf die taktischen Aspekte aufmerksam und wird hierdurch nicht müde, den Leser verstehen zu lassen. So kann ich versprechen, dass der konzentriert mit dem Werk arbeitende Leser im Anschluss bestens weiß, wie er in seiner eigenen Partie vorgehen muss. Aus seinem über das Buch gewonnenem Verständnis heraus wird er die Züge finden, die in seiner jeweiligen Brettsituation angeraten sind, und ist nicht auf sein Gedächtnis angewiesen. Angesichts dessen, dass das Saitzew-System erst nach einigen Anfangszügen erreicht wird, dürfte ohnehin die Mehrzahl der Klubspieler bald danach an der Grenze der eigenen Erinnerungsfähigkeit angekommen sein.
Im Aufbau erinnert mich das Werk ein wenig an einen interessanten Vortrag, der unterstützt von an die Wand geworfenen Folien gehalten wird. Die erste Seite eines Kapitels zeigt wie eine Agenda-Folie den Überblick über die Ausgangszugfolge, behandelte Varianten und theoretisches Neuland. Die jeweils letzte Kapitelseite präsentiert eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnis und hält für den Leser fest, was er auf den Punkt gebracht für sich mitnehmen soll. Und dazwischen liegt viel Vortrag.
Ohne dass ich dies als nachteilig empfinde, wirkt das Werk auf mich insgesamt etwas "unaufgeräumt". Eben wie in einem Vortrag geht Kuzmin Thema für Thema durch. Als Leser folgt man ihm und nimmt quasi einen Informationsstrahl auf. Das Werk ist gut geordnet, aber es ist nicht immer leicht, den Überblick zu bewahren. Innerhalb der Kapitel gibt es Varianten, die sich weiter gliedern und untergliedern. Die Systematik wird in der Form einer Mischung aus (römischen) Zahlen und Buchstaben erreicht. Im Variantenverzeichnis am Ende des Werkes sind die Nummerierungen aber nicht übernommen worden.
Indem sehr Platz sparend kein Absatz oder mehr nach einer Variante gemacht wird, findet das Auge des Lesers nicht immer sofort im Text die Stelle, die er konkret aufsuchen möchte, z.B. bei einem Zurückschlagen zu einer vorher bearbeiteten Zugfolge.
Kuzmin hat eine sehr angenehme Art der Darstellung. Er plaudert nicht selten geradezu, wirft Anekdoten ein, zitiert jemanden, z.B. einen Philosophen, oder erzählt etwas aus seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz. So macht es Spaß, sich mit dem Material zu beschäftigen. Das Buch gibt also genügend Motivationsspritzen, um den Leser bei der Stange zu halten.
Der schon in der Saitzew-Variante erfahrene Spieler wird zudem mit Spannung verfolgen, welche Neuerungen er im Buch findet. Dabei ist festzuhalten, dass es zahlreiche mit einem "N" und damit als Neuerung markierte Züge im Werk gibt.
Bemerkenswert ist, dass Kuzmin rechnergestützt nach seinen Empfehlungen gesucht hat, aber die Empfehlungen des Computers um einen menschlichen Faktor ergänzt hat. Dies ist besonders ein Vorzug für den Leser, der die Saitzew-Variante im Brettschach einsetzen möchte. Ihm wird eher nicht eine Variante empfohlen, die der Rechner allemal halten würde und die er deshalb mit einer guten Bewertung klassifiziert, sondern jene, die Kuzmin auch am Brett von einem Menschen für spielbar ansieht.
Er sagt an einer Stelle im Text aus (Seite 69), dass er nicht mehr gerne aktuelle Fernschachpartien für seine Arbeit nutzt. Dies begründet er damit, dass er bei ihnen einen menschlichen Faktor vermisst und sie nur wie vom Computer gespielt aufwarten. Dies ist schlüssig hinsichtlich seines Anspruches, nur von ihm persönlich nachvollziehbare und damit "menschliche" Züge zu empfehlen. Nicht so ganz schlüssig ist seine Aussage aber zu einer Bemerkung an anderer Stelle (Seite 37), dass es außerhalb von forcierten Zugfolgen fast immer mehrere Zugalternativen gibt (zwei oder drei), die gespielt werden können, ohne dass der Verzicht auf eben einen anderen Zug ein Fehler wäre. Genau dies aber zeigt auch ein Rechner auf. Er bietet mehrere Züge mit akzeptablen Bewertungen an. Und in dieser Auswahl sind zweifellos auch die Züge zu finden, die Kuzmin als "menschliche" Züge ansieht und empfiehlt. Nur der Fernschachspieler, der immer einen Enginezug übernimmt, der einen vielleicht noch so kleinen Bewertungsvorteil anzeigt, kann eine Partie produzieren, deren Züge in einen Vorbehalt gegen Fernpartien allgemein passen.
Die Buchsprache ist Englisch und es kommt reichlich Text vor. Dennoch sind die Anforderungen an den Fremdsprachler nicht allzu hoch. Mit einem ordentlichen Schulenglisch kommt man allemal zurecht.
Fazit: Ich bewerte "The Zaitsev System" als ein sehr gutes Buch, um diese Eröffnung mit Schwarz in der Spanischen Partie verstehen und spielen zu lernen. So kann ich es sehr zum Kauf empfehlen und dies besonders auch für den Spieler am Nahschachbrett.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Playing 1.e4
John Shaw
Playing 1.e4
628 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-22-4
27,99 Euro
Playing 1.e4
"Playing 1.e4" von John Shaw ist ein an den Spieler mit Weiß gerichtetes Repertoirebuch, das 2016 bei Quality Chess erschienen ist. Der Autor ist ein auch als Autor sehr bekannter Großmeister von der britischen Insel; drei Mal hat er sich den schottischen Meistertitel gesichert. Als Autor ist sein Name besonders auch mit dem 2013 auf den Markt gekommenen Monumentalwerk "The King's Gambit" eng verbunden.
Das besprochene Buch ist einer von zwei Bänden, die gemeinsam ein Komplettrepertoire auf der Basis des Anzuges mit dem Königsbauern ergeben sollen. Trotz dieser Aufsplittung bedarf es ganz klarer Entscheidungen zur Zusammensetzung des Stoffes und damit auch zum Ausschluss von Systemen. Die beiden wichtigsten Weichenstellungen hat Shaw in der Weise getroffen, dass er nach 1…e5 2.Sf3 Sc6 die Spanische Partie meidet und stattdessen mit 3.d4 Schottisch ansteuert sowie er sich gegen Caro-Kann auf die Vorstoßvariante mit 3.e5 festgelegt hat. Damit sind auch bereits die beiden wichtigsten behandelten Systeme genannt. Weiter im Buch zu finden sind die Russische und die Skandinavische Verteidigung, ein Abschnitt mit Ausführungen zu nur etwas sporadisch von Schwarz eingesetzten Systemen von der Philidor- bis zur Aljechin-Verteidigung, abgeschlossen von einem Kapitel mit seltenen und teilweise als etwas suspekt angesehenen Linien.
Mit der Aufnahme von Schottisch statt Spanisch lässt Shaw den Leser mit weniger Theoriebergen in sein Repertoire gehen, auch wenn die Schottische Verteidigung heute schon allein ganze Bände füllen kann, und er geht u.a. dem Marshall-Angriff und der Berliner Mauer aus dem Weg, die manchem Anziehenden die Wahl von Spanisch etwas verleiden.
Zu seinem methodischen Vorgehen gibt er an, dass er schwerpunktmäßig auf Abspiele gesetzt hat, in denen Weiß Aussicht auf ein aktives und raumgreifendes Spiel mit Aussichten auf Angriff hat. Seine Empfehlungen stützt er bei mehreren gleich viel versprechenden Varianten auf jene, die am wenigsten ein Studium der Theorie zumutet. Gibt es eine eindeutige Nummer 1, so setzt er auf diese, auch wenn sie dem Leser in Sachen Theorie einen erheblichen Einsatz abverlangt.
Die gesamten Darstellungen der Theorie stützen sich auf insgesamt 111 intensiv untersuchte und um allgemeine Ausführungen und Analysen angereichte Partien. Diese stammen überwiegend aus der absoluten Meisterpraxis, aber nicht nur. Mir persönlich sagt die offene Herangehensweise, die sich durch die Aufnahme auch von Partien, die unterhalb der höchsten Ebenen gespielt worden sind, bestätigt, sehr zu. Damit hat deren spezifische Eignung den Ausschlag bei der Auswahl gegeben und nicht unbedingt ein Prädikat "in der Weltklasse" gespielt. Als sehr erfreulich sehe ich es zudem auch an, dass mehrere vollständige Partien aus dem Fernschachspiel einen Platz im Werk gefunden haben, neben reichlich Fragmenten, die in die Kommentierungen eingebaut worden sind.
Wer "The King's Gambit" von Shaw kennt, der wird seine Handschrift auch in "Playing 1.e4" wiedererkennen. Er beschreibt und erklärt intensiv, der Leser soll die Systeme verstehen lernen und sie sich nicht einfach nur einprägen. Dabei setzt er, vielleicht abgesehenen von den Einleitungen der Kapitel, ein gewisses Knowhow bereits voraus. So ist das Werk für mich eher etwas für den Klubspieler, der bereits ein Stück weit von den Anfangsgründen des Schachspiels entfernt ist, als für den Schachfreund, der noch auf der Suche nach seinem ersten Repertoire ist. Allerdings ist "Playing 1.e4" durchaus auch ein Buch, an dem der Leser wachsen kann und mittels dessen er sein Eröffnungswissen wie auch seine allgemeine Spielstärke entwickeln kann.
In diesem Zusammenhang ist mir aufgefallen, dass Shaw sich sehr mit den Empfehlungen anderer Autoren auseinandergesetzt hat. Das Literatur- bzw. Quellenverzeichnis, zu finden schon auf den ersten Buchseiten, ist immens lang. Es handelt sich hier aber eher nicht um den Hinweis auf eine Art Datenfriedhof. Sehr häufig gibt Shaw anderweitige Empfehlungen weiter, unterstützt sie oder geht bisweilen auch in Widerspruch zu diesen oder er erklärt, dass er die Begründung für eine fremde Einschätzung nicht kennt oder sie nicht nachvollziehen kann. Diese recht intensive Interaktion mit anderen Werken korrespondiert mit seiner im Buch getroffenen Aussage, dass der Leser möglichst unterschiedliche Bücher zur Verfügung haben sollte, um sein Repertoire möglichst gut beherrschen zu lernen und abrunden zu können. Indem er die Sichtweisen mehrerer Autoren erfährt, kann er seine eigene Einschätzung schärfen.
