Rezensionen - Einstellungsjahr 2014
Verfasser: Uwe Bekemann (sofern nicht jeweils ein anderer Verfasser genannt ist)
Krisenherd Dauerschach
Lothar Nikolaiczuk
Krisenherd Dauerschach
182 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-940417-66-4
19,80 Euro
Krisenherd Dauerschach
Als ich das Buch "Krisenherd Dauerschach" von Lothar Nikolaiczuk, jüngst erschienen als Imprint des Schachverlag Ullrich im Joachim Beyer Verlag, zur Rezension erhielt, traf mich sofort die Erkenntnis, dass ich ein Werk spezifisch zu diesem Thema noch nicht kannte. Es steht außer Zweifel, dass es interessant und wichtig genug ist, um ein komplettes Buch darüber zu schreiben. Der Spieler muss nur erfahren genug sein, um den "Rettungsanker Dauerschach" in eigenen Partien schon mal als letzten Ausweg genutzt zu haben oder aber dieses Mittel in der Form "Katastrophales Dauerschach" verwünscht zu haben, dann nämlich, wenn ein "platt" stehender Gegner ihm auf diese Weise einen sicher geglaubten halben Zähler abgeluchst hat.
Schon aus diesen beiden Blickrichtungen auf das Dauerschach wird deutlich, dass es hierfür unterschiedliche Grundszenarien gibt. Mal gilt es, eine Dauerschachmöglichkeit deshalb zu erkennen, um sie für das Erreichen eines halben Punktes nutzen zu können, ein anderes Mal aus dem gegenteiligen Streben heraus, dem Gegner dieses Mittel als dessen Verteidigungsressource zu nehmen.
Nikolaiczuk hat das Dauerschach vor dem Hintergrund der verschiedenen Gesichter untersucht, die es annehmen kann. Diese werden schon beim Lesen des Inhaltsverzeichnisses erkennbar, das zu den Kernthemen wie folgt aussieht:
Dauerschach-Suche
Dauerschach-Falle
Dauerschach-Vermeidung
Weniger als Dauerschach
Mehr als Dauerschach
Das verzichtbare Dauerschach
Das spektakuläre Dauerschach
Das genialische Dauerschach.
Die Kapitel sind (fast alle) strukturell gleichartig aufgebaut. Anhand von Beispielen aus der Praxis, deren Herkunft sich auf viele Jahrzehnte verteilt, führt Nikolaiczuk den Leser zunächst unter dem jeweiligen Schwerpunkt ein. Die Ausgangsstellung wird immer über ein Diagramm vermittelt, die Besprechung erfolgt also an Partiefragmenten, nicht an vollständigen Partien. Der Autor stellt die Stellungsmerkmale heraus, macht auf gebotene Züge aufmerksam und kommentiert den tatsächlichen Verlauf des Duells.
Im Anschluss an die Präsentation und die Erörterung dieser Beispiele aus der Praxis ist der Leser selbst gefordert. Er soll in Übungen, deren Zahl von Kapitel zu Kapitel variiert, sich selbst praxisnah versuchen, um eine Dauerschachmöglichkeit zu finden oder zu unterbinden. Auch hier wieder zeigt ein Diagramm die jeweilige Ausgangsstellung, das Nikolaiczuk aber um textliche Hinweise ergänzt, teilweise auch recht ausführlich. Die Lösungen schließen sich en block den Übungen sogleich an und bilden damit den Abschluss des Kapitels.
Empfehlungen zum Umgang mit Dauerschachmöglichkeiten, Regelmäßigkeiten zum Erkennen bzw. zur Ausführung auf dem Brett formuliert Nikolaiczuk nicht. Diese muss sich der Leser selbst erschließen, quasi auch nach dem Prinzip "learning by doing". Es gibt Stellungsmerkmale, die ein Dauerschach weiter in den Bereich des Möglichen rücken, beispielsweise eine gestiegene Zugänglichkeit des Königs, oder das Dauerschach ggf. attraktiv für den Spieler machen, hier beispielsweise eine schwierige Verteidigungsstellung oder ein überreizter eigener Angriff. Um diese qualifiziert in der Arbeit mit "Krisenherd Dauerschach" für sich selbst herausarbeiten zu können, sollte der Leser eine entsprechende Spielstärke erreicht haben.
Die Verarbeitung des Werkes ist mustergültig, wie man es von den Büchern aus diesem Verlag kennt. Sauberer Druck, fester Einband, solide Bindung sind die hervorzuhebenden Qualitätsmerkmale. Auch ein Lesebändchen gibt es, das ein externes Lesezeichen während der Arbeit mit dem Buch entbehrlich macht.
"Krisenherd Dauerschach" ist unterhaltsam geschrieben, die Sprache ist locker, hin und wieder sind etwas derbe Begriffe eingestreut.
Fazit: "Krisenherd Dauerschach" ist ein gelungenes Werk, mit dem der Leser seinen Umgang mit dem Dauerschach in eigenen Partien qualifizieren kann. Ich empfehle es dem Spieler, der versiert genug ist, um aus der ausführlichen Besprechung sorgfältig ausgewählter Beispiele, ergänzt um Aufgaben mit Lösungen, die Methoden, Hinweise etc. zur Spielführung selbst abzuleiten. Ab dem unteren Klublevel sollte dies der Fall sein, sodass ich "Krisenherd Dauerschach" ab diesem Leistungsbereich als Lern- und Trainingsbuch empfehlen kann.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachversand Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung
John Nunns Schachkurs
John Nunn
John Nunns Schachkurs
430 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-910093-22-1
16,90 Euro
John Nunns Schachkurs
Wenn ich zu entscheiden hätte, welche Buchneuerscheinungen 2014 im Sektor der Schachbücher das Prädikat "besonders wertvoll" erhalten, so hätte ich "John Nunns Schachkurs" aus der Feder von, wie sollte es anders sein, natürlich von John Nunn ganz oben auf meinem Zettel. Mit diesem Werk haben Nunn und der Verlag Gambit Publications Ltd. ein Kunststück geschafft, das in der Pflanzenzucht einem Baum gleich käme, der mehrere Früchte unterschiedlichster Art trägt. Hierzu zähle ich vor allem:
- "John Nunns Schachkurs" ist ein Lehr- und Trainingsbuch in einem. Es eignet sich für den lernenden Spieler, der seine Fähigkeiten ein wenig über die reinen Anfangsgründe hinaus entwickelt hat, und es macht den schon guten Spieler zu einem noch besseren.
- Es macht dem Leser das besondere und universelle Schachverständnis des früheren Weltmeisters Emanuel Lasker verfügbar, zieht für ihn den Nutzen aus dessen pragmatischen Erfolgsansätzen und räumt zugleich mit dem Mythos auf, dass Lasker oft nur durch Glück oder mit Tricksereien auf dem Brett gewonnen habe.
- Das Buch behandelt Aspekte, die für den Erfolg in der Partie nicht minder wichtig als andere sind, dennoch aber in der Literatur ein Mauerblümchendasein führen.
- "John Nunns Schachkurs" ist Schachunterhaltung pur, es verzahnt das Studium mit der Freude, die man empfindet, wenn man sich gut unterhalten fühlt.
Nunn empfiehlt dem Leser, das Buch kontinuierlich von vorn nach hinten durchzugehen und nicht sporadisch einzelne Inhalte anzusteuern. Ich möchte mich deshalb im Rahmen auch dieser Rezension daran halten.
Es würde den Umfang sprengen, wenn ich hier das vollständige Inhaltsverzeichnis abbilden würde. Ich beschränke mich deshalb auf die Ebene der Kapitel, von denen es 16 im Werk gibt, und verweise hinsichtlich der spezifischen Themen unterhalb dieser Überschriften auf Verlags- und Händlerinformationen im Internet.
"John Nunns Schachkurs" wartet mit den folgenden Kapiteln auf:
1. Einführung: Warum Lasker?
2. Verkanntes Genie
3. Angriff und Verteidigung
4. Figurenaktivität
5. Bauernstruktur
6. Das Endspiel
7. Läufer gegen Springer
8. Damenlose Mittelspiele
9. Verteidigung schlechterer Stellungen
10. Lavieren
11. Endspiele: Aus nichts etwas machen
12. Spiel auf Gewinn
13. Vorübergehende Chancen
14. Der kritische Moment
15. Häufig vorkommende Fehler
16. Übungen.
Schon aus diesen Angaben können Sie ersehen, dass "John Nunns Schachkurs" in deutscher Sprache erschienen ist. Englischer Autor, englisches Verlagshaus, deutsche Übersetzung einer im Original englischsprachigen Neuerscheinung - dies sind die organisatorischen Kenndaten des Werkes. Englisches Original und deutsche Übersetzung stammen beide aus 2014, die deutsche Ausgabe ist also ebenso aktuell wie das Original, wenn dies bei einem Werk wie diesem überhaupt eine Rolle spielen sollte. Das Buch ist sprachlich aber nicht als Übersetzung zu erkennen, hier ist eine ausgezeichnete Arbeit geleistet worden.
"John Nunns Schachkurs" knüpft an zwei Vorgängerwerke an, was ich dem Werk inhaltlich aber nicht angemerkt habe. In den von mir untersuchten Bereichen hat mir nichts gefehlt, ich habe nichts vermisst, was für ein Verständnis der Buchinhalte erforderlich gewesen wäre.
Nunn erklärt, dass er sich ganz bewusst der Partien Emanuel Laskers für seine Darstellungen bedient, weil gerade der an Jahren seiner Titelherrschaft gemessen Rekord-Weltmeister ein besonders universeller Spieler gewesen ist, der das Mittelspiel wie das Endspiel gleichermaßen gut gespielt hat. Laskers Tugenden, die Nunn mit einem funktionierenden Risikomanagement vergleicht, ermöglichten ihm die Züge zu finden, die a. jeweils stellungsgemäß waren, b. das Risiko soweit reduzierten, dass die Remisbreite gesichert blieb, und c. dem Gegner nach dessen Typus, Stil etc. am unangenehmsten waren. Die Spielstärke des Lesers versucht Nunn zu heben, indem er Themen, die teilweise in der Literatur nicht oder nur rudimentär behandelt worden sind, anhand von Laskers Umgang damit veranschaulicht. Er zeigt auf, dass Laskers lange Zeit als Titelträger und seine hohe Erfolgsquote in Partien und Turnieren eine logische Folge seines tiefen Spielverständnisses war und nicht aus glücklichen Umständen etc. resultierten. Er widerlegt frühere Autoren, teilweise sehr konkret, von Tarrasch über Soltis, Solowjow bis Crouch, die oft unter mangelhaft objektiven Ansätzen andere Ursachen für Laskers Erfolge oder eben gegnerische Niederlagen verantwortlich machten.
Jeder Spieler sollte sich immer wieder bewusst machen, dass das Schachspiel mehr ist als eine Angelegenheit fortlaufender Berechnung, nüchterner Einschätzung etc. Es kommen zahlreiche weitere Faktoren hinzu, die eine Rolle bei der Entscheidung über Erfolg und Misserfolg spielen. So hat jeder Gegner Vorlieben und Abneigungen gegenüber Varianten, Stellungsbildern usw. Die eigene Erfolgsaussicht des Spielers steigt, wenn er unter gleichermaßen geeigneten Zug-/ Handlungsalternativen jene findet, die dem Gegner am wenigsten behagt. Hier spielt auch die Psychologie eine bemerkenswerte Rolle.
Zu den Fähigkeiten des versierten Spielers zählt es auch, den besonderen Moment in einer Partie zu erkennen, eine einmalig sich bietende Gelegenheit zu nutzen, Ablenkung, Furcht etc. zu vermeiden bzw. auszublenden. Laskers Stärke zeigte sich oft auch in diesen Bereichen, sodass sie sich an dessen Partien von Nunn gut untersuchen lassen.
Wie führt Nunn in "John Nunns Schachkurs" nun alles zu einem harmonischen Werk zusammen? Seine Methode lässt sich m.E. recht gut wie folgt beschreiben: Nunn greift Themen der Spielführung auf, beispielsweise die Figurenaktivität oder die Bauernstruktur, spricht (dem erfahrenen Spieler zumeist durchaus bekannte) Prinzipien dazu aus und gibt Hinweise zur grundsätzlich gebotenen Handlungsweise, nutzt dann Beispiele aus Laskers Karriere, um das - gute und manchmal auch schwache - Behandeln in der Praxis zu veranschaulichen und dabei um Aspekte außerhalb der nüchternen Stellungsbetrachtung zu erweitern, beispielsweise solche mit einem psychologischen Hintergrund.
"John Nunns Schachkurs" ist klar textbasiert. Nunn beschreibt und erklärt sehr viel. Varianten spielen eine eher untergeordnete Rolle, was aber nicht heißt, dass der Leser auf wichtige entsprechende Linien verzichten müsste. Seine Ausführungen sind so logisch und nachvollziehbar, dass man das Gefühl hat, im Verständnis immer auf gleicher Höhe zu bleiben.
Als von Talkshows geschädigter Mensch habe ich mich mehrfach gefragt, ob manche Aussagen aus der Warte des erfahrenen Spielers überflüssig bis vielleicht sogar manchmal phrasenhaft wirken können. Dies war beispielsweise der Fall, wenn Nunn Aussagen zu grundsätzlichen Methoden etc. trifft, die für den "alten Hasen" etwas Selbstverständliches beinhalten. Ein Beispiel hierfür ist die Feststellung, dass ungleichfarbige Läufer im Mittelspiel oft besondere Angriffschancen mit sich bringen, weil attackierte Steine oder Felder nicht in gleicher Weise gedeckt werden können, während sie im Endspiel den Remisausgang fördern. Obwohl ich gezielt darauf geachtet habe, ist mir nicht eine einzige Passage aufgefallen, in der in einer Talkshow der "Fünfer für die Phrasenkasse" fällig geworden wäre. Nunn belässt es nicht bei einer solchen grundsätzlichen Aussage, sondern macht sie zu einem notwendigen Element einer weiter gefassten Beschreibung. Aussagen dieser Art erfüllen dann den Zweck, Erklärungen logisch und vollständig zu machen, eben über kleine und auch grundsätzliche Schritte.
"John Nunns Schachkurs" ist ein absolut "rundes" Werk, dem ich in manchen Punkten und auf der Basis zumindest meiner Kenntnisse einen Alleinstellungscharakter bestätigen kann.
Fazit: "John Nunns Schachkurs" zählt für mich zu den besten Neuerscheinungen 2014. Den völligen Neuling unter den Spielern ausgenommen ist es ein Werk, das dem noch intensiv Lernenden sehr anschaulich dabei hilft, kontinuierlich und auf der Basis des richtigen Verstehens seine Spielstärke zu entwickeln. Den bereits spielstarken Leser wird es zu einem noch besseren Spieler machen, indem es ihm qualifiziert Zugang zu einer Materie verschafft, die ein mindestens seltener Gast in der Literatur ist und zudem anspruchsvoll in der Umsetzung ist.
"John Nunns Schachkurs" ist für mich zudem ein typisches Beispiel für die Bücher, die man sich einfach mehrfach vornehmen und sie durcharbeiten sollte. Der hohe Unterhaltungswert des Buches wird den Leser dabei unterstützen, den notwendigen Ehrgeiz hierfür zu entwickeln.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Carlsen - move by move
Cyrus Lakdawala
Carlsen - move by move
430 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-207-9
23,70 Euro
Carlsen - move by move
"Carlsen - move by move" ist das 15. Werk von Cyrus Lakdawala eben aus der "move by move"-Reihe von Everyman Chess. Anhand von 54 ausführlich kommentierten Partien des aktuellen und gerade wieder frisch gekrönten Weltmeisters Magnus Carlsen versucht er dessen Stärken, als die er früh die Planung und die Stellungseinschätzung, sein strategisches Verständnis und seine Fähigkeiten im Bereich Initiative und Angriff identifiziert, so herauszuarbeiten, dass der Leser in seinem Schachverständnis und damit in seiner Spielstärke profitiert. In der Kommentierung der Partien steht damit der Schulungscharakter im Vordergrund. Das besondere Merkmal aller Bücher aus der "move by move"-Reihe liegt darin, dass die Kommentierung um Fragen und Übungen bereichert ist, die sich an den Leser richten. Die Antwort wird immer sofort im Anschluss gegeben, sie wird damit zum Element der Kommentierung. Von Ausnahmen abgesehen hält sich Lakdawala an eine sachliche Formulierung dieser Fragen und Übungen. Auf mich immer etwas gekünstelt wirkende Ausrufe und ähnlich, die sonst den Eindruck eines Lehrer-Schüler-Gespräches wecken sollen, gibt es somit nur sehr selten.
Die Partien stammen aus den Jahren 2002 bis 2014, decken also Carlsens Karriere von Kindesbeinen bis auf den Weltmeisterthron ab.
Soweit es Kerninhalte des Buches betrifft, zeigt das Inhaltsverzeichnis die folgenden Einträge:
Carlsen on the Attack
Carlsen on Defence and Couterattack
Carlsen on the Dynamic Element
Carlsen on Exploiting Imbalances
Carlsen on Accumulating Advantages
Carlsen on Endgames.
Das Quellenverzeichnis enthält die wichtigsten aktuellen Werke mit Verbindung zu Magnus Carlsen. Zur Bewertung von Zügen und Varianten hat Lakdawala auch Houdini genutzt, was er verschiedentlich im Text vermerkt hat, ohne dass die Engine als eingesetztes Hilfsmittel zentral verzeichnet ist.
Die Anforderungen an die englischen Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind "Lakdawala-typisch" etwas höher als "Standard", u.a. weil "Carlsen - move by move" mit einem recht breiten Wortschatz aufwartet.
Soweit es um über das Werk verfolgte Lerneffekte geht, setze ich den Adressatenkreis bei dem Spieler an, der sich bereits ein allgemeines theoretisches Rüstzeug zu Strategie und Taktik erarbeitet hat und nun auf unterer Klubebene nach Höherem strebt. Unabhängig davon erhält jeder über "Carlsen - move by move" viele nett kommentierte Carlsen-Partien, damit eine gute Unterhaltung in Sachen Schach.
Fazit: "Carlsen - move by move" kann ich dem Freund der Bücher im Stil der "move by move"-Reihe empfehlen, soweit er die reinen Anfangsgründe des Schachspiels hinter sich gelassen hat und über ausreichende Englischkenntnisse verfügt. Eine Empfehlung ist das Werk zugleich auch für den Anhänger erfrischend kommentierter Partien, der hier vom amtierenden Weltmeister persönlich unterhalten wird.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Das Grossmeisterturnier New York 1924
Alexander Aljechin
Das Grossmeisterturnier New York 1924
379 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-940417-75-6
19,80 Euro
Das Grossmeisterturnier New York 1924
Aus der Serie "Meilensteine des Schach" hat der Schachverlag Ullrich das historische Werk "Das Grossmeisterturnier New York 1924" von Alexander Aljechin als Imprint im Joachim Beyer Verlag neu herausgegeben. Dieses Turnier, an dem ein gewichtiger Teil der damaligen Weltelite teilnahm, zählt zu den herausragendsten Veranstaltungen seiner Art überhaupt. Zu den Teilnehmern zählten der Ex-Weltmeister Dr. Lasker, der sich im für einen Turnierspieler fortgeschrittenen Alter von 55 Jahren sogar den Turniersieg holte, sein Nachfolger Capablanca, der aufstrebende Schachkönig in spe, Aljechin, neben Réti, Tartakower, Marshall und anderen.
Das Buch liegt nun in seiner 6. Auflage vor. Für diese gilt eine Aussage, die Kurt Richter in seinem Vorwort zur 1962er Vorgängerin nicht treffender hätte formulieren können, in gleicher Weise. "Nun liegt ‚New York 1924' wieder vor, der wertvolle Inhalt ist jedem Interessenten zugänglich, und nur der Bibliophile, der Erstausgaben sammelt, wird nach wie vor nach antiquarischen Exemplaren fahnden."
Als ich "Das Grossmeisterturnier New York 1924" zum ersten Mal aufgeschlagen habe, ist mir unwillkürlich ein Begriff eingefallen: Vintage. Während dieser ursprünglich dafür steht, Mode im Retrolook ab ca. der 20er/30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts herzustellen, kam er mir hier beim Anblick des Schriftbildes in den Sinn. Dieses ist im Original erhalten geblieben und bildet somit eine harmonische Einheit mit dem Text selbst, dessen Entstehen in der vorstehend genannten Zeit leicht anhand der ausgewählt höflichen, zurückhaltenden und blumigen, manchmal etwas schwülstigen und gestelzten Sprache zu erkennen ist. Im aufgeschlagenen Zustand lässt das Buch den Leser fühlen, wie es wäre, wenn er tatsächlich ein antiquarisches Exemplar in den Händen halten würde. Die Seiten lassen erkennen, dass sie auf einer Vorlage basieren, die sorgfältig zurechtgeschnitten worden ist, um dann mit modernen Methoden der Technik reproduziert zu werden. Die ursprünglichen Diagramme sind durch moderne ersetzt worden. In Unkenntnis des Grundes vermute ich mal, dass die Beseitigung von Fehlern den Grund hierfür geliefert hat, vielleicht lag dieser auch in einer unzureichenden Eignung der alten Diagramme als Druckvorlage. Im Ergebnis kommt es aber weniger auf den Grund als darauf an, ob das moderne Outfit der Diagramme den historischen Eindruck stört. Ich hatte dieses Empfinden nicht.
Bleiben wir kurz noch bei der Historie. Das Turnier New York 1924 fiel in die Zeit des Meinungswettstreits zwischen der traditionellen Auffassung des Positionsspiels und den modernen, als "hypermoderne Auffassung des Schachspiels" bezeichneten Ideen. Dies wird sehr schön nicht nur in den Partien und deren Kommentierung sichtbar, sondern auch in einer Ausarbeitung Aljechins zur Bedeutung des Turniers für die Eröffnungstheorie. Diese war schon Teil des Turnierbuches in seiner 1. Ausgabe.
Wie sehr die Fragen um die Spielauffassung die Kontakte und Diskussionen geprägt haben, mag auch aus einem humorvollen Satz aus der Einführung von Norbert L. Lederer ersichtlich werden. Er stellte fest, dass die jungen Meister nicht nur auf dem Brett mit hypermodernen Ideen aufwarteten, sondern auch beim Tanzen.
Aljechins Überlegungen zur Bedeutung des Turniers für die Eröffnungstheorie waren in einem erheblichen Rahmen prognostizierender Natur. Der 2. Auflage wurde ein Aufsatz von Dr. Euwe aus dem Jahre 1962 hinzugefügt, in dem dieser rund 40 Jahre später seinerseits die Bedeutung hinterfragte und sich dabei auch Aljechins Ergebnissen widmete. Die aktuelle Neuauflage basiert auf der Entwicklung ihrer Vorgänger, sie enthält damit natürlich auch diesen Aufsatz von Euwe. Es ist interessant, die Ausarbeitungen beider Meister parallel zu betrachten. Irgendwann wird vermutlich noch eine Ergänzung fällig, die dann Euwes Stand der Einschätzungen in die Gegenwart überführt.
Dass im Werk der Humor nicht zu kurz kommt, mag schon oben in dieser Rezension deutlich geworden sein, ich möchte dies aber zusätzlich ausdrücklich hervorheben. Es macht wirklich Spaß, sich mit "Das Grossmeisterturnier New York 1924" zu beschäftigen, es ist eine nette Unterhaltung. Noch ein kleines Beispiel für die feine Komik: An einer Stelle wird die Klasse des damals aktuellen Weltmeisters Capablanca in der Verwertung eines materiellen Übergewichts durch einen Vergleich mit dem Meer erhöht. Das Meer zeigt sich nachgiebig und gibt irgendwann alles zurück, was es sich geholt hat. Capablanca nicht, der behält alles, was er sich erst mal verschafft hat.
110 im Turnier gespielte Partien warten auf den Leser, allesamt in einer Kommentierung durch Aljechin. Diese geht den von den Spielern genutzten und ungenutzten Möglichkeiten nach, überprüft die getroffenen Entscheidungen auf ihre Korrektheit und gibt Hinweise zu Aspekten der Schachtheorie, nicht zuletzt zur Eröffnungstheorie. Für den heutigen Leser dürfte die Unterhaltung durch die Partien im Vordergrund stehen. Und hier kommt er zweifelsohne voll auf seine Kosten, wovon ich mich anhand mehrerer Beispiele überzeugt habe. Die Duelle zeigen ein kämpferisches Schach, sie wurden zudem sehr ideenreich gespielt. Nicht alles ging im Sinne des sich etwas trauenden Spielers auf, auch die kleinen Unglücke aber sind nicht minder unterhaltsam als die Versuche mit einem Happy End.
Aljechin hatte schon in den frühen Jahren eine besondere Fähigkeit, Partien mit treffenden textlichen Anmerkungen zu kommentieren, wovon sich der Leser im Werk überzeugen kann.
Die Partien sind je Runde dargestellt, der aktuelle Turnierstand und die Rundenergebnisse sind jeweils vorangestellt.
Neben allem zum Spiel erhält der Leser auch einen Einblick in Welt des damaligen Turnierorganisators. Er musste Geld beschaffen, die Meister einladen und für die Teilnahme gewinnen, ihre An- und Abreise und ihre Unterbringung organisieren, eine Spielstätte für eine Wochen lange Turnierdauer finden und alles aufeinander abstimmen. Und dass die Welt damals andere Herausforderungen als heute bereithielt, lässt sich im Turnierbuch manchmal schon aus kleinen Randbemerkungen erkennen. So mussten für die europäischen Spieler rechtzeitig Dampferplätze reserviert werden. Von wegen kurz mal in den Flieger steigen und nach New York jetten! Ab auf den Dampfer und sich auf eine längere Überfahrt gefasst machen!
Fazit: "Das Grossmeisterturnier New York 1924" ist in der neuen und 6. Auflage eine klare Kaufempfehlung an jeden, für den das Schachspiel nicht nur das Spiel selbst ist, sondern auch eine Brücke zwischen den Zeiten und den Generationen. Viel Lesestoff und eine Fülle interessanter und ehrwürdiger Partien warten auf den Leser. Vintage für die eigene Schachbibliothek!
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachversand Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Liberated Bishop Defence
Alexey Bezgodov
The Liberated Bishop Defence
334 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-547-6
25,95 Euro
The Liberated Bishop Defence
"The Liberated Bishop Defense" von Alexey Bezgodov, jüngst erschienen bei New In Chess (NIC) füllt auf bemerkenswerte Weise eine bisher in der Eröffnungsliteratur klaffende Lücke: Das Werk bietet ein Repertoire für Schwarz für eine Eröffnung an, die im deutschen Sprachraum etwas unspezifisch als "Damenbauernspiel" bezeichnet wird. Sie basiert auf den Anfangszügen 1.d4 d5 2.Sf3 und nun 2…Lf5. Schwarz schickt seinen Damenläufer also ganz früh ins Spiel, sodass er …e7-e6 ziehen kann, ohne ihn einzusperren. "The Liberated Bishop Defense" ist somit, in einer sinngemäßen deutschen Übersetzung, die Verteidigung, die mit der Befreiung des schwarzen Damenläufers dealt.
Ein früher Blick in die Datenbanken zeigt, dass sich Schwarz gar nicht so selten dieses Gedankens bedient, sowohl im Nah- als auch im Fernschach. Es liegt damit auf der Hand, die Möglichkeiten dieser Eröffnung auch mal in einem Repertoirebuch zu sortieren.
Bleiben wir noch kurz bei der Statistik: Die gespielten Partien zeigen auch an, dass es aus der Sicht von Schwarz offenkundig Linien mit guten Erfolgsaussichten gibt, während andere nach Möglichkeit gemieden werden sollten. Dies ist natürlich keine bahnbrechende Erkenntnis, weil sie auf so gut wie alles zutrifft, was theoretisch auf das Brett kommen kann. Hervorzuheben ist aber gerade das Positive in der Feststellung - es gibt Linien, die gut sind für Schwarz. Hierin liegt also ein weiteres treffendes Argument für ein qualifiziertes Repertoirebuch zum Thema, denn dieses gibt dem interessierten Spieler gerade die Wanderkarte in die Hand, die ihn die guten Wege finden lässt und die weniger aussichtsreichen zu meiden hilft.
"The Liberated Bishop Defense" ist dieser gut gelungene Wegweiser, soviel sei schon einmal ganz früh festgestellt. Aber der Reihe nach!
Das Werk beinhaltet insgesamt 11 Kapitel, die sich mit der Theorie auseinandersetzen. Diese sind allesamt gleichartig aufgebaut. Sie beginnen mit einer kurzen, aber sehr prägnant geschriebenen Einleitung, in der Bezgodov die wesentlichen Aspekte des jeweiligen Abspiels darstellt. Er beschreibt die grundlegenden Pläne und zeigt auf, worauf der Spieler besonderes Augenmerk richten muss. Während es bei anderen Büchern durchaus mal Sinn machen kann, sich von einer anderen Stelle als der Einleitung aus in den Stoff zu begeben, rate ich dem Leser bei "The Liberated Bishop Defense", tatsächlich den Weg darüber zu nehmen. Die Anfangsinformationen sind eine wichtige Unterstützung, um in der Folge die Theorie besser zu verstehen.
Das Rückgrat aller Erörterungen sind Partien aus der Praxis. Das Werk ist also nicht klassisch über Variantenbäume aufgebaut, sondern führt den Leser von Partie über Partie von der Hauptvariante in die weiteren Verästelungen. Ergibt sich eine Zugalternative, die in der jeweiligen Partie nicht behandelt wird, gibt Bezgodov diejenige Folgepartie an, die dem Leser dann den weiteren Stoff vermittelt.
Die Partien sind somit in der Weise kommentiert, dass sie den Stand der Theorie zeigen und auch vermitteln, wie Stellungen generell behandelt werden sollten, welche Pläne sich dem Spieler eröffnen etc. Der Schwerpunkt der Erörterungen liegt auf den Anfängen der Begegnungen, Bezgodov kommentiert sie aber bis zum Ende durch. Dies macht das Werk nebenbei auch noch zu einer netten Partiensammlung.
Die Duelle am Brett stammen aus (fast) allen Epochen. Es gibt somit auch ein paar ältere "Schätzchen", wenn diese denn für die Entwicklung der Theorie wichtig waren und heute noch für die theoretische Einschätzung Bedeutung haben, das Gros aller dieser Beispiele aus der Praxis stammt aber aus den jüngeren Jahren.
Auch Bezgodov selbst kommt als Spieler zu Wort; seine immense Erfahrung mit dem System hat aber eher über Analysen Eingang ins Werk gefunden. Einiges davon ist als Neuerung erkennbar.
Innerhalb der Kapitel schließt sich den Partien eine Zusammenfassung an, die noch einmal die wichtigsten Erkenntnisse hervorhebt und auch Bewertungen gibt. Mit ihnen ist das Kapitel noch nicht abgeschlossen, denn bevor der Leser den Bereich hinter sich lassen kann, stellen sich ihm noch einige Übungsaufgaben. An ihnen kann er feststellen, ob er die wesentlichen Aspekte erlernt hat und anzuwenden weiß. Die Lösungen auf alle Aufgaben werden auf den abschließenden Seiten des Buches gesammelt angegeben.
Das von Bezgodov verfolgte Konzept ist für mich logisch. Theorie und Praxis, der Leser erhält beides in Kombination.
Die 11 Kapitel tragen die folgenden Überschriften:
Kap. 1: The Bishop on c1 is Shut in
Kap. 2: The Bishop on c1 Seeks Exchanges
Kap. 3: Copying the Catalan
Kap. 4: The Fight for b7: 4.Db3 Sc6
Kap. 5: The Undeservedly Popular 4…c6
Kap. 6: A Rare Guest: 4…Lb4
Kap. 7: The Solid 4…Sc6
Kap. 8: The Modern Main Line: 4…Sf6
Kap. 9: White Plays without 4.Sf3
Kap. 10: Conflagration in the Centre
Kap. 11: The Vanishing Bishop Opening.
Unter "Appendix" findet der Leser dann noch "A Word about 7…Le7, vor "In Fond Memory of David Bronstein" und einem Nachwort des Autors.
Das Quellenverzeichnis, ein qualifiziertes Variantenverzeichnis, ein Partien- und ein Spielerverzeichnis bilden die abschließenden Seiten.
Über die Themaeröffnung werden oft Stellungen erreicht, die jenen aus anderen Systemen ähneln. Bezgodov nennt besonders Slawisch, Tschigorin, Nimzowitsch-Indisch, das Ragosin-System, das Damengambit in seiner angenommenen und abgelehnten Form sowie Albins Gegengambit. Er beschreibt auch, wie es in der Partie jeweils zur einen oder anderen Ähnlichkeit kommen kann, was besonders für den noch nicht ganz so weit fortgeschrittenen Spieler hilfreich sein kann.
Damit sind wir bei der Frage, für wen "The Liberated Bishop Defense" besonders interessant sein dürfte. Hierzu zählen zunächst jene Spieler, die mit einem Vorsprung in ihrem Eröffnungswissen den Gegner auf für ihn weniger bekanntes Terrain locken möchten, aber eben auch diejenigen, die sich in den vorgenannten Systemen heimisch fühlen.
In einer anderen Rezension las ich die Einschätzung des Kollegen, das Buch sei im Wesentlichen als Nachschlagewerk geeignet. Dem vermag ich nicht zu folgen. Natürlich ist es auch als Nachschlagewerk zu nutzen, wobei das Variantenverzeichnis sehr hilfreiche Dienste leisten wird, vor allem aber ist es eine Kompletteinführung in das System, gemünzt auf ein aus der Sicht von Schwarz zusammengestelltes und rundes Repertoire.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers entsprechen einem guten Schulniveau.
Fazit: "The Liberated Bishop Defense" ist eine echte Bereicherung auf dem Eröffnungssektor. Der Leser erhält ein gut zusammengestelltes Schwarz-Repertoire, das ihm zusätzlich sehr verständlich vermittelt wird.
Ich kann das Werk mit gutem Gewissen zum Kauf empfehlen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Anand - move by move
Zenón Franco
Anand - move by move
371 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-186-7
23,70 Euro
Anand - move by move
Auch vor dem Hintergrund der beiden Weltmeisterschaftskämpfe zwischen Anand und Carlsen ist die Neuerscheinung "Anand - move by move" von Zenón Franco ein interessantes Werk. In einer besonderen Art der Kommentierung, wie sie für die Buchreihe "move by move" von Everyman Chess typisch ist, untersucht der Autor, Großmeister aus Paraguay und heute in Spanien lebend, Anands Stärken im Spiel. Dabei geht es nicht nur darum, dies einfach mal herauszuarbeiten, sondern auch um den Zuwachs an Spielstärke auf der Seite des Lesers. Dieser wird zwischendurch immer wieder angehalten, an ihn gerichtete Fragen zu beantworten oder Übungen zu absolvieren. Indem er beteiligt wird, selbst produktiv werden muss, soll er in einem höheren Maße profitieren, als dies beim einfachen Konsum der Buchinhalte der Fall wäre.
Die Antworten auf seine Beiträge erhält der Leser jeweils sofort, diese werden Element der Kommentierung.
Damit sind wir auch schon beim Aufbau und der Gestaltung des Werkes. Das Rückgrat bilden 32 Partien aus Anands Karriere, in denen er seine besonderen Fähigkeiten unter Beweis gestellt hat, als Angriffsspieler wie auch in der Verteidigung, in der Variantenberechnung wie auch gestützt auf seine Intuition. Die jüngsten Partien stammen aus dem laufenden Jahr, vom verlorenen WM-Match gegen Carlsen in 2013 ist keine Begegnung dabei.
Anand ist für seinen "Turbo-Stil" bekannt, also für seine Fähigkeit, bisweilen ohne den gewöhnlichen Bedenkzeitverbrauch zu spielen. Auch dies wird im Buch angesprochen, nimmt aber keine besondere Rolle ein.
Etwas ungewöhnlich für die Bücher aus der "move by move"-Reihe ist ein Vorspann, in dem Franco Anands Stil anhand von Fragmenten schon vor der ersten Partie beleuchtet. Mir gefällt diese Idee, weil sie schon früh einen "persönlich angehauchten" Eindruck vom Spieler vermittelt, der dann in der Folge anhand seiner Partien in ein geschärftes Profil ausgearbeitet wird. Man weiß also, was kommt, um mit einfachen Worten den Wert dieser besonderen Einleitung zu beschreiben.
Aufgefallen ist mir, dass die an den Leser gerichteten Fragen und Aufgabenstellungen häufig sehr offen gestaltet sind. Er wird dann nicht beispielsweise um eine bestimmte Einschätzung oder konkrete Bewertung gebeten, wie man es aus der Buchreihe kennt, sondern in der Art "was ist zu tun?" zu einer schwierigeren Prüfung und Antwort aufgefordert. Er muss sich also zunächst einmal klar werden, in welche "Kiste" die Problematik gehört, die sich ihm stellt, bevor er sich an die Lösung machen kann.
Ich denke nicht, dass sich damit eine Anforderungsschwelle ergibt, die sich von jener anderer Bücher aus der "move by move"-Reihe wesentlich unterscheidet, aber die Art der Anforderung ist durchaus bisweilen abweichend. Der Leser mit einer Spielstärke "ein Stückchen jenseits der Anfangsgründe" des Spiels bis hin zum ordentlichen Klubspieler sollte Freude an "Anand - move by move" haben können.
Zu dieser Freude ist aber noch eine kleine Voraussetzung vom Leser zu erfüllen - er muss englische Fremdsprachkenntnisse haben. Auf den Bereich der Partiekommentierung fokussiert sind die Anforderungen daran niedrig. Auch wenn, was mir gut gefällt, der Anteil an Textkommentaren hoch ist, sind sie aufgrund der einfachen Textgestaltung und des verwendeten üblichen Wortschatzes mit Sprachkenntnissen auf Schulniveau gut zu verstehen.
Das hohe Maß an Textkommentaren heißt übrigens nicht, dass es an Analysen und Nebenvarianten zu Partiezügen mangeln könnte. Ich nehme das Verhältnis von Text und Zügen als gut gelungen wahr.
Bei allem, was Anand als Akteur am Brett betrifft, kommt er in den Darstellungen auch als Person nicht zu kurz. So wirklich viel Neues habe ich dabei nicht gelesen, aber das steht auf einem anderen Blatt. Der Leser, der einen weniger intensiven Bezug zum Schachspiel mit allem darum herum als ich hat, wird dies ganz anders einschätzen können.
"Anand - move by move" zeichnet ein sympathisches Bild von Anand und gibt dem Leser eine Vorstellung davon, wie sein Handeln auf dem Brett einzuschätzen ist, warum er zu den erfolgreichsten Spielern aller Zeiten zählt. Das Werk wird dem aufstrebenden Spieler zudem an Anands Beispiel ein Schulungsbuch zur Strategie und zur Taktik im Schach sein.
Fazit: "Anand - move by move" zählt zu den wirklich sehr gut gelungenen Büchern aus der "move by move"-Reihe von Everyman Chess, soweit sich diese mit dem Spiel einzelner großer Meister befassen. Ich empfehle das Werk zum Kauf, wobei ich mich auf den Spieler jenseits der Anfangsgründe bis zum "ordentlichen" Klubspieler konzentriere.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Grandmaster Repertoire - The Sicilian Sveshnikov
Vassilios Kotronias
Grandmaster Repertoire - The Sicilian Sveshnikov
440 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-92-7
24,99 Euro
Grandmaster Repertoire - The Sicilian Sveshnikov
Als 18. Band in der Serie "Grandmaster Repertoire" von Quality Chess ist vor wenigen Wochen das Buch "The Sicilian Sveshnikov" von Vassilios Kotronias erschienen. Es enthält eine aus der Sicht von Schwarz zusammengestellte Sammlung von Repertoireempfehlungen für die Sveshnikov-Variante in der Sizilianischen Verteidigung, die mit den Zügen 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e5 eingeleitet wird.
Der griechische GM Kotronias, der für sein profundes Eröffnungswissen bekannt ist, hat ein Repertoire zusammengestellt, das auf der einen Seite ganz klar gehobenen Ansprüchen genügt und auf der anderen so gut abgesichert ist, dass es dem Anziehenden schwerlich gelingen kann, Schwarz in "geordneten Bahnen" aus seinen Linien zu ziehen. In 37 Kapiteln behandelt er die Theorie von den selten gewählten Seitenwegen bis hin zu den "vielbefahrenen Autobahnen". Die Fülle an Material ist, wie man es für alle Bände aus dieser Buchreihe sagen kann, überwältigend. Dies ist bei der Einschätzung zur Frage, wem der Kauf dieses Werkes zu empfehlen ist, zu berücksichtigen.
Für den Fernschachspieler ist "The Sicilian Sveshnikov" eine wahre Fundgrube. In dieser gibt es für ihn nicht nur Bekanntes aus der Theorie, gut und ausführlich zusammengetragen, sondern auch zahlreiche Neuerungen. Der entsprechenden Ankündigung dieser neuen Ideen im Rückentext entspricht das Werk voll und ganz. Wenn der Fernschachspieler mit diesem Buch an seiner Seite in seine Partie geht und seine Züge in der Eröffnung an den Buchempfehlungen orientiert, spielt er in dieser Phase auf Großmeisterniveau.
Die hohe Qualität der Bücher aus der Grandmaster Repertoire-Serie hat sich allerdings herumgesprochen, sodass man oft davon ausgehen muss, dass auch der Gegner in der Partie darüber verfügt. Zumindest aber ist damit dann Waffengleichheit hergestellt.
Der Turnierspieler (Nahschach) außerhalb der absoluten Spitzenklasse muss aufpassen, dass er ausreichend selektiv in seiner Vorbereitung vorgeht. Es ist gänzlich unmöglich, sich alles zu erarbeiten, was das Buch anbietet, selbst bei einer Beschränkung auf die Hauptlinien. Es bietet eine komplette Apotheke eben auch demjenigen an, der sein heimisches Arzneischränkchen füllen möchte. Die Qualität der Nutzung zeigt sich dann eben auch in der Selektion im Stoff seitens des Lesers selbst.
Das hohe Niveau der von Kotronias an den Leser gerichteten Anforderungen wird auch in der Gestaltung der Ausführungen deutlich. Er erklärt viel, setzt aber deutlich jenseits der Anfangsgründe an. Dies wird beispielsweise deutlich, wenn er Urteile über Stellungen abgibt, ohne die einzelnen Aspekte zu benennen, die ihn zu dieser Einschätzung bewegen. Der Leser muss dann über das ausreichende eigene Knowhow verfügen, um die Gründe für eine Stellungseinschätzung erkennen und nachvollziehen zu können.
Über die gebotene strategische Behandlung der Zweige des jeweils behandelten Kapitels lässt Kotronias die Leser allerdings nicht im Unklaren. Er zeigt die angesagte Linie jeweils in einer ausführlichen wertenden Zusammenfassung am Kapitelende auf. Hier beschränkt er sich bei aller Ausführlichkeit auf die grobe Richtung der Spielführung, was ich als gut empfinde, auch weil dies einprägsam ist.
Der Anteil an Partiefragmenten im Rahmen der Kommentierung und an Analysen ist insgesamt hoch, auch wenn sich von Kapitel zu Kapitel dabei Unterschiede zeigen.
Alles zusammengenommen lässt mich den Adressatenkreis des Werkes neben dem Fernschachspieler bei jenem Turnierspieler suchen, der schon eine bemerkenswerte Spielstärke erreicht hat.
Das Buch bietet viel, erwartet aber auch viel von seinem Leser.
Das Literaturverzeichnis lässt kein relevantes Werk als Quelle vermissen, soweit ich einen Überblick darüber habe. Nicht angegeben ist, welche Partiesammlungen von Kotronias herangezogen worden sind. Ich vermute aber mal stark, dass auch Datenbanken mit Fernpartien zu den genutzten Quellen zählen, da es zahlreiche entsprechende Hinweise im Werk gibt, wenn auch von Kapitel zu Kapitel unterschiedlich intensiv.
Vorbildlich ist der Umgang mit dem Verzeichnis der Varianten, so wie man es von den Büchern der Grandmaster Repertoire-Serie kennt. Am Ende des Werkes findet sich ein sehr ausführliches Komplettverzeichnis. Aber auch eingangs jedes Kapitels gibt es ein Unterverzeichnis über die Varianten, die den Leser darin erwarten. Eine bessere Hilfestellung bei der Orientierung in einem Eröffnungsbuch kann ich mir nicht vorstellen.
"The Sicilian Sveshnikov" ist in Englisch geschrieben. Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind insgesamt gesehen nicht allzu hoch anzusiedeln. Gelegentlich ist der verwendete Wortschatz etwas breiter, was dann zum Nachschauen der Bedeutung einzelner Vokabeln veranlassen kann.
Fazit: "The Sicilian Sveshnikov" macht aus dem Fernschachspieler während seiner praktischen Partie einen Großmeister. Dem Turnierspieler gibt es die Apotheke an die Hand, aus der er sein heimisches Arzneischränkchen bestücken kann. Im Nahschach richtet sich das Werk vor allem an den deutlich fortgeschrittenen Spieler.
Ausgerichtet am skizzierten Adressatenkreis ist "The Sicilian Sveshnikov" die klare Kaufempfehlung, so wie dies regelmäßig für die Bücher aus der Grandmaster Repertoire-Serie gilt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Improve Your Chess Pattern Recognition
Arthur van de Oudeweetering
Improve Your Chess Pattern Recognition
301 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-538-4
22,95 Euro
Improve Your Chess Pattern Recognition
Bücher wie "Improve Your Chess Pattern Recognition" von Arthur van de Oudeweetering erinnern mich immer wieder an Ultraschallbilder vom menschlichen Körper. Warum das? Wenn der Arzt erklärt, was er darauf sieht, ist das für mich als Laien immer wieder erstaunlich, denn zumeist sehe ich nichts. Obwohl, so ganz richtig ist diese Aussage nicht, denn natürlich sehe ich sehr wohl etwas, nur erkenne ich nichts. Er identifiziert Merkmale und Strukturen, die meinem unkundigen Auge verborgen bleiben, wenn man ihm nicht auf die Sprünge hilft.
Der Untertitel des hier besprochenen Werkes lautet auf "Key Moves and Motifs in the Middlegame". Es geht darin also um das Erkennen von Schlüsselzügen und Motiven im Mittelspiel der Partie. Anhand von ausgewählten Stellungsbildern werden dem Leser Kenntnisse vermittelt, die ihm dabei helfen sollen, in seiner Partie verborgene Möglichkeiten zu entdecken und zu nutzen. Hier sind es Diagramme, in denen Schlüsselzüge und Motive verborgen sind, in der Medizin sind es Ultraschallbilder. Man muss die Dinge, die vor einem liegen, eben erkennen, darum geht es.
"Improve Your Chess Pattern Recognition" ist in vier Teile gegliedert, die insgesamt 40 Kapitel beherbergen. Die vier Teile sind:
Typical Piece Positions
No Automatic Pilot
Typical Strategic Means: Sacrifices
Typical Strategic Means: Typical Little Plans.
Jedes einzelne Kapitel widmet sich genau einem Thema. Die Kapitelüberschriften sind phantasievoll und auch in der Weise gut gewählt, dass sie dem Leser Bilder vermitteln, die er sehr gut erfassen und sich merken kann. So erfährt er gleich im ersten Teil des Buches etwas über eine, in Übersetzung, "sehr mächtige Figur, den Octopus" oder auch etwas über einen "mörderischen Springer". Das einprägsame Bild des Octopus verwendet van de Oudeweetering für einen Springer, der im gegnerischen Lager auf d6 oder d3 steht und den Gegenüber mit seinen acht Armen, den acht Zielfeldern, quasi paralysiert. Über das Studium des Werkes soll der Leser in die Lage versetzt werden, das Motiv, hier also den Octopus-Springer zu etablieren, in seiner praktischen Partie zu erkennen und gekonnt zu verwirklichen. Und was hier für unseren seltsamen Kopffüßler unter den Figuren gilt, entspricht dem Ansinnen des Werkes für jedes dargestellte Motiv, für jeden behandelten Schlüsselzug.
Alle 40 Kapitel sind identisch aufgebaut. Zunächst wird das jeweilige Thema kurz erläutert und dann an Beispielen dargestellt. Hier arbeitet das Werk dann quasi mit dem Medium der kommentierten Partie, wobei die Erläuterungen sich dem Thema unterordnen. Die von van de Oudeweetering ausgewählten Beispiele stammen ganz überwiegend aus dem Turniergeschehen der letzten Jahre. Eine kurze wertende Zusammenfassung bildet den Abschluss des "Unterrichts", dem sich der Praxistest für den Leser anschließt. Für jedes Kapitel in einem Buchteil gibt es genau ein Diagramm und damit eine Aufgabe, die der Leser zu bewältigen hat. Ohne große Hilfestellung muss er Motive und Schlüsselzüge identifizieren und richtig umsetzen. Ob er zum korrekten Ergebnis gekommen ist, erfährt er über die Sammlung der Lösungen am Ende des Buches.
Es gibt zahlreiche Bücher auf dem Schachbuchmarkt, die mit "Improve Your Chess Pattern Recognition" vergleichbar sind, dieses Werk, erschienen übrigens jüngst bei New In Chess (NIC), gefällt mir aber ausgesprochen gut. Es ist nach meiner Einschätzung sehr praxistauglich, auf jeden Fall auch ausgezeichnet für ein Selbststudium geeignet. Dabei ist es unterhaltsam geschrieben, die Arbeit mit ihm macht Spaß.
van de Oudeweetering ist IM, aber kein regelmäßiger Turnierspieler mehr. Große Erfahrung hat er als Schachlehrer bzw. -trainer aufgebaut, besonders im Jugendbereich, was ich dem Werk positiv anzumerken meine.
Geschrieben ist es in englischer Sprache, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind niedrig.
Fazit: "Improve Your Chess Pattern Recognition" ist ein gelungenes Schulungs- und Trainingsbuch, das auch für den Anfänger geeignet ist. Es vermittelt Mittelspielfähigkeiten unter praxisorientierten Ansätzen und eignet sich sowohl für den autodidaktisch vorgehenden Spieler als auch für den Lehrer bzw. Trainer als Materialsammlung und Kurs.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Korchnoi - move by move
Cyrus Lakdawala
Korchnoi - move by move
461 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-139-3
22,95 Euro
Korchnoi - move by move
In "Korchnoi - move by move" von Cyrus Lakdawala findet der Leser 61 Partien von Viktor Korchnoi, die in der besonderen Form der für die "move by move"-Reihe von Everyman Chess typischen Kommentierung aufbereitet worden sind. Kontinuierlich werden textlich hervorgehobene Fragen an den Leser gerichtet oder ihm Aufgaben gestellt, die er sogleich zu beantworten bzw. zu lösen hat. Ob er dabei jeweils richtig liegt, erfährt er unmittelbar darauf als Bestandteil der Kommentierung.
Lakdawala hat die Partien, die quasi aus allen Phasen der sehr langen Karriere Viktor Korchnois stammen, thematisch geordnet. So gibt es sechs Teile im Werk mit den folgenden Überschriften (in einer sinngemäßen deutschen Übersetzung):
1 Korchnoi beim Angriff
2 Korchnoi bei der Verteidigung
3 Einsatz der dynamischen Elemente
4 Korchnoi beim Herausarbeiten von Ungleichgewichten
5 Korchnoi beim Herausarbeiten von Vorteilen
6. Korchnoi im Endspiel.
"Korchnoi - move by move" ist bei einem Blick ins Herz des Buches eine Sammlung von Partien, wie auch ein Buch vor allem zum Mittelspiel im Schach, das den Leser zur Strategie und zur Taktik schulen soll. Zugleich natürlich ist das Werk eine Hommage an Viktor Korchnoi, den vielleicht stärksten Spieler in der Geschichte des Schachspiels, der nie Weltmeister geworden ist.
Konzeptionell steckt hinter den Büchern der "move by move"-Reihe, so wie damit auch hinter dem vorliegenden Werk, die Idee, dass der Leser durch die intensive Arbeit mit den Partien, die einer der Besten im Schach gespielt hat, selbst lernen und seine Spielstärke heben können soll. Indem er sich selbst mittels der Beantwortung von Fragen und des Lösens von Aufgaben produktiv einbringen muss, soll auch ein Effekt "learning by doing" erreicht werden.
In "Korchnoi - move by move" formuliert Lakdawala seine Fragen und Aufgaben recht nüchtern, was mir persönlich besser zusagt als eine manchmal etwas gekünstelt wirkende Atmosphäre eines Zweiergespräches zwischen Schachlehrer und Schüler, wie man es sonst aus der Serie kennt. So sind die Formulierungen neutral gehalten, Ausrufe etc. oder Hyperbeln wie Litotes, die sonst oft zum Repertoire Lakdawalas zählen, kommen fast nicht vor.
Wenn man flüssig mit dem in Englisch geschriebenen Werk arbeiten möchte, sollte man über gesicherte Fremdsprachkenntnisse verfügen. Lakdawala greift auf einen breiten Wortschatz zurück, der das gewöhnlich in Schachbüchern anzutreffende Maß deutlich überschreitet. Es ist mir öfter passiert, dass ich sogar mehrmals in einem Satz die Bedeutung von Vokabeln nachschauen musste, um ihn vollständig zu verstehen.
Fazit: "Korchnoi - move by move" ist ein Werk, das ich dem Freund der Bücher aus der "move by move"-Reihe von Everyman Chess empfehlen kann. Gute Englischkenntnisse möchte ich dabei als eine besondere Anforderung an den Leser herausstellen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Richter Rauzer Reborn
Zdenko Kozul, Alojzije Jankovic
The Richter Rauzer Reborn
313 Seiten, gebunden
ISBN: 9789082256604
29,95 Euro
The Richter Rauzer Reborn
"The Richter Rauzer Reborn" von Zdenko Kozul und Alojzije Jankovic, Thinkers Publishing 2014, ist ein Spezialwerk im Sektor der Eröffnungstheorie, das sich mit dem Richter-Rauser-Angriff in der Sizilianischen Verteidigung befasst. Dabei geht es nicht um dieses System als solches, sondern um die sogenannte Kozul-Variante, die mit der langen Zugfolge 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.Lg5 e6 7.Dd2 a6 8.0-0-0 Ld7 auf dem Brett entsteht.
"Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" - diesen Hinweis kennen wir zu Arzneimitteln hinlänglich, da er sich fortwährend wiederholt. Eher ungewöhnlich ist es aber, wenn sich das Bearbeitungsteam des Verlegers ähnlich zu Beginn eines Eröffnungsbuches äußert. Die Bearbeiter machen darauf aufmerksam, dass "The Richter Rauzer Reborn" ein kompliziertes Buch ist und der Leser die Variantenübersicht am Ende jedes Kapitels nutzen sollte, da er es brauchen werde. Sie eröffnen dem Leser zudem, dass sie beide Hände voll zu tun hatten, um das komplizierte Manuskript ihm überhaupt in einer verwendbaren Weise zur Verfügung stellen zu können.
Mit diesen einleitenden Sätzen möchte ich Sie nicht etwa verschrecken, sondern Ihnen Lust auf mehr zu diesem Buch machen, fokussiert auf die Prüfung, ob es für Sie ein Kaufkandidat sein kann. Eine solche ehrliche Klarstellung des Herausgebers finde ich persönlich gut. Sie zeigt mir, dass er bei allem Streben nach Absatz den Kunden, für den das Buch von Vorteil statt nur eine Überforderung sein kann, nicht vergessen hat.
In meinen Augen kann Ihre Prüfung des Wertes dieser Neuerscheinung für Sie persönlich dann zu einem positiven Urteil führen, wenn Sie ein bereits erheblich fortgeschrittener Spieler sind oder aber das Werk für das Fernschachspiel nutzen wollen. Für alle anderen Leserinnen und Leser gilt: "Zu Risiken und Nebenwirkungen …", na, Sie wissen schon!
Das Inhaltsverzeichnis sieht, soweit es sich auf die Darstellungen zur Theorie bezieht, wie folgt aus:
1. e4 c5 2. Sf3 d6 3. d4 cd4 4. Sd4 Sf6 5. Sc3 Sc6 6. Lg5 e6 7. Dd2 a6 8. 0-0-0 Ld7
Kap. 1: 9. f4 b5 10. a3 White first stops Black's 'b-pawn' advance
Kap. 2: 9. f4 b5 10. De3 White improves his queen to prepare early tactics
Kap. 3 9.f4 b5 10. Sxc6 Lxc6 11. Ld3 Swift development for White
Kap. 4: 9.f4 b5 10. Lxf6 gxf6 11. Sxc6 Lxc6 12. De1 Bringing Sd5 into the battle
Kap. 5: 9. f4 b5 10. Lxf6 gxf6 11. Kb1 Db6 12. Sf5 A piece sac
Kap. 6: 9. f4 b5 10. Lxf6 gxf6 11. Kb1 Db6 12. Sxc6 Lxc6 13. f5 A pawn push
Kap. 7: 9. f4 b5 10. Lxf6 gxf6 11. Kb1 Db6 12. Sxc6 Lxc6 13. De1 The main line
Kap. 8: 9.f3 White builds up with 9.f3
Kap. 9: 9. Sxc6 Lxc6 White plays without 9.f3 or f4
Kap. 10: Exercises: Test your knowledge
Kap. 11: Solutions to the Exercises.
Wie sich schon hieraus erkennen lässt, ist der Fächer der Betrachtungen sehr breit. Das umfangreichste und auch komplizierteste Kapitel ist dabei die Nummer 7. Die oben erwähnte Erklärung der Bearbeiter dürfte sich besonders auch auf dieses bezogen haben. Hier haben sie zu dem Mittel gegriffen, die jeweils erreichte Verzweigung im Spiel mit übergroßen Buchstaben kenntlich zu machen, die schlicht nicht zu übersehen sind. Findet der Leser hier beispielsweise die Folge AABC, dann zeigt ihm diese an, dass er sich in der Hauptvariante (A) bewegt und dort im Hauptabspiel (wiederum A). Dort hat er die in der Ordnung zweite Variante erreicht (B), hier dann die 3. Alternative (C). Das Ordnungsmerkmal im Material ist also von links nach rechts zu lesen und jeder Buchstabe zeigt über seine Stelle im Alphabet an, welchen "Rang" eine Zugfolge im Gesamtsystem hat.
Der Leser sollte zunächst, hier wie allgemein im Buch, die Variantenübersicht am Kapitelende aufrufen. So verschafft er sich bereits einen guten Überblick darüber, wohin die Reise jeweils gehen kann. Von hier aus kann er dann in die Varianten selbst eintauchen.
Es ist nicht so, dass die Autoren viel vor dem Hintergrund erklären, dem Leser Anleitung zur Behandlung der Eröffnung in der eigenen Partie zu geben. Sie stellen die Theorie dar und erklären bzw. begründen regelmäßig ihre Einschätzungen zur Stellung, geben ihrer Auffassung somit den nötigen Hintergrund. Diesen kann der Leser erfassen und nachvollziehen. Auch machen sie auf Besonderheiten aufmerksam. Nicht zuletzt Kozul, nach dem die Buchvariante sogar benannt ist, verfügt über ein außergewöhnliches Wissen und über eine immense Erfahrung zum System. Als Autor konnte er dies entsprechend im Werk unterbringen.
Eine Betrachtung aus der Warte des Fernschachspielers mit Schwarz beim Einsatz des Buches als Hilfsmittel im Zuge der eigenen Partie: Nach meinem Eindruck kann man in der Partie quasi x-beliebig in "Ecken" der Kozul-Variante gelangen, nicht zuletzt natürlich in Reaktion auf Entscheidungen des Gegners, ohne aus der Theorie zu geraten. Wie beim Wettrennen zwischen Hase und Igel - wenn der Spieler als Hase ankommt, war Kozul schon da. Und Kozul, unterstützt von seinem Ko-Autor Jankovic, hat für den Spieler alles aufgeschrieben, was er zur jeweiligen Sache weiß.
Der Spieler hat dabei mehr in der Hand, als er über die Auswertung seiner Partiendatenbank erreichen könnte, da er in "The Richter Rauzer Reborn" sofort auch die Bewertungen, Aussagen zu Hintergründen, Analysen etc. der Autoren erhält, damit von den Experten des Systems.
Im Klartext: In der Qualität seiner Eröffnungsbehandlung wird jeder Fernschachspieler schnell quasi zu einem "2500er". Der Nahschachspieler hat die begleitende Einsatzmöglichkeit für das Buch nicht. Für seine Partie braucht er und kann er auch realistischer Weise nur einsetzen bildlich ein Schaf, er bekommt aber eine komplette Herde. Ich befürchte, dass er als durchschnittlicher Spieler schnell überfordert sein wird, seine Linien zu suchen, sie zu verstehen und sich den Stoff in einem Mindestmaß einzuprägen. Deshalb habe ich bei der Frage nach dem Adressatenkreis des Werkes neben dem Fernschachspieler den weit fortgeschrittenen Spieler gesehen.
Den Theoriekapiteln folgen praktische Übungen für den Leser, für die er gleich im Anschluss die Lösungen findet.
Das in englischer Sprache geschriebene Werk ist für den Fremdsprachler erstaunlich gut zu lesen. Die Autoren und/oder alle an der Herausgabe beteiligten Personen haben es geschafft, weitgehend mit dem Grundwortschatz auszukommen und auf komplizierte Satzkonstruktionen zu verzichten.
Fazit: "The Richter Rauzer Reborn" ist ein Fundus an Zügen und Varianten und damit eine ausgezeichnete Quelle für den Spieler, der damit umgehen kann. So empfehle ich dem sehr weit fortgeschrittenen Spieler den Kauf wie auch dem Fernschachspieler, hier ohne eine Einschränkung nach der Spielstärke.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Play Unconventional Chess and Win
Noam A. Manella, Zeer Zohar
Play Unconventional Chess and Win
387 Seiten, gebunden
ISBN: 978-1-78194-204-8
22,95 Euro
Play Unconventional Chess and Win
"Play Unconventional Chess and Win" vom Autoren-Duo Noam A. Manella und Zeer Zohar, aktuelle Neuerscheinung bei Everyman Chess, behandelt das Thema der unkonventionellen Züge im Schach. Als unkonventionell wird ein Zug dabei dann verstanden, wenn er den hergebrachten Prinzipien des Schachspiels zu widersprechen scheint und so ohne eine tiefe Prüfung schwerlich von einem Fehler zu unterscheiden ist.
Eine interessante Randüberlegung ist dem Einfluss des Computers gewidmet, dem Einfluss der Spielprogramme/Engines. Diese haben Regeln und Dogmen des Schachspiels auf den Prüfstand gestellt und zu neuen Sichtweisen geführt. Manella und Zohar machen darauf aufmerksam, dass Computer auch Zugmöglichkeiten prüfen, den der Mensch auf den ersten Blick als wertlos verwirft. Sie kommen damit in eine größere Suchtiefe, die der Mensch durch sein frühes negatives Urteil, das auch von hergebrachten Regeln und Dogmen beeinflusst ist, nicht erreicht. So spielen die Rechner auch Züge, deren Qualität sie jenseits eines Horizontes erkannt haben, den der Mensch sich gesetzt hat, und die für den Betrachter ohne die tiefere Prüfung fehlerhaft oder auch grotesk erscheinen. Ist ein solcher Zug nun "extrem" oder ist er ein Fehler, ist er damit die beste Alternative in der gegebenen Situation oder eine schlechte, erscheint der ausführende Spieler nun besonders inspiriert oder betrunken? Hierum geht es in "Play Unconventional Chess and Win".
Die Autoren haben 137 Beispiele aus der Praxis zusammengestellt, in denen es zur Frage kam, ob ein überraschender, offenbar Prinzipien des Schachspiels widersprechender Zug gut ("inspiriert") oder ein Fehler ist. Immer geht es um das Überwinden des "Tellerrandes" der üblichen Betrachtung.
Sie beleuchten die jeweiligen Vorgänge über Kommentare und Analysen, stellen aber keine Regeln auf. Vielleicht ist die wichtigste Regel, die der Leser selbst aus allem ziehen sollte, jene, dass keine Prinzipien im Schach als Dogma angesehen werden sollten und eine Regel nur so gut ist, wie sie auf die aktuelle Stellung anwendbar ist.
Ich denke schon, dass dieses Werk das Bewusstsein des Spielers erreicht und es seinen Horizont erweitert. Das Durcharbeiten von 137 Beispielen für unkonventionelle Züge wird seine Spuren hinterlassen. Ob der Leser dann in der eigenen Partie die Unterscheidung zwischen einem "inspirierten" Zug und einem Fehler meistert, ist in seine Hand gelegt.
Der zu behandelnde Stoff ist in drei große Teile gegliedert, über deren Überschriften und Inhalte die folgende Aufstellung informiert:
Teil 1: Beer - Evaluate Things Differently
First Glass: Dead Squares Come Alive
Second Glass: One-Way Ticket to Hell
Third Glass: What Are They Really Worth?
Teil 2: Red Wine - Free Your Mind
First Glass: Sacrificing the Structure
Second Glass: The Power of Uncoordination
Third Glass: Against the Stream
Fourth Glass: "Anti-Chess" Strategy
Teil 3: Vodka - King with Free Spirit
First Glass: Never in the Castle
Second Glass: The Unguarded King
Third Glass: The Proactive King.
Wie sie sehen, bringen die Autoren die Themenbereiche mit alkoholischen Getränken in Verbindung. Ich muss zugeben, nicht richtig verstanden zu haben, ob sie mit der Steigerung des Alkoholgehaltes der Getränke, denen sie ihr Thema jeweils "angeflanscht" haben, auch eine Steigerung der Schwierigkeit in schachlicher Sicht verbunden haben. Dies mag also sein, die Antwort auf diese Fragestellung muss ich offen lassen.
Manella und Zohar sind keine arrivierten Meisterspieler, wissen aber bestens, worüber sie schreiben. Sie sind beruflich bzw. wissenschaftlich allgemein mit der Thematik verbunden, wie es zu menschlichen Entscheidungen kommt und welchen Einfluss (bestimmte) kognitive Wahrnehmungen darauf haben.
Das Buch ist in englischer Sprache geschrieben. Soweit es um die Kommentierung in den Partiebeispielen geht, sind die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers moderat. In den längeren Textpassagen des Werkes sind tiefere Kenntnisse von Vorteil.
Zum Abschluss der Rezension möchte ich noch auf einen Versuch zur Wahrnehmung und Reproduzierfähigkeit des Menschen eingehen, der im Werk beschrieben wird. Grundlage bzw. Gegenstand des Versuches waren Schachstellungen, die Meistern im Schach sowie Menschen allgemein aus der Bevölkerung zur Ansicht gegeben wurden. In einem zweiten Schritt mussten die Probanten die Stellungen aus dem Gedächtnis reproduzieren. In einem ersten Gang wurden beiden Personenkreisen Stellungen vorgestellt, wie sie herkömmlich aus Partien entstehen können. Es zeigte sich, dass die Meisterspieler keine besondere Mühe hatten, die Stellungen wiederherzustellen, während die Personen aus dem allgemeinen Teil der Bevölkerung schwere Probleme damit hatten. In einem zweiten Gang kamen Stellungen zum Einsatz, in denen die Figuren nach dem Zufallsprinzip verteilt wurden, sie also gemessen an entstehbaren Partieverläufen irrational waren. Hier verloren die Meisterspieler ihren Vorsprung vollständig.
Der Versuch unterstreicht die Möglichkeit, Charakteristika durch Beispiele zu erlernen und damit auch Intuition zu entwickeln. Er unterstreicht in meinen Augen damit auch, dass dieses Werk dem Leser die Chance zur Entwicklung von Fähigkeiten bietet, über die er in seiner Partie gute Züge jenseits des "Tellerrandes" der allgemeinen Auffassungen im Schach finden kann.
Fazit: "Play Unconventional Chess and Win" ist ein interessantes Werk, das sich einem ganz speziellen Thema widmet. Im Kern geht es um kreatives Schach, um das Finden unkonventioneller Züge, die auf den ersten Blick als Verstoß gegen Prinzipien des Spiels bzw. als Fehler erscheinen.
Ich empfehle "Play Unconventional Chess and Win" dem fortgeschrittenen Spieler zum Kauf.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Fernschachdramen
Dr. Fritz Baumbach, Dr. Stephan Busemann
Fernschachdramen
228 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-944158-05-1
24,95 Euro
Fernschachdramen
"Fernschachdramen" - ein Buch über das HHM, das Hermann-Heemsoth-Memorial, aber noch viel mehr. Es ist ein echtes Fernschachbuch, das die vielen Gesichter des Fernschachs thematisiert, seine Zukunft wie seine Vergangenheit beleuchtet und "Fernschachpartien satt" enthält.
Das HHM ist ein internationales Einladungsturnier des Deutschen Fernschachbundes e.V. (BdF), das zu Ehren von Hermann Heemsoth veranstaltet wurde, der allgemein ein starker Schachspieler und speziell ein ausgezeichneter Fernschachspieler, erfolgreicher Publizist in Sachen Schach sowie langjähriger Präsident und Ehrenpräsident des BdF war. Das Projekt stand unter dem Anspruch, das bis dahin stärkste jemals gespielte Fernturnier zu werden. Die ersten Züge wurden ab dem 21.2.2008 und damit zwei Jahre nach dem Tod von Hermann Heemsoth in 2006 ausgeführt, abgeschlossen wurde das Turnier in 2010.
Das Vorhaben, auch ein Turnierbuch herauszugeben, wurde mir schon in der Planungsphase des Turniers als Mitglied des BdF-Vorstandes bekannt. Und ich muss zugeben: Ich war skeptisch in meinen Erwartungen, ob das Buchprojekt zu einem guten Ergebnis führen könnte und ihm letztlich auch ein wirtschaftlicher Erfolg beschieden sein würde, indem es einen genügenden Zuspruch der Schachwelt bekommt.
Jetzt, nachdem ich die Gelegenheit hatte, mich von den Ergebnissen der Arbeit der beiden Autoren Dr. Fritz Baumbach und Dr. Stephan Busemann zu überzeugen, stelle ich fest, dass meine Skepsis unbegründet war. "Fernschachdramen" zählt für mich zu den besten jemals zum Fernschachspiel geschriebenen Büchern. Erschienen ist es im Verlag ChessCoach GbR.
Die Spielerinnen und -spieler dürften sich am meisten für die im Werk abgebildeten Partien interessieren. Deshalb fange ich meine Betrachtung der Inhalte damit an.
Alle im HHM gespielten Partien haben Aufnahme gefunden. Wenn auch nicht alle, so haben viele von ihnen doch die Klasse, die man im Primus unter den Turnieren erwartet. Mehr als 80 Partien sind - zum Teil aufwändig - kommentiert, wobei zumeist auch die Vertreter am Brett zu Wort kommen. Der Leser erhält dann also die Einblicke in die Partien und die Varianten, die nicht zum Tragen gekommen sind, aus erster Hand. Fernschachdramen können sich auch neben dem eigentlichen Partieverlauf abspielen, wie die Autoren unter einem Hinweis auf den Titel des Buches wissen, und der Leser bekommt diese dann in den Kommentaren zu Gesicht.
Soweit von den Spielern keine Anmerkungen zur Verfügung gestellt wurden, haben sich Baumbach und Busemann selbst an die Arbeit gemacht. Dazu später mehr. Bevor ich die Partien wieder aufgreife, bedürfen zunächst andere Inhalte von "Fernschachdramen" eines Lichtkegels, da diese auch Auswirkungen auf die Partien hatten.
Die beiden Autoren gehen, wie es sich für ein gutes Turnierbuch gehört, auch auf bemerkenswerte Vorgänge in der Turnierorganisation und in dessen Ablauf ein. Hier bietet das Werk, auf mehrere Stellen verteilt, fesselnden Lesestoff, der dem Leser zudem Zutritt hinter den Vorhang erlaubt, der üblicherweise den allgemeinen Blick auf "Fernschachdramen" neben dem Brett verwehrt. Er erfährt, wo es "menschelte", handfest um Bedingungen gepokert wurde, Eitelkeiten Einfluss auf Abläufe nahmen, Handtücher geworfen wurden, Etikette eingehalten und Etikette gebrochen wurde, Freundschaften gestärkt wurden oder auch einen Schatten bekamen und noch manches mehr.
Um seinem besonderen Anlass gerecht zu werden, sollte das HHM - wie oben schon angemerkt - das stärkste jemals ausgetragene Fernschachturnier werden. Dieses Ziel sollte dadurch erreicht werden, dass durch einen bis dahin illusionären Elo-Durchschnitt der Teilnehmer eine glanzvolle Turnierkategorie verwirklicht werden würde und zudem möglichst viele Spieler teilnehmen sollten, die sich in der Geschichte des Fernschachspiels hatten die Krone des Weltmeisters aufsetzen können. Diese hoch gehängten Trauben wurden geerntet - "Fernschachdramen" ist damit auch ein Mosaik in der Fernschach-Geschichtsschreibung, indem es ein hier wichtiges Ereignis für die Nachwelt festhält.
Von kleinen bis mittelschweren Dramen berichten die Autoren auch schon rund um die Organisation des Turniers.
Zu einem fortgesetzten Stand der Umsetzungen mussten das Teilnehmerfeld und das Preisgeld, das ursprünglich insgesamt 8.000 Euro betragen sollte, aufgestockt werden. Die nach der Elo-Zahl stärkste aktive Spielerin Deutschlands, Annemarie Burghoff, wollte teilnehmen und wurde in ihrem Verlangen von Dritten unterstützt. Ihrem Begehren wurde nachgegeben, obwohl es weder von einem früheren WM-Titel noch von ihrer Elo-Zahl gestützt wurde. Um die angestrebte Turnierkategorie zu halten, musste ein weiterer elo-starker Spieler gefunden werden. Dies passierte, doch waren für die Zustimmung der anderen Spieler Zugeständnisse beim Preisfond und der Urlaubsregelung zu machen, die sich dann erheblich auf das Turniergeschehen auswirkte.
Der erste Turnierleiter, Witold Bielecki, verstarb und wurde durch Georg Walker ersetzt, der dann aber irgendwann entnervt das Handtuch warf ("Es gab unsportliche Aktionen, Spiel gegen die Regeln und einfach unanständige Dinge…") und seinerseits durch Carlos Flores ersetzt wurde.