Die Kapitel im Buch, insgesamt 20 an der Zahl, sind allesamt ähnlich aufgebaut. Anfangs erhält der Leser eine Übersicht in der Form eines Variantenverzeichnisses, das dann auch schon auf die konkreten Partien hinweist, in denen im weiteren Verlauf das jeweilige Abspiel erörtert wird. Damit ist sichergestellt, dass man sich gut im Werk inhaltlich orientieren kann. Dies habe ich bei anderen Werken, die sich ebenfalls einer Abfolge von Partien bedienten, um die Theorie darzustellen, auch schon mal anders gesehen. Zusammen mit dem Variantenverzeichnis auf den letzten Seiten des Buches, das den Überblick über das gesamte Werk gibt, ist ein optimaler roter Faden über alle Kapitel hinweg gesichert.
Ein besonderes Wort sei noch Computeranalysen gewidmet. Verschiedentlich zeigt Shaw an, dass er sich des Rechners zur Überprüfung bedient hat, wobei die eingesetzte oder die eingesetzten Engines nicht genannt werden. Mehrfach ist mir aufgefallen, dass er sie auch vor dem Hintergrund einer praktischen Partie am Brett wertet. Für den Fernschachspieler mag dieser Hinweis weniger wichtig sein, für den Turnierspieler am Nahschachbrett aber schon.
Die Buchsprache ist Englisch. Der mit Fremdsprachkenntnissen auf einem ordentlichen Schulniveau ausgestattete Leser dürfte keine Probleme mit dem Verstehen haben, auch wenn er die eine oder andere Vokabel vielleicht nachschlagen muss.
Fazit: "Playing 1.e4" ist ein sehr gut gelungenes Repertoirebuch, insbesondere für den Spieler im Bereich des Klubniveaus. Inwieweit der Leser seinen persönlichen Profit daraus ziehen kann, hängt zuvorderst auch von der Auswahl der behandelten Systeme ab. Zusammen mit einem zweiten Band, der die weiteren schwarzen Erwiderungen auf 1.e4 enthält, ergibt sich ein Komplettrepertoire.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Pearls of Azerbaijan
Djakhangir Agaragimov
Pearls of Azerbaijan
229 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-83-944290-8-9
19,95 Euro
Pearls of Azerbaijan
Als ich das Werk "Pearls of Azerbaijan", übersetzt also "Perlen aus Aserbaidschan" zur Rezension erhielt, stand es für mich fest, eine Sammlung von Partien aus der Schacholympiade 2016 in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan, vor mir zu haben. Auf der Titelseite platzierte Hinweise auf diese Veranstaltung dürften ihren Teil dazu beigetragen haben. Tatsächlich aber ist diese Arbeit von GM Agaragimov etwas ganz anderes, nämlich eine umfängliche Sammlung von Kombinationsaufgaben. Diese stammen allesamt aus der Praxis von Spielern dieses Landes, was die hinter diesem Buch steckende Idee weiter umschreibt.
Insgesamt 559 Aufgaben warten darauf, vom Leser gelöst zu werden. Sie sind nach den Schwierigkeitsgraden leicht, mittel und schwer gegliedert und entsprechend drei Abschnitten im Werk zugeordnet.
Zur Art der Aufgabengestaltung hat sich der Autor etwas einfallen lassen. Nichts Ungewöhnliches ist zunächst die Einführung der Ausgangsstellung über ein Diagramm. Gleiches gilt für die Anzeige, welche Seite stärker ist und für die eine Kombinationslösung gefunden werden soll, indem die üblichen Stellungssymbole Plus und Minus verwendet werden. Darüber hinaus aber sind zahlreiche Diagramme mit einem zusätzlichen Smiley versehen, der dem Leser anzeigt, in welcher Richtung er denken soll. Vier verschiedene Smileys kommen zum Einsatz, so dass es insgesamt fünf unterschiedliche Aufgaben- und Lösungskategorien gibt. Diese sind:
1. Diagramme ohne Smiley: Der Leser ist völlig auf sich allein gestellt.
2. Smiley mit 2 gespreizten Fingern ("victory"): Es gibt zwei Lösungswege.
3. Smiley mit einem auf die Lippen gelegten Finger ("pssst"): Zu Anfang wird ein stiller Zug gesucht.
4. Smiley mit Sonnenbrille ("cool"): Intuition ist gefragt. Wenn die Berechnung nicht weiterführt, so liegt der Leser dann richtig, wenn er das Gefühl hat, es läuft.
5. Smiley mit Ausrufezeichen ("gute Idee"): Es ist Zeit für eine tiefe Prüfung. Es muss nicht der offensichtliche, der auf der Hand liegende Zug sein, der zum Erfolg führt, sondern vielleicht ist es ein alternativer, dessen Kraft sich erst über eine tiefe Prüfung erschließt.
Im Abschnitt mit den leichten Aufgabenstellungen sind nur einzelne Diagramme mit einem zusätzlichen Smiley versehen, während später die schweren Brocken ganz überwiegend damit gekennzeichnet sind.
Innerhalb der Abschnitte sind die Beispiele chronologisch geordnet. Sie stammen jeweils, von wenigen Ausnahmen abgesehen, aus den jüngsten Jahren. Historische Schätzchen sind nicht verwendet worden.
Zu jedem Schwierigkeitsgrad gibt es einen eigenen Lösungsteil, der sich unmittelbar an die Aufgabenstellungen anschließt. Die Lösungen beschränken sich auf die Züge, sowohl hinsichtlich der gesuchten Kombination als auch der Nebenvarianten, ergänzt um Schachsymbole. Textliche Erläuterungen werden nicht gegeben. Entsprechend ist es auch so gut wie bedeutungslos, dass das Werk in Englisch verfasst ist, denn wer als Leser auf diverse Vorworte verzichten kann, braucht keine Fremdsprachkenntnisse dafür.
"Pearls of Azerbaijan" ist gut geeignet, um seine kombinatorischen Fähigkeiten zu trainieren. Der zunehmende Schwierigkeitsgrad der Aufgaben erlaubt eine Entwicklung und macht es schon dem Spieler auf einem niedrigen Klubniveau möglich, mit Freude an das Lösen zu gehen. Er wird sich permanent verbessern und sich über die Arbeit mit dem Werk das nötige Rüstzeug verschaffen, um sich auch an die schwierigeren Beispiele machen zu können. Unterhaltsam sind Bücher dieses Genres allemal, sie kommen dabei ohne Text aus.
Neben dem autodidaktischen Spieler ist das Buch auch ein Füllhorn an Material für den Trainer und Übungsleiter.
Das Rezensionsexemplar wies einen kleinen technischen Mangel auf. Zwei einführende Seiten sind mit Druckerschwärze verschmutzt. Hierbei dürfte es sich um eine Besonderheit handeln, die zudem den Gebrauchswert des Buches nicht beeinträchtigt. Ansonsten ist es gut verarbeitet.
Fazit: "Pearls of Azerbaijan" ist ein Buch, das den Leser zum Lösen von Aufgabenstellungen animiert, die seine kombinatorischen Fähigkeiten ansprechen und auch fördern dürften. Konzept und Umsetzung sind gelungen, auch der noch nicht allzu weit in seiner Spielstärke fortgeschrittene Schachfreund kann es sich zunutze machen und dabei stärker werden. Das umfangreiche Material ist zudem für den Trainereinsatz geeignet. Englischkenntnisse sind grundsätzlich entbehrlich.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
A World Champion`s Guide to Chess
Susan Polgar, Paul Truong
A World Champion`s Guide to Chess
384 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-941270-32-5
17,95 Euro
A World Champion`s Guide to Chess (Eine Gastrezension von Gerd Schowalter, Bad Kreuznach)
Susan (früher in Ungarn: Szusza) Polgar, frühere Weltmeisterin der Frauen und Internationale Großmeisterin bei Frauen und Männern, legt ein umfangreiches Lehrbuch vor, das man mit „Ein Führer zum Schach durch eine Weltmeisterin“ mit dem Untertitel „Schritt für Schritt, um beim Schach zu gewinnen mit der Polgar-Methode“ von einer international anerkannten Schachtrainerin, übersetzen kann.
Das Buch im Paperback hat 384 Seiten, bei sehr sauberem übersichtlichem Satz. Die beiden Autoren schreiben ein leicht verständliches Englisch, das man mit einfachem herkömmlichem Schulenglisch verstehen kann.
Die drei Polgar Schwestern, die es allesamt in die Weltspitze schafften, sind hinlänglich bekannt. Spätestens 1988, als sie, zusammen mit Ildiko Madl, 1988 in Saloniki die Russinnen entthronten und die Olympiade der Frauen für Ungarn gewinnen konnten. („Polgarien“). Aber wer ist Paul Truong? Auf der hinteren Umschlagseite erfahren wir, dass er elf nationale Titel gewonnen hat, gemeint sind wohl Erfolge der von ihm betreuten Mannschaften. Er selbst, geboren in Vietnam, errang 2001 die USA-Meisterschaft im Blitzschach. In den Staaten wurde er ein erfolgreicher Autor und Trainer. Seit 2006 ist er mit Susan Polgar verheiratet. Sie unterhält nicht nur eine Schachschule (Polgar Chess Center) in New York, sondern auch eine Stiftung, bei der Paul Truong als Vizepräsident tätig ist.
Bei beiden handelt es sich um erfahrene Schachtrainer, die hauptsächlich in den USA allseits bekannt sind. Susan versichert, dass sie die Polgar-Methode weiterführt, die ihr Vater bei seinen drei Töchtern kreierte. Bekanntlich mussten sie in Ungarn nicht in eine allgemeinbildende Schule gehen, sondern wurden von den Eltern zu Hause unterrichtet. Der Vater, Laszlo Polgar, hatte Philosophie studiert und promoviert mit einer schachpädagogischen Arbeit. Er wollte beweisen, dass Bildung und Erziehung der Kinder nicht nur in Schulsälen, sondern auch zu Hause möglich sind und auf einem Gebiet hervorragende Ergebnisse zeitigen können. Das ist ihm und seiner Frau mehr als gelungen. Susan, als die älteste Tochter, war auch schon bald in die Ausbildung von Sofia und Judith, ihrer beiden jüngeren Schwestern, einbezogen, was sie wiederholt erwähnt.
Ihr Buch wurde ein ganz anderes Lehrbuch als wir es kennen. Es gliedert sich in eine allgemeine Einführung und 24 Kapitel nebst vier großen „Sektionen“. Übersichtlich und gekonnt, wird selbst der kenntnislose Anfänger Schritt für Schritt in das königliche Spiel eingeführt. Daher ist es nicht nur für Schachunterricht, Schul- oder Jugendschach, sondern auch zum Selbststudium geeignet. Auf vier in die Regeln einführende Artikel folgen zunächst elementare Hinführungen zu Aufgaben, die streng den pädagogischen Grundsatz „Vom Leichten zum Schweren“ berücksichtigen.
Die zahlreichen, übersichtlich gestalteten Diagramme gestatten einen stetigen Lernzuwachs, selbst bei einer Eisenbahnfahrt. Taktische Aufgaben werden gut vorbereitet und beinhalten beispielsweise: Matt in einem Zug, Figurengewinn, Gabeln, Fesselungen, Doppelschach, Zwischenzüge, Pattstellungen, Ewiges Schach, Verteidigung, um nur einige zu nennen. Die gestellten Aufgaben erfahren wenige Seiten später die Lösungen zum Abgleichen, können also leicht aufgefunden werden. Der nicht pädagogisch tätige Vereinsspieler wird in der zweiten „Sektion“ über Endspiele überrascht, wie gründlich Endspielwissen vermittelt wird, das er früher mal gehört und gar vergessen hat.
In der dritten „Sektion“ folgen weitere Aufgaben. Zunächst geht es um einzügige Mattsetzung, dann um Zweizüger und schließlich um Matt in drei Zügen. Das kann auf der Reise wirklich zu sinnvoller Unterhaltung führen.
Die Sektion IV beinhaltet Tipps für Turnierspieler. Worum geht es bei diesem Spiel eigentlich? Was habe ich zu tun in der Eröffnung, im Mittelspiel oder im Endspiel? Die Antworten auf solche Fragen finden sich in vielen Schachbüchern, aber hier werden sie von ausgesuchten Praktikern gegeben. Susan Polgar lässt es sich schließlich nicht nehmen, zwei eigene Partien vorzustellen und intensiv nach jedem Zug zu besprechen. Außerdem gibt es nach jedem Zug ein hilfreiches Diagramm. In der ersten Partie besiegt sie den leider viel zu früh verstorbenen Weltklassespieler IGM Bent Larsen mit den weißen Steinen (Monte Carlo 1994). Dann folgt ein Sieg mit den schwarzen Steinen, den sie 1996 in Oslo in einem Schnellturnier errungen hat. Der unterlegene Spieler ist kein Geringerer als der norwegische IGM Simen Agdestein, der Trainer des jetzigen Weltmeisters Magnus Carlsen. Beide Musterbeispiele sind erfrischend kommentiert und lehrreich.
Der Anhang mit Vorschlägen für ein faires Spiel bei Turnieren ist nicht unbedingt nötig. Aber der Abschluss für Eltern und Trainer kann da schon eher gefallen.
Fazit: Dieses Lehrbuch (Russell Enterprise, Inc. Milford, CT USA 2015) nach der Polgar-Methode wird die Welt nicht aus den Angeln heben. Es kann aber durchaus für Lehrer und Übungsleiter empfohlen werden oder als Reiselektüre, da es mit großzügigen Diagrammen ausgestattet ist und leicht zu handhaben ist. Die Korrektoren haben außerdem ganze Arbeit geleistet (erst auf Seite 350 finde ich einen Lapsus: In der Larsen-Partie wurde der 11. Zug Le3-d2 vergessen zu notieren. Das ist jedoch nicht schlimm, da er beim nächsten Diagramm vollzogen werden kann.
Alles in allem, ein Schachbuch zum Liebhaben.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Timman's Titans
Jan Timman
Timman's Titans
332 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-672-5
26,95 Euro
Timman's Titans
"Timman's Titans", 2016 erschienen bei New In Chess (NIC)", ist ein Buch, das mich in der Vorbereitung dieser Rezension ausgezeichnet unterhalten hat. Und ich meine, dass genau dies auch der Anspruch ist, den sein Autor Jan Timman sich selbst gestellt hat. Selbst viele Jahre unter den weltbesten Schachspielern etabliert und mehrfach in den Kampf um die Krone eingebunden kennt er die Elite seiner Zeit so gut wie nur wenige andere. Und dies gilt auch für die Weltmeister. Soweit sich ihre Karrieren gekreuzt haben, hat er auch gegen sie gespielt. Er hat Beziehungen aufgebaut, zu dem einen mehr und zu dem anderen weniger, kann von Begebenheiten und gemeinsamen Erlebnissen berichten etc. In die Texte eingebunden findet der Leser zudem so manche Information, die selbst für einen langjährigen Anhänger des Schachspiels, der sich auch für die Schachszene als solche interessiert, noch neu ist.
Timman porträtiert die früheren Weltmeister Aljechin, Euwe, Botwinnik, Smyslov, Tal, Petrosjan, Spasski, Fischer, Karpov und Kasparow in Wort und Partien. Mit Aljechin verbindet ihn natürlich kein persönlicher Kontakt, denn er wurde erst nach dessen Tod geboren, aber ein Schachspiel. Ein von ihm in Lissabon gekauftes Spiel stammt aus dem Besitz des früheren Weltmeisters. Und er hatte Kontakt zu Personen, die ihrerseits auf Aljechin getroffen oder anders mit ihm verbunden waren. Aus persönlichen Gesprächen stammende Informationen hat er im Porträt verwendet. So wie alle weiteren Texte wirken Timmans Ausführungen sehr authentisch.
Zu Botwinnik beschreibt er u.a. eine Situation, als dieser einen Raum betrat und auf eine ehrfürchtige Aufmerksamkeit traf. Es wunderte ihn, verglichen mit Keres und Smyslov, Botwinniks geringe Körpergröße, die so im Widerspruch zur beschriebenen Reaktion der Anwesenden zu stehen schien. Es gab eine gewisse Aura, die den dreifachen Weltmeister umgab, die sich in der Begebenheit widerspiegelte. Timman gibt weiter ein Beispiel für Botwinniks Stringenz im Verhalten, auch gegenüber anderen. Ein Mensch, der bei ihm in Ungnade gefallen war, wurde erbarmungslos ignoriert, selbst wenn man sich in demselben Raum bewegte.
Zu Spasski fällt Timman u.a. eine Erfahrung ein, die für ihn belegt, wie sehr dessen Niederlage gegen Fischer in Reykjavik 1972 Wunden in seiner Psyche hinterlassen hat. Als ein Gegenüber ihm im Gespräch erklärte, dass er ihn damals im Titelkampf bewundert habe, erntete er die sarkastische Reaktion "ich bewundere meine damaligen dummen Fehler auch", woraufhin Spasski sich entfernte. Timman zeigt auf, dass Spasski 1972 gleich gegen zwei Gegner verloren hat, natürlich gegen Fischer und daneben auch gegen das Sport-Komitee. Dieses hatte ihm befohlen, nach Moskau zurückzukehren, als Fischer zur zweiten Partie nicht erschienen war. Sein Widersetzen leitete die Niederlage gegen einen Gegner ein, gegen den ein Sieg nicht möglich war.
Diese kleine Auswahl soll zeigen, wie persönlich und auch interessant Timmans Porträtinhalte sind. Er begnügt sich eben gerade nicht mit solchen öffentlichen Informationen, die man schon oft genug irgendwo gelesen hat, wenn man nur lange genug dem Schach verbunden ist. Timman öffnet das Tor zu Neuland.
Ein Porträtbuch im Schach ist ohne Partien nicht wirklich vorstellbar. Und natürlich enthält "Timmans's Titans" in hoher Zahl kommentierte Begegnungen aller Weltmeister, teilweise im unmittelbaren Kampf gegen ihn selbst. Die Anmerkungen stammen aus seiner Feder. Ich war schon immer ein Fan der Kommentierung á la Timman. Er macht das Geschehen auf dem Brett so nachvollziehbar, dass man sich tief in die Geheimnisse der Partie eindringen fühlt und sich die Bestätigung gibt, das Wesentliche verstanden zu haben. Er arbeitet nicht mit Varianten, die er weit verzweigt und in eine besondere Tiefe führt, sondern setzt auf Text. Gerade diese Entscheidung prägt den hohen Unterhaltungswert auch der Partien.
Alles in allem ist "Timman's Titans" ein sehr gelungenes Werk, geschrieben von einem Insider, der sich darauf versteht, sein hohes fachliches Knowhow für den herkömmlichen Schachfreund verständlich darzustellen.
Literaturempfehlungen, ein Partien- und ein Namensverzeichnis schließen das Werk ab. Nicht unerwähnt bleiben sollen großformatige Fotos, die dem jeweils porträtierten Weltmeister noch "ein Gesicht geben".
Das Werk ist in Englisch geschrieben. Obwohl es viel Text enthält, dürfte der mit Schulenglisch ausgestattete Leser seine Freude daran haben, denn die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse sind niedrig. Der Satzbau ist einfach und der Wortschatz verlässt eher selten den Bereich des Herkömmlichen.
Fazit: "Timman's Titans" ist in meinen Augen eine Kaufempfehlung an den Freund von Schachunterhaltung durch Insiderporträts und meisterhaft insbesondere textlich kommentierter Partien.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Checkmate
Bobby Fischer
Checkmate
128 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1941270516
17,95 Euro
Checkmate
Als Autor des Werkes "Checkmate", einer 2016er Neuerscheinung bei Russell Enterprises wird Bobby Fischer angegeben. Dies ist inhaltlich korrekt, ein besonderes Buchmanuskript hat der frühere Weltmeister und vielleicht beste Spieler aller Zeiten nie vorgelegt.
Bei dem neuen Werk handelt es sich vielmehr um eine Zusammenstellung von Artikeln, die Fischer in frühen Jahren in einem Jungen-Magazin veröffentlicht hat. Entstanden sind sie in den Jahren 1966 (Dezember) bis 1970 (Januar). In diesen Beiträgen hat Fischer auf Fragen seiner Leser geantwortet, kommentierte Partien vorgestellt, Tipps gegeben, Schachaufgaben gestellt und von Turnieren und seinen Erfahrungen daraus berichtet.