Ein Spieler, Vytas Palciauskas, trat ohne einen besonderen Grund während des Turnierverlaufes zurück, ein anderer, Guillermo Toro, folgte ihm später, aber aus einem wichtigen Grund - das Erdbeben in Chile betraf ihn auch persönlich. Eine Sammlung solcher Vorfälle ist gewiss nur in einem Fernschachturnier möglich, auch hier aber ist dies eine bemerkenswerte Ausnahme.
Fernschachdramen einmal anders! Baumbach und Busemann schildern sie informativ und fesselnd zugleich.
Sie beschränken sich in ihren Beschreibungen des Fernschachspiels nicht auf die Vorgänge im HHM, sie sprechen wichtige Themen vielmehr auch aus einer allgemeinen Sicht an. So gehen sie auf die Änderungen im Zugaustausch ein, von der Postkarte bis zum Server, und die damit verbundenen Konsequenzen. Baumbach kann nicht wirklich verheimlichen, dass er in diesem Punkt eher Romantiker und das Spiel per Postkarte seine Herzenssache ist. Die Fragen nach der Zukunft des Fernschachspiels bleiben ebenfalls nicht außen vor. Drei interessante Interviews mit den Erstplatzierten im HHM, Roman Chytilek, Ron A. H. Langeveld und Richard V. M. Hall, eröffnen interessante Sichtweisen und machen Mut.
Das leidige Thema des unsportlichen Verschleppens eindeutig verlorener Partien spricht das Autorenduo ebenfalls an, aber vor dem Hintergrund, dass es hierzu auch im Turnier kam. Ihre beiden Verlustpartien setzte Annemarie Burghoff in für die Autoren unverständlicher Weise bis weit nach deren Aufgabereife fort. Die Autoren dürften sich auch darüber geärgert haben, dass es zur Verschleppung gerade im HHM kam, da es die Absicht zur Platzierung eines ansprechenden Turnierbuches gab und sich die Folgen einer Verschleppung breiter auswirken ("Solches wird leicht vom Gegner als Provokation gedeutet und führt dann zu Spannungen, in die oft auch die Turnierveranstalter einbezogen werden."). So sehe ich es als erklärlich an, dass sie sehr deutliche Worte zu diesem Thema gefunden haben.
Leider sind keine Kommentierungen von der Spielerin im Buch zu finden, sodass es auch zur Frage der Verschleppung keinen "O-Ton" gibt.
Zu den "Fernschachdramen" zählen eben auch weltweit sinkende Spielerzahlen, eine Ausdünnung des Fernschachspiels auf Klubniveau und das Verschleppen von Partien. So ist es sehr zu begrüßen, dass Baumbach und Busemann in ihrem Buch auch hierauf eingehen und "Fernschachdramen" auch dadurch zu mehr als einem Turnierbuch zum HHM machen.
Diese Rezension wäre unvollständig, wenn eine Weltneuheit nicht erwähnt würde - "Fernschachdramen" bildet auf mehreren Seiten ein persönliches Turniertagebuch von Dr. Matthias Kribben ab. Damit eröffnet er eine völlig neue Sichtweise auf das HHM, eine sehr persönliche und emotionale Sicht. Das Hoffen auf Fehler der Gegner, Zweifel an der Korrektheit eigener Züge und Pläne, allgemein nicht für die Gegnerschaft und die Öffentlichkeit bestimmte Turnierplanungen - hier geht ein weiteres Mal der Vorhang für einen Blick hinter die Kulissen hoch. Die Aufnahme des Tagebuches war eine sehr gute Idee und Entscheidung, der Lesestoff ist eine echte Bereicherung.
Nun noch einmal, wie angekündigt, zu den Partien im Buch, verbunden mit einem Blick auf die beiden Autoren. Diese nämlich zählen zur (auch historischen) Elite des Fernschachs. Fritz Baumbach war selbst Weltmeister und ist ein fleißiger Publizist mit einem immensen Erfahrungsschatz. Stephan Busemann ist mehrmaliger Gewinner der Goldmedaille mit dem deutschen Olympiateam. Sofern die Kommentare und Analysen nicht von den Teilnehmern des Turniers selbst stammen, sind sie aus der Feder dieser beiden, teilweise auch in Ergänzung von Spielerkommentaren.
Baumbach und Busemann wirken sehr gut zusammen, Unterschiede in der Art der Kommentierung werden deutlich und bereichern das Werk auch. Baumbach geht - dies meine ich eher in einer Tendenz - den Weg des kundigen Plauderers, der Varianten und Analysen eher zurückhaltend und auf das Wesentlichste konzentriert einsetzt. Busemann hingegen legt mehr Wert auf Details in den Partien und deren Möglichkeiten, ohne aber die erzählenden und zusätzlich unterhaltenden Elemente zu vernachlässigen.
Insgesamt ist "Fernschachdramen" im Kern eine erfrischende Sammlung kommentierter Partien, ergänzt um die weiteren Partien des HHM, die nur in der Form der reinen Notation aufgenommen worden sind.
"Fernschachdramen" ist mit einer bemerkenswerten Akkuratesse geschrieben worden. Mir ist ein einzige Rechtschreibfehler aufgefallen und in einem weiteren Fall passte die Bewertung eines Zuges mit "!?" nicht so recht zum sich anschließenden Textkommentar.
Wenn es doch etwas zu kritisieren gibt, dann sind dies die Abbildungen der Teilnehmer am HHM. Diese Bilder sind zu einem hohen Anteil etwas arg dunkel geraten.
Zusammenfassung: "Fernschachdramen gibt dem Leser …
- 136 Partien in die Hand, von denen mehr als 80 kommentiert sind, teilweise mit einer seltenen Brillanz.
- viel Lesestoff, von nüchternen Vorstellungen der Teilnehmer und allgemeinen Beschreibungen bis hin zu emotional geprägten Tagebucheintragungen sowie spannenden, fesselnden und manchmal auch - in ihrer Deutlichkeit überraschenden - kritisierenden Statements (die Autoren haben an verschiedenen Stellen aus ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht und mit sowohl gebotener Zurückhaltung als auch aller Deutlichkeit ihre Ansichten zum Ausdruck gebracht).
- viele allgemeine und spezielle Infos zum Fernschach, zu Hermann Heemsoth, einem der wichtigsten Spieler und Funktionäre, zu dessen Ehren das Turnier ausgetragen wurde.
- an mehreren Stellen Neuerungen zur Eröffnungstheorie, auch in der Form von Neubewertungen bzw. Änderungen von Haupt- und Nebenvarianten.
Fazit: Das Buch gehört in die Hand jedes passionierten Fernschachspielers! Auch die Schachfreunde, die mit dem Fernschachspiel als solchem nichts verbindet, profitieren von dem Werk, vor allem über die insgesamt mehr als 80 gut geführten und sehr ansprechend kommentierten Partien.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Verlag ChessCoach GbR (www.verlag-chesscoach.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Petrosian - move by move
Thomas Engqvist
Petrosian - move by move
391 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-180-5
24,85 Euro
Petrosian - move by move
Tigran Petrosjan, hier in der in Deutschland gebräuchlichen Schreibweise seines Nachnamens, war der 10. Weltmeister im Schach. Im Buch "Petrosian - move by move" stellt der schwedische IM Thomas Engqvist den 1984 verstorbenen Ex-Weltmeister anhand von insgesamt 60 kommentierten Partien vor. Er bedient sich dabei des für die Bücher aus der "move by move"-Reihe von Everyman Chess typischen Mittels von an den Leser gerichteten Fragen und Aufgabenstellungen, die somit gemeinsam mit den jeweils sofort folgenden Antworten bzw. Lösungen ein besonderes Element der Kommentierung werden.
Petrosjan wurde 1929 im georgischen Tiflis geboren, seine Eltern stammten allerdings aus Armenien. Zum Schachspiel fand er erst im Alter von 12 Jahren, was ihn aber nicht davon abhalten konnte, dann im Jahr 1963 Michail Botwinnik die Weltmeisterkrone zu entreißen.
Die im Buch behandelten 60 Partien stammen aus allen wichtigen Epochen Petrosjans. Sie gliedern sich somit chronologisch und werden dem Inhaltsverzeichnis entsprechend Stationen seines Lebens bzw. Schaffensperioden zugeordnet. Deren Überschriften orientieren sich an den Merkmalen der Phase des Karriereabschnitts:
1. Early Years
2. The Move to Moscow
3. Strongest Period
4. Life as World Champion
5. Later Career.
Der Textanteil in der Kommentierung ist regelmäßig groß, was ich als positiv empfinde. Engqvist legt Wert darauf, den Leser die Partien verstehen zu lassen, was er eben gerade auch über den Text erreicht, unterstützt von Varianten und Analysen.
Petrosjan zählt zu jenen Spitzenspielern in der Schachgeschichte, die als die am schwersten zu schlagenden gelten. Allgemein haftet ihm das Image des zähen und findungsreichen Verteidigers an, der Drohungen schon witterte, bevor es überhaupt wahrnehmbare Anzeichen dafür auf dem Brett gab. Dass ihm eine solche einschränkende Klassifizierung nicht zu 100 Prozent gerecht wird, zeigt Engqvist in "Petrosian - move by move" auf. Mit der im Fußball gebräuchlichen Sprache könnte man seinen Stil wohl als "kontrollierte Offensive" bezeichnen.
Die eingestreuten Fragen und Aufgaben lassen keine Tendenz in eine bestimmte Richtung erkennen. Sie bedienen beispielsweise in gleicher Manier Angriff und Verteidigung. Oft ist es ohne Bedeutung, dass Petrosjan einer der beteiligten Spieler war, was die Gestaltung der Fragen betrifft. Sie sind dann von einer allgemeinen Natur, beziehen sich auf die Behandlung der aktuellen Stellung und ähnlich.
Engqvist beschränkt sich auf eine "schwedische Nüchternheit" im Einsatz dieses typischen Mittels der "move by move"-Reihe. Mir gefällt diese Zurückhaltung sehr gut. Leser, die die damit verbundene Sachlichkeit als zu wenig unterhaltsam oder gar langweilig empfinden, mögen anders darüber denken. Festzuhalten ist aber, dass der Leser emotionale Ausrufe, die künstlich die Atmosphäre eines Lehrer-Schüler-Gespräches im Buch erzeugen sollen, vergeblich sucht. "Hm" und "arrg" etc. kommen also im Buch nicht vor, sie bleiben von Engqvist auf das Reich der Comics verbannt.
Zumeist werden die Partien mit ein paar Worten eingeleitet. Hier erfährt der Leser einiges über Petrosjan, aber auch über Gegner und beispielsweise Turniergeschehnisse.
Die letzten Seiten des Buches werden von einem Verzeichnis der Gegner Petrosjans in den abgebildeten Partien sowie einem Eröffnungsverzeichnis eingenommen.
"Petrosian - move by move" ist in Englisch geschrieben. Ganz überwiegend ist es Engqvist gelungen, sich auf eine einfache Sprache zu beschränken. Den deutschsprachigen Leser mit Fremdsprachkenntnissen "auf Normalniveau" wird dies freuen.
Fazit: "Petrosian - move by move" ist ein gelungener Spross in der "move by move"-Reihe von Everyman Chess. Ich kann es dem Leser, der die Buchreihe wegen ihrer besonderen Art der Kommentierung schätzt, wie auch jedem, der gut kommentierte Partien liebt, ohne jede Einschränkung zum Kauf empfehlen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Test Your Chess
Zenón Franco
Test Your Chess
478 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-163-8
24,95 Euro
Test Your Chess
"Test Your Chess" von Zenón Franco ist eine 2014er Neuerscheinung bei Everyman Chess. Der Autor Zenón Franco ist ein in Spanien lebender GM aus Paraguay.
Das Werk erinnert mich stark an die Bücher aus der "move by move"-Reihe des Hauses, ist aber dort zurecht nicht integriert. Es arbeitet in ähnlicher Weise nach der Methode, dem Leser beim Durcharbeiten kommentierter Partien Aufgaben zu stellen. Hier jedoch verteilt der Autor Punkte für die korrekte Lösung, in der Höhe abhängig vom Schwierigkeitsgrad der Aufgabe. Nach Abschluss der jeweiligen Partie summiert der Leser die von ihm erreichte Zahl auf und vergleicht sein Ergebnis mit den Werten einer Skala. Für ein Top-Resultat landet er in der Rubrik des Super-GM, für weniger Punkte bis hin zu null gibt es darunter liegende Titel oder in der letzten Stufe aufmunternde Worte. Es gefällt mir ausgesprochen gut, wie Franco es gemanaged hat, dem Leser mit Anstand ein schlechtes Ergebnis beizubringen. Dieser wird nicht abqualifizierend eingestuft, sondern erhält einen konstruktiven und damit eben auch aufmunternden Hinweis.
Insgesamt enthält das Buch 40 kommentierte Partien mit den implementierten Aufgaben. Diese sind dem Inhaltsverzeichnis entsprechend den folgenden Themenkomplexen zugeordnet:
1 Attacking the King
2 Attack, Defence and Counter-attack
3 Positional Play and Typical Structures
4 Endings.
Franco rät dem Leser, sich für jede Partie mindestens 1,5 bis 2 Stunden Zeit zu nehmen. Er rät ihm weiter, mit einem herkömmlichen Brett statt am Computer zu arbeiten. Damit sieht er die besten Voraussetzungen für einen guten Lernerfolg des Lesers als gegeben an.
Für mich ist "Test Your Chess" eine Einladung zum Schach gerade auch für die Winterzeit mit ihren langen dunklen Abendstunden. Die Beschäftigung mit dem Spiel in altbewährter Manier am echten Brett und damit der historischen Gemütlichkeit ist eine schöne Freizeitgestaltung schon an sich, die dann auch noch zu einem Lernen und der Steigerung der Spielstärke führt. In den Portionen von 1,5 bis 2 Stunden ist ein Abend für jeweils eine Partie ein guter Rahmen. Ausgehend davon, dass ein zweiter Durchgang und damit die wiederholte Arbeit mit den Partien und Aufgaben Sinn macht, kommt ein Gesamtzeitraum von 120 bis 160 Stunden zusammen. Damit wird dann rund ein Vierteljahr gut ausgefüllt.
Der allgemeine Lernerfolg über die Partien wird zusätzlich dadurch unterstützt, dass der Autor jeweils am Ende die aus einer Begegnung zu ziehenden Lehren festhält, die dann bis in die Qualität von Merksätzen entwickelt werden.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers bleiben fast durchgehend auf einem moderaten Niveau.
Fazit: "Test Your Chess" ist ein Buch, das ich jedem empfehlen kann, der Bücher mit Aufgaben zum eigenständigen Lösen mag. Die konzentrierte Arbeit mit ihm wird die Spielstärke des Lesers heben. Ein besonderes Mittel zum Motivationserhalt sind für richtige Lösungen vergebene Punkte, die dann am Ende der Partie zu einer Abschlussbewertung aufsummiert werden.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Chess Progress
Erik M. Czerwin
Chess Progress
334 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-136-2
22,95 Euro
Chess Progress
"Chess Progress", eine Neuerscheinung von Everyman Chess und geschrieben von Erik M. Czerwin, versteht sich als Komplettkurs, der den Spieler vom Anfänger bis zum erfolgreichen Turnierspieler führen soll. Konzeptionell angelegt ist das Werk als Anleitung für den Leser, der als Autodidakt von null anfangend in einen gehobenen Leistungsbereich aufsteigen möchte, was aber nicht ausschließt, dass es zugleich auch ein ausgearbeiteter Kurs für den Schachlehrer und -trainer ist. So lässt sich der Adressatenkreis im Kern wie folgt aufschlüsseln:
- Anfänger, auch ohne jedwede Vorkenntnisse.
- Spieler jenseits der Anfangsgründe, die den Leistungsstand des wettbewerbsfähigen Turnierspielers erreichen wollen.
- Schachlehrer und -trainer.
Wenn ich ein Buch zur Vorbereitung einer Rezension durcharbeite, gehe ich auch jeweils der Frage nach, welchen Mehrwert es für den Leser bringt. Dabei kann nicht außer Acht bleiben, wie es im Vergleich zu anderen Büchern zum jeweiligen Thema steht. Hierbei komme ich zu "Chess Progress" zu folgenden Einschätzungen:
1. Der Anfänger, dem es nichts ausmacht, dass die Buchsprache Englisch ist, erhält eine gute Einführung in das Schachspiel an die Hand. Sie erlaubt es ihm, auf der Basis inhaltlich gut verständlicher Ausführungen und daran geknüpfter qualifizierter Übungen das Schachspiel so gut zu erlernen, dass er eigene Partien spielen kann. Die ihm dabei vermittelten Kenntnisse könnte er sich aber auch über andere einführende Werke verschaffen, insbesondere auch in deutscher Sprache. "Chess Progress" fügt sich in die Reihe guter Lehrbücher für den Anfänger ein.
Im Stil dessen, wie ihm die Grundlagen vermittelt worden sind, kann er dann an seiner weiteren Qualifizierung arbeiten. Er greift dabei dann auf die bis dahin gewohnt gewordenen Methoden zurück. Am Ende beherrscht er nicht nur das Spiel als solches, sondern auch die Dinge, die als Rahmen zur Wettkampfpartie gehören, beispielsweise den Einsatz der Schachuhr und Kniffe vor dem Hintergrund von Bedenkzeitsituationen.
2. Der Leser mit einem bereits vorhandenen Anfangs-Knowhow wird mit den Grundlagen, die das Buch zum Spiel vermittelt, bereits vertraut sein. Für ihn sind die darauf aufbauenden Inhalte von Interesse.
3. Schachlehrer und -trainer erhalten einen Komplettkurs, auf dessen Basis sie ihre Schützlinge vom regelunkundigen Novizen zum Turnierspieler führen können. Dazu gehören dann auch qualifizierte Anleitungen und Übungen mit Lösungen zur praktischen Schulung.
"Chess Progress" bietet seine Inhalte entsprechend des folgenden Verzeichnisses an:
1. Beginning with the Basics
The Board: Know Your Battlefield
The Pieces: Know Your Army
Ending the Game
Chess Notation
2. The Fundamental Elements of Chess Strategy
Fundamental Elements of Chess
Opposition
Critical Squares and the Square of the Pawn
Pawn Structure
Weak Squares, Holes, and Outposts
Open and Closed Positions
3. Applying the Elements of Chess Strategy
Principles of Exchanging Material
Fundamental Defence
Fundamental Tactics
Fundamentals of Openings
4. The Rules of Chess
The Basics
Clocks and Time Controls
Personal Conduct
Tournaments
5. Over the Board
Analysing a Position & Forming a Plan
Choosing and Making a Move
Using the Clock
Move by Move
Maintaining Presence
After the Game is Over...
Conclusion
Appendices
A: Continuing Study
B: Benjamin Franklin's On the Morals of Chess
C: Fundamental Principles of Chess
D: Notation Tip-Sheet and Order of Operations
Der Autor ist Hochschullehrer und erfahrener Schachtrainer, der mit diesem Werk sein praktisches Wissen der Öffentlichkeit zugänglich macht.
Am Ende des Werkes findet der Leser einen Glossar sowie ein Verzeichnis der behandelten Elemente des Schachspiels. Während der Glossar dem noch nicht allzu erfahrenen Spieler die Möglichkeit zum Nachschlagen wichtiger Begriffe bietet, erlaubt das genannte Verzeichnis ein ganz gezieltes Aufsuchen einzelner Elemente im Buch. Auch diese lassen sich somit einzeln aufsuchen, sodass der Leser eine zusätzliche Nachschlagfunktion nutzen und auch einzelne Elemente spezifisch trainieren kann.
Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers kann ich als "mit ordentlichem Schulenglisch zu erfüllen" bezeichnen.
Fazit: Ich empfehle "Chess Progress" dem Interessenten ohne Vorkenntnisse, dem schon regelkundigen Spieler wie dem Schachleher und -trainer nach Maßgabe meiner spezifischen Aufstellung für diese Leserkreise oben im Text.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
111 Gründe, Schach zu lieben
Christoph Brumme
111 Gründe, Schach zu lieben
309 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-86265-433-8
9,95 Euro
111 Gründe, Schach zu lieben
"111 Gründe, Schach zu lieben" aus dem Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf und geschrieben von Christoph Brumme - 11 Gründe, warum Sie dieses Buch nach meiner Einschätzung kaufen sollten:
1. Grund: "111 Gründe, Schach zu lieben" ist ein richtiges Lesebuch zum Schach, garniert mit ein paar Dingen, die sich auf dem Brett abspielen. So lautet die Devise: lesen satt, hin und wieder das Brett auspacken oder Züge im Kopf durchgehen.
2. Grund: Der Autor Christoph Brumme hat einen sehr netten Schreibstil, interessant und fesselnd, auch in eher informierenden als erzählenden Passagen.
3. Grund: Hier schreibt jemand, der sein Hobby Schach liebt, es als Amateurspieler betreibt und weiß, wovon er spricht. Wenn er durch die Brille des Amateurs blickt, erkennt man sich als Leser im eigenen Kopfkino wieder.
4. Grund: Das Werk besteht nicht etwa nur aus einer Aufzählung von 111 Gründen, aus denen heraus man das Hobby Schach betreibt. Es gibt vielmehr 111 Beiträge zum Spiel, die insgesamt 12 Kapiteln zugeordnet sind, von "Leben und Tod, Wahn und Rausch, Schönheit und Unendlichkeit" bis "Ein Spiel für Robinson Crusoe".
Neben dem Blick hinter etliche Gründe, die das Schachspiel tatsächlich attraktiv machen, geht es um Erzählungen, Anekdoten, handfeste Infos, Ergebnisse usw. Für jeden ist etwas dabei, sehr viel sogar. Versprochen!
5. Grund: Alle Inhalte sind sehr gut recherchiert. So sind mir nur sehr wenige Fehler aufgefallen, leichte Schiefstände auch in Einschätzungen zum Fernschach. Wenn etwas ausnahmsweise mal nicht passt, handelt es sich regelmäßig um eine Kleinigkeit, so wie zum Beispiel in einem Beitrag zum "erstickten Matt" auf Seite 249. Hier ist die Angabe eines Zugfeldes fehlerhaft (g7 statt f7).
6. Grund: Weil das Werk auch eine Klasse-Urlaubslektüre ist. Ich selbst habe es fern der Heimat gelesen und genossen.
7. Grund: Es ist in Deutsch erschienen - im Sektor der Schachbücher in unserer Zeit damit ein Element der Minderheit.
8. Grund: Man muss weniger als einen Zehner ausgeben, das Buch kostet nur 9,95 Euro.
9. Grund: Sowohl der Novize als auch der erfahrene Schachkämpe kann tief eintauchen. Jeder erhält einen Sack voll Infos, neue Einblicke, mal ganz andere Betrachtungsweisen, Witziges und mehr.
10. Grund: Weil das Werk auch etwas zum Fernschach enthält, wenn auch nicht allzu viel.
11. Grund: Damit sich bald eine 2. Auflage des Buches für den Verlag lohnt. Und dann packt Christoph Brumme bestimmt mehr zum Fernschach, zum Deutschen Fernschachbund e.V. sowie zu seiner Zeitschrift Fernschachpost, die er bei der Betrachtung der Schachzeitschriften übersieht, hinein. In den Gründen 57 und 94 des Buches ist noch Platz!
Fazit: Kaufen!
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf (www.schwarzkopf-schwarzkopf.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Nimzowitsch - move by move
Steve Giddins
Nimzowitsch - move by move
278 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-198-0
23,95 Euro
Nimzowitsch - move by move
Die "move by move"-Buchreihe von Everyman Chess hat sich inzwischen breit etabliert. In einer besonderen Art der Partiekommentierung wird der Leser in spezielle Eröffnungen eingeführt oder es werden ihm herausragende Spielerpersönlichkeiten aus der Geschichte des Schachspiels nahegebracht.
Neu erschienen in dieser Reihe ist "Nimzowitsch", Autor des Werkes ist Steve Giddins. Nun ist es nicht schwer zu erraten, dass es sich dem Schaffen von Aaron Nimzowitsch als Spieler widmet, einem der wichtigsten Begründer der sogenannten Hypermodernen Schachschule.
Steve Giddins hat 30 Partien von Nimzowitsch ausgewählt, die er im besonderen Format der "move by move"-Reihe von Everyman Chess kommentiert hat. Dies bedeutet, dass neben den herkömmlichen Elementen einer Partiekommentierung versucht wird, ein Lehrer-Schüler-Gespräch zu simulieren. Es entsteht so das Bild, dass ein Schachlehrer und ein Schüler gemeinsam jeweils eine Partie durchgehen, mit allem was normalerweise dazugehört. Eingestreut aber finden sich zudem - im vorliegenden Werk in einer vergleichsweise sehr hohen Zahl - Fragen. Diese werden vom virtuellen Lehrer an den Schüler und damit an den Leser gerichtet, diesem aber teilweise auch selbst in den Mund gelegt. Die Beantwortung erfolgt jeweils sofort und wird dabei somit besonderer Bestandteil der Kommentierung.
Dabei kann es um allgemeine Verständnisfragen gehen, aber auch um konkrete Zugfolgen, die es zu ermitteln oder zu bewerten gilt.
Gerade "Nimzowitsch - move by move" legt einen hohen Wert darauf, dass über diese Fragen eine höchst lockere Atmosphäre simuliert wird. So beginnen viele von ihnen mit Ausrufen wie "Hmmm", "Errr" oder "Ok", bisweilen auch mit kurzen Wendungen, etwa wie der Bitte des Schülers an den Lehrer, kurz mal einzuhalten.
Wer diese Art der Kommentierung mag, wird in "Nimzowitsch - move by move" ein ganz besonders gut damit arbeitendes Werk erhalten. Passagenweise lösen sich Fragen und Antworten geradezu ab, sodass sich eine Art Plauderei ergibt oder etwas formalistischer, der Text wie ein kurzes Interview wirkt.
"Nimzowitsch - move by move" ist somit überaus unterhaltsam geschrieben.
Inhaltlich sortiert ist das Buch wie folgt (angelehnt an das Inhaltsverzeichnis, hier in einer deutschen Übersetzung):
Nimzowitsch der Angreifer
Nimzowitsch der Verteidiger
Nimzowitsch der Blockierer
Nimzowitsch der Stratege
Nimzowitsch im Endspiel.
Giddins konzentriert sich vollends auf die Partien, von denen, wie schon erwähnt, insgesamt 30 im Buch behandelt werden, und damit den Fähigkeiten von Aaron Nimzowitsch im Rahmen verschiedener Fertigkeiten in der Partieführung. Er geht nicht speziell auf dessen Bedeutung für die Auffassung des Schachspiels ein, was er unter Verweis auf andere Bücher auch nachvollziehbar begründet. Vielleicht aber mag diese Entscheidung auch eine Art Bestätigung sein, dass sich dieser Bereich nicht allzu gut mit einer Kommentierung im "move by move"-Stil vereinbaren lässt.
Dazu eine rein subjektive Randbemerkung: "Nimzowitsch - move by move" ist - möglichst objektiv betrachtet - ganz sicher und ohne Zweifel ein sehr gutes Buch. Subjektiv aber empfinde ich ein paar Vorbehalte, die damit zusammenhängen, dass die Aura von Nimzowitsch und die besondere Kommentierung in der "move by move"-Reihe für mich nicht problemfrei zusammenpassen.
Ich bin dem Schachspiel inzwischen Jahrzehnte lang verbunden. Zu den Büchern, die mich schon in meiner Jugend fasziniert und in Sachen Schach auch geprägt haben, zählen "Mein System" und "Die Praxis meines Systems" von eben A. Nimzowitsch. Tiefe Eindrücke hat sein Charisma bei mir hinterlassen, so wie ich es aus seinen Büchern wie auch aus über ihn zu findenden Veröffentlichungen wahrgenommen habe. Er war Kämpfer für seine Ideen, ging mit Vertretern anderer Auffassungen gelegentlich nicht gerade zimperlich um, hatte einen zugleich analytischen und damit ernsten wie auch einen lockeren (im rezensierten Werk als "blumig" bezeichneten) und fesselnden Schreibstil. Genau diese Elemente beißen sich in meinen Augen zumindest in gewisser Weise mit "Nimzowitsch - move by move". Vermutlich hätte Nimzowitsch es verurteilt, wenn er seine Partien in der Kommentierung der "move by move"-Reihe vorgefunden hätte.
Wer mir ähnlich vorkonditioniert ist, möge sich also an der unterhaltsamen Art der Kommentierung erfreuen und nicht enttäuscht sein vor dem Hintergrund einer empfundenen Diskrepanz zwischen der Auro Nimzowitschs und der "saloppen" Kommentierung.
Ein Eröffnungsverzeichnis und ein Verzeichnis der Gegner in den Partien runden die Inhalte des Werkes ab.
"Nimzowitsch - move by move" ist in englischer Sprache geschrieben. Die Anforderungen an Fremdsprachkenntnisse sind moderat. Dem verwendeten Wortschatz meine ich allerdings anzumerken, dass Giddins das Manuskript in seiner Muttersprache verfasst hat. Er ist nach meiner Einschätzung breiter als gewöhnlich.
Fazit: "Nimzowitsch - move by move" ist ein gelungenes Werk. Es ist gleichermaßen instruktiv wie unterhaltsam. Dabei konzentriert es sich auf die Partien und damit die spielerische Leistung von Aaron Nimzowitsch, seine Bedeutung für die Entwicklung des Schachspiels wird nicht ausführlich thematisiert.
Ich kann das Werk dem Leser, der die Kommentierung in der "move by move"-Reihe mag, sehr empfehlen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Anti-Spanish - The Cozio Defence
Alexey Dreev
Anti-Spanish - The Cozio Defence
212 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-619-7188-01-1
24,95 Euro
Anti-Spanish - The Cozio Defence
"Anti-Spanish - The Cozio Defence" ist ein neues Buch von Alexey Dreev, vor wenigen Wochen erschienen im bulgarischen Verlag Chess Stars. Es widmet sich aus der Sicht von Schwarz der Spanischen Partie mit 3…Sge7, also in der Zugfolge 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sge7. Dabei handelt es sich um ein Repertoirebuch nach dem bewährten Muster des Verlags, worin der Stoff je Kapitel in drei Schritten erörtert wird. Diese sind "Quick Repertoire" als erster Blick in das Material, "Step by Step" als Bereich der tiefen theoretischen Behandlung und "Complete Games" als Praxisteil mit ausführlich kommentierten Partien zum Thema.
Zunächst einmal zum Namen "Cozio Defence", also auf Deutsch "Cozio-Verteidigung": Mir war diese Bezeichnung für den englischen Sprachraum für diese Themazugfolge bisher nicht geläufig. Im Werk habe ich keinen Hinweis auf ihren Ursprung gefunden, weshalb ich mich Wikipedia als Quelle bedient habe. Danach handelt es sich beim Namensgeber Carlo Cozio, Graf von Montiglio und Salabue, um einen italienischen Schachspieler und -autor, der von ca. 1715 bis 1780 gelebt hat.
Im deutschen Sprachraum ist die Eröffnung eher unter dem Namen Aronian-Verteidigung bekannt (wenn auch nicht gesichert).
Dreev hat den Bereich "Quick Repertoire" in allen Kapiteln für eine kurze Übersicht genutzt. Von einem darin angebotenen kurzen Repertoire kann man nicht wirklich reden. Dafür nutzt er dann intensiv den sich anschließenden Bereich, in dem Schritt für Schritt, also der Bezeichnung "Step by Step" die Ehre gebend, der Leser in die Theorie eingeführt und ihm dabei ein Repertoire offeriert wird. Hierzu hat Dreev das Werk in sieben Kapitel unterteilt und mit den folgenden Überschriften versehen:
1. Minor Lines: 4.c4; 4.Lxc6; 4.b3; 4.d3
2. 4.c3 g6; 4…a6
3. 4.c3 d5
4. 4.d4 exd4
5. 4.Sc3 Sg6; 4…g6; 4…d6
6. Classical Variation: 4.0-0 g6 5.c3 Lg7
7. Modern Variation: 4.0-0 g6 5.c3 a6.
Aus dem Inhaltsverzeichnis erschließt sich somit auch schon die jeweils im Kapitel behandelte Initialzugfolge. Eingeschränkt fungiert es damit auch als Variantenverzeichnis, das es als speziellen Inhalt im Buch nicht gibt.
Dreev erklärt viel, setzt dabei aber nach meiner Einschätzung eine gewisse Spielstärke des Lesers schon voraus. So finden sich einfache und offensichtliche Aspekte eher weniger als Gegenstand der Erklärung wieder. Es fällt mir schwer, eine Einteilung nach DWZ zu geben. Ich denke aber, dass der Leser, der seine Spielstärke mindestens dem unteren Klubniveau zuordnen kann, gut mit "Anti-Spanish - The Cozio Defence" wird arbeiten können.
Tendenziell lässt sich im Buch eine leichte Veränderung im Verhältnis von Text und Varianten feststellen. Im Verlauf des Werkes nimmt der Anteil der Varianten zu. Ebenso tendenziell lässt sich feststellen, dass die Varianten zum Ende hin an Länge zunehmen. Diese Veränderungen dürften den jeweils behandelten Themen zuzurechnen sein. Dreev entwickelt das Werk von seltenen Linien, für die es dann auch weniger hochklassiges Material gibt, hin in spezielle Bereiche mit einer erheblichen Präsenz auf der Turnierbühne.
Aus der Sicht des Fernschachspielers ist "Anti-Spanish - The Cozio Defence" besonders hilfreich bei der Aufgabe, eine Übersicht über die Theorie zu bekommen, wesentliche Belange zum Aufbau und zur Spielführung zu erfahren sowie ein Grundrepertoire mit den wichtigsten Varianten an die Hand zu bekommen. Der für die Partievorbereitung und begleitende Partieführung erforderliche Rest lässt sich ergänzend mit der gut sortierten Partiendatenbank erledigen.
Das Fernschachspiel selbst hat nur in einem geringen Maße in der Form von Partiefragmenten Aufnahme gefunden.
Wie schon der Titel des Werkes verrät, ist "Anti-Spanish - The Cozio Defence" in Englisch geschrieben. Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind niedrig.
Fazit: "Anti-Spanish - The Cozio Defence" ist ein Repertoirebuch zur Aronian-Verteidigung (Verteidigung mit 3…Sge7) in der Spanischen Partie, das ich dem Spieler mit eigenen Fähigkeiten ab einem unteren Klubniveau empfehlen kann.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
Holländisch - richtig gespielt
Jerzy Konikowski und Olaf Heinzel
Holländisch - richtig gespielt
183 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-940417-64-0
19,80 Euro
Holländisch - richtig gespielt
Vor Jahren kam als eine Neuerscheinung des Jahres 2010 das Buch "Holländisch - richtig gespielt" auf den Markt. Es stammt aus der Feder des Autorenduos Jerzy Konikowski und Olaf Heinzel, herausgegeben wurde das Werk vom Joachim Beyer Verlag.
Zwischenzeitlich war das Werk vergriffen, was auch eine Bestätigung der guten Arbeit aller Beteiligten war. Jüngst aber ist es wieder verfügbar geworden, es ist in einer zweiten und überarbeiteten Auflage als Imprint des Schachverlag Ullrich im Joachim Beyer Verlag neu in den Markt gegeben worden.
Damals schon hatte ich das Buch rezensiert, meine Ausführungen sind weiterhin öffentlich verfügbar. Da die Rezension des Jahres 2010 auch auf die 2. Auflage so gut wie vollständig zutrifft, kann ich sie wieder in Erinnerung rufen und mich heute auf das beschränken, was neu ist. Zunächst der Link zur Rezension über die Erstauflage:
/service/rezensionen/2010/rezens2010.htm#Holländisch - richtig gespielt.
Die Spuren der Neubearbeitung finden sich an etlichen Stellen und über das gesamte Werk verteilt. Schon die inhaltliche Zusammenstellung hat sich geändert, es sind zwei Kapitel hinzugekommen.
Im Repertoire sind einige neue Entwicklungen verarbeitet worden, leicht auch an den Jahreszahlen zu den verwendeten Partiefragmenten zu erkennen. Die Entwicklung der Theorie ist schnelllebig. "Holländisch - richtig gespielt" ist über die Bearbeitung wieder voll auf der Höhe der Zeit angekommen. Die jüngsten eingearbeiteten Beispiele aus der Praxis stammen sogar aus 2014, noch aktueller geht nicht.
Der damals schon vorhandene Partienteil ist aufgestockt worden. Der Leser erhält nun 50 statt früher 40 Beispielpartien. Auch hier haben die beiden Autoren die Rosinen aus der Turnierszene herausgepickt, sie anschaulich kommentiert und eingearbeitet.
Im Buch verwendete Fragmente stammen zu einem erheblichen Teil aus dem Fernschach. Auch hier ist einiges aus der Turnierszene der vergangenen vier Jahre hinzugekommen. So konnte ich auch mehrere deutsche Spieler identifizieren.