Als Editor ist Peter Kurzdorfer angegeben. Ein Vorwort stammt von Andy Soltis. Zwischen einzelnen Beiträgen aufgenommene Anmerkungen aus Fischers Karriere sind den Angaben entsprechend dem Buch "Bobby Fischer: The Career and Complete Games of the American World Champion" von Karsten Müller entnommen.
Es ist ganz schwer, dieses Werk zu bewerten, weil es sich weder eindeutig einer bestimmten Kategorie noch einem klaren Adressatenkreis zuordnen lassen will. Um dennoch mein subjektives Urteil abgeben zu können, schlüpfe ich mal in die Rolle verschiedener Adressaten, so wie ich sie mir hier vorstelle.
Aus der Warte des Klubspielers ist der auf unmittelbar das Schachspiel bezogene Informationswert niedrig. Was Fischer behandelt, ist dem nicht mehr ganz taufrisch auftretenden Schachfreund bekannt. Der Neuling findet Neues für sich, wird aber mit strukturierten Werken, die sich auf ihn konzentrieren, besser bedient.
Für den Fischer-Fan ist "Checkmate" ein Muss. Er erhält neue Facetten aus dem Schaffen seines Idols und neue Einblicke in seine Auffassungen und Denkweisen, was das Buch denn auch tatsächlich für sich in Anspruch nimmt.
Der Sammler von Schachbüchern dürfte sich mit dem neuen Werk ebenfalls gut anfreunden können, denn es kommt ihm ein Alleinstellungsmerkmal zu.
Und für den Schachfreund "wie du und ich" ist "Checkmate" ein Buch nach dem Prinzip "nice to have" - man muss es nicht haben, aber es ist unterhaltsam und vermag durchaus zum Weiterlesen animieren.
Die Anforderungen an die Englischkenntnisse des Lesers sind niedrig. Mit Schulenglisch kommt man allemal aus.
Fazit: "Checkmate" ist ein Buch, das für den Fan von Bobby Fischer und den Sammler von Schachbüchern einen höheren Wert haben dürfte. Für alle weiteren Schachfreunde kann ich das Werk unter meinen Konkretisierungen im Text empfehlen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
David vs Goliath
Peter Zhdanov
David vs Goliath
251 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-83-945362-1-3
24,95 Euro
David vs Goliath
"David vs Goliath" von Peter Zhdanov, erschienen bei Chess Evolution, widmet sich dem ewig jungen Thema "klein schlägt groß", Außenseiter gewinnt gegen Favorit. Außenseiter ist dabei jeweils derjenige, der eine um mindestens 300 Punkte niedrigere Elozahl als sein Gegner aus der Meistergilde hat.
Wer als Leser allerdings mit der Vorstellung in das Werk gehen sollte, eine systematische Aufarbeitung des Themas vorzufinden, wird enttäuscht werden.
Dies bietet "David vs Goliath" nicht. Ich persönlich hätte mir etwas mehr in dieser Richtung gewünscht, zumal man sich auch ein wenig dorthin geleitet sieht. Der Rückentext stellt die Frage "wie schlägt ein Amateur einen Top-Großmeister?" und in der Einführung werden verschiedene Gründe angeführt, die für ein Malheur des Favoriten verantwortlich sein können. De facto wird dieser Aspekt dann aber nicht mehr konkret aufgegriffen.
Dennoch halte ich "David vs Goliath" für ein gelungenes Buch. In der Hand des "richtigen" Lesers wird es Freude bereiten.
Aber was hat es zu bieten? Formal betrachtet sind dies vier Dinge. Das Inhaltsverzeichnis ist meines Erachtens etwas unglücklich gestaltet, so dass ich die Pluspunkte ohne einen Hinweis darauf beschreibe. In einem ersten Block findet der Leser 31 kommentierte Partien mit einem "David-Sieg". Sie stammen zumeist aus der "Neuzeit" des Schachspiels, das Werk wartet also nicht mit angegrauten Schätzchen auf. Sie werden in einer chronologischen Reihenfolge behandelt, von 1980 und 1983 als älteste Beispiele bis 2015, bei denen also die Tränen des Großmeisters gerade erst getrocknet sind.
Die Kommentierung ist ein Mix aus Varianten und Text. Unter Varianten sind sowohl Analysen als auch Partiefragmente zu verstehen. "Fragmente" ist dabei extensiv zu verstehen. "David vs Goliath" enthält zahlreiche, auch längere Zugfolgen bis nicht selten ganze Partien als Anmerkung. Hier wäre für meinen Geschmack einige Male ein vorzeitiges Ende angebracht gewesen.
Die Stärke des Buches sehe ich in den drei weiteren werthaltigen Elementen. Es sind dies "Puzzles", also Schachaufgaben, die dem Leser zum eigenen Lösen vorgestellt werden. Diese sind Rapid-Partien, Blitzpartien und Partien aus Simultanveranstaltungen, in entsprechenden eigenständigen Teilen angeboten.
"Amateur schlägt Meister" ist dabei natürlich als Auswahlkriterium beibehalten worden.
Dieser Buchinhalt ist gut gemacht. Die Aufgaben werden per Diagramm und Aufgabenformulierung in Textform gestellt. Mal kann es kurz die Frage nach dem richtigen nächsten Zug für eine Partei sein, dann ist es aber auch schon mal eine umfassendere Ausarbeitung, die der Leser zu leisten hat. Regelmäßig beziehen sich mehrere aufeinander folgende Aufgaben auf eine einzige Quellpartie. So ergibt sich eine kontinuierliche Behandlung dieser Partie nicht nur in der Bearbeitung des Lesers, sondern auch bei der späteren Besprechung im Lösungsteil des Buches. Alle Lösungen werden en block abgebildet, also ohne tiefe Unterscheidung nach der Turnier- oder Spielart, der die jeweilige Partie entstammt. Die Lösung ist in der Form einer herkömmlichen Partiekommentierung gestaltet.
Die Arbeit mit diesen "Puzzles" macht Spaß und sie wird gewiss die Spielstärke fördern.
Wie meine Beschreibung veranschaulichen mag, wird "David gegen Goliath" nicht speziell dabei helfen, einen Sieg zu erringen, wenn einem beim nächsten Mal ein Großmeister vor die Flinte - Entschuldigung, vor die Schleuder natürlich - kommt. Aber das Buch wird dem Leser gegen die vielen anderen Davids helfen, mit denen wir uns am Schachbrett messen dürfen.
Noch ein paar allgemeine Randbemerkungen: Im ersten Buchabschnitt erhält der Leser regelmäßig zu Beginn der Partie ein paar Infos zum jeweiligen Außenseiter. Diese Zugabe finde ich gut. Einige Male zeigt sie allerdings, dass "David" oft auch ein Hochkaräter war, noch werden sollte oder früher einmal gewesen war. Ein "2400er" ist, was für die meisten von uns gelten dürfte, eben auch keiner von uns.
Im Bereich der Schachaufgaben kommen auch einige ältere Beispiele zum Einsatz. In einem Simultanmatch war dabei G. Kasparow der Favorit und M. Wahls der "Amateur", ausgestattet mit Elo 2285. Zumindest dem etwas älteren Schachfreund macht dieses Beispiel besonders deutlich, dass "Außenseiter" nicht gleich "Außenseiter" ist.
"David vs Goliath" ist in Englisch geschrieben, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind nicht nennenswert.
Fazit: In der Hand des Lesers, der sich keine spezielle Aufarbeitung des Themas "Außenseiter schlägt Favorit" von "David vs Goliath" verspricht, ist das Werk eine gelungene Sache. Es bietet Unterhaltung durch kommentierte interessante Partien und kategorisierte Schachaufgaben. Diese lassen ihn zudem seine Spielstärke fördern.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Najdorf x Najdorf
Liliana Najdorf
Najdorf x Najdorf
208 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-941270-39-4
24,95 Euro
Najdorf x Najdorf
"Najdorf x Najdorf" ist ein Werk, das sich kaum mit anderen vergleichen lässt. Dies gilt für seine inhaltliche Kategorisierung, für das Verhältnis Autorin/Autor und die im Mittelpunkt des Interesses stehende Person aus dem Schachgeschehen, die Rolle des Übersetzers aus Spanisch nach Englisch und mehrerlei darüber hinaus. Aber alles der Reihe nach!
In "Najdorf x Najdorf" geht es um ... nicht schwer zu erraten, Miguel Najdorf, im Kern jedenfalls. Die Autorin Liliana Najdorf ist dessen Tochter; sie ist, wie ihre Schwester Mirta, aus der zweiten von drei Ehen eines der größten Schachspieler aller Zeiten hervorgegangen. Und schon sind wir mitten im Thema, der Kategorisierung des Buches. Liliana Najdorf hat eine Biografie verfasst, wie sie kaum jemand anders hätte schreiben können. Sie steckt voller persönlicher Details, die teilweise als solche und allgemein in der Fülle niemandem außerhalb der Familie bekannt sein können. Mehrmals habe ich beim Lesen ein gewisses Schuldgefühl entwickelt, wenn ich etwas erfahren habe, was mir als zu intim für meine Außenseiteraugen vorgekommen ist. Die Autorin scheint mir mit dem Werk auch sich selbst einen Gefallen getan zu haben, indem sie manches aufgearbeitet und für sich persönlich abgearbeitet hat. Für sie und ihre Schwester war es oft nicht leicht, Tochter nicht nur eines berühmten und viel in Sachen Schach reisenden Vaters gewesen zu sein, sondern weil dieser zugleich die besondere Persönlichkeit eines Miguel Najdorf hatte. So war das Verhältnis geprägt von Liebe und Problemen zugleich. Miguel Najdorf wird beschrieben als herzlicher, emotionaler, durchaus autokratischer Mensch, der Schach gelebt hat. Im Schach war er ein Genie, im Alltagsleben aber bisweilen etwas zerstreut. Ich musste beim Lesen an den Professor im Witz denken, der das Bonbon wegwirft und das Papier kaut. Dazu gleich mehr.
Liliana Najdorf beschreibt das Vater-Tochter-Verhältnis an vielen Beispielen. Sie hat ihren Vater bewundert, aber er war oft nicht da, wenn sie ihn brauchte. Sie hat ihn geliebt, bisweilen aber auch gehasst, zum Beispiel als sie über Nacht mit Freunden verreisen wollte und er es verbot. Aber er zeigte einen Ausweg auf: Die Freunde sollten gegen ihn im Schach antreten, er würde blind simultan spielen. So geschah es - Liliana blieb zu Hause. Sie hat seine Selbstachtung, um religiöse Züge ergänzt, an ihm geachtet. Als sie auf seinen Spuren gewandelt ist, besonders auch in Polen, hat sie ihn verstanden.