Fazit: Mein damaliges Urteil war: "Holländisch - richtig gespielt" kann ich dem Leser sehr zum Kauf empfehlen!". Ich kann es mit dem besten Gewissen "recyclen" und ergänzen, dass dieses Werk top-aktuell ist und auch deshalb wieder neu uneingeschränkt empfehlenswert.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachversand Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Bent Larsen's Best Games
Bent Larsen
Bent Larsen's Best Games
350 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-468-4
29,95 Euro
Bent Larsen's Best Games
"Bent Larsen's Best Games" ist eine Neuerscheinung von New In Chess (NIC), die nicht in herkömmliche Raster passt, zumindest nicht voll und ganz. Zunächst zum Beleg ein paar Worte zur Entstehungsgeschichte: Der spanische GM Alfonso Romero Holmes schrieb zwei Bücher über Bent Larsen, den 2010 verstorbenen berühmten früheren Weltklassespieler aus Dänemark, die 2006 und 2012 in spanischer Sprache und den Titeln "Todas Las Piezas Atacan", Band 1 und 2, erschienen sind. Diese beiden Bände sind - in Übersetzung - die Basis für "Bent Larsen's Best Games".
Bemerkenswert ist dabei weiter, dass dieses neue Buch eine Lücke in der englischsprachigen Literatur füllt, deren Existenz bis dahin erstaunt. Es gab bisher kein Buch in Englisch, das sich Larsens Partien entsprechend gewidmet hätte. Der Band 1 von "Todas Las Piezas Atacan" ist auch in einer deutschen Übersetzung auf den Markt gekommen, es trägt den Titel "Alle Figuren greifen an" (SchachDepot), Erscheinungsjahr 2009. In Englisch aber erschien es nicht.
Weiter bemerkenswert ist der Buchtitel, mit dem sich der Verlag sogar über Larsens Einstellung hinweggesetzt hat, der wegen der Zweifel an einer Bestimmbarkeit des Kreises seiner besten Partien diesen Bestandteil des Titels so nicht gewünscht hätte.
Dass Bent Larsen das Turniergeschehen an der Spitze der Elite über viele Jahre geprägt hat, wird auch daraus deutlich, dass 124 Partien im Werk zusammengekommen sind, soweit sie auch von ihm selbst analysiert und kommentiert worden sind. Hinzu kommen vier weitere Partien in der Einführung, die Kommentare aus fremder Feder enthalten.
Das Werk ist weitgehend chronologisch aufgebaut. Die älteste Partie wurde im Jahre 1951 gespielt, die jüngste in 1977. Alle Begegnungen sind insgesamt 39 Kapiteln zugeordnet, die zumeist nach Stationen in Larsens Karriere oder nach Turnieren geordnet sind. In den "Turnierkapiteln" finden sich auch Abschlusstabellen und weitere Informationen zur Veranstaltung selbst.
Eingestreut in die Inhalte der Kapitel erfährt der Leser auch viel über Bent Larsen selbst, nicht nur als Spieler.
Wie schon erwähnt, sind alle Partien außerhalb der Einführung von Bent Larsen selbst kommentiert worden. Dies macht einen ganz besonderen Reiz des Werkes aus. Larsen hat sich auch als Autor einen Namen gemacht, sein Stil war schon immer beeindruckend und fesselnd. Er schreibt gleichzeitig sehr analytisch und unterhaltsam. Als langjähriger Spieler an der Weltspitze hat er neben seinem Schachgenie auch die Erfahrung gesammelt, um mit einem breiten Hintergrund kommentieren zu können. Ich kann also versichern, dass das Nachspielen der Partien wirklich Spaß macht, denn man fühlt sich nicht nur in Sachen Schach in der Begegnung gut informiert, sondern zugleich auch niveauvoll unterhalten. Ich habe mir mehrere Partien vorgenommen und am PC nachgespielt. Für einen Spieler mit meinem Format reicht es nicht aus, nur das Buch in die Hand zu nehmen und alles in der Form des "Kopfkinos" zu verfolgen. Mir wäre sonst in den Partien ein Großteil der Inhalte unerschlossen geblieben. Die Zahl der Diagramme reicht aus, um an markanten Stellen zu visualisieren, aber eben nicht um einen flüssigen Partieverlauf mit Anmerkungen vorstellbar zu machen.
Interessehalber habe ich eine aktuelle Spitzenengine (Stockfish) mitlaufen lassen, und zwar im Modus der Daueranalyse und mit Anzeige der jeweils drei Favoriten der Maschine für jeden nächsten Zug. Der Grad der Übereinstimmung in der Phase des Mittelspiels, und nur dort hat es mich interessiert, war beeindruckend.
Dem Leser wird Bent Larsen insgesamt in angenehmer Weise nähergebracht. Ich hätte ihn gerne kennen gelernt, kann ich sagen. Diese Aussage stütze ich nicht nur auf dieses Buch, ich hätte sie auch vor meiner Arbeit mit dem Werk zur Vorbereitung der Rezension getroffen, aber nach dem Studium von "Bent Larsen's Best Games" sehe ich mich in meinem Gedanken noch weiter gestärkt.
Was bekommt der Leser, was ist neu für ihn? Dies lässt sich nicht allgemein gültig beantworten, zumindest nicht vollumfänglich. Jeder Leser bekommt, in englischer Sprache, vor allem 124 in analytischer Hinsicht und aus der Warte der Unterhaltung meisterlich kommentierte Partien. Wer beispielsweise das deutschsprachige Werk "Alle Figuren greifen an" besitzt, wird weniger Neuland erwerben als ein anderer Schachfreund ohne "Vormaterial". Hier muss der Leser also selbst einschätzen, ob ihm der Mehrwert die Investition in "Bent Larsen's Best Games" auch persönlich wert ist.
Die Anforderungen an englische Fremdsprachkenntnisse sind nicht sonderlich hoch, sie sollten den Leser mit Schulenglisch im Rücken nicht vor allzu hohe Herausforderungen stellen können.
Fazit: "Bent Larsen's Best Games" ist vor allem eine ausgezeichnete Sammlung aus 124 Partien, die Bent Larsen besonders gut gelungen sind und die er selbst meisterlich kommentiert hat. So wird der Leser nicht nur bestens unterhalten, sondern wird auch in die Geheimnisse der Partien eingeweiht, die niemand besser als der Spieler selbst herausarbeiten könnte.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Trompowsky Attack - move by move
Cyrus Lakdawala
The Trompowsky Attack - move by move
447 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-177-5
22,95 Euro
The Trompowsky Attack - move by move
"The Trompowsky Attack - move by move" ist ein neues Werk aus der Feder von "Mr. Move-by-move", dem US-amerikanischen IM Cyrus Lakdawala. Er hat bereits ein Dutzend Bücher vor dieser Neuerscheinung aus der "move by move"-Reihe von Everyman Chess geschrieben, sodass die oben stehende Bezeichnung eher eine Anerkennung seines Expertenwissens als ein Spitzname ist.
Wie unschwer am Titel zu erkennen ist, hat er sich diesmal den Trompowsky-Angriff vorgenommen, um diesen in der besonderen Darstellung der "move by move"-Reihe an Leserin und Leser zu bringen. Was mit 1.d4 Sf6 2.Lg5 beginnt, behandelt er im Buch, aber auch Linien nach 1.d4 d5 2.Lg5.
Grundlage aller Betrachtungen sind 59 Partien aus der Meisterpraxis, die unter der besonderen Methode der genannten Buchreihe kommentiert worden sind. Lakdawala streut somit fortlaufend Fragen und an den Leser gerichtete Übungen ein, die jeweils gleich im Anschluss erörtert und damit ein Teil der Kommentierung werden. Dabei kommt Lakdawala den Vorstellungen, die Theorie in einem simulierten Lehrer-Schüler-Dialog zu vermitteln, recht nahe. Dies merkt man dem Werk beispielsweise auch an bestimmten Formulierungen an, so wie etwa, sinngemäß übersetzt und dargestellt, an folgender: "Warte eine Minute!" Hier also bittet der virtuelle Schüler seinen Lehrer, kurz einzuhalten, um beispielsweise eine Frage stellen zu können, auf die Lakdawala dann sogleich die Antwort gibt. Solche Wendungen sind sicherlich Geschmacksache; der eine mag sie und empfindet sie als ein Mittel zur Auflockerung, für den anderen wirken sie eher etwas gekünstelt. Wie auch immer, die Erörterung des Gegenstandes der Frage oder einer Übung bringt allen Lesern etwas. Lakdawala überzieht auch nicht, indem er allzu oft solche Pseudo-Interaktionen einstreut.
Das Inhaltsverzeichnis gibt in sinngemäßer Übersetzung den folgenden Überblick über die neun Kapitel, in die der Autor sein Werk untergliedert hat.
1. Linien, die quasi Benoni zugerechnet werden können
2. 2…Se4 3.Lf4 d5
3. 2…e6 3.e4 h6 4.Lxf6 Dxf6
4. 2…d5 3.Lxf6
5. Waganian-Gambit
6. Trompowsky gegen Königsindisch
7. Pseudo-Trompowsky
8. Pseudo-Trompowsky: Alternativen im 2. Zug
9. Einzelne Speziallinien.
Mit den schon erwähnten 59 Partien, von denen übrigens keine aus dem Fernschach stammt, gibt Lakdawala nicht nur einen Kurs, wie man den Trompowsky-Angriff verstehen und erlernen kann, sondern dem Leser auch ein Grundrepertoire an die Hand. Ich denke, dass derjenige, der dieses Buch konzentriert durchgearbeitet hat, ohne jede Sorge in die Klubpartie gehen kann. Lakdawala erklärt wirklich sehr gut, der Stoff ist ausgezeichnet verständlich. Schritt für Schritt steigt der Leser tiefer ein, wird also quasi geführt zu einem "kleinen Trompowsky-Experten". Eine gewisse sprachliche Hürde gilt es aber zu überwinden. "The Trompowsky Attack" ist in Englisch geschrieben und der von Lakdawala verwendete Wortschatz ist beachtlich. Der Leser sollte also entweder über gute Englischkenntnisse verfügen oder aber die Mühe nicht scheuen, häufiger als vermutlich gewöhnlich Begriffe nachzuschlagen.
Eine kleine Anmerkung zum Abstand Lakdawalas zu seiner Themaeröffnung, also zur Objektivität und Neutralität: Nach meinem Eindruck ist er manchmal ein wenig zu optimistisch, was eine Stellung für Weiß im Vergleich zum Gegner hergibt. Dabei geht er teilweise auch deutlich in den Clinch mit Houdini, das er als Engine für die technische Überprüfung von Varianten eingesetzt hat. Argumentationen wie "Houdini sieht die Stellung als ausgeglichen an, wir Menschen wissen es aber besser und sehen in … einen weißen Vorteil" (sinngemäße Darstellung) sind so oder ähnlich einige Male anzutreffen. Gelegentlich wird dabei auch eine Kritik an bestimmten Bewertungsschemata der Engine deutlich, dann aber muss sich Lakdawala vorhalten lassen, nicht noch eine weitere Top-Engine eingesetzt zu haben. Wenn dem Leser gelegentlich eine Bewertung hinsichtlich der Chancen nicht so einfach nachvollziehbar erscheint, kann der Einsatz einer (weiteren) Engine nicht schaden. Dies gilt natürlich besonders dann, wenn er "The Trompowsky Attack" im Fernschach die eigene Partie begleitend einsetzt.
Ich hatte schon angemerkt, dass von den 59 "Trägerpartien" keine im Fernschach gespielt worden ist. Dies heißt aber nicht, dass das Fernschachspiel womöglich keinen Platz im Werk gefunden hat. Im Gegenteil finden sich etliche Varianten aus diesem Genre im Buch.
Ein ordentliches Variantenverzeichnis und ein Verzeichnis der vollständig abgebildeten Partien nehmen die letzten Buchseiten ein.
Fazit: "The Trompowsky Attack" ist ein ideales Werk, um den Trompowsky-Angriff in das eigene Eröffnungsarsenal aufzunehmen. Das darüber beim Leser geschaffene allgemeine Verständnis wird ihn in die Lage versetzen, auch in zu den Buchvarianten abweichenden Linien planvoll und systemgerecht zu spielen. "The Trompowsky Attack" vermittelt zugleich ein gutes Repertoire zur Themaeröffnung.
Geschrieben ist das Buch aus der Warte von Weiß, aber auch zur Vorbereitung der schwarzen Antworten auf den Trompowsky-Angriff ist es ausgezeichnet einzusetzen.
Damit ist das Werk für mich eine klare Kaufempfehlung.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Das sizilianische Flügelgambit
Marcus Schmücker
Das sizilianische Flügelgambit
124 Seiten, Hardcover, gebunden mit Lesebändchen
ISBN: 978-3-940417-62-6
19,80 Euro
Das sizilianische Flügelgambit
Es gibt Eröffnungen, die den meisten Amateurspielern gerade deshalb noch nie Probleme bereitet haben, weil sie diese noch nicht auf dem Brett hatten. Zu diesen seltenen Gästen auf der Turnierbühne gehört das Sizilianische Flügelgambit, das über die Zugfolge 1.e4 c5 2.b4 und dann weiter 2…cxb4 3.a3 eingeleitet wird. An diesem problemfreien Raum könnte sich aber etwas ändern, wenn sich die Weißspieler von der Neuerscheinung "Das sizilianische Flügelgambit" von Marcus Schmücker zu diesem Gambit inspirieren lassen und sich auf deren Basis einen guten theoretischen Unterbau verschaffen. Erschienen ist das Buch als Imprint des Schachverlag Ullrich im Joachim Beyer Verlag. Es ist nicht Schmückers Erstlingswerk, vielmehr hat er sich schon mit seinem Buch zum sogenannten Londoner System einen guten Namen gemacht.
Wer 1.e4 spielt, muss bedenken, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit vom Gegner mit 1…c5 konfrontiert wird. Und regelmäßig ist damit dann mit einem Spiel über lange Strecke auf ausgetretenen Theoriepfaden zu rechnen. Sitzt dem Anziehenden ein gut vorbereiteter Gegner gegenüber, kann er davon ausgehen, dass er für eine Weile quasi nicht gegen diesen selbst spielt, sondern gegen die Koryphäen, die für den aktuellen hohen Stand der Theorie gesorgt haben. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass er auch selbst gut genug die Theorie beherrscht.
Wie schön wäre es, wenn man dem Gegner einen Strich durch die Rechnung machen könnte, indem man frühestmöglich abweicht und ihn aus seinem Wissen zerrt, sodass er von Beginn an im wahrsten Sinne des Wortes Schach spielen muss. Natürlich bedarf es dafür einer Abweichung, die grundsätzlich gesund ist und in etwa Chancengleichheit verspricht.
"Das sizilianische Flügelgambit" ist ein Werk, das genau in dieses Delta der Überlegungen passt. Es behandelt eine Nischeneröffnung, wie sie kaum früher angestrebt werden könnte. Und dabei versucht es ausreichend schlank zu bleiben, um ein ausgewogenes Verhältnis von Aufwand und Nutzen für den Leser herzustellen. Dieser bekommt also nicht etwa ein überfrachtetes Werk an die Hand, sondern möglichst wenige, die wichtigsten Linien, bereichert um ganz viel erläuternden Text. Die genannten Linien lassen das Gambit als gesund im Sinne der oben stehenden Ausführungen erscheinen. Schmücker erklärt sie vorbildlich, erläutert die Pläne und lotet die Chancen aus. Auch wenn er einen gewissen Enthusiasmus für seine Themaeröffnung nicht verheimlichen kann, versucht er nicht, den Leser unangemessene Erfolgsaussichten Glauben zu machen. Ich empfinde seinen Stil, ein Buch wie dieses zu schreiben, als sehr angenehm.
An verschiedenen Stellen setzt er ein besonderes stilistisches Mittel ein. Dort geht es dann um Aspekte von einer gehobenen Bedeutung. Er stellt jeweils eine direkte Frage, die er auch entsprechend als solche kennzeichnet, und beantwortet sie sogleich. Damit hebt er die Aufmerksamkeit des Lesers für diese Problematik und verleitet seiner Einschätzung dazu ein höheres Gewicht.
Insgesamt ist der Schreibstil des Autors außerordentlich erfrischend. Es wird nie langweilig oder gar einschläfernd, im Gegenteil. Unter einem anderen Aspekt folgen hierzu an späterer Stelle dieser Rezension noch ein paar ergänzende Worte.
Wenn wir nun einen Blick auf die Inhalte werfen, werden Sie feststellen, dass sich "Das sizilianische Flügelgambit" auf die Antwort 3…d5 im dritten Zug konzentriert. Dies ist die wichtigste schwarze Fortsetzung. Für Abweichungen von dieser Linie ist ein Folgeband geplant.
Die Theorie verteilt sich über 14 Kapitel. Unter Weglassen der Seitenzahlen hat das Inhaltsverzeichnis insoweit das folgende Gesicht:
Einleitung: 3…d5
Kapitel 1: 4…Sf6
Kapitel 2: 5…Lg4?!
Kapitel 3: 5…e6!?
Kapitel 4: Einleitung 6.c4!
Kapitel 5: 6.c4 bxc3?
Kapitel 6: 6.c4 De4+?!
Kapitel 7: 6.c4 Sa5!?
Kapitel 8: 6.c4 Dd8!?
Kapitel 9: 6.c4 Dd6?!
Kapitel 10: Ablehnung des Nanu-Gambits
Kapitel 11: Nanu-Gambit 12…Df4!?
Kapitel 12: 12…Sc6
Kapitel 13: 12…Kf8
Kapitel 14: Annahme mit 11…Se7.
Etwas gewöhnungsbedürftig, dann aber sehr hilfreich für die Orientierung im Werk ist eine besondere Form, die Hierarchie von Varianten visuell zu unterscheiden. Varianten erster Ordnung erscheinen normalschriftlich, aber in eckigen Klammern, während jene zweiter und dritter Ordnung mit unterschiedlichen Texthintergründen kenntlich gemacht sind. So erkennt der Leser auf einen ersten schnellen Blick, in welcher Tiefe der theoretischen Betrachtung er sich befindet bzw. wohin die kommende Erörterung führt.
Da "Das sizilianische Flügelgambit" mit seinen 124 Seiten nicht allzu dick ist, lässt es sich mittels des Inhaltsverzeichnisses noch gut im Werk zurechtfinden. Ich hätte mir dennoch ein Variantenverzeichnis gewünscht, das den Service noch weiter erhöht und dem Leser ein besseres Navigieren über die Buchinhalte hinweg erlaubt hätte.
Vorbildlich ist wieder die Fertigung des Buches. Es ist gebunden, trägt einen festen Einband und auch auf das für die Bücher aus dem Joachim Beyer Verlag / Verlag Ullrich obligatorische Lesebändchen muss der Leser nicht verzichten.
Und nun noch die oben angekündigten ergänzenden Worte zum Stil des Buches: Mir gefällt an ihm, wie es "insgesamt rüberkommt". Schmücker schreibt unbefangen und selbstbewusst. Und da muss mir niemand mit einem abwertenden Argument kommen, er sei kein Großmeister usw. Das Flügelgambit wird nie eine Rakete im Welt-Spitzenschach werden. Das weiß Schmücker genauso gut wie jeder andere auch. Und wenn dann ein engagierter und erfahrener Amateurspieler (Schmücker hat aktuell eine DWZ von 2216 und eine Elo von 2259) mit guter Fachkenntnis sich einer Eröffnung widmet, die im Amateurschach ihre Bühne findet, dann ist dies logisch und genau der richtige Schritt, ein qualifiziertes Eröffnungsbuch zu schreiben. In der VHS unterrichten auch keine Hochschulprofessoren, um die Kursteilnehmer in die Kunst der süditalienischen Küche einzuweihen, und trotzdem kommt eine richtig gute Veranstaltung dabei heraus. Und selbst kochen können die Teilnehmer hinterher dann auch.
"Das sizilianische Flügelgambit" ist allein an seiner (inhaltlichen) Qualität zu bewerten und nicht an irgendwelchen fehlenden Meriten im Welt-Spitzenschach. Als Autor hat Schmücker mit "Das sizilianische Flügelgambit" eine Lücke in der Eröffnungsliteratur richtig gut gefüllt. Wenn der avisierte zweite Teil auch noch so gut wird, dann ist ein weißes Repertoire mit dem Sizilianischen Flügelgambit in jeder Beziehung rund.
Fazit: "Das sizilianische Flügelgambit" ist eine klare Kaufempfehlung an den Spieler, der sich mit Weiß nicht vom Gegner in die Tiefe der Sizilianischen Verteidigung ziehen lassen will, sondern diesen im Gambitstil so früh wie möglich zu einer eigenständigen Partieführung zu zwingen trachtet. Das Werk präpariert Weiß optimal für den gegnerischen Hauptzug 3…d5, ist aber auch für Schwarz in beinahe gleichwertiger Weise von Nutzen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachversand Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Endspieltheorie und -praxis
Max Euwe
Endspieltheorie und -praxis
221 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-940417-46-6
19,80 Euro
Endspieltheorie und -praxis
Kein Spieler mit einer Mindestportion an Ehrgeiz kommt ohne ein ordentliches Endspielwissen aus. Für den Hausgebrauch und die Fertigkeiten im einfachen Klubbereich reichen Allrounder unter der Endspielliteratur aus, um diese Kenntnisse zu vermitteln, in höheren Sphären und auch im Fernschach darf es darüber hinaus dann auch etwas mehr sein, auch unter Spezialisierung auf bestimmte Arten von Endspielen.
Eine gute Adresse für den aufstrebenden Spieler, der die grundlegenden Prinzipien, Pläne und Techniken für das Endspiel in einer kompakten Form erlernen möchte, ist das Werk "Endspieltheorie und -praxis" von Max Euwe. Dieser Klassiker aus dem Jahre 1983 ist jüngst im Joachim Beyer Verlag in einer 2. Auflage und als Imprint des Schachverlag Ullrich wieder neu auf den Markt gekommen. Das Buch enthält alles, was man als noch wenig erfahrener Spieler braucht, um die Endspielführung von Grund auf zu erlernen. Gerade soviel, wie der Spieler benötigt, um in den gängigsten Endspielen in ihren Grundformen bestehen zu können, findet er darin vor. Nach der konzentrierten Arbeit mit dem Buch wird der Spieler wissen, wie in welcher grundlegenden Endspielsituation er zu spielen hat, um welche mindestens grundsätzlichen Gewinn- oder Remisaussichten zu realisieren. Er wird konkret die richtigen Pläne finden und die Techniken beherrschen, die für deren Umsetzung erforderlich sind.
Sicher interessant ist Euwes Kategorisierung der Endspiele in "theoretische Endspiele", "halb-theoretische Endspiele" und "praktische Endspiele". Diese unterscheidet er nach dem Umfang der Klärung und Ausarbeitung. Ist ein Endspiel vollständig ausgearbeitet, damals noch nach der Einschätzung des Standes der theoretischen Arbeit, dann rechnet er es den theoretischen Endspielen zu. Halb-theoretisch sind solche Endspiele, die quasi am Rand eines theoretischen Endspiels wandeln und jederzeit darin übergehen können. Ein praktisches Endspiel ist noch nicht abschließend hinsichtlich der tatsächlichen Chancen und der Wege zur Realisierung geklärt. Der Spieler behält aber den möglichen Übergang in ein theoretisches oder halb-theoretisches Endspiel im Auge.
Euwe konnte damals sicher nicht absehen, wie aktuell seine Überlegungen auch im Zeitalter der Computer und der Tablebases noch sein würden, an die seine Klassifizierung im Kern stark erinnert. Gerade aus der Sicht des modernen Fernschachspielers, der im Endspiel seiner laufenden Partie ständig den Bezug zu den Tablebases hält, ist die Unterscheidung nach der Klärung des Endspiels ein Element der Praxis.
Mit den theoretischen Endspielen lassen sich heute die in den Tablebases bis zu den 6-Steinern und teilweise den 7-Steinern enthaltenen Stellungen erfassen. Die halb-theoretischen Endspiele sind dann jene, die aufgrund der geringen Zahl der verbliebenen Steine und/oder der genau berechenbaren Wege in zukünftige Stellungen (mit weniger Material) den Inhalten der Tablebases nahe sind, aber eben noch nicht die Aufnahme darin gefunden haben. Der Spieler trachtet danach, auch unter dem Einsatz von Engines, eine günstige Tablebases-Stellung zu erreichen, indem er eine Partiestellung entsprechend abwickelt. Und die "praktischen Endspiele" lassen noch eine gewisse Nähe zum Mittelspiel erkennen.
Euwe behandelt im Sinne der Wissensvermittlung allein die "theoretischen Endspiele". Mit ihnen kann der lernende Spieler ohnehin am besten arbeiten, da sie die wesentlichen Elemente der Endspielführung enthalten und übersichtlich genug sind. Als Beispiel und zur Klärung bestimmter Richtlinien, wie er sich ausdrückt, hat er aber auch "praktische Endspiele" aufgenommen und dem jeweils behandelten Thema zugeordnet.
"Endspieltheorie und -praxis" enthält insgesamt 10 Kapitel mit den folgenden Überschriften/Themen:
Das Mattsetzen des alleinigen Königs
Bauernendspiele
Endspiele ohne Bauern
Figur gegen einen oder mehrere Bauern
Figuren und Bauern gegen Figuren
Turm und Bauer gegen Turm
Die übrigen Turmendspiele
Damenendspiele
Endspiele mit leichten Figuren
Die Qualität.
Je nach Breite des Materials sind die Kapitel bisweilen in eine bzw. sogar zwei weitere Ebenen untergliedert. Am Beispiel des 6. Kapitels ergibt sich das folgende Bild:
Kapitel 6: Turm und Bauer gegen Turm
A. Verteidigender König vor dem Bauern
B. Verteidigender König seitlich zum Bauern
1. Bauer auf der 7. Reihe
2. Bauer auf der 6. Reihe
3. Bauer auf der 4 oder 5 Reihe
C. Verteidigender König ist abgeschnitten
D. Turm und Randbauer gegen Turm.
Euwe gilt als Meister der Ordnung. Die Berechtigung dieses Titels unterstreicht er auch mit dem vorliegenden Werk. Es ist mustergültig strukturiert.
Seine Ausführungen sind nüchtern und sachlich. Er beschränkt sich vollständig auf das, was im Mindestmaß zu einem Endspiel und dessen Spielführung zu sagen ist. Wer also unterhaltende Prosa sucht, wird nicht fündig.
Wenn ein Klassiker zur Endspielführung neu aufgelegt wird, stellt sich natürlich die interessante Frage, ob die Spielführung einer Überprüfung anhand der Tablebases standhält. In einer anderen Rezension habe ich den Schätzwert von drei bis fünf Prozent gelesen, die deren Verfasser für die Fehlerquote ansetzt. Ich habe den Verfasser über seine Besprechungen als sehr sorgfältig arbeitenden Rezensenten kennen gelernt. Deshalb setze ich Vertrauen auf seinen Schätzwert.
Für "Endspieltheorie und -praxis" möchte ich die Bedeutung einer Fehlerquote allerdings stark reduzieren, wenn sie aussagen soll, ob in einer Zugfolge der kürzeste Weg zum Ergebnis gefunden worden ist oder vielleicht sogar ein Zug in dieser Kette fehlerhaft ist. Ähnlich sehe ich es sogar dann, wenn im Einzelfall und damit für eine ganz konkrete Beispielstellung das Potenzial falsch eingeschätzt sein sollte, also beispielsweise eine Stellung nach der Angabe des Autors gewonnen sein soll, wenn heute nach dem Ergebnis der Tablebases nur ein Remis erreicht werden kann, das beste Spiel der anderen Partei vorausgesetzt. Ein paar kurze Worte zur Begründung: Euwe vermittelt Prinzipien, Pläne, Techniken etc. Er arbeitet die für eine Stellungseinschätzung wichtigen und maßgeblichen Faktoren heraus. Diese müssen passen, hierbei darf kein Fehler gemacht worden sein. Ob aber Fehler beispielsweise in einer Variante gemacht worden sind, spielt nicht wirklich eine Rolle. Wenn dies passiert sein sollte, wird der Leser dies bei Interesse schlicht den Tablebases entnehmen können. Trotz eines eventuellen Fehlers dieser Art behalten Euwes generelle Ausführungen ihre volle Gültigkeit.
Ich habe keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden, dass "Endspieltheorie und -praxis" Fehler enthalten könnte, die sich auf die generellen und damit wichtigen Angaben im Werk beziehen.
Erfreulich ist, dass mit "Endspieltheorie und -praxis" ein sehr gutes Endspielbuch wieder in deutscher Sprache mit einer aktuellen Ausgabe verfügbar geworden ist.
Fazit: "Endspieltheorie und -praxis" ist ein sehr guter Kompaktkurs zur Endspielführung. Besonders geeignet ist das Buch für den Spieler, der sich mit einem begrenzten zeitlichen Aufwand ein fundiertes und auf die grundlegenden Aspekte konzentriertes Endspielwissen verschaffen möchte. Mindestens bis zum Leistungsniveau des schon recht guten Klubspielers ist es ohne Zweifel gut geeignet.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachversand Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Perlen aus meinem Schachtagebuch
Milan Novkovic
Perlen aus meinem Schachtagebuch
272 Seiten, gebunden mit Lesebändchen und CD
ISBN: 978-3-940417-60-2
27,95 Euro
Perlen aus meinem Schachtagebuch (eine Gastrezension von Michael Paap)
Der in Österreich ansässige IM und A-Trainer Milan Novkovic dürfte hierzulande nur wenigen Schachinteressierten bekannt sein. In der renommierten Edition des Joachim Beyer Verlags erschien kürzlich sein erstes Buch mit dem Titel "Perlen aus meinem Schachtagebuch".
Dieses "Schachtagebuch" kombiniert in reizvoller und origineller Weise Biographie, Partiesammlung und Chronik. Der Autor schildert seinen persönlichen, schachlichen und beruflichen Werdegang zwischen 1981 und 2012, die Entwicklung des schachbegeisterten und talentierten Jugendlichen zum Internationalen Meister, der an Europapokal-Wettbewerben und Schacholympiaden teilnimmt.
Sein Lebensweg vollzog sich nicht nur im Sinne einer individuellen Karriere, sondern hatte auch eine räumliche Dimension. Novkovic, geboren 1966 in Banja Luka (Bosnien-Herzegowina), verließ aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung im damaligen Jugoslawien seine Heimat Ende der 80er Jahre und ließ sich in Österreich nieder. Hier wurden Vereine sehr schnell auf den talentierten jungen Mann aufmerksam und verpflichteten ihn für ihre Teams. Engagements in Deutschland und der Schweiz folgten.
Als "Wegmarken" oder "Kilometersteine" fungieren 128 Schachpartien, die der Autor in der Mehrzahl fragmentarisch, mit den entscheidenden Wendepunkten, wiedergibt. Die kompletten Spielverläufe lassen sich mit Hilfe der beigefügten CD verfolgen.
Hauptsächlich führt der Autor eigene Partien an, aber auch Spiele von Mannschaftskameraden, Schülern o.a., die er bei verschiedenen Gelegenheiten verfolgte und die ihm interessant und mitteilenswert erscheinen. Wie der Leser bald bemerkt, wird hochklassiges Schach nicht nur bei der Wettkämpfen und Turnieren der Supergroßmeister, sondern auch andernorts gespielt.
Bei der Kommentierung setzt der Autor nicht auf lange Varianten, sondern versucht die verschiedenen Pläne und Absichten der Kontrahenten beschreibend zu erfassen und dem Leser zu vermitteln. Hierbei fällt seine erfrischende Ehrlichkeit auf. Novkovic gibt sich nicht als Allwissender, sondern scheut sich durchaus nicht, eigene Fehleinschätzungen offen zuzugeben.
Als aufmerksamer Beobachter fängt er das Drumherum der jeweiligen Veranstaltung geschickt ein, sodass der Leser einen Eindruck von der Atmosphäre des Turnieres oder Mannschaftskampfes gewinnt. Da der Autor, wie erwähnt, für Vereine in verschiedenen Ländern tätig war, gewinnt der Leser auch Einblicke in die jeweiligen Schachszenen.
Hervorzuheben ist, dass sich der Autor bemüht, seine Erfahrungen weiterzugeben. Eingestreut in das "Schachtagebuch" finden sich nützliche Hinweise für das Studium von Eröffnungen, den Aufbau eines Trainingsplans u.a.m.
Insgesamt gesehen, ist Milan Novkovic ein sehr reizvolles Buch gelungen. Es bietet neben interessanten Partien und nützlichen Tipps Einblicke in der Schachszene unterhalb der Elite, ein Bereich, der möglicherweise nicht immer ausreichend Beachtung in der Schachpublizistik findet. Gleichzeitig schildert es ein neuzeitliches Emigrantenschicksal, das durch wirtschaftliche und politische Einflüsse erzwungene Verlassen der Heimat und die Gründung einer neuen Existenz in der Fremde, bei der sich das Schachspiel als sehr hilfreich erwiesen hat.
(Michael Paap)
The Leningrad Dutch
Vladimir Malaniuk, Petr Marusenko
The Leningrad Dutch
312 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-99-9
24,95 Euro
The Leningrad Dutch
Vladimir Malaniuk und Petr Marusenko ist das für die Neuerscheinung "The Leningrad Dutch" mit dem Untertitel "An Aktive Repertoire against 1.d4, 1.c4, 1.Sf3" verantwortliche Autorenduo. Das Werk ist kürzlich im bulgarischen Verlag Chess Stars erschienen. GM Malaniuk aus der Ukraine ist als Spitzenspieler im Weltschach bekannt, Petr Marusenko ist IM und arbeitet (auch) als Journalist.
"The Leningrad Dutch" ist ein aus der Sicht von Schwarz verfasstes Repertoirebuch, das den Nachziehenden komplett gegen die og. weißen Anfangszüge rüsten soll. Kernstück des Repertoires ist, wie der Titel schon sagt, die Leningrader Verteidigung, die in ihrer "reinen" Form über die Anfangszüge 1. d4 f5 2. c4 Sf6 3. g3 g6 4. Lg2 Lg7 auf das Brett kommt. Die Fianchettierung des schwarzen Königsläufers ist ein wichtiges Merkmal. Soweit andere Holländisch-Varianten behandelt werden, dient dies der Absicherung des Repertoires, reagiert also auf solche weißen Abspiele, die einen Aufbau nach der Leningrader Variante nicht erlauben.
Das Werk ist klassisch als Eröffnungsbuch aufgebaut und weicht auch von einem für Chess Stars typischen Buchaufbau ab, der den Stoff in drei Schritten, die sich nach der Tiefe des Einstiegs in das Material unterscheiden, aufbereitet. Hier aber gibt es innerhalb eines Kapitels zunächst eine kurze Einleitung, der die Erörterung der Theorie sogleich folgt. An Partien aus der Meisterpraxis, von denen sich insgesamt 67 über das gesamte Buch verteilen, wird dann der Einsatz auf der Turnierbühne illustriert. Die Partien erweitern zugleich das Spektrum des behandelten Stoffes auf zum Teil sehr spezifische Wege.
Der Leser findet insgesamt 16 Kapitel vor, die sich übergeordnet über drei Abschnitte bzw. Teile erstrecken. So hat das Inhaltsverzeichnis in einer sinngemäßen deutschen Übersetzung und ohne Seitenzahlen das folgende Aussehen:
Teil 1. Holländisch
1.d4 f5
1. 2.e3; 2.Dd3; 2.Lf4; 2.Lg5; 2.Sc3
2. 2.g4 fxg4
3. 2.e4 fxe4
4. 2.c4 Sf6 3.Lg5; 3.Sc3
5. 2.Sf3 Sf6 Seltene Linien; 3.Lf4; 3.Sc3; 3.Lg5; 3.c4
6. 2.g3 Sf6 3.Lg2 g6 4.Sh3; 4.c4; 4.c3
7. 2.Sf3 Sf6 3.g3 g6 4.c4 Lg7 5.b4; 4.Lg2 Lg7 5.0-0 0-0 6.b4; 6.c4 d6 7.b4
8. 2.g3 Sf6 3.Lg2 g6 4.b3; 2.Sf3 Sf6 3.b3; 3.c4 g6 4.b3; 3.g3 g6 4.Lg2 Lg7 5.b3
9. Weiße Abweichungen von der Leningrader Variante
2.c4 Sf6 3.Sc3 g6 4.g3 Lg7 5.Lg2 0-0 6.Sf3 d6
2.c4 Sf6 3.g3 g6 4.Lg2 Lg7 5.Sf3 0-0 6.0-0 d6
Die Leningrader Variante
1.d4 f5 2.g3 Sf6 3.Lg2 g6 4.Sf3 Lg7 5.0-0 0-0 6.c4 d6 7.Sc3 De8
10. Seltene Linien; 8.Sd5 Sxd5
11. 8.Te1 Df7
12. 8.b3 e5
13. 8.d5 a5
Teil 2. Reti gegen Holländisch
1.Sf3 f5
14. 2.e4; 2.b3; 2.d3; 2.g3
Teil 3. Holländisch gegen 1.c4
1.c4 f5
15. 2.Sf3 Sf6 3.Sc3; 3.g3
16. Seltene Linien; 2.Sc3 Sf6
Im Vorwort erklären die Autoren, dass der Leser mit "The Leningrad Dutch" nicht in einer Weise umgehen soll, dass er sich die Fülle des Stoffes einzuprägen versucht. Er soll sich vielmehr an die Hauptlinien halten. Sie bezwecken damit, dass der Leser das System im Sinne von begreifen erlernt. Als Voraussetzung sehe ich dafür eine ausreichende Darstellung der Pläne für beide Seiten an. Und wenn man spezifisch darauf achtet, stellt man fest, dass Malaniuk und Marusenko tatsächlich einen Schwerpunkt auf die strategischen Aspekte gelegt haben. Immer wieder thematisieren sie, welche Werte sich für den Spieler eröffnen, welche er anstreben kann oder sollte und wie er sein Spiel dementsprechend anlegen kann. In diesem Punkt ist "The Leningrad Dutch" nach meiner Einschätzung überdurchschnittlich gelungen. Als Hauptlinien bezeichnen die Autoren jene, die von den Spitzenspielern angewendet werden. Inwieweit sie diese zutreffend als Rückgrat für ihre Betrachtungen ausgewählt haben, habe ich nicht geprüft.
Noch ein Wort zu den Ergänzungspartien: Diese sind ganz überwiegend in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts gespielt worden bis in die ersten Jahre nach 2000. Sie sind also teilweise etwas betagt, was ihre Bedeutung für die Darstellung der Theorie aber nicht schmälern sollte. Die Kommentierung beschränkt sich nicht auf den Bereich der Eröffnung und des beginnenden Mittelspiels, sondern bezieht den kompletten Spielverlauf ein. Insofern erinnert die Darstellung bisweilen an Partien, die in der laufenden Schachpresse zu finden sind, nur dass sie in der Kommentierung eben auch einen besonderen Blick auf jeweils eine bestimmte Eröffnungssituation werfen.
Ein ausreichend ausführliches Variantenverzeichnis schließt das Werk ab.
Die Buchsprache Englisch stellt keine bemerkenswerten Ansprüche an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers.
Fazit: "The Leningrad Dutch" ist ein gelungenes Repertoirebuch, geschrieben vom ausgewiesenen Experten Malaniuk und dessen journalistisch geschulten Co-Autor Marusenko. Es nimmt die Warte des Nachziehenden ein und rüstet diesen umfassend. Besonders zu gefallen vermag das Werk wegen seiner ausführlichen Darstellung jeweils der Spielpläne.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Modernized: The King's Indian Defense
Dejan Bojkov
Modernized: The King's Indian Defense
365 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-0-9856281-0-0
18,99 Euro
Modernized: The King's Indian Defense
"Modernized: The King's Indian Defense" aus der Feder des bulgarischen Großmeisters Dejan Bojkov ist eine Neuerscheinung aus den USA, wie man schon an der Schreibweise von "Defense" (mit s statt mit c, wie es der britischen Schreibweise entspräche) erkennen kann. Erschienen ist es bei Metropolitan Chess Publishing.
Das Werk ist nicht leicht zu rezensieren, weil es nicht ganz exakt dem einen oder anderen Genre von Eröffnungsbüchern zugeordnet werden kann, indem es passagenweise wechselnde Merkmale aufweist. Eine Zuordnung nach reduziert grundsätzlichen Maßstäben weist es aber als Repertoirebuch aus. Auch die variierende Tiefe der Analysen und in der Folge die unterschiedlichen Anforderungen an den Leser erschweren Aussagen in Bezug auf das Werk als Ganzes.
Zunächst zum Inhalt: "Modernized: The King's Indian Defense" enthält sechs Kapitel mit den folgenden Themen:
1. The Classical Variation
1a The Flexibility in the Classical Variation
1b The Glicoric System
1c The Exchange System
1d The Petrosian System
2. The Samisch Variation
3. The Four Pawns Attack
4. The Averbakh System
5. The Bagirov Line
6. The Fianchetto System.
Basis aller Erörterungen zur Königsindischen Verteidigung sind aktuelle Partien aus der Meisterpraxis, hilfsweise kommen auch Fragmente zum Einsatz. Wenn eine Partie ausnahmsweise etwas älter ist, erklärt Bojkov dies damit, dass sich seitdem in der theoretischen Diskussion nichts wesentlich Neues mehr ergeben hat.
Bojkov liebt die Königsindische Verteidigung, wie er schreibt, und sein Enthusiasmus wird hin und wieder auch sehr deutlich. Obwohl ich gezielt darauf geachtet habe, ist mir dennoch keine Stelle aufgefallen, wo hierdurch die objektive Einschätzung der Situation auf dem Brett erkennbar zu kurz gekommen sein könnte. Er wirbt für "seine" Eröffnung, bleibt aber auf dem Boden der Tatsachen.
Wichtig ist eine fundierte Einschätzung, für welchen Spieler "Modernized: The King's Indian Defense" das richtige Buch ist. Bojkov erklärt sehr gut, setzt aber überwiegend auf einem hohen Niveau ein. So beschreibt er beispielsweise auch die Pläne, denen die Partie folgt, für deren Verständnis der Leser aber bereits eigene Fertigkeiten mitbringen muss.
Es gibt Passagen, in denen Analysen/Varianten deutlich dominieren. Dem herkömmlichen Turnierspieler werden sie einen nur eingeschränkten Gewinn bringen, für den Spieler im oberen Leistungsbereich und auch für den Fernschachspieler sieht dies anders aus. Sie werden mit einem breit gefächerten Material ausgestattet. So versuche ich mal anhand der Anforderungen an den Leser zu definieren, wie ich den Adressatenkreis des Werkes einschätze: 1. Der Leser sollte über eine hohe allgemeine Spielstärke verfügen. 2. Er sollte die Königsindische Verteidigung möglichst schon im Repertoire haben, eine gesicherte eigene Erfahrung wäre auf jeden Fall von Vorteil. 3. Er muss englische Fremdsprachkenntnisse haben, die aber schon ausreichen, wenn er sie auf Schulniveau präsent hat.
Für den Fernschachspieler gelten die Anforderungen zu 1. und 2. nur eingeschränkt, da er das Werk seine eigene Partie begleitend einsetzen kann. Unter den Bedingungen des Fernschachspiels ist "Modernized: The King's Indian Defense" eine Quelle, die den Spieler auf jeden Fall in die Lage versetzt, gut in die Partie zu kommen.
Natürlich möchte ich niemanden, der die vorstehend von mir formulierten Anforderungen nicht erfüllt, vom Kauf abhalten. Nur sollte er wissen, dass "Modernized: The King's Indian Defense" für ihn eine Herausforderung sein wird.
Zwei Gedanken möchte ich noch anfügen: Ich gehe davon aus, dass dieses Werk in unserem Raum weniger Verbreitung finden wird als Bücher aus europäischen Verlagshäusern, zumal zum Königsinder in den letzten Jahren sehr viel Neues auf den Markt gekommen ist. Dies lässt die Vermutung zu, dass die eine oder andere fundierte Empfehlung darin weniger Verbreitung gefunden hat, wenn man die entsprechende Stellung auf dem Brett vorfindet. Vielleicht ist so ein Überraschen des einen oder anderen Gegenübers möglich. Überprüfen konnte ich das Werk darauf natürlich nicht, so muss es bei einem Gedanken dazu bleiben, der sich allerdings zusätzlich darauf stützt, dass Bojkov einige Neuerungen anbietet.
"Modernized: The King's Indian Defense" ist recht unterhaltsam geschrieben. Der Leser bekommt also inhaltlich "schwere Kost" auf einem nett hergerichteten Tisch.
Mit sogenannten "Memory Markers", Diagramme zu Schlüsselstellungen mit einer kurzen ergänzenden Info, versucht Bojkov das Gedächtnis des Spielers zu fordern. Er soll sich diese Stellungen merken und damit auch deren Behandlung an der Stelle im Text, wo es zu ihr gekommen ist. Damit gibt er dem Leser ein qualifiziertes Werkzeug an die Hand. Er wird davon profitieren können, eine ausreichendes eigenes Leistungsniveau vorausgesetzt.
Gleiches gilt für Übungsaufgaben, deren Lösungen der Leser gesammelt im hinteren Bereich des Buches findet.
Auf den letzten Seiten findet sich ein Variantenverzeichnis, das ich als vorbildlich detailliert ansehe. Den maßgeblichen Weichenstellungen ist jeweils auch ein Diagramm gewidmet.
Fazit: "Modernized: The King's Indian Defense" ist ein sehr qualifiziertes (Repertoire-) Buch zur Königsindischen Verteidigung, das ich vor allem dem leistungsstarken und zum System erfahrenen Spieler wie auch dem Fernschachspieler zum Kauf empfehlen kann.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
the Fianchetto System
Damian Lemos
the Fianchetto System
176 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-160-7
19,50 Euro
the Fianchetto System
"the Fianchetto System" von Damian Lemos, jüngst erschienen bei Everyman Chess, ist ein Buch, bei dem man zunächst den Adressatenkreis klären muss, um es angemessen besprechen zu können. In der Hand des "richtigen" Spielers ist es ein Spezialwerk von hoher inhaltlicher Qualität, der "falsche" Spieler würde nicht viel damit anfangen können und dürfte eher enttäuscht werden. Ob "richtig" oder "falsch" entscheidet sich über die Spielstärke und die Kenntnisbreite des Lesers. "the Fianchetto System" setzt bereits ein erhebliches Leistungsvermögen und vor allem auch ein gutes allgemeines Wissen zur Königsindischen und zur Grünfeldindischen Verteidigung voraus, Letzteres auch zu den grundlegenden Merkmalen und Spielweisen der beiden Systeme. Die Inhalte des neuen Werkes lassen sich dann quasi "anflanschen" und entfalten so ihren Nutzen.
Lemos ist ein junger argentinischer Großmeister, der mit "the Fianchetto System" ein Repertoire auf der Basis einer Fianchettostellung des weißen Königs auf dessen Flügel vorstellt. Er greift dabei auch auf seine eigenen Erfahrungen mit dem System zurück. Er spielt es als Weißer und hat, wie er bekennt, als Spieler mit Schwarz in beiden Eröffnungen immer dann die größten Schwierigkeiten, wenn sein Gegner nach dem Muster des Buches fianchettiert.
Der Charme des Systems beruht u.a. auch darauf, dass man es gegen beide "großen Inder" anwenden kann.
Das Werk beinhaltet insgesamt sechs Kapitel mit den folgenden Themen:
The Symmetrical English Transposition
The Grünfeld without ...c6
The Grünfeld with ...c6
The King's Indian: ...Sc6 and Panno Variation
The King's Indian: ...d6 and ...c6
The King's Indian: ...Sbd7 and ...e5.
Lemos verzichtet auf beinahe alle allgemeinen Ausführungen zu den beiden Verteidigungssystemen und beschränkt sich so auf seine "Spezialinhalte". Welche jeweilige Philosophie hinter dem System steckt, die strategische Grundausrichtung, allgemeine Handlungserfordernisse, typische Bauernstrukturen etc. thematisiert er nicht. Der starke Spieler braucht solche Ausführungen auch nicht, ein Grund für meine Definition des Adressatenkreises oben. Lediglich einzelne Kapitel werden theoretisch kurz eingeführt, bevor die jeweiligen Kerninhalte besprochen werden. So stellt Lemos sicher, dass sein Leser, der über die vorausgesetzte Erfahrung und Spielstärke verfügt, Theorie pur erhält.
Sein Repertoire stellt Lemos über insgesamt 49 kommentierte Partien vor. Diese sind überwiegend in den jüngsten Jahren gespielt worden, in einer geringen Zahl auch in den 90ern des vergangenen Jahrhunderts, zurück bis 1990. Die Auswahl nehme ich als gelungen wahr, sie deckt über Beispiele aus der Meisterpraxis neue und bewährte Aufbaumethoden ab.
Wie üblich sind die Partien über Züge und Abspiele quasi miteinander verlinkt, sodass sich der Leser innerhalb eines Kapitels von einer Partie in die nächste hangelt, wenn er im gerade behandelten Spiel auf eine Abweichung trifft, die in einer Folgepartie zum Einsatz gekommen ist und deshalb darin behandelt wird.
Die Kommentierung inklusive der Analysen konzentriert sich auf die Eröffnungsphase, so wie es auch sein sollte. Teilweise gehen die Analysen sehr tief. Gut gefällt mir, dass auch noch die restlichen Züge der Partie angegeben werden. Dies erfolgt teilweise ganz ohne Kommentierung, was ich als richtige Entscheidung ansehe, immer aber sieht der Leser auch die Auswirkungen der Eröffnung bis ins Finale der Partie.
Ein qualifiziertes Variantenverzeichnis am Ende des Werkes hilft dabei, sich nicht nur innerhalb eines Kapitels und damit partienübergreifend zu orientieren, sondern auch über die Kapitel und damit Systeme hinweg. Es ist um Diagramme bereichert, sodass die wesentlichen Weichenstellungen visualisiert und nicht nur textlich erfasst werden können.
Lemos hat das Repertoire aus der Sicht von Weiß gestaltet, aber auch der Nachziehende kann gut mit diesem Werk arbeiten. Im Unterschied zum Weißspieler findet er nur ggf. nicht alle Abspiele für den Gegner vor, die beispielsweise in einer Monografie aus sachlichen Gründen behandelt werden müssten.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind niedrig.
Fazit: Ich empfehle "the Fianchetto System" dem Spieler zum Kauf, der die folgenden Voraussetzungen mitbringt:
1. Er verfügt über gesicherte Kenntnisse grundsätzlicher Natur zur Königsindischen und zur Grünfeldindischen Verteidigung.
2. Er hat eine bereits bemerkenswerte Spielstärke erreicht und möglichst schon gesicherte eigene Erfahrungen zu beiden Eröffnungssystemen gesammelt.
Für diesen Spieler ist "the Fianchetto System" ein Spezialwerk, das ihm auf hohem Niveau Zugang zu einem ausgeklügelten System verschafft, welches beide Eröffnungen übergreifend eingesetzt werden kann.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
A Practical Repertoire with 1.d4 and 2.c4, Volume 3, The Nimzo-Indian and Other Defences
Alexei Kornev
A Practical Repertoire with 1.d4 and 2.c4, Volume 3, The Nimzo-Indian and Other Defences
400 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-98-2
24,95 Euro
A Practical Repertoire with 1.d4 and 2.c4, Volume 3, The Nimzo-Indian and Other Defences
Mit "Volume 3: The Nimzo-Indian and Other Defences" schließt Alexei Kornev seine im bulgarischen Chess Stars-Verlag erschienene Trilogie "A Practical White Repertoire with 1.d4 and 2.c4" ab. Dieses Buch vervollständigt somit die Reihe, ist aus meiner Sicht aber auch als Einzelwerk von Nutzen, da es das Repertoire auch hinsichtlich von seltenen Abweichungen "rund" macht. Ein Spieler, der sich im Bereich der "großen Systeme" wie Königsindisch oder Grünfeld-Indisch gut ausgestattet sieht und deshalb auf den Kauf der beiden ersten Bände verzichtet, kann mit "Volume 3: The Nimzo-Indian and Other Defences" auch in Ergänzung mit den Werken anderer Autoren sicherstellen, dass er von seinem Gegner nicht durch die Wahl seltener gespielter Eröffnungen aus seinem Repertoire gehebelt werden kann.
"A Practical White Repertoire with 1.d4 and 2.c4, Volume 3: The Nimzo-Indian and Other Defences" enthält fünf Abschnitte, über die sich insgesamt 25 Kapitel verteilen. Mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, sich einen vollen Überblick über die Inhalte des Werkes im Netz zu verschaffen, beschränke ich mich auf die Bezeichnung der fünf Abschnitte und ausgewählte Informationen zu einzelnen Kapiteln.
Die fünf Abschnitte sind, bewusst in der Buchsprache Englisch:
1. Black tries seldom played moves after 1.d4
2. The Dutch
3. Black tries seldom played moves after 1.d4 Sf6 2.c4
4. The Benoni. The Volga Gambit
5. The Nimzo-Indian Defence. The Rubinstein System.
Im Abschnitt 1 möchte ich ein Schlaglicht auf das 5. Kapitel werfen. Hier behandelt Kornev die Keres-Verteidigung, die über die Züge 1.d4 e6 2.c4 Lb4+ auf das Brett kommt. Die Ausführungen sind sehr instruktiv und kommen zu dem Ergebnis, dass der Nachziehende seinem Gegner mit Weiß einige Probleme bereiten kann und es diesem nicht leicht fällt, einen Vorteil in der Eröffnungsphase herauszuarbeiten.
Apropos Ergebnis: Jedes Kapitel wird mit einer Zusammenfassung ("Conclusion") abgeschlossen, die einen schnellen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse des abgeschlossenen Kapitels gibt. Der Spieler, der sich noch in der Findungsphase zu Repertoireinhalten befindet, ist meines Erachtens durchaus gut beraten, wenn er jeweils gerade diese Zusammenfassung zuerst ansteuert.
Bei der Holländischen Verteidigung, Abschnitt 2, legt sich Kornev auf 2.Sc3 fest. Im 4. Abschnitt behandelt er u.a. auch das Tschechische Benoni. Den Nimzo-Inder im Abschnitt 5 untersucht er unter der Weichenstellung 4.e3, somit konzentriert auf die Möglichkeiten im Rubinstein-System.
Kornev erklärt viel, ohne aber auf Aspekte einzugehen, die für den Spieler im untersten Leistungsbereich wichtig sein dürften. So stelle ich fest, dass sich "A Practical White Repertoire with 1.d4 and 2.c4, Volume 3: The Nimzo-Indian and Other Defences" vor allem an den fortgeschrittenen Spieler wendet. Dieser aber erfährt viel, beispielsweise auch strategische Aspekte, taktische Besonderheiten in spezifischen Stellungen, Rückschlüsse aus statistischen Daten und manches mehr. Die Ausführungen vermitteln mir den Eindruck einer ausgewählten Sachlichkeit und der Professionalität.
Aufgefallen ist mir auch, dass er in einem weiten Rahmen Material aus der Fernschachpraxis verwendet hat, um Varianten zu zeigen, zumeist aus aktuellen Partien. Dies stärkt mein Vertrauen in die Stichhaltigkeit der Analysen, da ich unter wirklichkeitsnahen Ansätzen einfach die zumeist rechnergestützte Kontrolle in der jeweiligen Partie unterstelle. Zugleich ist dies aber auch eine hohe Anerkennung für das moderne Fernschachspiel in meinen Augen, dies ist aber ein anderes Feld.
In einer anderen Rezension habe ich gelesen, dass Kornev "dem völligen Fehlen eigener Idee riesiger Variantenberge entgegen setze, die kein Sterblicher verstehen geschweige denn nachvollziehen könne". Der Rezensent zweifelt auch die Relevanz für die Praxis ein. Ich habe mir das Werk deshalb auch ganz speziell noch einmal unter diesem Ansatz angeschaut. Im Ergebnis kann ich sagen, dass ich mit dem Verfasser nicht übereinstimme. "Riesige Variantenberge" sehe ich nicht, im Gegenteil. Wenn ich mir ein vermittelndes Bild zu machen versuche und Spitzen, die der Rezensent vielleicht vor Augen haben mag, mit dem regelmäßigen Erscheinungsbild ins Verhältnis setze, dann ist die Abbildung von Varianten für meinen Geschmack sehr angemessen. Durch die Brille des Fernschachspielers dürften es nicht bemerkenswert weniger Varianten sein, wenn das Werk für ihn nicht weniger wert sein soll. Zu bedenken bleibt auch, dass "A Practical White Repertoire with 1.d4 and 2.c4, Volume 3: The Nimzo-Indian and Other Defences" kein Buch für den Anfänger ist.
Weiter ist zu lesen, dass Kornev in einem weiten Maße exakt die gleichen Abspiele wie John Watson in seinem Buch "A Strategic Opening Repertoire for White" verwendet. Es ist auch als Quelle verzeichnet.
Ich habe das Zutreffen dieser Feststellung nicht prüfen können. Deshalb erwähne ich sie nur. Kornev setzt Varianten allerdings auch nach den Worten des genannten Rezensenten weiter fort.
Ein ausreichendes Variantenverzeichnis schließt das Werk ab.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind niedrig.
Fazit: "A Practical White Repertoire with 1.d4 and 2.c4, Volume 3: The Nimzo-Indian and Other Defences" ist eine gelungene Arbeit und damit eine Empfehlung für den Leser, der die Anfangsgründe des Schachspiels deutlich hinter sich gelassen hat. Es hat auch als Einzelwerk seinen Wert für den Leser, der aus bestimmten Gründen auf den Kauf der beiden Vorbände verzichtet.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Mein erstes Schachbuch
Kurt Richter, Jerzy Konikowski
Mein erstes Schachbuch
294 Seiten, gebunden, mit Lesebändchen
ISBN: 978-3-940417-52-7
24,80 Euro
Mein erstes Schachbuch
Schon kurz nachdem ich die Arbeit zur Vorbereitung der Rezension über "Mein erstes Schachbuch", Untertitel "Ein Ratgeber für (fortgeschrittene) Anfänger" aufgenommen hatte, war mir eines klar: Dieses Buch ist das ideale Geschenk, um einen Verwandten oder Bekannten das Schachspiel so richtig schmackhaft zu machen! Es ist als 13. Auflage, was an sich schon die Güte des Werkes unterstreicht, unter der Autorenschaft von Kurt Richter und Jerzy Konikowski als Imprint des Schachverlags Ullrich im Joachim Beyer Verlag erschienen.
Wenn ich schon mit der Eignung des Buches als Geschenk beginne, dann bleibe ich erst mal weiter beim Leser, für den es besonders gut geeignet ist, also beim Adressatenkreis. Früher lautete der Untertitel des Werkes auf "Ein Ratgeber für den Anfänger", die Ergänzung "(fortgeschrittenen)" wurde erst mit dieser Auflage hinzugefügt. Als Begründung ist zu lesen, dass manche Inhalte, die über die Auflagen hinweg hinzugekommen sind, reine Anfänger überfordern können. Diese Einschätzung teile ich, aber die Klammersetzung um "fortgeschrittene" halte ich für sehr wichtig. "Mein erstes Schachbuch" ist wie jeher weiterhin ein Lehrbuch von der Pike an und erlaubt, das Schachspiel ohne jegliche vorherige Kenntnisse zu erlernen. Nur ausgewählte Inhalte setzen schon ein wenig mehr voraus, und diese leichten Vorkenntnisse erlangt der Leser bereits über "Mein erstes Schachbuch" selbst.
"Mein erstes Schachbuch" zählt zu jenen Büchern, die so etwas wie eine Seele haben. 1946 erschien es als schmales Büchlein und mit Kurt Richter als alleinigem Autor. Spätere Auflagen wurden dann von anderen Autoren bearbeitet, vor allem von Rudolf Teschner und Jerzy Konikowski (ab der 10. Auflage 1998). Die neuen Autoren haben die Inhalte nicht nur auf Stand, also aktuell gehalten, sondern auch permanent Neues eingebracht. So sind aus ursprünglich 84 Seiten (steht im Buch, habe ich vorher nicht gewusst) inzwischen 294 Seiten geworden. Teschner und Konikowski haben dafür gesorgt, dass die Arbeit von Kurt Richter nach dessen Tod im Jahre 1969 erhalten und über die genannten Veränderungen hinaus weiter aufgewertet wurde, sehr zum Vorteil der Leserinnen und Leser.
Zu den Inhalten möchte ich keine umfänglichen Angaben in der Form einer Art Inhaltsverzeichnis machen. Stellen Sie sich vor, was ein gutes Anfängerbuch zum Schach haben sollte! "Mein erstes Schachbuch" hat es! Regeln, Zugmöglichkeiten, Mattbilder, Partien, Eröffnungswissen für den Anfänger, viel Wissenswertes um das Schachspiel als solches, Aufgabenstellungen und Lösungen, der (fortgeschrittene) Anfänger erhält das sprichwörtliche "Rundum-sorglos-Paket".
Wie hält man einen Neuling im Schach bei der Stange? Wie unterstützt man ihn dabei, mit einem Schachbuch zu arbeiten? Mit Humor und geistvollen Sprüchen! "Mein erstes Schachbuch" ist ein Paradebeispiel dafür, wie man ein Schachbuch unterhaltsam und auch fesselnd schreiben kann. Es ist gespickt mit Versen, Sprüchen und Anekdoten, von Wilhelm Busch bis Savielly Tartakower. Ich habe mich dabei ertappt, dass ich genau diese als erstes vollständig lesen wollte und deshalb das Buch in schneller Folge durchgeblättert habe. Schach und geistvoller Witz - so erlernt man das Schachspiel mit Spaß und gut gelaunt.
Ich wünsche und prophezeie "Mein erstes Schachbuch" noch eine lange Zukunft. Und genügend Raum für Aktualisierungen wird es immer geben, das Buch geht mit der Zeit. Mit der nächsten Auflage wird beispielsweise sicher eine neue Definition von Fernschach im Lexikon der Schachbegriffe - jawohl, das gibt es auch - fällig, denn bis dahin wird es fast mit dem Serverspiel gleichzusetzen sein. Und mal sehen, welche Schachgrößen sich bis dahin neu für ein kleines Porträt aufdrängen, noch ein wichtiger Bereich im Buch. Vishy Anand ist für mich ein ganz heißer Kandidat.
Fazit: Diesmal mache ich es mir mit meiner Kauf- und Schenkempfehlung gleich, indem ich mir einen der flotten Sprüche aus "Mein erstes Schachbuch" leihe. "Wenn Sie dieses Buch kaufen, haben Sie einen wichtigen Fehler unterlassen." (Im Original: Wenn Sie das nicht machen, haben Sie einen wichtigen Fehler unterlassen (Seite 21, Stilblüte aus einem Lehrvortrag).
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachversand Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Magic of Youth
Tibor Károlyi
The Magic of Youth
445 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-77-4
24,99 Euro
The Magic of Youth
"The Magic of Youth" ist der erste Band einer Trilogie über das Leben und die Karriere von Michail Tal. Den Schwerpunkt aller Ausführungen bilden dessen Partien, weshalb die Serie den Titel "Mikhail Tal's Best Games" trägt. Der ungarische IM Tibor Károlyi hat das Werk geschrieben, erschienen ist es bei Quality Chess.
Dieser Band 1 behandelt die Zeit von Tals Kindheitstagen bis zum Jahr 1959. Dem ersten Kapitel mit der Überschrift "Tal's Early Life" schließen sich 11 weitere an, die dann jeweils nur noch die Jahreszahl als Titel tragen.
Als ich das Buch zum Zweck der Rezension erhielt, habe ich mir zunächst die Frage gestellt, was heute noch den Anlass geben kann, ein sich vor allem Michail Tals Partien zu widmendes Werk zu verfassen, dann auch noch als Trilogie. Natürlich hatte ich dabei auch den Gedanken im Hinterkopf, dass es allenfalls ganz wenige Partien Tals geben kann, die noch nicht veröffentlicht worden sind. Die meisten davon werden sogar nicht nur ein Mal publiziert worden sein.
Károlyi hat gewusst, dass seiner Arbeit mit diesem Vorbehalt begegnet werden würde, er gibt deshalb früh eine Erklärung dazu ab. Sein Ziel war es, Tals Karriere und seine Partien mit einer Tiefe darzustellen, die nie zuvor erreicht worden ist. Hinzugezogen hat er zudem die Erinnerungen zahlreicher Personen, die Tal als Mensch oder als Gegner am Schachbrett begegnet sind.
Er stellt weiterhin heraus, dass es zudem generell ein interessanter Ansatz ist, die Partien alter Meister mit modernen Engines zu überprüfen. Hier kommt es zu Ergebnissen, die es früher so nicht gegeben hat.
Schon dieser erste Band der Trilogie zeigt, dass Károlyi eine sehr große Fleißarbeit verrichtet hat. Auf den mehr als 400 Buchseiten finden sich 69 Partien, die intensiv analysiert und kommentiert werden. Wie oben schon angedeutet, sind sie nach den Jahren geordnet, in denen sie gespielt worden sind. Von der frühesten Jugend abgesehen findet der Leser für jedes Jahr ein eigenes Kapitel vor. Dieses wird kurz eingeführt, bevor es an die Darstellung der einzelnen Partien geht. Eine Zusammenfassung am Kapitelende konzentriert sich auf statistische Daten.
Mit Fortschritt der Karriere Tals wurden auch mehr Daten daraus dokumentiert, sodass die Statistik zunehmend an Qualität und Quantität gewinnt.
Mein Vorschlag, wie sich der Leser am wirkungsvollsten mit den Partien beschäftigen kann, sieht so aus: Er sollte mal den Platz am Computer räumen und sich mal wieder realen und nicht nur virtuellen Brettern und Figuren widmen. Bretter und nicht Brett deshalb, weil die meines Erachtens beste Methode darin besteht, dass einem Brett die Hauptvariante vorbehalten bleibt und alle Varianten an einem zweiten Brett gespielt werden. So kann von Brett 1 ausgehend immer wieder eine neue Startstellung auf Brett 2 aufgebaut werden, dem Fortschritt der Partie folgend. Zahlreiche Diagramme im Buch unterstützen den Leser dabei. Sie helfen auch dann, wenn er sich nur mit einem Brett "bewaffnet" und sich an die konzentrierte Lektüre macht.
Apropos bewaffnet: Tal ist bekannt und berühmt wegen seines viele Gegner geradezu zum Opfer machenden Angriffsspiels, sein Genius machte die Figuren zu wirkungsvollen Waffen. Wenn Tals Stil angesprochen wird, denkt der erfahrene Leser sofort an ein aggressives und opferbereites Spiel. Dass er aber auch verhalten und positionell sehr stark zu spielen in der Lage war, zeigt Károlyi exemplarisch auf.
Es gibt zwei weitere Gedanken, die sich mit Michail Tal verbinden. So fällt einem sofort der Titel "Magier" ein, den ihm Spieler und Literatur verliehen haben, aber auch der Vorbehalt, dass seine bisweilen grandiosen Siege mit einem Überrumpeln des Gegners einhergegangen sind, die ihn die besten Verteidigungen nicht haben sehen lassen. So sei es eben zu etlichen Siegen nur deshalb gekommen, weil der Gegner wie ein Kaninchen vor der Schlange gesessen und fehlerhaft reagiert habe. Károlyi hat die Partien mit modernen Engines überprüft. So fand ich die Frage interessant, wie viele Partien in "The Magic of Youth" zu finden sind, in denen die Engines den jeweiligen Gegnern tatsächlich mehr oder weniger grobe Versäumnisse vorhalten. Zur Suche bin ich das ganze Buch durchgegangen. Auch wenn man a. bedenkt, dass Károlyi natürlich nur eine kleine Auswahl der Partien Tals behandelt, und b. diese in den frühen Jahren seiner Karriere gespielt worden sind, bin ich auf keine Bestätigung für den Vorbehalt gestoßen. Natürlich gibt es in allen Partien zweifelhafte wie auch fehlerhafte Züge, aber von beiden Seiten. Deutlichere gegnerische Fehler, die im Tennis als "unforced errors" bezeichnet werden würden, habe ich unter diesem Ansatz nicht erkannt. Solche Fehler waren dann jeweils eher die Konsequenz dessen, dass der Gegner unter Druck geraten war oder Tal ihm mindestens schon Stellungsmängel aufgezwungen hatte. Tal hat sich den Gegner - im übertragenen Sinne - oft schon so wie ein Boxer zurechtgestellt, um dann den Schlag setzen zu können.
Es gibt zahlreiche Textpassagen, die Michail Tal als Spieler und auch als Mensch dem Leser näherbringen. Sie sind regelmäßig nicht allzu lang, in meinen Augen sind sie eher Ergänzung der Partieninhalte. Interessant sind sie allemal, und obwohl ich schon viel über Tal gelesen habe, war nicht wenig neu für mich. Dies passt überein mit dem Hinweis Károlyis, dass er von etlichen Personen eigene Erinnerungen erfragt hat, die somit oft noch nicht den persönlichen Bereich verlassen hatten und nicht publiziert worden waren.
Statistik und mehrere Indices nehmen die letzten Buchseiten ein.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die entsprechenden Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind moderat. Ausgerüstet mit Schulenglisch sollte ein "rundes" Arbeiten mit dem Werk möglich sein.
Wer die deutschsprachigen Bücher "Schachzauberer Tal" aus dem Jahre 1961 von József Hajtun, um ein historisches Werk zu nennen, und "Zaubern wie Schachweltmeister Michail Tal" von Karsten Müller und Raymund Stolze aus dem Jahre 2010 kennt, wird diese Rezension mit einer eigenen Vorstellung von "The Magic of Youth" lesen. Dieses Werk aber ist - und dies nicht nur marginal - anders und nicht nur eine Ergänzung.
Fazit: "The Magic of Youth" ist schon als einzelnes Buch eine bemerkenswerte Neuerscheinung, die vor allem durch qualifiziert analysierte und kommentierte Partien Michail Tals besticht. Es ist unterhaltsam und für denjenigen unter den Lesern, der konzentriert mit ihm arbeitet, auch sehr lehrreich. Für mehr als "nur" ein Schlaglicht auf einen Abschnitt aus Tals Karriere wird der Leser auch die beiden folgenden Bände benötigen.
Die Buchsprache ist Englisch.
"The Magic of Youth" ist als anspruchsvolle Sammlung von Partien Michail Tals, die um - bisher zum Teil noch unbekannte - biographische Elemente bereichert worden ist, eine Kaufempfehlung.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Alekhine Defence - move by move
Cyrus Lakdawala
The Alekhine Defence - move by move
464 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-166-9
23,95 Euro
The Alekhine Defence - move by move
Die mit 1…Sf6 auf 1.e4 eingeleitete Aljechin-Verteidigung ist keine Anfängereröffnung. Gleich mit seinem ersten Zug gibt der Nachziehende zu erkennen, dass er jeder Stellungssymmetrie aus dem Weg gehen will. Er gibt seinem Gegner die Möglichkeit, unter Angriff auf den forschen Springer nach vorn zu preschen und so einen Raum- und Entwicklungsvorteil zu realisieren. Schwarz will dann aber genau diese gegnerischen Aufbauten unter Beschuss nehmen. Diese Strategie und dann auch noch in einer so verbindlichen Eröffnung wie der Aljechin-Verteidigung verlangt ein hohes Spielverständnis vom Spieler mit Schwarz und zusätzlich von Nutzen ist dann auch eine gehörige Portion Erfahrung.
Ein Eröffnungswerk zur Aljechin-Verteidigung sollte unter Beweis stellen, dass Autor und auch Verleger diese Ausgangslage vor Augen hatten, als sie es realisiert haben.
Unter besonders auch diesem Ansatz habe ich mir "The Alekhine Defence - move by move" von Cyrus Lakdawala angeschaut. Erschienen ist das Buch 2014 bei Everyman Chess, eben in der inzwischen wohlbekannten move by move-Reihe.
Das Werk beinhaltet neun Kapitel, in denen mittels 57 speziell kommentierter Partien die Anleitung gegeben werden soll, wie die Aljechin-Verteidigung zu spielen ist. Zugleich wird quasi ein Grundrepertoire vermittelt. Das Spezifische in der Kommentierung liegt darin, dass sie natürlich auf die Theorie der Eröffnung fokussiert ist und sich dabei eines besonderen Werkzeugs bedient. Der Text wird fortwährend durch an den Leser gerichtete Fragen und Übungen unterbrochen, die diesen zwingen, sich intensiv mit ganz spezifischen Aspekten und Problemen auseinanderzusetzen bzw. auch Varianten zu berechnen. Er ist bei einer konzentrierten und ehrgeizigen Arbeit mit dem Werk gezwungen, nicht nur zu konsumieren, sondern sich intensiv hineinzudenken und konstruktiv unter Beachtung der jeweiligen Stellungsgegebenheiten nach optimalen Entscheidungen zu suchen. Dabei wird das innere Auge geschärft, sodass er in seiner eigenen Partie sein Gedächtnis für Zugfolgen, Muster etc. nutzen kann. Zugleich wird automatisch sein Verständnis für die Eröffnung wachsen.
Lakdawala hat inzwischen eine gehörige Zahl an Büchern für die move by move-Reihe geschrieben und ich habe sie zum Zweck der Rezension durchgearbeitet. In der Vergangenheit hatte er das eine oder andere Mal das Mittel, Fragen an den Leser zu richten, für meinen Geschmack etwas arg strapaziert, indem er über Ausrufe etc. sehr ein Schüler-Lehrer-Gespräch zu simulieren versuchte. Zu intensiv an die gesprochene Sprache angelehnt wirkte es für mich dann etwas gekünstelt. In "The Alekhine Defence - move by move" ist mir nichts dergleichen aufgefallen, Lakdawala beschränkt sich auf sachliche Formulierungen.
Die Aljechin-Verteidigung ist für mich das Paradebeispiel für Eröffnungen, für die eine Behandlung in der move by move-Reihe ideal ist, insbesondere aus der Sicht des Klubspielers. Der braucht ein Werk, das ihn verstehen lässt, wie die Eröffnung zu spielen ist, sowie ein Grundrepertoire vermittelt. Für seine Zwecke reicht "The Alekhine Defence - move by move" meines Erachtens komplett aus. Macht er sich das Knowhow dieses Buches zu Eigen, kann er die Eröffnung auf Klubniveau spielen. Für höhere Ansprüche oder für den Einsatz der Verteidigung im Fernschach kann er ergänzend Spezialliteratur beiziehen. Immer aber wird er auf das Wissen zur generellen Behandlung der Eröffnung bauen können.