Miguel Najdorf ist als Moishe Mendel (Mikel) Najdorf im Jahr 1910 in Polen geboren. Als er 1939 für Polen an der Schacholympiade in Argentinien teilnahm, wurde Polen von Nazi-Deutschland überfallen. Seine Frau und seine kleine Tochter waren in der Heimat. Als Juden waren sie wie er bedroht. Er reiste nicht zurück, sondern versuchte seine Familie nachzuholen. Er hatte keinen Erfolg. Außer seiner Familie verlor er sehr viele weitere Verwandte.
In Argentinien fand er später seine zweite Frau, mit der er die beiden Töchter Liliana und Mirta bekam. Er zeigte ihnen, dass es ihm eine stolze Genugtuung war, wenn ihm als Juden von Andersgläubigen eine Ehrung erwiesen wurde.
Nach dem krankheitsbedingten Tod seiner Frau heirate Miguel Najdorf ein drittes Mal. Im hohen Alter verlor er auch sie.
Najdorf war ein Spieler mit viel Intuition und vergleichsweise wenig Theoriekenntnissen. Dies mag verwundern, weil das heute beliebteste System in der Sizilianischen Verteidigung nach ihm benannt ist. Aber auch der Schlüsselzug 5...a6 ist Spross besonders seiner Intuition.
Er war ein phänomenaler Blindschachspieler. Im Buch ist beschrieben, wie er es geschafft hat, zig Partien nebeneinander zu bestreiten, ohne jemals den Überblick zu verlieren. Im "wahren" Leben war dies aber nicht so sicher. So kann man nur schmunzeln, wenn man liest, dass er eine Feier besuchte und erst nach dem Essen erkannte, dass es die falsche war. Ihm kamen alle anderen Gäste fremd vor ... Gleiches gilt für die Szene, dass er tief in Gedanken zum Schach versunken nackt aus der Dusche ins Wohnzimmer kam und erst auf einen Ausruf seiner Tochter hin sein Versehen bemerkte und sich bedeckte.
Zurück zum Schachspieler Miguel Najdorf: Er durfte nicht am WM-Turnier 1948 teilnehmen, obwohl er nach den zuvor festgelegten Kriterien hätte eingeladen werden müssen. Es geht wahrscheinlich auf eine Intervention Botvinniks zurück, dass dies so geschah. Dessen Feindschaft hatte er sich zuvor zugezogen, als er vor einer Partie gegen ihn Wetten auf seinen Sieg angeboten hatte. Dies erfahren wir beim Lesen von "Najdorf x Najdorf" weniger durch Liliana Najdorfs Ausführungen denn aus zusätzlichen Buchinhalten. So kommen im weiteren Verlauf des Werkes auch Weggefährten Najdorfs und Zeitgenossen zu Wort, von Panno bis Quinteros. Und nicht zuletzt ist dies Taylor Kingston, Übersetzer des Werkes und großer Kenner der Schachgeschichte. Er beleuchtet auch die 1948er Vorgänge.
In den Kapiteln von Liliana Najdorf tritt er immer wieder mit Anmerkungen und Korrekturen auf. So ist der Originaltext jeweils erhalten geblieben und doch kann sich der Leser keine falschen Daten zu Najdorf, Turnieren etc. aneignen. Das Werk ist authentisch geblieben und verbreitet keine - wie sagt man heute leider geflügelt - Fakenews. In Erzählungen, Anekdoten etc. kann schon mal der Bereich zwischen Wahrheit, Mangel an Erinnerung und Fantasie verwischen. In "Najdorf x Najdorf" nicht.
Ich habe das Werk komplett durchgearbeitet, es war meine Urlaubslektüre. Eine Ausnahme bilden nur die Partien - ja, die gibt es auch. Sie sind teilweise in den Text eingebunden, auch mit Originalkommentaren Najdorfs. Zudem sind 12 Najdorf-Partien enthalten, zusammengefasst in einer eigenen Sektion des Buches, die von Jan Timman sehr ansprechend kommentiert worden sind, mit dem Schwerpunkt von Textanmerkungen. Mein Urteil beschränkt sich auf meine Erkenntnisse beim Durchgehen der Partien ohne Brett.
Interessant ist zudem eine tabellarische Zusammen- und Gegenüberstellung von Weltereignissen politisch und im Schach mit Eckpunkten im Leben von Miguel Najdorf.
Gerade weil "Najdorf x Najdorf" meine Urlaubslektüre war, war es mir möglich, mich besonders intensiv mit dem Buch ihm zu befassen. Und so konnte ich auch mit mehr Hingabe damit umgehen, dass es wirklich hohe Ansprüche an die Englischkenntnisse des Lesers stellt. Der Satzbau ist relativ unproblematisch, der Wortschatz aber ist unglaublich breit.
Für wen ist das Werk eine Empfehlung, sofern er genügend gut Englisch kann? Es ist ein Buch für den Schachfreund, der eine sehr breite Beziehung zum Spiel hat und auch besonders an Informationen hinter dem Brett interessiert ist. Wer Miguel Najdorf als Spieler und als Mensch gefühlt sehr nahekommen möchte, ist mit "Najdorf x Najdorf" bestens beraten.
Der Rezension lag die Printausgabe des Werkes, das übrigens bei Russell Enterprises erschienen ist, zugrunde. Es ist auch als eBook erhältlich.
Fazit: "Najdorf x Najdorf" ist ein besonderes Werk, das nicht kopierbar ist. Unter den Beschreibungen im Text spreche ich meine Kaufempfehlung aus, gerichtet an den des Englischen gut Mächtigen und umfassend am Schach interessierten Anhänger des Spiels.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
The Agile London System
Alfonso Romero Holmes, Oscar de Prado Rodriguez
The Agile London System
335 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-689-3
26,95 Euro
The Agile London System
"The Agile London System" von Alfonso Romero Holmes und Oscar de Prado Rodriguez ist ein weiteres aktuelles Werk, das sich mit dem Londoner System beschäftigt, also einer ganz bestimmten und universellen Aufbauidee gegen verschiedene von Schwarz eingeschlagene Eröffnungswege. Es ist eine 2016er Neuerscheinung bei New In Chess (NIC), als Übersetzung aus dem Spanischen. Das Ursprungswerk trägt den Titel "El Sistema Londres" und stammt aus dem Jahr 2014. Die englische Neufassung ist nach den einleitenden Informationen im Buch gegenüber dem Original aktualisiert und erweitert worden.
"The Agile London System" enthält insgesamt 13 Kapitel. Neun Kapitel enthalten die zentralen Ausführungen zur Theorie. Das erste Kapitel ist eine Einführung, das Kapitel 11 enthält Übungsaufgaben und das Kapitel 12 die Lösungen dafür. Im Kapitel 13 wird der Pereyra-Angriff kurz behandelt, zu dem ich ansonsten nichts sagen kann. Zu den Übungsaufgaben im 11. Kapitel bleibt noch zu erwähnen, dass sie in einen Taktik- und in einen Strategieteil aufgeteilt sind, was ich für einen interessanten und durchaus gelungenen Ansatz ansehe.
Die Universalität des Londoner Systems spiegelt sich auch sehr schön im Inhaltsverzeichnis wider. Die Theoriekapitel widmen sich immer genau einem Einsatzbereich und zeigen diesen auch im Titel auf. So lässt sich aus dem folgenden Auszug - in der Originalsprache belassen - sehr gut erkennen, gegen welchen schwarzen Aufbau das System zum Einsatz kommen kann und von den Autoren entsprechend behandelt wird:
Kapitel 2 The London System versus the Grünfeld
1.d4 Nf6 2.Bf4 g6 3.e3 Bg7 and ...d7-d5
Kapitel 3 The London System versus the King's Indian
1.d4 Nf6 2.Bf4 g6 3.e3 Bg7 and ...d7-d6
Kapitel 4 The London System versus the Queen's Indian
1.d4 Nf6 2.Bf4 e6 3.Nf3 b6
Kapitel 5 The London System versus the Benoni
1.d4 Nf6 2.Bf4 c5
Kapitel 6 The London System versus the Dutch
1.d4 f5 2.Nf3 Nf6 3.Bf4
Kapitel 7 The London System versus the Slav
1.d4 d5 2.Bf4 Nf6 3.e3 Bf5 4.c4
Kapitel 8 The London System versus ...d7-d5 without an early ...e7-e6
1.d4 d5 2.Bf4 various
Kapitel 9 The London System versus ...d7-d5 with an early ...e7-e6
1.d4 d5 2.Bf4 Nf6 3.e3 e6 4.Nf3
Kapitel 10 The London System versus other defences.
Die Besprechung erfolgt anhand von vollständigen Partien, die ganz überwiegend in unserer Zeit gespielt worden sind. Nur ausnahmsweise kommen ältere Begegnungen zum Einsatz. Jedes Kapitel beginnt mit einer Übersichtsseite, die das jeweilige Thema skizziert und eine Variantenübersicht anbietet. Dem schließt sich eine textliche Einführung an. In ihr werden die wesentlichen Ideen beschrieben, es werden die strategischen Pläne dargestellt und bei Bedarf auch taktische Hinweise gegeben.
Die einzelnen Partien werden mit einer Zusammenfassung abgeschlossen. Dies ist keine Besonderheit in Büchern wie "The Agile London System", hier aber ist sie mir als besonders gelungen aufgefallen. Der Leser erfährt in einer komprimierten Form sowohl allgemeine Handlungsempfehlungen als auch konkrete Hinweise, die er für wichtig nehmen kann. So lernt er nicht nur am Beispiel der jeweiligen Partie, sondern bekommt quasi abgeleitete Lernsätze.
In ähnlicher Form werden dann auch die einzelnen Kapitel abgeschlossen. Hier bekommt der Leser nach Abschluss seiner Arbeit mit dem Systemeinsatz gegen den jeweiligen schwarzen Aufbau die Gesamtaufstellung aller wichtigen Aspekte angeboten. Diese ist zudem eine gute Adresse, wenn er sich später mal schnell wieder in das System eindenken will.