Eine ähnliche Rolle kann das Werk auch für den Fernschachspieler annehmen, der mit einer gut sortierten Partiendatenbank ausgestattet ist, mit der er den Buchvarianten zusätzlich "Fleisch an die Knochen geben" kann.
Wie eingangs bereits angemerkt, ist die Aljechin-Verteidigung für mich keine Anfängereröffnung. Dies bestätigt auch "The Alekhine Defence - move by move". Das Buch stellt Ansprüche an den Leser. Um die Stellungsbeurteilungen Lakdawalas nachvollziehen zu können, braucht der Leser schon ein gewisses Schachverständnis, das dem Novizen noch fehlt. Erst recht gilt diese Anforderungsschwelle für die Beantwortung der an den Leser gerichteten Fragen sowie das Erfüllen der Übungen. Der Anfänger wird nach meiner Erwartung schnell den Spaß an der Arbeit mit dem Werk verlieren, eben weil es ihn in weiten Bereichen überfordern wird.
Auffällig ist, dass Lakdawala in seinen Stellungsbeurteilungen sehr analytisch vorgeht und die wesentlichen Aspekte oft in der Form einer Aufzählung aufführt. Meinen Geschmack trifft er damit, weil dieser Stil dabei hilft, seine Einschätzung Punkt für Punkt und so mit einem roten Faden nachzuverfolgen und auch zu überprüfen. Auch dem Klubspieler kann es nicht schaden, wenn er über diese Beispiele im Werk wieder und wieder vor Augen geführt bekommt, wie man es machen kann, wenn es eine Stellung einzuschätzen gilt.
Ein kurzes Résumé schließt die besprochene Partie jeweils ab. Zumeist enthält es eine für den Leser wertvolle Information. In wenigen Fällen hatte ich den Eindruck, dass es in dieser Form entbehrlich gewesen wäre und eher dem Zweck eines einheitlichen Aufbaus diente.
Interessieren würde es mich, ob Autor und / oder Verlag aus politischer Richtung Kritik erfahren haben. In Anlehnung an die Strategie der Aljechin-Verteidigung findet sich vorne im Buch ein Vergleich, der Bush und Hitler quasi auf eine Stufe stellt. Mir ist dazu allerdings nichts bekannt.
Zur Sprache: Die Buchsprache ist Englisch, die Muttersprache des Autors. Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers, spezifisch an dessen Vokabular, empfinde ich als hoch. Lakdawala nutzt einen sehr breiten Wortschatz, der mich oft gezwungen hat, die Bedeutung eines Wortes nachzuschauen. Mit seinen Englischkenntnissen sollte der Leser also "gut zu Fuß" oder aber Einbußen im flüssigen Arbeiten mit dem Werk in Kauf zu nehmen bereit sein.
Noch ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis: "The Alekhine Defence - move by move" ist - ausschnittsweise - wie folgt mit Inhalt versehen und organisiert:
1. Main Line Classical
2. Westerinen's Anti-Main Line
3. The Symmetrical Exchange Variation
4. The Asymmetrical Exchange Variation
5. The Four Pawns Attack
6. The Chase Variation
7. The Sc3 Exchange lines and minor variations
8. 2.Sc3 Default Line
9. Odds and Ends
Index of Variations
Fazit: "The Alekhine Defence - move by move" empfehle ich dem Spieler ab Klubniveau, der über ordentliche englische Sprachkenntnisse verfügt. Mit dem Werk bekommt er das Material in die Hand, mit dem er die Aljechin-Verteidigung zumindest zunächst ausreichend tief erlernen kann. Für höhere Ansprüche steht ihm die spätere Ergänzung über Spezialliteratur offen.
Für den Fernschachspieler ist das Werk zusätzlich eine gute Basis für die eigene Partie, wenn es um die Erkenntnisse aus der gut sortierten Datenbank ergänzt eingesetzt wird.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Most Flexible Sicilian
Alexander Delchev / Semko Semkov
The Most Flexible Sicilian
340 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-97-5
24,95 Euro
The Most Flexible Sicilian
"The Most Flexible Sicilian" ist ein interessantes Repertoirebuch des Autorenduos Alexander Delchev und Semko Semkov, von denen Delchev die Rolle des Erstbearbeiters ausgefüllt hat. Das Werk ist jüngst im bulgarischen Verlag Chess Stars erschienen.
Die hinter dem Konzept stehende Grundidee ist dadurch gekennzeichnet, dass Schwarz nach den beiden Anfangszügen 1.e4 c5 2.Sf3 e6 ein doppeltes Repertoire an die Hand gegeben werden soll. Je nach Geschmack, Gegner, eigenen Vorlieben etc. kann der Nachziehende zwischen der Taimanov- und der Kan-Variante wählen, zumeist zumindest, also zwischen 4…Sc6 und 4…a6.
Der Stoff gliedert sich auf 11 Kapitel auf, die wiederum zwei Abschnitten im Werk zugeordnet sind. Im Abschnitt 1, "Open Sicilian", finden sich acht Kapitel mit dem Kernmaterial, im Abschnitt 2 erhält der Leser mehr oder weniger zur Abrundung des Repertoires die "Anti-Sicilian Systems", Kapitel 9 bis 11.
Das Inhaltsverzeichnis hat somit das folgende Gesicht (sinngemäß ins Deutsche übersetzt):
Abschnitt 1: Offener Sizilianer
Kapitel 1: Klassisches System
3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 Dc7 6.Le2; 4...a6 5.Sc3 Dc7 6.Le2
Kapitel 2: Englischer Angriff
3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 Dc7 6.Le3; 4...a6 5.Sc3 Dc7 6.Le3
Kapitel 3: Aufstellung auf der 3. Reihe
4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 Dc7 6.Le3 a6 7.Ld3; 4...a6 5.Sc3 Dc7 6.Ld3
Kapitel 4: f4-System
3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 Dc7 6.f4; 4...a6 5.Sc3 Dc7 6.f4
Kapitel 5: Das Fianchetto
3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 Dc7 6.g3; 4...a6 5.Sc3 Dc7 6.g3
Kapitel 6: Kan -Maroczy-Aufstellung
4...a6 5.c4; 5.Ld3
Kapitel 7: Taimanov mit 5.Sb5
3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sb5 d6
Kapitel 8: Seltene Linien im 5. und 6. Zug
3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sxc6; 5.Sc3 Dc7 6.Sxc6; 6.Dd3; 6.Sdb5
Abschnitt 2: Anti-Sizilianische Systeme
Kapitel 9: Alapin-System
3.c3 d5
Kapitel 10: Vertauschter Königsinder
3.d3
Kapitel 11: Seltene Linien im 3. Zug
3.b4; 3.b3; 3.c4; 3.Sc3; 3.De2; 3.g3
"The Most Flexible Sicilian" folgt dem Standardaufbau der Repertoirebücher von Chess Stars. In einem ersten Teil des Kapitels werden die zentralen Ideen ("Main Ideas") der hier behandelten Linien vorgestellt. Es folgt dann die tiefe theoretische Behandlung in "Step by Step", zu übersetzen mit "Schritt für Schritt". Die Überschrift vermittelt einen guten Eindruck dessen, was der Leser von diesem Teil erwarten darf. Vollständige Partien, natürlich von dem Ziel geprägt, Wissen und Verständnis des Lesers zu fördern kommentiert, schließen das Kapitel ab.
Das Besondere von "The Most Flexible Sicilian" liegt darin, dass in den zentralen Kapiteln jeweils sowohl auf die Taimanov- als auch auf die Kan-Variante eingegangen wird. Der Leser erhält somit gleichartig qualifiziert Material für beide Systeme.
Die Autoren äußern sich bei Bedarf auch zu den Vorzügen bzw. Nachteilen des einen Systems gegenüber dem anderen, zudem geben sie Hinweise, für Spieler welcher Natur welches System jeweils besser geeignet sein dürfte.
Die Autoren geben sich Mühe, Grundideen, Pläne, Motive etc. zu beschreiben bzw. darzustellen, was das Verstehen der Systeme nachhaltig unterstützt. So ist "The Most Flexible Sicilian" in meinen Augen ein gesunder Mix aus Text und Varianten, der auch dem noch weniger geübten Spieler Zugang zur Theorie der Systeme verschaffen sollte. Als Eingangsstufe verorte ich das Werk, orientiert an der Spielstärke des adressierten Lesers, im Bereich des unteren Klubniveaus. Allgemeines Wissen zur Eröffnungsbehandlung sollte beim Leser vorhanden sein.
Der erfahrene Spieler, der vor allem auch von sich selbst schon mehr weiß, wird mehr profitieren können. Er kann sich besser zwischen den beiden behandelten Systemen entscheiden, jeweils auf der Basis der speziellen Hinweise der Autoren zu Besonderheiten und Unterschieden.
Unabhängig von der Spielstärke sind englische Sprachkenntnisse erforderlich, um mit dem Buch arbeiten zu können. Die Anforderungen daran sind allerdings niedrig. Man merkt "The Most Flexible Sicilian" an, dass die Buchsprache auch für die Verantwortlichen "nur" eine Fremdsprache ist. Dies meine ich nicht negativ, denn den Leser dürfte es insgesamt wenig kümmern, wenn die eine oder andere sprachliche Wendung etwas ungewöhnlich anmutet, aber eben gut verständlich ist.
Abgeschlossen wird das Werk über ein differenziertes Variantenverzeichnis, das ein bequemes Navigieren über die Kapitel hinweg erlaubt. Es behandelt die beiden behandelten Systeme jeweils auf sich reduziert.
Fazit: "The Most Flexible Sicilian" ist ein gelungenes Werk, das ich dem Spieler empfehlen kann, der sich mit einem Doppelrepertoire auf der Basis des Taimanov- und des Kan-Systems gegen den weißen Anzug mit dem Königsbauern rüsten möchte. Es unterstützt ein gutes Verstehen der Systeme und gibt auch Antworten für den Fall, dass Weiß nicht mit 2.Sf3 reagiert. Mit einer Spielstärke ab dem unteren Klubniveau sollte der Leser gut damit arbeiten können.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Modernes Sizilianisch … richtig gespielt
Jerzy Konikowski
Modernes Sizilianisch … richtig gespielt
303 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-940417-59-6
22,80 Euro
Modernes Sizilianisch … richtig gespielt
Rund acht Jahre nach der Erstauflage ist das Werk "Modernes Sizilianisch … richtig gespielt", geschrieben von Jerzy Konikowski, mit der 2., überarbeiteten und ergänzten Auflage auf den Markt gekommen. Heutzutage ist das Erscheinen einer Neuauflage eines Eröffnungsbuches längst keine Allerweltssache mehr. Es ist im Reigen der zahlreichen Neuerscheinungen jedes Jahr eher eine Ausnahme und unterstreicht die von der zahlreichen Kundschaft mit dem Kauf bestätigte Qualität.
Zunächst zum rein Äußerlichen: "Modernes Sizilianisch … richtig gespielt" erscheint in einem neuen Gewand, aber in der bewährten soliden Aufmachung. Auch als Imprint des Schachverlags Ullrich im Joachim Beyer Verlag sind der Hardcover-Einband, die anspruchsvolle Bindung und das Lesebändchen Merkmale, die der Leser spätestens nach dem fünfzigsten Zugriff zu schätzen wissen wird. Das Buch ist für die häufige Nutzung gemacht, mit seiner Robustheit trotzt es der Abnutzung und einem Zerfleddern. Um es auf den Punkt zu bringen: Mit diesem Werk hat man etwas in der Hand.
Und dies gilt auch für den wichtigsten Teil aller Kundenwünsche, den Inhalt. Gegenüber der ersten Auflage ist dieser noch einmal um rund 40 Seiten gewachsen.
Nicht nur in den Beispielpartien, von denen es insgesamt 70 im Buch gibt, sondern durchgehend finden sich die Hinweise auf eine vollständige Überarbeitung. Das jüngste Material stammt aus dem laufenden Jahr 2014, aktueller geht nicht.
Insgesamt 19 Kapitel verteilen sich über das Werk, die Nr. 19 enthält gesammelt die schon angesprochenen Beispielpartien. Diese beziehen sich auf alle vorhergehenden Kapitel, sind intensiv kommentiert und erfüllen gleich zwei Funktionen. So veranschaulichen sie einerseits die Spielführung und ergänzen andererseits die Ausführungen zur Theorie in den vorangehenden Teilen.
Wie Konikowski in seinem Vorwort zurecht bemerkt, kann die Sizilianische Verteidigung nicht hinsichtlich aller ihrer Systeme in einem einzigen Buch dargestellt werden. Er hat sich deshalb auf das Najdorf-System konzentriert, eines der heute beliebtesten Systeme überhaupt. Andere Spielweisen, beispielsweise die Drachenvariante und das Sweschnikow-System, bleiben deshalb außen vor. Dennoch ist es äußerst schwer, auch unter dieser Konzentration ein rundes Repertoire zusammenzustellen, denn auch mit der Najdorf-Variante lassen sich heute mehrbändige Ausarbeitungen füllen. Wer Jerzy Konikowski kennt, der weiß um sein feines Gespür für Varianten, die u.a. die folgenden Qualitäten haben:
1. Sie versprechen ein gutes Spiel, wenn auch nicht zwingend einen Vorteil.
2. Sie gehen weiten Gefilden der Theorie aus dem Weg.
3. Sie sind relativ leicht zu verstehen und zu erlernen.
Mit diesen Merkmalen sind sie genau das Richtige für den Klubspieler.
Das Herzstück von "Modernes Sizilianisch … richtig gespielt" ist somit die Theorie zum Najdorf-System. Mit dem 6. Kapitel geht er konkret darauf ein.
Es liegt auch in der Hand von Weiß, ob der Nachziehende sein Ziel, Najdorf auf das Brett zu bekommen, erreicht. Wenn er vorher das Spiel bestimmend abweicht, muss Schwarz mit einem ausreichenden Rüstzeug antworten können. Dies stellt Konikowski in den ersten fünf Kapiteln und in einem ersten Schritt bereits in seiner Einleitung sicher.
Das Werk ist wie folgt gegliedert:
Einleitung (Darstellung der Abfolge der theoretischen Behandlung und der "exotischen" Spielweisen)
Kapitel 1: Geschlossene Variante (1.e4 c5 2.Sc3)
Kapitel 2: Alapin-Variante (1.e4 c5 2.c3)
Kapitel 3: Morra-Angriff, auch Morra-Gambit genannt (1.e4 c5 2.d4 cxd4 3.c3)
Kapitel 4: Grand-Prix-Angriff (1.e4 c5 2.f4)
Kapitel 5: Die Fortsetzung 3.Lb5+, üblicherweise als Rossolimo-Angriff bezeichnet (1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.Lb5+)
Kapitel 6 bis 18: Najdorf-Variante in allen wichtigen Variationen
Kapitel 19: Beispielpartien.
Ein Variantenindex ist nicht enthalten. Dessen Funktion wird aber zumindest grundlegend vom Inhaltsverzeichnis erfüllt, das eben auch die Züge enthält, über die eine Weichenstellung erfolgt.
Jerzy Konikowski hat in einer immens hohen Zahl Eröffnungsbücher geschrieben. Seine Art der Darstellung ist deshalb bekannt. Ihr bedient er sich auch in "Modernes Sizilianisch … richtig gespielt". Dies bedeutet, dass er eine Mischung aus Text und Varianten in seiner Kommentierung anbietet. Es ist schwer, eine Mengenrelation zu geben. Ich kann mich deshalb nur auf einen persönlichen Eindruck zurückziehen. Nach diesem taxiere ich den Textanteil der Analysen auf etwa ein Drittel bis zu einem Viertel und die konkreten Züge auf etwa zwei Drittel bzw. drei Viertel. Mir persönlich sagt dieses Verhältnis sehr zu, da die Textausführungen jenseits von banalen Aussagen, die den Klubspieler nicht mehr schlauer machen können, einsetzen und genügend Variantenmaterial angeboten wird. Dieses ist gesichtet und auf Qualität geprüft. Auch der Fernschachspieler weiß dies zu schätzen, unterstützt ihn das Werk doch auf diese Weise in seiner Arbeit mit der eigenen Partiendatenbank in der Partie.
"Modernes Sizilianisch … richtig gespielt" offeriert dem Spieler ein "rundes" Repertoire. Dies bedeutet, dass er nicht mit "Allerweltszügen" aus seiner Vorbereitung gedrängt werden kann. Auf jede wichtige Weichenstellung seines Gegners mit den weißen Steinen bekommt man als Schwarzer etwas an die Hand. Das Spannungsfeld zwischen der bestmöglichen Vorbereitung und dem Aufwand, den ein Klubspieler sich leisten kann, ist mit diesem Werk sehr gut aufgelöst. Mit den Anleitungen und Hinweisen Konikowskis zur Strategie und zu Eigenheiten in der Spielweise ist er gut präpariert, wenn ihm sein Gegner einen konkreten Zug serviert, der nicht im Buch zu finden ist. Und dass dies passieren wird, ist systembedingt, denn für mehr müsste der Leser umfangreiche Spezialwerke studieren.
Es ist schwer, den Adressatenkreis des Werkes nach der Spielstärke zu definieren. So möchte ich keine Eingrenzungen nach der DWZ geben und mehr beschreibend vorgehen. Der Leser sollte, um mit einem ausreichenden Tiefgang mit dem Werk arbeiten zu können, die Anfangsgründe des Schachspiels schon etwas hinter sich gelassen haben. Sein Schachverständnis sollte so weit entwickelt sein, dass er fundiert eine eigene Stellungseinschätzung vornehmen kann. Er sollte also erkennen können, wenn eine Seite beispielsweise den Vorteil eines Läuferpaares hat, eine bessere Bauernstellung oder vielleicht eine offene Linie. Dann kann er es nachvollziehen, wenn Konikowski zum Urteil von "Weiß steht besser" oder "Schwarz verfügt über die besseren Angriffschancen" kommt. Es sollte zum Bestandteil einer intensiven Arbeit des Lesers mit "Modernes Sizilianisch … richtig gespielt" gehören, die Ausführungen des Autors genau zu studieren und nachzuvollziehen. Dann wird er unter dessen Anleitung tatsächlich dem schon im Buchtitel zum Ausdruck kommenden Anliegen nahekommen und die Sizilianisch e Verteidigung auf den ausgesuchten Wegen richtig zu spielen erlernen.
Für den Spieler mit Fertigkeiten auf Klubniveau dürfte das Werk den größten Wert haben. Er bekommt ein qualifiziertes und überschaubares Repertoire an die Hand und kann dieses mit einem überschaubaren Aufwand erlernen.
Nicht selten sind als Quellen Fernschachpartien im Text genannt. Auch aus dem Reigen der schon erwähnten vollständigen Partien im letzten Kapitel sind zwei im Fernschach gespielt worden. Entwicklungen aus diesem Bereich sind somit erfreulich umfassend aufgenommen.
Am Schluss des Werkes ist auch ein Quellenverzeichnis zu finden. Dieses enthält sowohl klassische als auch topaktuelle Werke. Der Leser bekommt neben den altbewährten Linien auch die neuen Ideen aus der Turnierpraxis wie auch der theoretischen Untersuchungen geboten. Dies gilt übrigens auch für den Spieler mit Weiß, aus dessen Perspektive das Repertoire zwar nicht zusammengestellt ist, der die Ausführungen aber ebenfalls gut nutzen kann.
Fazit: "Modernes Sizilianisch … richtig gespielt" ist ein Buch, das ich vor allem dem Klubspieler sehr empfehlen kann. Er erhält ein Repertoire, das er sich mit einem überschaubaren Aufwand zu Eigen machen kann und ihn gut präpariert. Es hat sich bewährt, wie die Möglichkeit einer neuen Auflage beweist, und es ist gegenüber der ersten Auflage weiter verbessert und natürlich aktualisiert worden. Und in unserer Zeit, die davon geprägt ist, dass vor allem englischsprachige Schachliteratur auf unseren Markt kommt, gibt es ein weiteres Kaufargument: "Modernes Sizilianisch … richtig gespielt" ist in Deutsch geschrieben.
Sein Preis von 22,80 Euro ist allemal angemessen, auch unter Berücksichtigung der Qualität seiner Beschaffenheit. Mit ihm hat der Klubspieler sein Geld sehr gut angelegt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachversand Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Mating the Castled King
Danny Gormally
Mating the Castled King
335 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-71-2
22,99 Euro
Mating the Castled King
Der Buchtitel "Mating the Castled King", hinter dem ein neues Werk von Quality Chess steht, vermittelt dem erfahrenen Spieler zunächst den Eindruck, dass er so etwas wie einen Zwilling des Klassikers "Der Rochade-Angriff" von Vladimir Vukovic in die Hand bekommen haben könnte. Dem ist aber nicht so. Danny Gormally, britischer GM und Autor des Werkes, hat zwar dasselbe Grundthema aufgegriffen, geht dabei aber komplett andere Wege. In sieben Kapiteln versucht er den Leser mittels einem Gefüge aus Theorie und Praxis zu einem besseren Angriffsspieler gegen den rochierten gegnerischen König zu machen.
Gleich eines vorweg: "Mating the Castled King" informiert, schult, fordert den Leser, macht Spaß und müde. Damit ist gesagt, dass es den Leser für mich ganz außer Zweifel besser werden lässt, es zugleich Spaß durch gute Unterhaltung macht und ein konzentriertes Arbeiten mit den Buchinhalten verlangt, was nach einer gewissen Zeit seinen Tribut fordert. Man kann dieses Buch nicht schnell mal überfliegen und nicht in einem Zug durcharbeiten. Es geht nur mit disziplinierter Arbeit, die den Leser erschöpft und ermüdet und deshalb portioniert werden muss.
Interessant sind schon Gormallys Ausführungen im Vorwort, in denen er die Grundsituationen unterscheidet, aus denen heraus es zum Angriff kommt. Er definiert diese in drei Alternativen. Zunächst spricht er - etwas martialisch - von einem Angriff in der Form eines "Blitzkrieges". Wie aus dem Nichts entfesselt eine Seite einen überwältigenden Angriff. Die zweite Situation sieht er damit gekennzeichnet, dass eine Seite von Anfang an auf Angriff spielt und die Voraussetzungen dafür ganz explizit schafft. In der dritten und für ihn zugleich auch natürlichsten Variante sieht er den Angriff als eine logische Konsequenz einer zuvor entsprechend guten Spielführung.
In allen Fällen muss der Spieler in seiner Partie in den Stellungen Muster suchen und erkennen, die Angriffsmöglichkeiten anzeigen und ihn die richtigen Methoden auswählen lassen.
Das 1. Kapitel dient der einführenden Darstellung von Grundmustern, für erfahrene Spieler zur Auffrischung Ihres Gedächtnisses. Hier geht es um schwache Felder, offene Linien in der Nähe des Königs und so weiter. Gormally beschränkt sich in seinen Ausführungen auf das Wesentliche. Für einen Spieler im frühen Leistungsstadium sind sie für ein grundlegendes Erlernen zu schmal. Er braucht vorab ein spezielles Lehrbuch darüber, das ihn im Bereich der Anfängerkenntnisse abholt.
Das 2. Kapitel möchte ich als einen Leuchtturm im Buch bezeichnen. Hier gibt Gormally dem Leser insgesamt 160 Diagrammstellungen zur Lösung auf. Er soll jeweils, allerdings schon entsprechend konditioniert, die Angriffsführung übernehmen. Die Diagramme sind insgesamt 20 Themen zugeordnet. Der Leser weiß also jeweils, in welche Richtung er denken muss.
Zunächst findet er ein einfaches Beispiel mit Lösung vor, mit dem Gormally eine kurze textliche Einführung ergänzt, und dann eben die Aufgabendiagramme. Die Problemstellungen sind zunächst von einem geringeren Schwierigkeitsgrad, entwickeln sich dann aber teilweise zu echten Herausforderungen.
Ich denke, dass Leser jenseits der Anfangsgründe ohne Einschränkung nach der Spielstärke von diesem Kapitel profitieren werden. Das Auge wird geschärft, die Methoden werden erkannt bzw. neu im Gedächtnis verankert. Gormally vergleicht das Gehirn mit einem Muskel. Während dieser durch ständige Übung in Form und leistungsfähig erhalten wird, bleibt das Gehirn des Schachspielers durch ständiges Lösen von Stellungsaufgaben fit bzw. wird sogar gefördert. Stellungsmuster werden visuell erkannt und zusammen mit Methoden zur Spielführung mit der Konsequenz gespeichert, dass sie bei einem ähnlichen Auftreten in einer Partie wiedererkannt und über Erinnerung möglichst vorteilhaft behandelt werden können.
Einem Block von Diagrammen folgt jeweils sofort eine Sammlung von Lösungen, sodass die Behandlung wie "aus einem Guss" erfolgt. Der Leser, der dieses 2. Kapitel durchgearbeitet hat, darf stolz auf sich sein. Schon hier und damit noch mitten im Buch wird er seine Spielstärke verbessert sehen.
Ab dem 3. Kapitel nimmt "Mating the Castled King" wieder mehr den typischen Charakter eines Lehrbuches an. Der entsprechende Auszug des Inhaltsverzeichnisses, sinngemäß ins Deutsche übersetzt, sieht wie folgt aus:
Kapitel 3: Bauern und Figuren
Kapitel 4: Durchbruch mit Figuren
Kapitel 5: Durchbruch mit Bauern
Kapitel 6: Typische Bauerndurchbrüche.
Gormally beschreibt das jeweilige Vorgehen zum Angriff gegen den rochierten König mit Bauern und mit Figuren und demonstriert es an Beispielen aus der Turnierpraxis. Die Ausführungen sind anspruchsvoll. Der Leser sollte bereits ein gewisses allgemeines Schachverständnis mitbringen, um sich nicht schnell überfordert zu fühlen. Der Spieler auf Klubniveau kommt damit zurecht.
Das 7. Kapitel ist einer Zusammenfassung sowie eine abschließenden Sammlung von Diagrammaufgaben mit Lösungen vorbehalten.
Die letzten Seiten des Werkes werden von einem Namensverzeichnis eingenommen.
Ein Wort zur Sprache: "Mating the Castled King" ist in der englischen Muttersprache des Autors erschienen. Dies merkt man ihm stellenweise an. Der Leser sollte für ein ausreichend gutes Verstehen aller Inhalte über zumindest sichere Fremdsprachkenntnisse auf gutem Schulniveau verfügen.
Fazit: "Mating the Castled King" ist ein anspruchsvolles Schulungs- und Trainingsbuch zur Angriffsführung gegen den rochierten König. Es stellt die Methoden einzeln vor und veranschaulicht sie ganzheitlich im praktischen Einsatz. Ein Herzstück sind 160 Diagrammaufgaben, die der Leser zu lösen hat und anhand derer er nach dem Prinzip "learning by doing" zum Angreifer wird. Insgesamt ist "Mating the Castled King" ein gelungenes Werk aus Theorie und praktischen Übungen, dem ich einen hohen Schulungswert bescheinigen kann.
Dem Spieler, der bereits über ein ordentliches allgemeines Schachverständnis verfügt, kann ich das Werk umfassend zum Kauf empfehlen. In Leistungsstufen darunter, aber jenseits des absoluten Anfängers, wird der Leser zunächst nur Teile problemlos für sich nutzen können.
In beiden Fällen sind ausreichende Englischkenntnisse unumgänglich.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
A Practical Repertoire with 1.d4 and 1.c4, Volume 2, The King's Fianchetto Defences
Alexei Kornev
A Practical Repertoire with 1.d4 and 1.c4, Volume 2, The King's Fianchetto Defences
288 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-95-1
24,95 Euro
A Practical Repertoire with 1.d4 and 1.c4, Volume 2, The King's Fianchetto Defences
Mit "A Practical Repertoire with 1.d4 and 1.c4, Volume 2, The King's Fianchetto Defences" hat Alexei Kornev den zweiten von drei Bänden vorgelegt, mit denen er für Weiß ein umfassendes Repertoire basierend auf 1.d4 und dann 2.c4 zusammenstellt. Das Werk wurde Ende 2013 abgeschlossen und vom bulgarischen Chess Stars-Verlag herausgegeben.
Während im ersten Band alles auf die schwarze Antwort 1…d5 ausgerichtet war, präpariert Kornev den Leser nun für den Fall, dass dessen Gegner seinen schwarzfeldrigen Läufer fianchettiert. Dementsprechend geht es um Grünfeldindisch, Königsindisch, die Moderne Verteidigung und um die Pirc-Ufimzew-Verteidigung.
Beim Königsinder konzentriert sich Kornev auf das Awerbach-System.
Der Inhalt verteilt sich auf fünf Abschnitte bzw. Teile, die insgesamt 19 Kapitel beherbergen. Das Inhaltsverzeichnis hat das folgende Gesicht, das auch die behandelten Initialzugfolgen zeigt (in einer sinngemäßen deutschen Übersetzung):
Teil 1: Grünfeldindisch
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.cxd5 Sxd5 5.e4
Moderne Abtauschvariante
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.cxd5 Sxd5 5.e4 Sxc3 6.bxc3 Lg7 7.Sf3
Kapitel 1: 7...0-0 8.Le2 c5 9.0-0
Kapitel 2: 7...c5 8.Le3 Sc6 9.Tc1; 8...0-0 9.Le2; 8...Lg4 9.Tc1
Kapitel 3: 7...c5 8.Le3 Da5 9.Dd2 mit/ohne 9...0-0
Kapitel 4: 7...c5 8.Le3 Da5 9.Dd2 0-0
Teil 2: Königsindisch
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4
Kapitel 5: 4...0-0 5.Le2 c6 6.e5
Awerbach-System
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4d6 5.Le2
Kapitel 6: 5...Sfd7 6.Sf3; 5...c5 6.d5; 5...Sc6 6.d5; 5...Sbd7 6.Lg5; 5...e5 6.dxe5; 5...Sa6; 5...c6
Kapitel 7: 5...0-0 6. Seltene Linien; 6...Sc6, 6...c6 7.Dd2
Kapitel 8: 5...0-0 6.Lg5 Sbd7 7.Dd2
Kapitel 9: 5...0-0 6.Lg5 Sa6 7.f4
Kapitel 10: 5...0-0 6.Lg5 h6 7.Le3
Kapitel 11: 5...0-0 6.Lg5 c5 7.d5
Teil 3: Moderne Verteidigung
Awerbach-Variante
1.d4 g6 2.c4
Kapitel 12: 2...d6; 2…Lg7 3.e4 c6; 3…c5; 3…Sc6
Kapitel 13: 2...Lg7 3.e4 d6
Teil 4: Pirc-Ufimzew-Verteidigung
1.d4 d6 2.e4 Sf6 3.Sc3 g6 4.Le3
Kapitel 14: Seltene Linien; 4…a6 5.h3
Kapitel 15: 4...Lg7 5.Dd2 Argentinian Attack
Kapitel 16: 4...c6 5.h3 Sweschnikow-Jansa-Angriff
Teil 5: Pirc-Ufimzew-Verteidigung (Abweichungen)
1.d4 d6 2.e4 Sf6 3.Sc3
Kapitel 17: 1.d4 d6 2.e4 Sf6 3.Sc3 e5 4.dxe5dxe5 5.Dxd8 Kxd8 6.Lg5 Philidor (modern)
Kapitel 18: 1.d4 d6 2.e4 Sf6 3.Sc3 Sbd74.f4 Anti-Philidor
Kapitel 19: 1.d4 d6 2.e4 Sf6 3.Sc3 c6 Tschechische Verteidigung
Wie schon der erste Band, über den ich im vergangenen Jahr eine Rezension geschrieben und diese dann auf der Homepage des Deutschen Fernschachbundes e.V. veröffentlicht habe, zeichnet sich auch dieser durch eine besondere Hingabe des Autors aus, den Leser das Repertoire verstehen zu lassen, seine Empfehlungen zu begründen und konkrete Anleitung zu geben, wie ein erörtertes System zu spielen ist. Besonderes Augenmerk richtet er auf die Ressourcen, die beide Parteien in der Partie kennen sollten, ausgeprägt auch im Kapitel über die Königsindische Verteidigung.
Auffällig ist zudem, und dies im positiven Sinn, dass Kornev sich offensichtlich durchgehend die Frage stellt, ob sein Leser die Absicht erkennen kann, in der ein Zug gespielt werden soll. Sehr häufig gibt er gerade diese an und führt sie weiter aus. Weiterhin bildet er Brücken zu anderen Systemen. Nicht selten zeigt er Ähnlichkeiten einer Stellung zu sich aus anderen Systemen ergebenden Positionen an, um auf Parallelen im Vorgehen, aber auch auf Unterschiede in der Behandlung aufgrund bestimmter verschiedener Merkmale aufmerksam zu machen.
Indem Kornev und damit der Verlag Chess Stars das Repertoire auf drei Bände verteilen, haben sie sich die Option verschafft, es breiter anzulegen. So müssen sie sich nicht auf Speziallinien konzentrieren, mit denen ganze Bereiche der Theorie ausgeblendet werden können, die aber auch oft nicht zu den meistgespielten Alternativen zählen.
Für mich ist diese Serie in gewisser Weise eine Alternative zur Grandmaster Repertoire-Reihe von Quality Chess, mehr noch aber eine Ergänzung. Da auch der dritte Band von Kornev inzwischen vorliegt, lässt sich der Gesamtpreis für das Komplettrepertoire auf ca. 75 Euro errechnen. Eine zumindest hinsichtlich der gleichen thematischen Eröffnungsausrichtung über die entsprechenden Bände aus der Grandmaster Repertoire-Serie angestrebte Repertoireausstattung würde Ausgaben in Höhe von Pi mal Daumen 130 Euro bedeuten (Hardcover). Der Schachfreund, der seine Anschaffung in erster Linie vom Kaufpreis abhängig macht, kommt also über die Chess Stars-Bücher günstiger davon. In der Grandmaster Repertoire-Serie sind die von Kornev behandelten Eröffnungen über verschiedene Bände verteilt, sodass die Zahl der jeweils zu beschaffenden Bücher nicht identisch wäre.
Inhaltlich lässt sich die Qualität der Bücher aus beiden Reihen nicht so recht vergleichen. Beide Serien sind gut und damit geeignet, die Basis für ein rundes und aktuelles Repertoire zu geben.
Einen Unterschied aber sollte der Interessent wissen: Trotz der Verteilung des Repertoires auf mehrere Bände und damit der Option, es breiter anzulegen, war Kornev gezwungen, insbesondere auf der Seite von Weiß, aus dessen Sicht er das Material zusammengestellt hat, eine gewisse Strenge bei der Entscheidung über die Aufnahme einer Zugalternative walten zu lassen. Dies führt dazu, dass der Leser den Empfehlungen des Autors bisweilen auch an maßgeblichen Weichenpunkten folgen muss, sofern ihm zu alternativen Möglichkeiten keine anderen Quellen zur Verfügung stehen.
So ist für beide Seiten festzustellen, dass auch zu einem frühen Zeitpunkt in der Partie (auch vor Erreichen des 10. Zuges) nicht nur ausnahmsweise nur eine bestimmte Folge angegeben wird. Ungesteuert und in Stichproben habe ich nach zusätzlichen Möglichkeiten in meiner Partiendatenbank gesucht und bin dabei auch auf aussichtsreiche Möglichkeiten getroffen, an denen Kornev seinen Leser vorbei führt. Ich möchte dies nicht als negative Aussage verstanden wissen, sondern als Hinweis. Die Auswahl des Repertoires ist ein wesentliches Element eines solchen Werkes. Auch ist es nicht so, dass ich Linien erkannt hätte, die Kornev für mich nicht nachvollziehbar vorgezogen hat. Es geht mir allein um die Feststellung, dass der Leser sich bei diesem Buch mehr in die Hand des Autors begibt als beispielsweise in der Regel im Fall der Grandmaster Repertoire-Bücher.
Ich komme deshalb auf meinen Hinweis zurück, dass die Trilogie von Kornev (soweit ich sie bisher kenne) zu 1.d4 und 2.c4 eine ausgezeichnete Rolle als Zweit- oder Ergänzungsquelle spielen kann. Diese Aussage treffe ich besonders durch die Brille des Fernschachspielers.
Zwischenfazit also: Komplettrepertoire für Weiß? Ja! Abgesichert gegen zumindest die "hochrangigen" Alternativen auf der Seite von Schwarz? Ja! Entscheidungsspielraum für Weiß nach eigenen Stärken und Vorlieben zwischen gleichwertigen weißen Alternativen an herausragenden Stellen? Jein!
Mir persönlich ist es lieber, wenn ein Autor, so wie hier Kornev, sein Platzproblem dadurch löst, dass er sich auf bestimmte gute Varianten konzentriert und gleichwertige dabei häufiger verwirft und stattdessen ausgiebig erläutert, erklärt und begründet, als umgekehrt.
"A Practical Repertoire with 1.d4 and 1.c4, Volume 2, The King's Fianchetto Defences" ist klassisch als Eröffnungsbuch aufgebaut. In den Kapiteln bildet eine Hauptvariante das Rückgrat der Betrachtungen, alles andere zweigt in der Chronologie dieser Variante ab. Illustrative Partien gibt es nicht, ich vermisse sie auch nicht. Einzelne, im Zuge der Erörterungen genutzte Fragmente werden allerdings ohne besondere Kommentierung bis zum Schluss der Partie gezeigt, wohl aus Gründen der Dokumentation.
Bei "A Practical Repertoire with 1.d4 and 1.c4, Volume 2, The King's Fianchetto Defences" handelt es sich um eine Übersetzung ins Englische, vermutlich aus der russischen Landessprache des Autors. Auf Seite 20 ist ein Zeichen aus einem fremden Zeichensatz versehentlich erhalten geblieben, was diese Annahme stützt.
Den Status einer Übersetzung merkt man dem Werk auch an, denn passagenweise würde jemand, für den Englisch die Muttersprache ist, sich nicht so wie im Werk abgebildet äußern. Der Übersetzer GM Evgeny Ermenkov dürfte Englisch auch "nur" als Fremdsprache kennen. Als auf eigene Fremdsprachkenntnisse angewiesener deutsche Leser kann einem dies in einem Schachbuch meines Erachtens völlig egal sein. Die Verständlichkeit des Werkes wird für einen Fremdsprachler dadurch eher gefördert als verringert. Die Anforderungen an die Englischkenntnisse des Lesers möchte ich deshalb auf "schlichtes Schulenglisch" taxieren.
Ein ordentliches Variantenverzeichnis wird dem Leser auch geboten, es befindet sich auf den letzten Seiten.
Fazit: "A Practical Repertoire with 1.d4 and 1.c4, Volume 2, The King's Fianchetto Defences" ist ein empfehlenswertes Buch, sowohl als Einzelwerk als auch als Element der Trilogie, der es zugehört. Zu seinen besonderen Stärken zählen die umfangreichen und qualifizierten Erläuterungen des Autors, die dem Leser eine besondere Hilfestellung dabei leisten, die Theorie zu verstehen und diese nicht nur quasi auswendig zu lernen. Der dafür verwendete Platz im Buch ist gut investiert, auch wenn dadurch die eine oder andere für Weiß alternativ in Betracht kommende Linie außen vor bleibt.
Das Werk reicht aus, um dem Spieler mit Weiß zu einem "runden" Repertoire zu verhelfen, das ihn gegen die wichtigsten Möglichkeiten des Schwarzen rüstet, sofern dieser zu Grünfeldindisch, Königsindisch, zur Modernen Verteidigung oder zur Pirc-Ufimzew-Verteidigung greift. Wer seine Partieanlage mit Weiß auf eine breitere Auswahl an weißen Zugalternativen stützen möchte, kann dieses Werk auch ganz speziell als zweite oder ergänzende Quelle nutzen. Für den Fernschachspieler ist diese Funktion besonders wertvoll, weil er die in Umfang und Qualität bemerkenswerten Erläuterungen sehr gut seine Partie begleitend nutzen kann, während er die größere Entscheidungsbreite anderweitig erreicht.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
play the accelerated dragon
Peter Lalic
play the accelerated dragon
176 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-012-9
19,90 Euro
play the accelerated dragon
Ein in mancher Hinsicht "etwas anderes" Eröffnungsbuch ist "play the accelerated dragon" von Peter Lalic, eine aktuelle Neuerscheinung von Everyman Chess. Das insgesamt 176 Seiten umfassende Büchlein widmet sich, wie der Titel dem Englisch sprechenden Leser schon sagt, der Beschleunigten Drachenvariante in der Sizilianischen Verteidigung. Diese unterscheidet sich vom "Drachen", der mit der Folge 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 g6 eingeleitet wird, durch …Sc6 statt …d6 und das frühzeitige Aufziehen des Fianchettobauern in der g-Linie. Der "Beschleunigte Drache" wird also über 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 g6 eingeleitet.
In seiner Einleitung/Einführung gibt Lalic dem Leser insgesamt sechs Versprechen, die damit gut anzeigen, was er mit seinem Buch erreichen will. Diese sind, in einer sinngemäßen deutschen Übersetzung:
1. Mit diesem Repertoire vorbereitet werden Sie niemals den Jugoslawischen Angriff fürchten müssen.
2. Klare, konsequente und logische Pläne statt Übergänge in Linien der Standard-Drachenvariante.
3. Flexibilität, um auf Gewinn zu spielen oder in ein Remis zu vereinfachen.
4. Ein zuverlässiges Entwicklungsschema (…g6, …Lg7, …Sf6, …0-0) gegen so gut wie alles.
5. Positionsverständnis, Zugfolgen nach Verstehen (Anmerkung: Vermutlich wollte der Autor in etwa die Aussage "Zugfolgen nach Verstehen" treffen. Wörtlich übersetzt müsste von "transzendierenden Zugfolgen" gesprochen werden, was allerdings irritierend wirkt).
6. Die effektivsten Varianten.
Ihm wird klar gewesen sein, dass er damit natürlich den Leser zur Prüfung herausfordert, ob er seine Versprechen auch allesamt eingehalten hat. Aber dazu später …
Zunächst aber noch ein paar Worte zum Autor: Peter Lalic ist Spross eines Schach spielenden Elternpaares, Vater ist GM Bogdan Lalic und Mutter LGM Susan Lalic. Sie dürften den Sohn schon früh mit dem Schach-Virus infiziert, ihn aber auch schnell ganz weit nach vorne gebracht haben. Er ist Jahrgang 1994, somit als Autor eines Schachbuches noch sehr jung. Dies meine ich seinem Stil anzumerken, der Qualität seiner Ausführungen leistet dies aber keinen Abbruch.
Sein Schreibstil ist locker und frisch, wie ich finde. Einige Anleihen aus der Welt jenseits des Schachspiels deuten den Horizont und die Unbefangenheit eines jungen Menschen an. Wie sagt man heute? Er ist eben locker drauf!
Seine Darstellungen zur Theorie unterbricht er durch von mir nicht gezählte Sprüche, Bonmots und Aphorismen bedeutender (Schach spielender) Menschen aus der Gegenwart und der Vergangenheit. Mit der jeweils gerade behandelten Eröffnungsproblematik haben sie in der Regel nichts zu tun. Sie lockern auf, mir gefällt es.
Die Theorie bespricht Lalic anhand von 50 Partien, die entsprechend "gerichtet" kommentiert sind. Diese stammen in erheblicher Zahl aus früheren Jahrzehnten, sodass auch Größen der Vergangenheit im Werk zu Worte kommen. Zugleich stellt sich aber auch die Frage, ob das Material dem aktuellen Stand der Theorie entspricht. Dies kann ich hinsichtlich der angesprochenen Empfehlungen bejahen. Dabei darf man auch nicht vergessen, dass "play the accelerated dragon" ein Buch ist, das eine Anleitung geben soll, wie der Leser die Beschleunigte Drachenvariante spielen sollte, und damit zugleich auch aufzeigt, wie man es eben nicht machen sollte. Im Kern ist das Werk ein aus der Sicht von Schwarz geschriebenes Repertoirebuch, das durchaus auf der Höhe der Zeit ist. Das jugendliche Alter des Autors dürfte noch dazu beigetragen haben, das Buch auf dem aktuellen Stand der Theorie zu halten, denn Lalic hatte keine Chance, "alte Erinnerungen und Vorlieben" mit einzubauen.
Von den in den vergangenen fünf Jahren gespielten Partien hat Lalic rund die Hälfte selbst am Brett ausgetragen.
Der Einleitung/Einführung folgen insgesamt sechs Kapitel mit den folgenden Überschriften (in sinngemäßer deutscher Übersetzung):
1. Hauptlinie: Versuche aus dem Bereich des Jugoslawischen Angriffs
2. Hauptlinie: 7.Lc4
3. Hauptlinie: klassische Variante
4. Weiße Abweichungen
5. Maroczy-Aufbau: strategische Ideen
6. Maroczy-Aufbau: Gurgenidse-Variante.
Um sein Versprechen Nummer fünf einzuhalten, muss Lalic Erläuterungen, Erklärungen, Anleitungen etc. den klaren Vorrang vor langen Varianten einräumen. Genau dies macht er auch. Das Werk geht sehr auf Zusammenhänge und Abhängigkeiten von Stellungen, Situationen und Einzelzügen ein. Lalic erklärt viel und intensiv. Er tut also alles, um sein Versprechen einzulösen.
Ich erlaube mir mal einen Blick auf das Werk aus der Warte des Fernschachspielers und stelle mir die Frage, was es speziell ihm als Gewinn bringen kann. "play the accelerated dragon" lässt ihn die Beschleunigte Drachenvariante verstehen. Er hat damit also die Chance, seine Partie auch strategisch Erfolg versprechend anzulegen. Und er profitiert davon, von Lalic qualifizierte Repertoirevorschläge an die Hand zu bekommen. Gerade in seiner Partie aber muss er damit rechnen, dass der Gegner abweicht und er so aus den Linien kommt. Einerseits gibt es immer wieder Züge, die auch sehr gut spielbar sind und die ein Autor in einem schmalen Werk wie diesem nicht abbilden kann, andererseits müssen Züge, die im Nahschach als die beste Wahl gelten, nicht auch unter den Bedingungen des Fernschachs das Optimum sein. Ein verzweigtes Variantensystem wird dem Fernschachspieler nicht geliefert. Er erhält aber einen sehr guten "roten Faden", der sich um die Partien einer gut sortierten Datenbank ergänzen lässt. Dies ist ein Wert speziell für den Fernschachspieler, der nicht zu unterschätzen ist.
Zurück zu den Versprechen des Autors auf den einleitenden Seiten: Ich denke, dass er sich alle Mühe gegeben hat, diese einzuhalten. Er hat ein Repertoire zusammengestellt, über das Schwarz dem Jugoslawischen Angriff aus dem Weg gehen kann. Dabei setzt er auf wiederkehrende Grundmuster im Aufbau. Er arbeitet intensiv darauf hin, den Leser das System verstehen zu lassen, er gibt Hinweise zum Aufbau und zum planvollen Spiel. Soweit so hinreichend konkret und in einer gewissen Weise messbar, dass ein Überprüfen seiner Versprechen möglich ist, hat er sie eingehalten.
Die Buchsprache ist Englisch. Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des deutschen Lesers habe ich nicht als durchgehend gleich empfunden. Überwiegend halte ich sie für moderat, nur teilweise könnte der Leser, der etwas ungeübt ist, an seine Grenzen stoßen. Mit einer Möglichkeit, offene Vokabeln zu klären, sollten aber alle Klippen gut zu umschiffen sein.
Das obligatorische Variantenverzeichnis auf den letzten Buchseiten ist ausreichend differenziert. Die Schlüsselstellungen werden über Diagramme visualisiert.
Eine gute Entscheidung von Lalic war es, einen Spruch von Henry James Byron als letzte Aussage überhaupt zu positionieren. Das Schätzchen in einer sinngemäßen deutschen Übersetzung: "Das Leben ist zu kurz für Schach.". Der schelmische Motivationskiller steht also zum Glück ganz am Ende.
Obwohl, auch als Rezensent muss man diese Aussage hinsichtlich ihrer Bedeutung durchdenken. Betrachten Sie diese Besprechung also bitte als nie geschrieben! ;-)
Fazit: "play the accelerated dragon" ist ein gut geeignetes Werk, um den Leser in die Beschleunigte Drachenvariante einzuführen und ihn mit einem ordentlichen Grundrepertoire auszustatten. Lalic nimmt den Leser quasi an die Hand, um ihn das Eröffnungssystem verstehen zu lassen. Zugleich möchte er ihn während seiner Arbeit mit dem Werk auch unterhalten.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Chess Training for post-beginners
Yaroslav Srokovsky
Chess Training for post-beginners
221 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-472-1
19,95 Euro
Chess Training for post-beginners
"Chess Training for post-beginners" ist der aussagekräftige Titel eines Werkes von Yaroslav Srokovski, 2014 erschienen bei New In Chess (NIC). Es richtet sich an diejenigen Spielerinnen und Spieler, die das Stadium des absoluten Anfängers hinter sich gelassen haben und sich nun auf die einzelnen Elemente des Positionsspiels konzentrieren können. Srokovski definiert den Adressatenkreis nach der Elo-Zahl und zwar von 1400 bis 2200. Zur Eingangszahl vermag ich seiner Einschätzung gut zu folgen. Die obere Grenze aber ist, zumindest soweit es um das Studium mit dem Ziel des Erlernens der Elemente geht, meines Erachtens deutlich zu hoch angesetzt. Ich möchte keine neue Grenze in den Raum stellen, denke aber, dass ein "1800er" die Prinzipien, Methoden und Manöver allesamt schon kennt, selbst wenn er noch sehr jung sein sollte, denn die 1800 erreicht man nicht ohne.
Natürlich hat "Chess Training for post-beginners" auch einen Wert für diejenigen, die mit ihren Fertigkeiten jenseits dieser Schwelle liegen, aber in anderer Hinsicht. Für sie kann das Werk als Trainingsbuch fungieren bzw. beim Auffrischen grundsätzlich schon vorhandener Kenntnisse helfen.
In einer sinngemäßen deutschen Übersetzung weist das Inhaltsverzeichnis die folgenden Studienthemen aus:
Kapitel 1: Vom Spiel ausgeschlossene Figuren
Kapitel 2: Offene Linien
Kapitel 3: Starke und schwache Felder
Kapitel 4: Schwache Felderkomplexe und schwache Diagonalen
Kapitel 5: Bauernmehrheit auf dem (Damen-) Flügel
Kapitel 6: Die Stärke des Freibauern
Kapitel 7: Schwache Bauern
Kapitel 8: Der König in der Mitte
Kapitel 9: Guter Springer gegen schlechten Läufer
Kapitel 10: Guter Läufer gegen schlechten Springer
Kapitel 11: Der Vorteil des Läuferpaars im Endspiel
Kapitel 12: Der Vorteil des Läuferpaars im Mittelspiel.
Bevor ich weiter auf die Gestaltung des Stoffes eingehe, möchte ich ein paar Gedanken zur Bedeutung der Buchsprache Englisch äußern. Oft befinden sich die Anfänger und die "Post-Anfänger", um die Bezeichnung aus dem Titel des Buches aufzugreifen, noch in einem jugendlichen Alter. Die über die Schule erlangten Fremdsprachkenntnisse werden somit oft noch nicht das höchste Niveau erreicht haben. Umso wichtiger ist es, dass "Chess Training for post-beginners" keine allzu hohen Anforderungen daran stellt. Dies ist aus meiner Sicht klar der Fall. Der Satzbau ist beinahe durchgehend einfach, Verschachtelungen gibt es eher selten. Das verwendete Vokabular ist ebenfalls überwiegend nicht anspruchsvoll. Das Buch ist deshalb in meinen Augen auch für das Selbststudium eines ehrgeizigen Schülers geeignet, der über einen Wortschatz verfügt, der die rund 1500 wichtigsten Begriffe umfasst und um schachspezifische Ausdrücke ergänzt ist.
Nicht zu vergessen sind für diese Gruppe der jungen Schachanhänger die Übungsleiter, Trainer etc. Sie können, entsprechende eigene Sprachkenntnisse vorausgesetzt, den Stoff aus dem Buch gut an ihre Schützlinge weitergeben.
Nun zur Art und Weise, wie Srokovski den Stoff vermittelt: Ein Kapitel jeweils einleitend beschreibt er zunächst ausführlich, was es mit dem in ihm besprochenen Thema auf sich hat. Wie es sich definiert, wie wichtig es ist etc. bringt er sehr verständlich an den Leser. Er veranschaulicht den Einsatz des jeweiligen Elements der Schachstrategie in der Folge anhand von Partien aus der Meisterpraxis. Diese Beispiele entstammen der Zeit der alten Meister bis in unsere Tage hinein. Für Srokovski war es offensichtlich kein Kriterium, möglichst nur neuzeitliche Spiele zu bringen, um damit die Aktualität des Werkes zu unterstreichen. Er hat sich vielmehr wohl daran orientiert, wie gut ein Beispiel das repräsentiert und ihm das zu veranschaulichen erlaubt, was er gerade an den Leser bringen will. Die eine oder andere Partie oder Stellung kennt der erfahrene Spieler sicher schon, der aber zählt auch nicht wirklich zum Adressatenkreis des Werkes. Und in jedem Fall treten auch die alten Beispiele in einem neuen Gewand auf, nämlich dem von Srokovski genähten.
Ich denke, dass die zeitliche Streuung der verwendeten Beispiele auch Ausdruck dessen ist, dass Srokovski ein sehr erfahrener und erfolgreicher Trainer ist, der als solcher die höchsten Meriten empfangen hat. Er hat Material aus seiner langen Trainerpraxis im Buch eingesetzt und bei einem viele Jahre lang tätigen Trainer kommt eben auch viel aus mehreren Epochen zusammen. Für den Leser von "Chess Training for post-beginners" bedeutet dies, dass er auf der Basis eines erprobten Schulungsmaterials studiert, das seine Tauglichkeit schon lange unter Beweis gestellt hat.
Man merkt den Anleitungen, Erläuterungen und Erklärungen Srokovskis seine hohe Kompetenz als Trainer an. Die Art und Weise, wie er sein Wissen vermittelt, wie er didaktisch vorgeht, zählt zum Besten, was ich persönlich im Bereich dieses Büchergenres bisher gesehen habe. Er macht keine Wissenschaft aus seinem Stoff, er bringt ihn so herüber, wie er mutmaßlich bestmöglich aufgenommen und verstanden werden kann.
Abgeschlossen werden die einzelnen Kapitel mit Übungen, die mittels Diagrammen an den Leser gerichtet werden und deren Lösungen dieser am Ende des Buches gesammelt vorfindet.
Srokovski selbst meint, dass jeder Leser seines Buches, der es konzentriert durcharbeitet, seine Elo-Zahl um bestimmt 100 Punkte wird heben können. Es steht für mich außer Zweifel, dass tatsächlich jeder "Post-Beginner" in einem hohen Maße von dem Buch profitieren und seine Spielstärke klar steigern wird. Zu der anvisierten Zahl von Punkten möchte ich inhaltlich nichts sagen und verweise stattdessen auf ein bekanntes Zitat. "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen." Und vielleicht springt der "1400er" doch auch auf 1600 oder mehr. "Chess Training for post-beginners" gibt ihm die Möglichkeiten in die Hand.
Fazit: "Chess Training for post-beginners" ist ein ausgezeichnetes Lehrbuch zur Strategie für Spielerinnen und Spieler, die inzwischen regelfest sind, aber noch keine erhebliche Spielstärke erreicht haben. Innerhalb eines Elo-Korridors von 1400 bis 1700/1800 dürften sie besonders profitieren, jenseits dieses Bereichs bekommt der Leser Material zum Training und zum Auffrischen bereits erarbeiteter Kenntnisse in die Hand.
Englischkenntnisse sind für das Studium des Buches unerlässlich, die daran zu richtenden Ansprüche aber sind moderat.
"Chess Training for post-beginners" ist eine Bereicherung im Sektor der Lehr- und Trainingsbücher zur Schachstrategie und damit eine klare Kaufempfehlung.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Schach in Zeitungen des 20. Jahrhunderts
Elke Rehder
Schach in Zeitungen des 20. Jahrhunderts
340 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-933648-54-9
29,80 Euro
Schach in Zeitungen des 20. Jahrhunderts
Zu schachhistorischen Themen sind in jüngster Vergangenheit mehrere bemerkenswerte Bücher auf den Markt gekommen. In diese Linie reiht sich nahtlos "Schach in Zeitungen des 19. Jahrhunderts" ein, geschrieben von Elke Rehder und erschienen in der Edition Jung.
Als ich das Buch in die Hand bekam, war ich zunächst überrascht, als ich den Namen der Autorin las. Elke Rehder ist eine Künstlerin aus Barsbüttel, deren Arbeiten sich zentral auch mit dem Schachspiel verknüpfen und die schon mehrfach mit dem Deutschen Fernschachbund e.V. zusammengearbeitet hat.
Wie kommt eine Künstlerin dazu, ein Buch über "Schach in Zeitungen des 19. Jahrhunderts" zu schreiben? Diese Frage hat mich sehr interessiert. Und so lag es auf der Hand, einfach mal nachzufragen. Ich habe also den schon lange bestehenden Kontakt genutzt, um mehr zu erfahren.
Frau Rehder schrieb mir: "Anfang letzten Jahres besuchte ich den Grafiker Uwe Holstein in seinem Atelier. Dort entdeckte ich eine Vielzahl alter Zeitungen und Magazine in diversen Schränken. Die Zeitungen waren nicht zehn oder hundert Jahre alt; sie waren 140 bis 230 Jahre alt." Und weiter: "Ich wollte jedoch kein rein wissenschaftliches Buch schreiben. Das Buch sollte für jeden an Kultur interessierten Schachspieler spannend und interessant sein."
Zunächst ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis, soweit dieses die redaktionellen Kernthemen ausweist:
1 Deutschsprachige Schachzeitungen vor 1870
1.1 Deutsche Schachzeitung (Leipziger)
1.2 Schachzeitung (Berliner)
1.3 Magdeburger Schachzeitung
1.4 Sonntagsblatt
1.5 Neue Berliner Schachzeitung
1.6 Wiener Schachzeitung
1.7 Schweizerische Schachzeitung
2 Fremdsprachige Schachzeitungen vor 1870
2.1 Frankreich
2.1.1 La Palamède
2.1.2 La Régence
2.1.3 La Stratége
2.2 Großbrittanien
2.2.1 The Philidorian
2.2.2 The Chess Player's Chronicle
2.2.3 The Chess Player's Magazine
2.3 Vereinigte Staaten von Amerika
2.4 Niederlande
2.5 Italien
3 Deutschsprachige Zeitungen mit Schach vor 1870
3.1 Technische Entwicklungen und die Verbreitung des Schachs
3.1.1 Thomas Bewick und die Verbreitung des Schachspiels
3.2 Illustrirte Zeitung - Schachaufgaben und Korrespondenz
3.2.1 Jahrgang 1843
3.2.2 Jahrgang 1844
3.2.3 Jahrgang 1845
3.2.4 Lösungen der Aufgaben
3.3 Payne's Illustrirtes Familien-Journal und Kalender
3.3.1 Schachaufgaben aus Payne's Illustrirtem Familien-Kalender
3.3.2 Lösungen der Aufgaben
4 Fremdsprachige Zeitungen mit Schach vor 1870
4.1 Frankreich
4.2 Großbritannien
4.3 Vereinigte Staaten von Amerika
Kurzbiografien der Schachspieler in Auswahl.
"Schach in Zeitungen des 19. Jahrhunderts" ist deutlich erkennbar eine ganz besondere Fleißarbeit. Es trägt sehr viel Wissen in sich, ist aber zugleich auch ausgesprochen unterhaltsam. Zahlreiche Illustrationen, von Holzschnitten über Lithografien bis hin zu Zeichnungen lockern das Werk auf. Das rätselhafte, allegoriehafte und manchmal etwas diabolisch wirkende Element übernehmen Werke von Uwe Holstein. Glupschäugige Kreaturen an der Seite von Schachspielern oder als Verbildlichung von Charakterzügen oder Lastern etc. (so jedenfalls interpretiere ich sie) sind ein Hingucker, der das Auge des Betrachters dann nicht einfach wieder loslässt.
Noch ein paar Worte zu dem immensen Wissen im Werk: Elke Rehder bildet es nicht einfach "nur" ab, sie befreit es sogar von Fehlern und beseitigt Lücken. Auch hierzu ein Auszug aus dem O-Ton: "In meiner eigenen Schachbibliothek habe ich unter anderem mehrere Standardwerke zur Schachgeschichte. Die meisten davon bedürfen der Überarbeitung, weil in den letzten hundert Jahren zahlreiche neue Informationen und Erkenntnisse eine Berichtigung oder Ergänzung erfordern. Informationen im Internet, auch bei Wikipedia, sollten meines Erachtens nicht ungeprüft übernommen werden. Nicht nur in Amerika schreiben Studenten ihre Diplomarbeiten fast ausschließlich auf der Datenbasis des Internets. Fast kein Student recherchiert direkt in Bibliotheken und Archiven, weil dies zeitaufwendig und arbeitsintensiv ist." Und weiter: "Zunächst sortierte und analysierte ich den gefundenen Schatz. Es waren Publikationen dabei, die in keiner Bibliothek der Welt vorhanden sind.
Payne's Illustrirter Familien-Kalender lag vollständig! vor (auch dies ist in keiner Bibliothek der Fall)."
Ein zentraler Inhalt sind insgesamt 210 Schachaufgaben und deren Lösungen. Die Aufgaben sind allesamt historisch, die Lösungen aber zum Teil neu erstellt bzw. korrigiert, wofür Elke Rehder sich bei Karl-Otto Jung bedankt.
Bei den Aufgaben aus der Leipziger Illustrirten Zeitung hat Elke Rehder darauf Wert gelegt, dass die alten Diagramme gezeigt werden und der Schriftwechsel mit der Redaktion (Portius) überliefert wird (mit den Fehlern und Macken aus der Zeit), alles also pur und ungefiltert. Eine Fundgrube für Schachhistoriker.
Ein kleiner Tipp mal besonders an die Fernschachspieler: Werfen Sie mal einen Blick auf den Eintrag zu "2.1.1 La Palamède"! Sagt Ihnen nicht viel? Ging mir auch so, aber ich habe nachgeschaut. Palaméde ist die französische Version des Namens Palamedes, einer Gestalt aus der griechischen Mythologie. Warum die französische Schachzeitung diesen Namen trug, weiß ich nicht, aber vielleicht mag den Ausschlag hierfür gegeben haben, dass Palamedes die Erfindung des Brettspiels als Zeitvertreib zugeschrieben wird. Mir bisher unbekannt war, dass "La Palaméde" Erfinder der Zahlennotation war, die noch heute im Fernschach Verwendung findet. Auf Seite 48 ihres Werkes hat Elke Rehder dieses Verdienst vor dem Vergessen gerettet.
Bevor ich zu meinem Fazit komme: Ein Missgeschick ist dem Verleger bei der Angabe der ISBN unterlaufen. Sie lautet am Ende korrekt auf eine "9", nicht wie im Werk zu finden abgedruckt mit einer "8".
Fazit: "Schach in Zeitungen des 19. Jahrhunderts" ist ein Werk, das ich als bedeutend für die Aufbereitung der Geschichte des Schachspiels und deren Bewahrung einschätze. Es ist somit historisch wertvoll, informativ und zugleich kurzweilig. Zudem erlaubt es das Lösen von Schachaufgaben, die für mich eine besondere Aura verbreiten, da sie schon vor Generationen die Menschen in den Bann des Spiels gezogen haben.
Der Kaufpreis von 29,80 Euro erklärt sich für mich durch eine geringe Auflage von Büchern dieser Art. Er ist zweifellos angemessen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Grandmaster Repertoire: The Classical Slav
Boris Awruch
Grandmaster Repertoire: The Classical Slav
429 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-38-5
29,99 Euro
Grandmaster Repertoire: The Classical Slav
Mit "The Classical Slav", Band 17 aus der Reihe "Grandmaster Repertoire", ist ein bedeutender Mosaikstein zur Schaffung quasi einer Repertoire-Enzyklopädie auf GM-Niveau hinzugekommen. Quality Chess hat mit Boris Awruch als Autor zudem einen Experten gefunden, der nicht nur bereits mehrere vorzügliche Bände zur Reihe beigetragen hat, sondern auch selbst über seine bisherige Karriere hinweg Slawisch gespielt hat. Er kennt die Systeme damit auch aus seiner eigenen Praxis.
Die Basiszugfolge ist 1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 dxc4. Sie bildet das Herzstück des Repertoires. Awruch strebt sie mit dem Ziel eines späteren …Lf5 an. Auf dem Weg dorthin hat Weiß zahlreiche Möglichkeiten, von der Linie abzuweichen. Soweit Alternativen von Bedeutung sind, bildet Awruch sie ab, sodass dem Repertoire das Siegel "rund" gebührt.
Für ein Buch aus diesem Genre eher ungewöhnlich ist, dass Awruch an verschiedenen Stellen auch für Schwarz, aus dessen Sicht das Buch geschrieben und für den das Repertoire gedacht ist, gelegentlich alternative Zugwahlen anbietet. So lässt er dem Spieler zusätzlichen Raum zur Entwicklung eigener Vorlieben in Richtung bestimmter Varianten bzw., was ich als wichtiger ansehe, dem bereits erfahrenen Slawisch-Spieler seine Zug-Steckenpferde und gibt ihm regelmäßig zusätzliches und neues Material in die Hand.
Schon im Vorwort macht Awruch darauf aufmerksam, dass er an bestimmten Stellen auch den Bereich der Slawischen Verteidigung in andere Systeme verlässt, er erwähnt die Meraner Variante und das Angenommene Damengambit ausdrücklich. Zu diesem Schritt hat er sich in Situationen entschlossen, in denen Weiß, soweit das Spiel in der Slawischen Verteidigung gehalten würde, auf Vorteile hoffen könnte.
"The Classical Slav" erscheint im Stil eines klassischen Eröffnungsbuches, so wie es für die Grandmaster Repertoire-Reihe üblich ist. Dies bedeutet, dass eine von Awruch ausgewählte Kernvariante die priorisierte rote Linie im Kapitel bzw. Abspiel bildet und Varianten von dieser an bereiten Stellen abzweigen. Das Werk kommt ganz ohne Referenz- oder Illustrationspartien aus, sodass der Käufer "Theorie pur" für sein Geld erhält.
Die Kapitel werden mittels einer Übersichtsseite eingeleitet. Diese enthält neben der Initialzugfolge auch eine Variantenübersicht, sodass der Leser früh einen vollständigen ersten Überblick über alle Inhalte des Kapitels erhält. Weiter erfährt er mit jeweils einer kurzen Notiz und einem dazugehörigen Diagramm, an welchen Stellen in der Folge welche ggf. wichtigen Neuerungen auf ihn warten. Hiervon dürfte auch der erfahrene Slawisch-Spieler profitieren, der einen Fingerzeig auf eine Neuerung in vielleicht seiner "Wohnzimmer-Variante" erhält.
Und wenn wir gerade bei Neuerungen sind: Von diesen enthält das Werk ein ganzes Bündel, auch in den vom Autor als Hauptvarianten ausgewählten Linien. Awruch dokumentiert nicht nur den Stand der Theorie, er entwickelt sie auch an seinem Analysebrett weiter. Selbst der schon mehrfach angesprochene erfahrene Spieler wird zahlreiche Entwicklungen im Buch finden, die neu für ihn sind.
Die Darstellung der Theorie erinnert sehr an seine früheren Werke aus der Grandmaster Repertoire-Serie. Er erklärt viel und geht sparsam mit "nackten" Analysen und Partiefragmenten um. Ein gewisses Niveau setzt er nach meiner Einschätzung zum Spielverständnis des Lesers voraus. So verzichtet er auf die Aufnahme einfacher Feststellungen, die man noch den Anfangsgründen beim Erlernen des Schachspiels zuordnen kann. Um die Bedeutung vieler Anmerkungen einschätzen und diese inhaltlich verstehen zu können, muss der Leser die Phase des noch recht ungeübten Spielers hinter sich gelassen haben.
Abgeschlossen werden die Kapitel durch eine wertende Zusammenfassung. Wer sich einen frühen schnellen Überblick über die wesentlichen Aussagen des Autors über das im Kapitel behandelte Segment des Repertoires verschaffen möchte, kann ganz gezielt gerade diese Zusammenfassung zum Einstieg ansteuern.
"The Classical Slav" enthält insgesamt 34 Kapitel. Die Aufnahme einer Inhaltsübersicht würde den Umfang dieser Rezension sprengen. Ich verzichte deshalb darauf und verweise stattdessen auf die Möglichkeit, sich im Internet hierüber ein vollständiges Bild zu verschaffen.
Bei einem Werk dieses Umfangs ist es von einer großen Bedeutung, sich als Leser darin komfortabel orientieren zu können. Dies wird hier über ein detailliertes Variantenverzeichnis im Nachgang zu den Ausführungen zur Theorie erreicht. Über dieses Verzeichnis kann der Leser zugorientiert ganz gezielt einzelne Kapitel aufsuchen und sich auf deren Startseiten über das jeweils spezifische Variantenverzeichnis, das ich oben bereits erwähnt habe, weiter in die Richtung einer gesuchten Variante bewegen. Diese für die Bücher aus der Grandmaster Repertoire-Serie typische Organisation ist auch im vorliegenden Werk mustergültig gelungen.
"The Classical Slav" ist in englischer Sprache erschienen, der deutsche Leser benötigt also Fremdsprachkenntnisse, um angemessen mit ihm arbeiten zu können. Der Wortschatz bewegt sich ganz überwiegend im Bereich des um Schachbegriffe ergänzten erweiterten Grundwortschatzes und dürfte dem Leser mit Englischkenntnissen auf Schulniveau keine ernsthaften Probleme bereiten.
Noch ein abschließendes Wort zur Frage, für wen Slawisch als Verteidigung in Betracht kommt: Awruch beurteilt diese Frage aus einer sehr persönlichen Sicht. Er spielt Slawisch neben Grünfeld-Indisch, eben um neben dem Grünfeld-Inder auch eine sehr solide Antwort auf 1.d4 zur Verfügung zu haben. Ich denke, dass jeder Spieler seine eigenen Gründe für die Wahl einer bestimmten Eröffnung hat. Unabhängig hiervon ist "The Classical Slav" ein hoch qualifiziertes Werk für jeden, der auf der Basis von Slawisch und für Schwarz ein Repertoire auf höchstem Niveau sucht bzw. sich als Weißspieler gegen diese schwarzen Linien wappnen will.
Fazit: "The Classical Slav" ist als Einzelwerk wie auch als Element der Reihe "Grandmaster Repertoire" eine klare Kaufempfehlung.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
A Cutting-Edge Gambit against the Queen's Indian
Imre Hera, Ufuk Tuncer
A Cutting-Edge Gambit against the Queen's Indian
174 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-497-4
19,95 Euro
A Cutting-Edge Gambit against the Queen's Indian
Einem sehr spezifischen Thema widmet sich das vom Autoren-Duo Imre Hera (GM aus Ungarn) und Ufuk Tuncer (FM türkischer Nationalität, in Deutschland lebend) verfasste Buch "A Cutting-Edge Gambit against the Queen's Indian". Es behandelt das über die Zugfolge 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6 4.g3 La6 5.Dc2 c5 6.d5 eingeleitete Gambit gegen die schwarze Indische Verteidigung, das in jüngerer Zeit häufiger Gegenstand theoretischer Diskussionen war. GM Hera war mir persönlich bisher nicht allzu sehr ein Begriff. Über seine Vita wird deutlich, dass er ein erfolgreicher Turnierspieler ist, dessen noch junger Weg im Schach (er ist 1986 geboren) zudem durch anderweitige Studien unterbrochen war. FM Tuncer ist mir schon häufiger als Autor interessanter Beiträge in den NIC-Yearbooks aufgefallen.
Nun zum Buch: Bei "A Cutting-Edge Gambit against the Queen's Indian" handelt es sich um ein Repertoirebuch, das aus der Perspektive von Weiß geschrieben ist. Dies bedeutet, dass der Anziehende auf alle wesentlichen Alternativen des Gegners bestmöglich bzw. angemessen reagieren können soll. Zugleich aber ist zu bedenken, dass das behandelte Gambit in einer zunächst vom Nachziehenden geprägten Eröffnung gespielt wird. Es liegt auf der Hand, dass auch Schwarz die Inhalte des Werkes, mindestens soweit es sich um Neuerungen handelt oder sie ihm bisher in keiner anderen Zusammenstellung vorliegen, kennen sollte, denn immerhin findet das Spiel in "seinem Wohnzimmer" statt. Zu beachten sind das Werk und seine Ausführungen für ihn zweifellos, soviel schon mal an dieser Stelle.
"A Cutting-Edge Gambit against the Queen's Indian" ist in drei Teile gegliedert, die zusammen 11 Kapitel enthalten. Diese Teile behandeln die folgenden Bereiche der Theorie:
Teil 1: Schwarz lehnt ab
Teil 2: Schwarz nimmt an mit 6...cxd5 7.exd5 Lb7 8.Lg2 Lxd5
Teil 3: Schwarz nimmt an mit 6...cxd5 7.exd5 Lb7 8.Lg2 Sxd5.
Die einzelnen Kapitel werden über die jeweilige Ausgangszugfolge eingeleitet, die Ausgangsstellung wird zudem über ein Diagramm visualisiert. Dem schließen sich ein paar Worte an, die etwas Allgemeines zur Variante mitteilen, beispielsweise einen Protagonisten erwähnen. Ohne besondere Umschweife also kommt das Werk dann jeweils zum Wesentlichen, zur theoretischen Erörterung.
Hera und Tuncer gehen in den Kapiteln quasi "linear" vor, indem sie eine Basisvariante nutzen, die das Rückgrat aller Ausführungen bildet und aus einer praktischen Partie stammen kann. Von dieser lassen sie ihre Anmerkungen und Analysen abzweigen. Die Darstellung erinnert damit an eine besonders intensiv analysierte und kommentierte Partie.
Den Kapitelabschluss nimmt jeweils eine zusammenfassende Wertung ein, die auch schon mal etwas länger ausfallen kann. Dem ohne ein bestimmtes Vorinteresse an das Werk herangehenden Leser rate ich, sich immer erst gerade diese Zusammenfassung anzuschauen, bevor er sich mit einem ausgewählten Kapitel beschäftigt. Sie gibt ihm nicht nur einen guten wertenden Überblick, sondern auch Fingerzeige darauf, ob eine Variante ganz speziell auch für ihn etwas ist.