Die Partien werden in einer Mischung aus Text und Varianten und eben mit dem Schwerpunkt der Eröffnungserkenntnisse kommentiert. Die Varianten machen einen erheblichen Anteil aus, werden aber zumeist um Erläuterungen ergänzt. Der Anteil der Varianten ohne Text ist allerdings durchaus nicht nur klein. Hier muss der Leser dann in der Lage sein, aus den Schachsymbolen sich selbst zu erschließen, warum denn nun die eine oder andere Seite etwas besser steht oder warum ein bestimmter Zug besser als ein anderer ist.
Der Hinweis auf die Art und Weise, wie Alfonso Romero Holmes und Oscar de Prado Rodriguez ihre Erkenntnisse präsentieren, führt dann auch zur Frage nach dem Leser, für den "The Agile London System" ein Gewinn sein dürfte.
Ich verorte ihn im Bereich des Klubspielers. Dies deckt sich dann auch mit dem Spielerkreis, der das Londoner System in erster Linie einsetzt.
Ich hatte in jüngerer Zeit mehrere Werke über das Londoner System zum Schreiben einer Rezension in der Hand. Inzwischen findet der interessierte Spieler einiges an Material in den Bücherregalen dazu und das vorliegende Buch ist dabei in meinen Augen durchaus eine Bereicherung.
Im Quellenverzeichnis am Ende des Werkes vermisse ich "The London System - properly played" von Marcus Schmücker. Dort ist auch "Winning with the Modern London System" von Nikola Sedlak nicht verzeichnet, was sich aber damit erklären lassen dürfte, dass "The Agile London System" im Wesentlichen bereits 2014 fertig gestellt war. Das Schmücker-Buch mag vielleicht in Spanien, dem Heimatland der beiden Autoren, nicht so bekannt geworden sein, dass es sich als Quelle anbot.
Ebenfalls auf den letzten Seiten des Buches zu finden ist ein Variantenverzeichnis. Es bildet neben den wesentlichen Weichenstellungen in der theoretischen Behandlung auch Diagramme ab, die zusammen eine gute Orientierung über alle Kapitel hinweg unterstützen.
Die Anforderungen an die Englischkenntnisse des Lesers sind unspektakulär. Mit einem ordentlichen Schulenglisch sollte die Arbeitet mit "The Agile London System" keine Probleme bereiten.
Fazit: "The Agile London System" ist ein weiteres Buch, das es sich zur Aufgabe gestellt hat, das Londoner System im Einsatz gegen verschiedene schwarze Aufbaupläne darzustellen. Es ist gut gegliedert und stellt den Stoff in einer übersichtlichen Weise vor. Für den Spieler ab Klubniveau ist es gut geeignet, um sich das System für den Einsatz in eigenen Partien qualifiziert zu erarbeiten.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Mastering Queen and Pawn endgames
Adrian Michaltschischin, Csaba Balogh
Mastering Queen and Pawn endgames
269 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-83-945362-0-6
24,95 Euro
Mastering Queen and Pawn endgames
Unter dem polnischen Label "Chess Evolution" ist eine sehr ehrgeizige Buchreihe in Angriff genommen worden, die insgesamt 14 in Englisch geschriebene Werke umfassen soll. Sie widmet sich der Endspielführung, soll den Anfänger und auch den Spitzenspieler ansprechen und letztlich Kompendium und Handbuch in einem sein.
"Mastering Queen and Pawn endgames" ist der erste Spross der Serie. Die Autoren Adrian Michaltschischin und Csaba Balogh haben sich die Aufgabe gestellt, den Leser auf insgesamt 269 Seiten zu befähigen, die Damen- und die Bauernendspiele zu beherrschen.
Um dieses Werk richtig einordnen zu können, ist es angebracht, es zunächst in die beabsichtigte Themenfolge der gesamten Serie zu verorten.
"The Modern Endgame Manual", das ist der Name der Buchreihe als solcher, wird am Ende und dann in voller Pracht die folgenden weiteren Bände umfassen:
Band 2: Läufer- und Springerendspiele
Bände 3 bis 5: Turmendspiele
Bände 6 und 7: Unterschiedliche Materialkonstellationen
Band 8: Abtäusche und Vereinfachungen
Bände 9 bis 14: Praktische Endspiele zum Selbststudium und mit Übungen, wobei alle Endspieltechniken angesprochen werden sollen.
Nun können wir uns intensiv dem Premierenwerk "Mastering Queen and Pawn endgames" zuwenden.
Das Buch beinhaltet acht Kapitel, fünf zu den Bauern- und drei zu den Damenendspielen. Diese enthalten dann in unterschiedlicher Zahl Abschnitte, die sich nach der Materialverteilung unterscheiden bzw. auch nach bestimmten Themen, beispielsweise die Behandlung der Endspiele mit verbundenen Bauern. Die acht Kapitel sind:
Kapitel 1: Theoretical positions with 1 vs 0 pawn
Kapitel 2: Theoretical positions with 1 vs 1 pawns
Kapitel 3: Theoretical positions with 2 vs 1 pawns
Kapitel 4: Complex (4+ pawns) theoretical positions
Kapitel 5: Practical games
Kapitel 6: Theoretical positions with Queen vs pawn
Kapitel 7: Theoretical positions with Queen + pawn vs Queen
Kapitel 8: Complex positions - Practical games.
Ein ganz dickes Lob muss ich der Aufmachung zollen. Alle Themen werden mit einem Diagramm eingeführt. Dieses ist, soweit es eine Theoriestellung zeigt, mit "Theoretical Position" überschrieben. So weiß der Leser sofort, dass er hier etwas mit einer grundlegenden Bedeutung vor sich hat. Um sich das angestrebte theoretische Rüstzeug anzueignen, das er für diese Art von Stellung braucht, muss er sich die Aussagen und die gezeigten Manöver zu Eigen machen. Hiervon zu unterscheiden sind die Diagramme mit der Überschrift "Practical Position". In den hiermit eingeleiteten Beispielen geht es darum, mit dem (neuen) theoretischen Wissen in einer typischen Partiestellung zum Erfolg zu kommen. Hier legen die Autoren Wert darauf, dass das Endspiel-Knowhow des Lesers die Verbindung zur Praxis bekommt. Ein Leser, der in der Endspieltheorie 100000 Volt zu bieten hat, bei dem aber in seiner praktischen Partie die Birne ausgeht, ist das Gegenteil dessen, was sie erreichen wollen.
In meinen Augen beeindruckend gut sind auch die Erläuterungen. "Mastering Queen and Pawn endgames" wirkt nicht selten wie ein Lesebuch mit eingestreuten Schachzügen. Den Schwerpunkt ihres Schaffens haben die Autoren auf die Texterläuterungen gesetzt. Eine gewisse Ausnahme bilden nur zwei Kapitel, je eines für die Bauern- und eines für die Damenendspiele, in denen die Endspielführung anhand von praktischen Partien behandelt wird. Hier gehen die Analysen auch schon mal weit in die Tiefe, was aber dem genannten Ansatz entspricht. Wie generell im Buch werden auch hier nur Partiefragmente zugrunde gelegt, so dass kein Platz für die nicht relevanten Partiephasen verloren geht.
Wer sich in der Vergangenheit mit der Endspieltheorie beschäftigt hat, mag Endspielbücher mit einem gewissen verkrusteten Image verbinden. Auch mein eigenes geistiges Auge präsentiert mir dabei Erinnerungen an Seiten, die Stellung um Stellung behandeln, die geradezu eine Wand bilden. Studienhafte Endspielführungen provozieren schon beim Durchgehen die Frage, ob man in seiner eigenen Partie wohl jemals auch nur entfernt daraus Profit ziehen kann und überfordern das eigene Vermögen wie auch die eigene Motivation schnell. Unzählige Diagramme, in die Brettzonen eingezeichnet sind, in denen Figuren nicht stehen dürfen oder im Gegenteil stehen müssen, sollen einem ins visuelle Gedächtnis gebrannt werden, was aber regelmäßig nicht passiert. "Mastering Queen and Pawn endgames" ist anders. Man liest, wird angeleitet, erhält anschauliche Beispiele und versteht.
Natürlich ist dies nur eine subjektive Einschätzung, aber ich kann mir vorstellen, dass sich "The Modern Endgame Manual" zu einer Standardreihe zur Endspielbehandlung entwickeln wird. Ohne einen Blick in die Kristallkugel werfen zu wollen, meine ich, dass es in der Art der Gestaltung genau die Erwartung einer breiten Leserschaft erfüllen kann, wenn die weiteren Bände auch nur einigermaßen so überzeugen können wie der hier besprochene.
Zusätzlich hat jeder Interessent die Option, sich auf einige Themen zu konzentrieren, um nicht gleich alle Bände kaufen zu müssen. Sie sind - zumindest bis zum Band 7 - absehbar konzeptionell auch eigenständig zu nutzen.
Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind nicht allzu hoch. Allerdings sollte er sich gerne englischen Texten widmen, denn davon gibt es reichlich im Buch.
Fazit: "Mastering Queen and Pawn endgames" ist der verheißungsvolle Auftakt in eine Buchreihe zur Endspielführung, die sich zu einem Standard entwickeln kann.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
New Weapons in the King's Indian
Milos Pavlovic
New Weapons in the King's Indian
237 Seiten, kartoniert
ISBN: 9789492510020
27,95 Euro
New Weapons in the King's Indian
"New Weapons in the King's Indian" von Milos Pavlovic, erschienen bei Thinkers Publishing, ist für mich ein typischer Vertreter jener Bücher, die in der Hand des "richtigen" Lesers Freunde machen und Gewinn bringen können, in der Hand des "falschen" aber für Enttäuschung und Verdruss sorgen. Und wer ist in diesem Fall der richtige und wer der falsche Leser? In meinen Augen gehört das Werk in die Hand des erfahrenen Spielers, in dessen Eröffnungsrepertoire die Königsindische Verteidigung bereits länger einen festen Platz einnimmt. Ihn erwarten Ideen, Analysen und Spezialvarianten, die von der Theorie bisher weniger geschätzt worden sind und die Pavlovic für eine gute Wahl hält. Sein Urteil versucht er über Partiefragmente und eigene Analysen zu begründen.
Wer die Königsindische Verteidigung neu erlernen und verstehen möchte, ist mit einem Kauf anderer Werke, die eher einen Lehrbuchcharakter aufweisen, besser beraten. Weniger erfahrene Spieler werden von "New Weapons in the King's Indian" schlicht ganz schnell überfordert sein.
Das Buch ist in englischer Sprache geschrieben. Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind niedrig. Dies liegt nicht nur am engen Wortschatz, der zum Einsatz kommt, und an dem erkennbaren Bemühen, mit möglichst einfachen Sätzen zu arbeiten, sondern vor allem an der insgesamt nur rudimentären Textkommentierung. Pavlovic setzt in erster Linie auf Varianten, die teilweise auch recht verzweigt sein können. Wenn er diese zusätzlich um Text erweitert, ist dies zumeist eine beschreibende Ergänzung und keine tiefe Begründung seiner Einschätzung, keine Erläuterung, wie das Spiel strategisch weiter zu planen ist etc. Der Leser erhält oft eine Stellungseinschätzung in der Art einer Aussage, dass die eine oder andere Seite besser steht oder das Läuferpaar die Chance eröffnet, die Stellung zu halten, aber eben keine "inneren Einblicke". Der erfahrene Spieler wird sie kaum vermissen, der weniger erfahrene aber sehr.
Noch eine kurze Ergänzung zur Verschachtelung von Varianten: Der Leser wird durch eine farbliche Nuancierung zwischen Varianten verschiedener Ordnung in seiner Orientierung unterstützt, was ich hier für eine gelungene Umsetzung halte.
Das Buch ist in sieben Teile gegliedert, die sich insgesamt 22 Kapitel teilen. Diese sieben Teile sind, in einer deutschen Übersetzung:
Teil 1: Sämisch-Angriff
Teil 2: Klassisches System mit h3
Teil 3: Klassisches System mit Le2
Teil 4: Systeme mit Sge2
Teil 5: Awerbach-System
Teil 6: Vierbauern-Angriff
Teil 7: Fianchetto-System.
Jedes Kapitel enthält zur Einführung eine kurze Beschreibung des in ihm behandelten Systems. Der Text ist jeweils dem Charakter des Buches entsprechend kurz gehalten, er reicht für einen Auftakt aber auch aus. Dem schließt sich eine Variantenübersicht an, was mir gut gefällt. Der Leser erhält hiermit einen Kompass in die Hand, mit dessen Hilfe er sich gut über die Kapitel des Abschnitts hinweg orientieren kann. Der Detaillierungsgrad ist mäßig, in meinen Augen diesem Werk aber angemessen.
Nicht viel sagen kann ich zu der Frage, ob die von Pavlovic vorgeschlagenen Varianten bzw. Spielweisen tatsächlich vielversprechende neue oder wieder neu zu entdeckende Wege sind. Mehrere Ideen sind mir beim Durchgehen des Werkes als interessant ins Auge gestochen. Für diese habe ich mir ein Urteil anhand von Auswertungen meiner Partiendatenbanken zu verschaffen versucht. Auf jeden Fall hat Pavlovic es geschafft, weniger gängige Varianten auszugraben und auch solche Züge zu reaktivieren, die vielleicht ein neues Urteil zu ihrer Qualität verdienen.
Zudem ist es ihm zweifellos gelungen, Material zu präsentieren, das weiter erprobt werden und diskutiert werden kann.
Fazit: "New Weapons in the King's Indian" ist ein Buch, das für einen erfahrenen Spieler, der bereits auf die Königsindische Verteidigung als eigene Eröffnung setzt, neue Wege und Ideen und damit neue Chancen bereit halten kann.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
First Steps: the Colle and London Systems
Cyrus Lakdawala
First Steps: the Colle and London Systems
238 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-367-0
22,75 Euro
First Steps: the Colle and London Systems
"First Steps: the Colle and London Systems" von Cyrus Lakdawala ist eine Neuerscheinung aus 2016, die auf der Basis von 33 Partien aus der Praxis eine Einführung in die Theorie des Colle-Systems und des Londoner Systems vermittelt. Verknüpft ist sie mit der Zusammenstellung eines Grundrepertoires. Das Werk ist von Everyman Chess in den Markt gegeben worden.
Die beiden genannten Eröffnungssysteme verbindet eine enge Verwandtschaft. Dies zeigt Lakdawala bereits mit seinen einleitenden Worten auf. Dabei gibt er auch Hinweise dazu, für welche gegnerische Eröffnungswahl welche der beiden Spielweisen nach seiner Anschauung am besten geeignet sein dürfte. So wird dem Leser schnell klar, dass er auf Synergieeffekte hoffen darf, indem er sich beide Systeme aneignet. Da ich das Buch sehr auf die Bedürfnisse des Klubspielers und dies bereits ab einem noch recht niedrigen Spielstärkeniveau zugeschnitten sehe, ist diese Verdeutlichung durch den Autor aus meiner Sicht sehr wichtig.
"First Steps: the Colle and London Systems" ist im Stil der neuen "First Steps:"-Buchreihe erschienen, die hinsichtlich ihrer Methodik und Gestaltung sehr an die "move by move"-Reihe aus demselben Verlagshaus erinnert. Die Kommentierung aller Partien greift auf besondere und textlich hervorgehobene Einschübe zurück, die den Leser ganz gezielt und spezifisch mit Wissen versorgen sollen bzw. seine persönliche Mitwirkung erfordern, über die er dann über "learning by doing" profitieren soll. So erhält er Hintergrundwissen bzw. Begleitwissen unter dem Titel "Did you know?", Anmerkungen unter "Note", ganz spezifische Tipps unter dem Kennwort "Tip" und auch Warnungen vor Fehlern, die dann eben als "Warning" bezeichnet werden. Sogenannte "Exercises", also Übungen, die dann regelmäßig eine ganz bestimmte Fertigkeit beim Leser fördern sollen, verlangen ihm ein Mitdenken und Anwendung bereits erlernter Inhalte ab.
Eine Zusammenfassung am Ende der Partie stellt kurz und präzise für ihn zusammen, was er im Kern aus ihr mitnehmen sollte.
Eine erhebliche Anzahl der Partien hat Lakdawala selbst gespielt, so dass er auch deshalb tief in ihre Materie eingedrungen ist.
Insgesamt setzt die Kommentierung in erster Linie auf Texterläuterungen. Dabei geht Lakdawala auch auf grundlegende und einfache Aspekte ein, was zeigt, dass er sich als Leser auf den Bereich der regelkundigen Schachfreunde ohne weit ausgebaute Erfahrung konzentriert. So ist es keine Seltenheit, dass er auch zu Beginn der Partie bisweilen fast jeden einzelnen Zug mit einer Anmerkung versieht.
Anmerkungen in Form von Partiefragmenten und Analysen sind zurückhaltend eingesetzt, aber auch durchgängig Element der Kommentierung. Zumeist bleiben sie dem Adressatenkreis entsprechend auf eine übersichtliche Ebene begrenzt, in Einzelfallen aber dürften Lakdawala auch schon mal die Pferde durchgegangen sein. So sind hin und wieder auf Variantenketten und recht verschachtelte Analysen im Werk zu finden.
Positiv ist mir die an markanten Stellen sehr analytische Herangehensweise an die Darstellung von Brettsituationen, strategische Vorteile etc. aufgefallen. Hier arbeitet Lakdawala wiederkehrend mit Aufzählungen, die die wichtigen Aspekte auf den Punkt bringen.
Das Inhaltsverzeichnis sieht, bezogen auf die Theoriekapitel, wie folgt aus:
1. Colle Versus Slav, ...e6 and ...d5 Set-ups
2. Colle Versus Queen's Indian
3. Exchange Slav and Gambit Lines
4. London Versus King's Indian
5. London Versus Reti
6. London Versus Grünfeld
7. Dutch Defence and Other Lines.
Es gibt einen guten Überblick darüber, welche Einsatzgebiete Lakdawala vornehmlich für die beiden behandelten Systeme sieht.
Als zweitrangig bedeutsam sehe ich die Frage an, ob das Werk in seinen Empfehlungen immer die aktuelle Nummer 1 trifft, ob also der Zug X die richtige Weichenstellung für die eigene Aufstellung ist oder ob Zug Y eine Nuance besser sein dürfte. Irrwege jedenfalls sind mir nicht aufgefallen und auf dem niedrigen Klubniveau ist ein übersichtlicher Qualitätsunterschied unter korrekten und damit spielbaren Zügen ohne Ausschlag.
Die Buchsprache ist Englisch. Lakdawala hat seinen offenkundig sehr breiten Wortschatz ausgelebt, was das Verständnis durch den Fremdsprachler herausfordert. So werden durchaus auch ordentliche Englischkenntnisse auf die Probe gestellt. Das Nachschlagen von Begriffen wird sich für die meisten Leser an etlichen Stellen kaum vermeiden lassen, wenn sie denn alles vollständig verstehen wollen.
Ein Variantenverzeichnis ist vorhanden, es ist im Bereich der letzten Seiten des Buches abgebildet.
Fazit: "First Steps: the Colle and London Systems" ist ein Lehr- und Repertoirebuch für den aufstrebenden Spieler ab einem niedrigen Klubniveau. Es leitet ihn an, die beiden behandelten Spielwiesen selbst einsetzen zu können, indem es ihm ein inneres Verständnis ihrer Ansätze und Methoden zu vermitteln versucht.
Für mich handelt es sich um ein gelungenes und damit empfehlenswertes Buch für den Leser, der die Herausforderungen an den englischen Sprachschatz anzunehmen bereit ist.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Maneuvering - The Art of Piece Play
Mark Dvoretsky
Maneuvering - The Art of Piece Play
215 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-941270-37-0
24,95 Euro
Maneuvering - The Art of Piece Play
"Maneuvering - The Art of Piece Play" ist ein neues Werk eines der zuletzt besten Schachlehrer unserer Zeit, des im September 2016 verstorbenen Mark Dvoretsky. Mit ihm will er die Spielstärke des Lesers über Schachaufgaben und die jeweils sehr ausführliche Besprechung der Lösungen heben. Gemessen an dem, was ich im Zuge der Erarbeitung von Rezensionen an Büchern dieses Genres in die Hand bekommen habe, war er für mich zumindest der beste unter den Trainern, die ihr Fachwissen als Autoren an die Schachgemeinde zu geben versuchen.
Bereits der Rückentext dieser 2016 von Russell Enterprises herausgegebenen Neuerscheinung zeigt sehr gut an, was der Leser thematisch erwarten darf. Es geht darum, die Fähigkeiten des Spielers auf dem Sektor des Positionsspiels zu fördern, in dem es um Figurenmanöver und darum geht, die besten Felder für die eigenen Kräfte zu finden. Dabei basieren Dvoretskys Ansätze darauf, dass die Spielstärke des einzelnen in erster Linie damit steigt oder fällt, dass er positionelle Möglichkeiten erkennt und diese so schnell und so genau wie möglich ausarbeitet.
"Maneuvering - The Art of Piece Play" enthält insgesamt 228 Diagramme mit Aufgaben, die der Leser lösen soll. Diese decken das Spektrum von leicht bis sehr schwer ab. Dvoretsky erwartet nicht nur, dass der Leser Schlüsselzüge findet, sondern detailliert ausgearbeitete Lösungen. Dies wird auch darin deutlich, dass die von ihm ins Buch genommenen Musterlösungen sehr ausführlich sind und in meinen Augen den größten Anteil am Lernerfolg des Lesers haben werden. Sie lehnen sich "charakterlich" an eine intensive Kommentierung von Partien an. Indem sich der Leser zunächst in die Probleme und Möglichkeiten einer Stellung tief eingedacht hat und er dann die Lösung Dvoretskys, die alles Wesentliche ausführlich thematisiert, mit seinen eigenen Ergebnissen vergleicht, wird er zweifellos profitieren. So ist "Maneuvering - The Art of Piece Play" nicht nur ein Buch, mit dem der Leser seine Fähigkeiten überprüfen kann, sondern auch für das Erlernen von Methoden. Den Anspruch, ein gezieltes Lehrbuch zu sein, erhebt das Werk nicht. Es wird keine Theorie des Positionsspiels aufgearbeitet. So findet der Leser keine Lehrsätze etc. vor, sondern jeweils eine stellungsbezogene Evaluation der Problemlage, der daraus resultierenden Anforderungen und Möglichkeiten sowie die Ausarbeitung des Vorgehens.
Für mich ist "Maneuvering - The Art of Piece Play" kein Werk, dass am Stück durchgearbeitet werden kann oder sollte. Zumindest gilt dies für den Freizeitspieler. Er wird seinen höchsten Nutzen dann daraus ziehen, wenn er sich Zeit nimmt. Mit einem gewissen regelmäßigen Pensum kann er mit dem Buch arbeiten, seine Fähigkeiten Stück für Stück verbessern und so quasi einen Trainings- und Qualifizierungskurs durchlaufen.
Um die Ordnung im Buch zu skizzieren, bilde ich nachfolgend auszugsweise und sinngemäß ins Deutsche übersetzt das Inhaltsverzeichnis ab (kleiner Hinweis dazu: Auf jeden Eintrag im Inhaltsverzeichnis nach der Einführung folgen jeweils die Lösungen auf die Aufgaben des Abschnitts).
Einleitung
Aufwärm-Übungen
Studien
Die Eröffnung
Das Endspiel
Stellungen ohne Damen
Damen und Türme
Mittelspielstellungen
Kleine Meisterstücke
Beispiele mit zusätzlichen Aufgaben
Schwierige Übungen.
Die obengenannte Einführung ist ein Ausblick auf die späteren Buchinhalte und nicht eine solche zum Positionsspiel an sich.
"Maneuvering - The Art of Piece Play" ist nicht das erste Dvoretsky-Buch, in dem er mit Aufgabenstellungen wie hier arbeitet. Jetzt und früher hat er Beispiele aus seiner Trainertätigkeit verwendet. Käufer früherer Bücher können nach Darstellung des Autors davon ausgehen, dass Überschneidungen des verwendeten Materials weitgehend vermieden sind.
Die Buchsprache ist Englisch. Um geschmeidig mit dem Werk arbeiten zu können, sind Fremdsprachkenntnisse auf einem guten Schulniveau von Vorteil.
Fazit: "Maneuvering - The Art of Piece Play" ist ein sehr qualifiziertes Werk, das nach der Methode "learning by doing" arbeitet und dabei höchsten Wert auf die Musterlösung der insgesamt 228 im Buch gestellten Aufgabenstellungen legt. Es richtet sich an Spieler (fast) jeder Leistungsstärke, ein unteres Klubniveau sollte persönlich erreicht sein. Den noch nicht allzu weit fortgeschrittenen Spieler werden die enthaltenen Aufgaben schnell an seine Grenzen oder darüber hinaus führen, doch über die ehrgeizige Arbeit mit den Lösungen wird auch er sich in seinem Leistungsvermögen verbessern.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
1.e4 vs The Sicilian III
Parimarjan Negi
1.e4 vs The Sicilian III
488 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78483-023-6
25,99 Euro
1.e4 vs The Sicilian III
Im 3. Band seiner monumentalen Arbeit zur Ausarbeitung eines Weißrepertoires gegen die Sizilianische Verteidigung im Rahmen der Grandmaster Repertoire-Serie von Quality Chess behandelt der indische GM Parimarjan Negi die Taimanov-Variante, die Paulsen-Variante (auch als Kan-Variante bekannt), das Scheveninger System sowie seltene Abspiele des Nachziehenden im 2. Zug. Das Inhaltsverzeichnis sieht insoweit in einer sinngemäßen deutschen Übersetzung wie folgt aus:
Taimanov-Variante
1. Einführung und 5...a6
2. 6...Sf6
3. Verschiedene Möglichkeiten im 7. und 8. Zug
4. Einführung zu 8...Le7
5. Neue Hauptvariante
6. 8...Lb4 - Alte Linien
7. 8...Lb4 - Moderne Linien
Paulsen-Variante (Kann-Variante)
8. Verschiedene Möglichkeiten im 5. Zug
9. Einführung zu 5...Sf6
10. 6...Dc7
11. 5...Lc5 - Einführung zu 6.Sb3 La7
12. 6.Sb3 La7 mit 7...Se7
13. Einführung zu 6...Le7
14. Hauptvariante
Scheveninger System
15. 4...Sc6 und 5...d6
16. Keres-Angriff - Verschiedene Möglichkeiten im 6. Zug
17. Verschiedene Möglichkeiten im 7. Zug
18. 7...Sc6
Seltene Abspiele
19. 2...d6
20. 2...Sc6
21. 2...e6
22. Verschiedene Möglichkeiten im 2. Zug.
Negi nutzt den vorliegenden Band, eine Neuerscheinung aus 2016, außerdem für einen Nachtrag zu Band 1. Dort hatte er die Aufnahme einer Variante zum Drachenaufbau vergessen, die nun als Appendix im vorliegenden Buch zu finden ist.
Wie seine Vorgänger ist auch "1.e4 vs The Sicilian III" als klassisches Eröffnungsbuch mit einer Baumstruktur aus Haupt- und Nebenvarianten aufgebaut. Illustrationspartien sind nicht enthalten, so wie es für die Bücher aus der "Grandmaster Repertoire"-Serie typisch ist. Der Leser erhält somit Theorie pur, was übrigens auch Wiederholungen vermeidet. Bücher mit Praxisbeispielen enthalten natürlicherweise Wiederholungen, indem theoretisch bereits erörterte Zugfolgen eben auch darin wieder vorkommen.
"1.e4 vs The Sicilian III" enthält eine Fülle an Stoff. Dies macht auch dieses Werk in meinen Augen vor allem für den ambitionierten fortgeschrittenen Spieler wie auch den Fernschachspieler besonders interessant. Gerade die Stofffülle der Grandmaster-Repertoire-Bücher habe ich in der Vergangenheit immer wieder mal auch als Vorbehalt ihnen gegenüber wahrgenommen. Mehrfach habe ich als Kritikpunkt gelesen, dass sich kein Mensch das immense Material merken könne. Verständlich ist dieses Argument für mich nicht so recht, denn niemand behauptet, dass diese Werke ihren Nutzen nur entfalten, wenn man sich ihren Inhalt vollständig einprägt. Für den Fernschachspieler gilt es ohnehin nicht, weil er seine Partie unter Rückgriff auf Literatur spielt. Er muss sich nichts einprägen, er nutzt die Theoriedarstellungen unmittelbar. Und der Turnierschachspieler sucht sich für seine Vorbereitung das aus dem "Grandmaster-Repertoire" heraus, was für ihn wichtig und interessant ist. Für die nachgehende Analyse steht ihm dann das geballte Wissen daraus zur Verfügung. Immerhin muss sich doch auch niemand durch die Speisekarte essen, wenn er ein gutes Lokal betritt.
Negi gibt sich große Mühe, dem Leser die Theorie verständlich zu machen. Er erklärt und erläutert viel und intensiv. Die Darstellungen weisen generell einen hohen Textanteil auf. Lange Variantenketten kommen zwar auch vor, fallen aber nicht ins Gewicht. Grundsätzliche Aspekte greift das Werk nicht auf, was aus meiner Sicht sinnvoll ist, wenn man seinen von mir angenommenen Kern-Adressatenkreis berücksichtigt, neben dem Fernschachspieler den fortgeschrittenen Schachfreund.
Die einzelnen Kapitel werden mit einer Übersicht der nachfolgend behandelten Varianten eingeführt. Hierüber erfährt der Leser unter Angabe auch der Seitenzahlen, wo er im Kapitel welche Zugfolgen findet. Zusammen mit dem gewohnt detaillierten Gesamt-Variantenverzeichnis am Ende des Buches erlaubt es dem Leser eine ausgezeichnete Navigation im Stoff.
Neben einem Diagramm zur Ausgangszugfolge des Kapitels gibt es als Appetitmacher weitere Diagramme zur Brettsituation nach Neuerungen im sich anschließenden theoretischen Teil. Abgeschlossen werden die Kapitel mit einer kurzen wertenden Zusammenfassung.
Die Buchsprache ist Englisch, mit Fremdsprachkenntnissen auf einem guten Schulniveau wird der Leser keine nennenswerten Probleme mit dem Verständnis haben.
Fazit: "1.e4 vs The Sicilian III" ist als einzelnes Werk wie auch als weiteres Element zu einem umfassenden Weißrepertoire gegen die von Schwarz gewählte Sizilianische Verteidigung eine echte Empfehlung besonders für den Fernschachspieler und den ambitionierten fortgeschrittenen Nahschachspieler.
Dieser Rezension liegt die kartonierte Fassung des Buches zugrunde. Gegen einen Aufpreis von 4 Euro ist es auch in gebundener Form und mit einem festen Einband erhältlich.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.