Die Autoren sind sichtlich bemüht, die Abläufe auf dem Brett transparent und verständlich zu machen. Sie geizen nicht mit Erläuterungen und Erklärungen und arbeiten dementsprechend nicht in einer Weise, die den Schwerpunkt auf lange Analysen und Varianten legt.
In den Anmerkungen finden sich oft auch Einflüsse aus dem Fernschach. Mal sind es Partiefragmente, ein anderes Mal kann es ein Hinweis auf eine Besonderheit eines Zuges sein, die auf seine Herkunft aus einer Fernpartie hinweist. Vollständig abgebildete Partien aus diesem Bereich des Wettkampfschachs gibt es nicht. Insgesamt 12 Illustrationspartien sind in das Buch integriert, Hera und Tuncer gehen also recht sparsam damit um und konzentrieren sich auf die theoretischen Erörterungen.
Die Autoren haben zahlreiche Neuerungen abgebildet, vornehmlich für Weiß. Inwieweit sie bisherigen Alternativen überlegen sind, konnte ich nicht überprüfen. Mindestens aber sind die Vorschläge seriös, sodass sowohl Weiß als auch Schwarz Interesse an einer Überprüfung haben sollten.
Noch einmal kurz zurück zu den Erläuterungen der beiden Autoren: Positiv aufgefallen ist mir, dass sie hinsichtlich der Prüfung, ob eine Spielweise für einen Spieler "vor Ort" geeignet ist, durchaus Unterschiede machen. So gibt es beispielsweise auch schon mal einen Hinweis auf eine Besonderheit in der entstehenden Bauernstellung, die dem einen oder anderen Spieler aufgrund dessen Vorlieben und Fähigkeiten gut oder eben auch weniger gut liegen dürfte.
Wenn mir im Theoriebereich überhaupt etwas nicht ganz so gut gefallen hat, ist dies eine nur "formelle" Sache. Die gewählte Organisation der Darstellungen führt dazu, dass quasi "lange Stränge" von Erörterungen entstehen. Die Trägervariante, die das erwähnte Rückgrat der Ausführungen in einem Kapitel bildet, erstreckt sich teilweise über eine hohe Zahl an Seiten. So kommt es vor, dass zwischen zwei Zügen dieser Hauptvariante sehr viel Kommentierung stehen kann, sehr viele Nebenvarianten behandelt werden. So habe ich mehrfach richtig suchen müssen, wo es weiterging. Die Hauptvarianten sind zwar über eine vergrößerte Schrift erkennbar, aber eben nicht so deutlich, dass die Fortsetzung immer ohne Mühe gefunden werden kann. Eine andere Art der Kennzeichnung hätte hier ein kleines Plus an Service geschaffen.
Neben der verständlichen Darstellung der Theorie ist es für den potenziellen Käufer des Buches auch wichtig, etwas zu den Anforderungen an seine Fremdsprachkenntnisse zu erfahren, da "A Cutting-Edge Gambit against the Queen's Indian" in englischer Sprache verfasst ist. Nach meiner Einschätzung ist hier die Stange nicht hoch gelegt, normales Schulenglisch dürfte für ein weitgehend komplikationsloses Verstehen ausreichen.
Am Ende des Werkes findet der Leser neben einem ausführlichen Variantenverzeichnis (um Diagramme ergänzt) unter anderem auch etwas Biographisches zu den Autoren, ein Partienverzeichnis und die Bibliografie. Diese ist schmal, aber offenkundig sorgfältig zusammengestellt. Sie stützt sich auch auf die neuesten Quellen, die Aktualität wird nicht zuletzt über die elektronischen Möglichkeiten gesichert.
Fazit: "A Cutting-Edge Gambit against the Queen's Indian" ist ein gelungenes Werk, das ich somit besten Gewissens jedem empfehlen kann, der über den Schlüsselzug 6.d5 seinem Damenindisch spielenden Gegner auf den Pelz rücken will oder als Schwarzer gut präpariert sein will gegenüber derartigen Absichten seines Gegenüber.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Diamond Dutch
Viktor Moskalenko
The Diamond Dutch
271 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-441-7
26,95 Euro
The Diamond Dutch
Die Holländische Verteidigung zählt zu jenen Eröffnungen, deren Vollwertigkeit seit den klassischen Tagen des Schachspiels diskutiert wird. Auch heute noch scheiden sich die Geister in dieser Frage, allerdings hat sich ihr Ruf stark verbessert, dank einiger Experten, deren Wort im Schach etwas gilt. Zu ihnen zählt auch Viktor Moslalenko, der mit "The Diamond Dutch", jüngst bei New In Chess erschienen, ein neues Werk zur Holländischen Verteidigung vorgestellt hat.
Bei allen Diskussionen ist sich die Theorie aber einig, dass die Eröffnung für beide Seiten nicht gerade leicht zu spielen ist. Und u.a. hier setzt Moskalenko an; er will für Weiß wie für Schwarz den Leser die Systeme verstehen lassen und ihm die besten Linien vermitteln. Der Rückentext hebt hervor, dass "The Diamond Dutch" kein Repertoirebuch ist. Dieser Aussage kann ich aber nur teilweise folgen. Ein Monolog ist das Werk ganz sich auch nicht, da sich Moskalenko auf Linien beschränkt, die nach seinem Qualitätsurteil gut sind. Wenn ich das Werk charakterisieren darf, ist es eine besondere Art von Repertoirebuch, und dies sowohl für Weiß wie auch für Schwarz. Dies verstehe ich als Aufwertung, denn für beide Parteien sucht Moskalenko die aussichtsreichsten Varianten. Es kommen damit auch Abspiele auf das Brett, in denen eine Seite zu einer erstrangigen Empfehlung des Autors greift und dabei andere nach dem Urteil der Theorie erstrangige Linien außen vor bleiben, sodass die andere Partei nur in Abhängigkeit der Wahl des Gegners zum eigenen besten Abspiel kommt.
Das Werk besteht aus drei Teilen, die insgesamt acht Kapitel beinhalten. Das Inhaltsverzeichnis hat hinsichtlich der Theorieteile das folgende Gesicht:
Teil 1 - The Anti-Dutch
Kapitel 1: Gambits and Rare Systems
Kapitel 2: The Knight System: 1.d4 f5 2.Sc3
Kapitel 3: The Bishop System: 1.d4 f5 2.Lg5
Teil 2 - The Stone wall Dutch and the Classical Dutch
Kapitel 4: The Catalanized Dutch: White's fianchetto g2-g3
Kapitel 5: Rolling Stones - A Repertoire for Black and for White
Kapitel 6: The Classical Dutch: f5/e6/d6
Teil 3 - The Leningrad Dutch
Kapitel 7: The Main Leningrad: 7...Sc6, 7...c6 and 7...De8
Kapitel 8: The Flying Fortress - Leningrad Sidelines.
Die Kapitel werden zunächst kurz eingeleitet, dabei wird ein Ausblick auf die sich anschließenden Partien gegeben. Moskalenko bedient sich zur Darstellung seiner Empfehlungen 55 Partien aus der Turnierpraxis. Den Abschluss eines Kapitels bildet eine kurze wertende Zusammenfassung.
Bei der Kommentierung setzt er zur Kennzeichnung verschiedener Aspekte Symbole ein. Diese weisen die folgenden Ausführungen verschiedenen Kategorien zu, beispielsweise stärkste Linien, Pläne, Ergebnisse statistischer Auswertungen etc. Dieses Vorgehen ist nicht neu, allerdings habe ich die Umsetzung dieser Methode mindestens schon lange nicht mehr in einer solchen Qualität gesehen, wenn überhaupt schon einmal. Indem beispielsweise ein Hinweis deutlich macht, dass Moskalenko nachfolgend etwas zum Plan für das weitere Spiel sagt, leitet er das Denken und die Aufnahme des Lesers in diese Richtung. Die Passage läuft weniger Gefahr, im Text unterzugehen, der Leser speichert ihren Inhalt unter dem Karteikärtchen "Strategie" ab.
Insgesamt empfinde ich die Kommentierung als sehr gut geeignet, um die dargestellten Systeme zu erlernen im Sinne von verstehen. Moskalenko erklärt und beschreibt sehr gut.
Ein erfreulich ausführliches und um Diagramme bereichertes Variantenverzeichnis, ein Spieler- und ein Partienverzeichnis runden die wesentlichen Buchinhalte ab.
Während der Arbeit zur Vorbereitung dieser Rezension habe ich mich mehrfach gefragt, mittels welchen Einsatzes das Buch den größten Wert für den Leser entwickeln dürfte. Es ist für mich eine sehr gute Grundlage, um die Holländische Verteidigung in ihren Ideen und zahlreichen guten Linien seitens Schwarz und Weiß zu begreifen und auch zu spielen. Ein in sich rundes Repertoire bietet "The Diamond Dutch" für keine Seite an, will es konzeptionell aber auch nicht. Deshalb sehe ich den Wert des Buches für den Leser ganz besonders dann als bemerkenswert hoch an, wenn dieser bereits ein einigermaßen aktuelles Werk zu Holländisch hat oder er sich ein weiteres zulegen möchte, das dann die Materialbreite steigert. In dieser Verwendung dürfte "The Diamond Dutch" seine größte Stärke ausspielen.
Die Buchsprache ist Englisch, gesichertes Schulenglisch reicht zum ordentlichen Verstehen aus.
Fazit: "The Diamond Dutch" ist eine Kaufempfehlung für Weiß und für Schwarz an den Spieler, der die Ideen der Holländischen Verteidigung verstehen und erlernen sowie eine Auswahl der stärksten Linien erhalten möchte.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Modern Anti-Sicilian 1.e4 c5 2.a3
Sergei Soloviov
The Modern Anti-Sicilian 1.e4 c5 2.a3
552 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-96-8
24,95 Euro
The Modern Anti-Sicilian 1.e4 c5 2.a3
Es gibt Bücher, die erregen bereits beim ersten Blick auf den Titel ein starkes Interesse in mir. Zu diesen zählt "The Modern Anti-Sicilian 1.e4 c5 2.a3" von Sergei Soloviov, eine im auslaufenden Jahr 2013 auf den Markt gekommene Neuerscheinung des bulgarischen Chess Stars-Verlags. Sobald Sie anhand der genannten Zugfolge erkennen, worin es darin geht, und dann hier lesen, dass das Buch insgesamt 552 Seiten lang ist, werden Sie sich vermutlich fragen, wie es dazu kommen kann. Bevor Sie zu falschen Vermutungen kommen: Das Werk trägt nicht etwa ein Taschenbuchformat, es ist "normal" groß. Das Schriftbild entspricht dem Üblichen, die Buchstaben sind nicht größer als in anderen Büchern. Und es enthält auch keine Riesenmenge an Diagrammen, die seinen Umfang aufblähen würden. Nein, es ist tatsächlich fast alles "Theorie", was der Leser mit "The Modern Anti-Sicilian 1.e4 c5 2.a3" erhält.
Das Wort "Theorie" habe ich bewusst in An- und Ausführungszeichen gesetzt, denn jeder halbwegs erfahrene Spieler weiß, dass es zu 1.e4 c5 3.a3 bisher nur spärlich etwas zu lesen gab. Wir müssen deshalb zunächst definieren, was wir hier unter dem Theoriebegriff verstehen wollen.
Sergei Soloviov hat nach eigener Angabe rund 10 Jahre darauf hingearbeitet, ein Buch wie dieses schreiben zu können. Verantwortlich für diesen sehr langen Zeitraum war auch die Erkenntnis, dass es bisher kaum etwas zum Thema gab, nicht zuletzt auch die Zahl auswertbarer Partien äußerst gering war. Überwiegend mit Schnell- und Blitzpartien hat er sich dann daran gemacht, an diesem Mangel etwas zu ändern. Für seine Blitzpartien nutzte er vor allem das Internet. Im Schnellschach organisierte er ein Thematurnier für die Teilnehmer der 57. Russischen Meisterschaft, St. Petersburg 2004. Heute kann er auch auf Großmeisterpartien zurückgreifen, gespielt von Bezgodov, Dobrov und anderen. Ein Wort zu Bezgodov: Er war Autor des Buches "Challenging the Sicilian with 2.a3!?" aus dem Jahr 2004, bei dessen Entstehen Soloviov Hilfestellung geleistet hat, also bereits vertieft ins Thema eingedrungen ist.
Das, was die Praxis mittels der Partien hervorgebracht hat, hat Soloviov kategorisiert, analysiert und bewertet. Dabei herausgekommen ist also etwas, was man ohne Übertreibung als Neuland bezeichnen kann. "Theorie" in diesem Sinne ist somit etwas anders als herkömmlich zu verstehen. Vielleicht kommt die Bezeichnung "Neue Vorschläge zur Theorie" dem Ganzen am nächsten.
Wie belastbar sind Soloviovs Linien, wie viel Vertrauen kann man in die Varianten stecken? Wenn ich hierzu eine klare Aussage treffen sollte, müsste ich mich aufs Glatteis begeben, denn natürlich ist es völlig unmöglich, im Rahmen der Arbeit an einer Rezension hierzu eine umfassende Prüfung durchzuführen. Ich muss also sagen, dass ich meine selbstgestellte Frage nicht beantworten kann. Zweifellos sagen kann ich aber, dass mir Soloviovs Analysen Vertrauen erweckend aussehen. Die Art und Weise seiner Untersuchung, die an Züge und Varianten gehefteten Aussagen sind dort, wo ich sie mir beispielhaft vertieft angeschaut habe, vernünftig und logisch.
Es ist ohnehin allgemein und ohne Ausnahme ratsam, ein Eröffnungsbuch nicht einfach nur zu konsumieren. Der Spieler sollte immer prüfen und abchecken, ob die Empfehlungen sein Vertrauen bekommen, ob sie seinen Fähigkeiten und Vorlieben entsprechen und auch, ob dem Autor Analyse- oder Bewertungsfehler unterlaufen sind. Fehlerlos ist kein einziges Eröffnungsbuch auf der Welt. Und mit dieser gewöhnlichen Grundhaltung, dieser gesunden Vorsicht kann der Leser sehr gut mit "The Modern Anti-Sicilian 1.e4 c5 2.a3" umgehen. Ich sehe nicht den geringsten Grund, die Finger von diesem Werk zu lassen, was ich an anderer Stelle als Ratschlag gelesen habe.
Ganz im Gegenteil - "The Modern Anti-Sicilian 1.e4 c5 2.a3" ist auf jeden Fall eine Fundgrube für neue Ideen und den Gegner verwirrende Aktionen. Der Spieler, der über die Arbeit mit diesem Buch mit der Themaeröffnung vertraut wird, ist seinem überraschten Gegner klar im Vorteil.
In einer anderen Rezension las ich die Frage danach, wer dieses Werk braucht, und dann auch die selbst gegebene Antwort "keiner". Diese Haltung empfinde ich als zu arrogant, denn natürlich wird es nicht wenige Interessenten geben, die nach der eigenen Einschätzung genau dieses Werk brauchen und sich von keinem Rezensenten vorhalten lassen wollen, mit ihrer Einschätzung falsch zu liegen. Ihr Kreis ist mindestens darüber zu definieren, was "The Modern Anti-Sicilian 1.e4 c5 2.a3" leisten kann. Wer mit 2.a3 und dann besonders mit der Absicht, das Sizilianische Flügelgambit mit Verzögerung zu spielen, in die Partie gehen will, wird dieses Werk gut gebrauchen können. Auf der Basis seines Kenntnisvorsprungs durch die Arbeit mit diesem Buch wird er dem Gegner Probleme stellen können, die dieser vor der Partie als auf sich zukommend noch nicht erahnen konnte. Ob es eine Vereinspartie ist, ein Duell um die Bezirksmeisterschaft oder im Blitzturnier - auf jeden Fall muss der Gegner im frühestmöglichen Partiestadium beweisen, dass er so gut spielt, dass er die weiße Eröffnungswahl zu widerlegen imstande ist.
Soloviov behandelt den Stoff in 46(!) Kapiteln, die sich über sieben Buchabschnitte verteilen. Nur diese Abschnitte bzw. Teile können hier hinsichtlich ihrer Inhalte abgebildet werden, die Aufnahme der Kapitelüberschriften würde den Rahmen der Rezension sprengen. Das Inhaltsverzeichnis weist somit die folgende oberrangige Gliederung auf:
Teil 1: 1.e4 c5 2.a3 Sc6
Teil 2: 1.e4 c5 2.a3 e6
Teil 3: 1.e4 c5 2.a3 d6 3.b4
Teil 4: 1.e4 c5 2.a3 g6 3.b4
Teil 5: 1.e4 c5 2.a3 d5 3.exd5
Teil 6: 1.e4 c5 2.a3 Sf6 3.e5 Sd5 4.Sc3
Teil 7: 1.e4 c5 2.a3 Verschiedenes.
Ein qualifiziertes Variantenverzeichnis auf den letzten Buchseiten erlaubt eine gezielte Navigation über alle Inhalte hinweg.
Soloviov spart nicht mit Erläuterungen für seine Einschätzungen, Bewertungen und Empfehlungen. Diese sehe ich in einem Werk wie diesem auch als sehr wichtig an, da es eben nicht "gewachsene" Theorie behandelt, sondern überwiegend ganz neue Wege und Linien. Um die Aussagen des Autors einschätzen und überprüfen zu können, braucht der Leser über die Varianten und Wertungen hinaus dessen zusätzliche Gedankengänge, Maßstäbe und Schwerpunkte. Kurz gesagt: Er braucht möglichst viel Hintergrund.
Indem das Buch nicht mit Texten spart, stellt es Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers. Es ist, allerdings in einer Übersetzung, in Englisch geschrieben, wie man schon am Titel erkennt. Um wirklich flüssig mit dem Werk arbeiten zu können, sollte der Leser über gesicherte Englischkenntnisse verfügen. Passagenweise halte ich die Anforderungen für höher als gewöhnlich in Eröffnungsbüchern wie diesem.
Fazit: Ich empfehle "The Modern Anti-Sicilian 1.e4 c5 2.a3" zum Kauf, soweit ein Spieler bereit ist, mit kalkuliertem Risiko Neuland zu betreten und vor dem Einsatz einer Variante diese sorgfältig auch selbst zu prüfen. Das Buch zeichnet in weiten Bereichen ein Alleinstellungsmerkmal aus.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Finding Chess Jewels
Michal Krasenkow
Finding Chess Jewels
222 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-154-6
19,99 Euro
Finding Chess Jewels
Ein interessantes Buch, das dem Leser die Verbesserung seiner Fähigkeiten im Rahmen der Vorstellungskraft während seiner Partie und zur Variantenberechnung ermöglichen soll, hat GM Michal Krasenkow vorgelegt. Es trägt den Titel "Finding Chess Jewels" und ist Ende des vergangenen Jahres bei Everyman Chess erschienen.
Bei "Finding Chess Jewels" handelt es sich um ein Buch, das Aufgaben enthält, die vom Leser zu lösen sind, und natürlich die Lösungen dazu. Eine solche Aufgabe besteht aus einer Diagrammstellung und einer kurzen textlichen Erläuterung. Letztere kann so aussehen, dass der Leser nur erfährt, welche Seite am Zug ist, aber auch eine konkrete Fragestellung enthalten.
Die im Werk realisierte Steigerung des Schwierigkeitsgrades sorgt dafür, dass es
1. für Spieler beinahe jeder Spielstärke interessant ist,
2. diese lange begleiten kann, im Gleichschritt zur Entwicklung der eigenen Fähigkeiten, und
3. aufgrund des Lerneffekts durch die Arbeit mit ihm dem Spieler nicht nur zunehmend mehr abfordert, sondern ihm die Lösung auch von Aufgaben ermöglicht, die ihn zuvor noch überfordert haben.
Es gibt drei Kapitel mit den, in sinngemäßer Übersetzung, Überschriften "Juwelen", "Broschen" und "Halsketten". Unter "Juwelen" findet der Leser relativ schlichte Aufgaben, oft unmittelbare taktische Schläge. "Broschen" enthält bereits erheblich anspruchsvolleres Material, bis hin zu kleinen Kombinationen. Und im "Halsketten"-Kapitel geht es dann richtig zur Sache.
Die Niveauunterschiede werden auch an den Lösungen deutlich, die sich in jedem Kapitel den Aufgabenstellungen sogleich anschließen. Während sie zu den "Juwelen" mit wenigen Zeilen auskommen, erstrecken sie sich bei den "Halsketten" teilweise sogar über mehrere Seiten.
Der passable Vereinsspieler wird die "Juwelen" in der Regel einfach anhand des Buchdiagramms lösen können, ab den "Broschen" und ganz sicher für die "Halsketten" braucht er ein virtuelles oder echtes Brett.
Mehr als 220 Aufgaben enthält das Werk, also ausreichend Material, um sich Monate lang damit zu beschäftigen, wenn täglich eine einzige Aufgabe bearbeitet wird.
In der Einführung äußert sich Krasenkow allgemein zur Vorstellungskraft und zur Fähigkeit, Varianten zu berechnen, sowie über hilfreiche Techniken. In dieser Form machen die Ausführungen den Spieler nicht wirklich schlauer, sie rufen ihm aber schon vorhandene Kenntnisse darüber wieder ins Gedächtnis zurück. Derjenige, für den diese Inhalte noch Neuland sind, sollte den zusätzlichen Kauf eines Lehrbuches zum Thema in Erwägung ziehen.
Konzentriert auf die Aufgaben und die Lösungen dürfte auch der Leser mit sehr schmalen Englischkenntnissen so ausreichend gut mit dem Werk arbeiten können, dass er den Spaß nicht verlieren wird. Vielleicht wird er an der Einführung scheitern, was keine große Bedeutung hätte, die Aufgabenstellungen und die Lösungen wird er allemal verstehen, die Züge selbst natürlich ohne Abstriche.
Fazit: "Finding Chess Jewels" ist ein Trainings- und Arbeitsbuch für Spieler so gut wie jeder Spielstärke. Es zielt auf die Stärkung der Fähigkeiten ab, sich in der Partie künftige Brettstellungen vorstellen zu können und Varianten zu berechnen. Es ist eine Kaufempfehlung auch für den Spieler, der nur über geringe Englischkenntnisse verfügt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Extreme Caro-Kann
Alexey Bezgodov
The Extreme Caro-Kann
271 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-469-1
25,95 Euro
The Extreme Caro-Kann
Der Zug 3.f3 gegen Caro-Kann, somit auf die Initialzugfolge 1.e4 c6 2.d4 d5, ist ein alter Bekannter aus den Anfängen des Turnierschachs. Er soll das weiße Zentrum stützen und Schwarz die Lösung seines wichtigsten Problems, nämlich die Entwicklung seines Läufers c8, erschweren. Über Jahrzehnte hinweg begegneten ihm die Weißspieler eher mit Skepsis, er galt als weniger ratsam als die erprobten Standardwege. Heutzutage lässt sich ein gewisser Trend feststellen, sich in verschiedenen Eröffnungen Zügen, die wie hier 3.f3 das Zentrum stützen, wieder mehr zuzuwenden.
Mit seinem Werk "The Extreme Caro-Kann", Untertitel "Attacking Black with 3.f3", hat GM Alexey Bezgodov ein Repertoirebuch für Weiß vorgelegt, das in sechs Kapiteln dem Anziehenden viel Material in die Hand gibt, um sich mit der Idee 3.f3 zu rüsten. Insgesamt gibt es acht Kapitel, denn der reinen theoretischen Behandlung folgt zunächst noch ein Bereich mit drei besonders wichtigen Partien, wiederum gefolgt von einer Sammlung von Aufgaben und Lösungen dazu.
Bei "The Extreme Caro-Kann" handelt es sich um eine Neuerscheinung von New In Chess aus dem noch jungen Jahr 2014.
Den Namenszusatz "Extreme" für die Spielweise mit 3.f3 hat Bezgodov selbst vergeben. Gleiches gilt für einzelne Varianten, die dann entsprechend den Titel von Kapiteln bilden. Ein konventioneller Name im deutschen Sprachraum ist mir nicht geläufig. Im Englischen findet man auch die Bezeichnung "Fantasy Variation", die mir allerdings auch nicht besser als "Extreme" gefällt. Ich muss es also bei der Umschreibung des Inhalts mit "es geht um ein weißes Repertoire in Caro-Kann nach 1.e4 c6 2.d4 d5 3.f3" belassen.
Die Theoriekapitel haben - ggf. in sinngemäßer Übersetzung - die folgenden Titel und Inhalte:
1. Seltene Fortsetzungen
2. 3…g6: Fianchetto-Variante
3. 3…e6: Semi-Französisch-Variante
4. 3…Db6: Ruhelose-Dame-Variante
5. 3…e5: Abordage-Variante (nicht sinngleich übersetzbar)
6. 3…dxe4: Zentrumsaufgabe.
Die Varianten werden in den einzelnen Kapiteln zunächst kurz allgemein eingeführt. Die theoretische Darstellung erfolgt an Partien aus der Turnierpraxis. Größtenteils stammen diese aus der Gegenwart, in einzelnen Fällen sind sie schon etwas älter oder auch als historisch zu bezeichnen. Mit den drei Partien aus dem Kapitel 7 gibt es insgesamt 68 Partien im Werk, 65 davon verteilen sich auf die sechs Kernkapitel.
Eine wertende Zusammenfassung ("Conclusion") schließt jeweils das Kapitel ab.
Die Partien sind bis zum letzten Zug durchkommentiert, Bezgodov beschränkt sich also nicht auf die Eröffnungsphase. Textkommentare und Varianten bilden in meinen Augen eine funktionierende Einheit, die Dominanz einer Alternative kann ich nicht feststellen.
Bezgodov erklärt Hintergründe, strategische Ansätze etc. in einem ausreichenden Maße, ohne aber den Leser quasi an die Hand zu nehmen. Ein gewisses Schachverständnis sollte dieser also schon mitbringen, um alle Inhalte ausreichend nachvollziehen zu können. Das dem Werk attestierte ausgewogene Verhältnis von Textkommentaren und Analysen schließt nicht aus, dass die Variantentiefe an einigen Stellen bemerkenswert ist. Hiervon dürfte eher der Fernschachspieler als sein Kollege am Turnierbrett profitieren.
Das Repertoire nehme ich als "rund" wahr, soweit man dies von einem Werk erwarten kann, das sich mit der Theorie in einem Bereich beschäftigt, der noch nicht voll ausgeleuchtet ist. Eine gut sortierte Partiendatenbank kann nicht schaden, um die in "The Extreme Caro-Kann" behandelten Wege zu ergänzen. Unter diesem Aspekt gibt Bezgodov dem Leser mit seiner Arbeit auch einen guten roten Faden für eigene Auswertungen an die Hand.
Das schon kurz angesprochene achte Kapitel enthält 51 über Diagramme gestellte Übungen, über die der Leser sein Verständnis der neuen Eröffnung überprüfen und vertiefen kann. Die jeweilige Aufgabenstellung wird ausführlich beschrieben, sodass der Leser sehr konkret weiß, was er tun soll. Die Lösungen schließen sich der Sammlung der Aufgaben sogleich an.
Am Ende des Buches findet der Leser eine Bibliografie, ein Variantenverzeichnis sowie ein Spieler- und ein Partienverzeichnis. Die Bibliografie ist hinsichtlich der Buchquellen recht schmal, was mit dem Hinweis auf das behandelte Thema nicht verwundern muss. Das Variantenverzeichnis ist erfreulich detailliert und um Diagramme bereichert.
Noch ein Wort zur Buchsprache Englisch: Ganz überwiegend dürften Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau ausreichen, um Spaß an der Arbeit mit dem Werk zu haben. Gelegentlich musste ich die Bedeutung von Vokabeln nachlesen, weil sie allgemein weniger gebräuchlich sind.
Fazit: "The Extreme Caro-Kann" ist ein gelungenes Werk, auf dessen Basis sich der Spieler mit Weiß gut für und der Spieler mit Schwarz nach Maßgabe der behandelten weißen Alternativen gut gegen Versuche mit 1.e4 c6 2.d4 d5 3.f3 rüsten kann. Ich kann es dem Leser mit ausreichenden Englischkenntnissen und einem Schachverständnis jenseits der Anfangsgründe uneingeschränkt zum Kauf empfehlen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Der XIX. Kongress des Deutschen Schachbundes zu Mannheim 1914
Stefan Haas
Der XIX. Kongress des Deutschen Schachbundes zu Mannheim 1914
320 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-929376-74-6
29,50 Euro
Der XIX. Kongress des Deutschen Schachbundes zu Mannheim 1914
"Der XIX. Kongress des Deutschen Schachbundes zu Mannheim 1914" von Stefan Haas, erschienen im Schachverlag Dreier, ist ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass auch in unseren modernen Tagen ein "richtiges" Buch mehr geben kann als jedes elektronische Medium. Schon wenn man dieses Werk in die Hand nimmt, bereitet es Freude. Der Schachfreund mit bibliophilen Ansprüchen wird ebenso begeistert sein wie derjenige, der allgemein historisch interessiert ist. Letztgenannter bekommt im Betrachtungsfenster die parallelen Abläufe aus Politik und Zeitgeschehen und jene aus der Welt des Spitzenschachs geboten, erweitert um die Auswirkungen, die sich daraus für das Turnierschach allgemein und den XIX. Kongress des Deutschen Schachbundes 1914 in Mannheim ergaben. Und wer einfach nur an (historischen) Partien und Informationen über die damaligen Schachgrößen interessiert ist, kommt ganz besonders zu seinem Recht.
Autor Stefan Haas gelingt es, schon über die ersten Zeilen seines Vorwortes die Neugier zu wecken und zu fesseln. Er schreibt: "Wenn wir heute an das Jahr 1914 denken, fällt uns auf Anhieb nur der Beginn des Ersten Weltkriegs ein, mit viel Mühe vielleicht noch die Eröffnung des Panama-Kanals. Die damalige Zeit ist geprägt vom technischen Fortschritt, Rekorden in der Luftfahrt und dem Eisenbahnbau außerhalb Europas. Deutschland erlebt den Rüstungswettlauf, immer weiter steigende Preise und erbittert geführte Arbeitskämpfe." Soweit zur geschichtlichen Orientierung. Und ein Stückchen weiter hinten im Vorwort, diesmal zum Kongress: "Etliche Teilnehmer der Mannheimer Turniere traten sofort oder auch später in den Kriegsdienst, einige wenige fielen an der Front oder verschwanden auf ungeklärte Weise (…)."
Hinter diesem Werk steckt eine wahre Fleißarbeit. Stefan Haas hat nicht nur sehr viel Material zusammengetragen und ausgewertet, sondern auch auf Nachricht und Propaganda (Weltgeschehen) sowie gesicherte Erkenntnis und Annahme oder Unwahrheit (Aussagen Im Zusammenhang mit dem Kongress, Spielerzu- und absagen etc.) geprüft. Interessant ist es, wenn er zu einzelnen Aspekten aufzeigt, was damals die Informationslage der Bevölkerung war und wie dies von den tatsächlichen Verhältnissen abwich.
Ein Blick auf die Inhalte, die sich dem Vorwort anschließen, mag die Aussage zur Fleißarbeit bestätigen. Zugleich vermittelt er einen Eindruck davon, wie vielseitig "Der XIX. Kongress des Deutschen Schachbundes zu Mannheim 1914" ist. Also:
Teil 1: Der Schachkongress zu Mannheim 1914
Einleitung - der Deutsche Schachbund im Kaiserreich
Die Schachstadt Mannheim
Entwicklungen in der Zeit des Kaiserreichs
Vorbereitungen zum Schachkongress
Wer spielt und wer nicht?
Die Teilnehmer des Meisterturniers
Vor dem Turnier - Versammlungen und Festmahl
Der Turnierverlauf
Rückblickende Betrachtungen
Der chronologische Ablauf
Teil 2: Partien der Haupt- und Nebenturniere
Anhang: Abkürzungen / Ortsnamen / Verweise zu Internetseiten
Bibliografie
Abbildungen und Bildquellen
Kleines geschichtliches Lexikon
Einige weitere schachliche Kurzbiografien und Ergänzungen
Die großen Meister nach Geburtsjahrgang
Schachprobleme zur Darstellung von Schlachten?
Mitglieder und Vermögen des DSB, Der Vorstand des DSB
Die 1. Preisträger der "Weltturniere", Meistergenerationen nach Geburtsjahr
Die Kongresse des DSB
Die Teilnehmer der Meister-, Haupt- und Nebenturniere nach Nationalität
Löhne, Preise, Entwicklung der Kaufkraft und Preisindex Preisgelder und Einsätze
Die Eröffnungen in den Meisterturnieren des DSB / in int. Meisterturnieren
Fortschrittstabelle des Meisterturniers in Mannheim 1914
Fortschrittstabelle des Hauptturniers A in Mannheim 1914
Wer hat wirklich gewonnen? / Historische Elo-Auswertung / Prognose
Anwendung von Wertungssystemen
Die Partien des Meisterturniers und der Haupt- und Nebenturniere
Rundenberichte
Anmerkungen / Weitere Quellenangaben
Partienindex, Spielerindex, Eröffnungsindex
Danksagungen.
Durch die Brille eines Lesers, der vor allem am Schachspiel und seinen damaligen Spitzenvertretern interessiert ist, dürften besonders die Kapitel "Die Teilnehmer des Meisterturniers" und "Der chronologische Ablauf", beides im 1. Teil zu finden, das Werk auszeichnen. In den "Steckbriefen" der Spieler wird auch für langjährige Schachanhänger einiges an Neuigkeiten zu finden sein. Haas hat Infos zu den Personen, zu charakterisierenden Merkmalen etc., zu Turniererfolgen und mehr zusammengetragen. Dieser Bereich verleitet zu einem unterhaltsamen Schmökern.
Die Partien in "Der chronologische Ablauf" enthalten die Kommentare der Zeit. Im Anschluss an diesen Teil löst Haas die Fundstellen auf. Die Kommentare werden innerhalb der Partien über Buchstaben gekennzeichnet, die dann den Quellen und somit den Fundstellen zugeordnet werden. Beispielsweise stehen die Buchstaben "B" für "Deutsche Schachblätter" und "W" für "Deutsches Wochenschach".
In dieser Chronologie führt Haas das politische Geschehen und das Turniergeschehen zusammen. Zum jeweils betrachteten Tag führt er zunächst aus, was sich auf der Weltbühne tat, insbesondere wie die Nationen in den Krieg steuerten, um dann über die Partien den Fortgang auf der Turnierbühne zu beschreiben.
"Der XIX. Kongress des Deutschen Schachbundes zu Mannheim 1914" ist durchgängig unterhaltsam und informativ. Es bietet den Stoff, um sich viele Stunden lang damit zu beschäftigen.
Die Verarbeitung ist ausgezeichnet - Hardcover, anspruchsvolle Bindung und sogar ein Lesebändchen ist vorhanden.
Fazit: "Der XIX. Kongress des Deutschen Schachbundes zu Mannheim 1914" ist ein sehr empfehlenswertes Werk, das einen wichtigen Beitrag leistet, eine wichtige deutsche Schachveranstaltung vor dem Vergessen zu bewahren. Sein Verdienst ist es auch, dass Welt- und Schachgeschehen in der dramatischen Zeit vor dem 1. Weltkrieg bis in die ersten Kriegstage hinein in Beziehung zu setzen. Der Liebhaber guter Bücher wird seine Freude daran haben.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Mastering Endgame Strategy
Johan Hellsten
Mastering Endgame Strategy
537 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-018-1
23,25 Euro
Mastering Endgame Strategy
"Mastering Endgame Strategy", sinngemäß zu übersetzen mit "Die Endspielstrategie meistern" ist das letzte Werk einer Trilogie zur Strategie im Schach aus der Feder des schwedischen Großmeisters Johan Hellsten. Dabei handelt es sich um eine Neuerscheinung aus dem Jahre 2013 von Everyman Chess. Während sich Hellsten in den Vorbänden mit der Schachstrategie allgemein bzw. in der Eröffnung befasst hat, nimmt er hier nun das Endspiel ins Visier.
"Mastering Endgame Strategy" ist kein klassisches Lehrbuch zur letzten Phase der Schachpartie, wie man es für diesen Bereich der Literatur vor Augen hat. Es werden also nicht feste Merkregeln aufgestellt, nach denen der Spieler ein bestimmtes Endspiel zu führen hat. Man findet keine Diagramme mit eingezeichneten Zonen, in der sich die eine oder andere Figur befinden muss, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen, auch keine Pfeile, die dem Lernenden Richtungen und Zusammenhänge anzeigen etc. Deshalb ist "Mastering Endgame Strategy" in meinen Augen auch kein Buch, das ich dem Anfänger ans Herz legen kann, um in die Theorie der Endspielführung einzusteigen. Es ist vielmehr, um dies mit Worten aus der Erwachsenenbildung auszudrücken, das typische "Aufbauseminar". Nach dieser Methodik: In einem ersten Schritt wird Grundlagenwissen vermittelt - dies ist nicht die Sache von "Mastering Endgame Strategy" - und in einem zweiten dessen Anwendung - das aber ist der Trumpf des besprochenen Werkes. Und noch eine Anleihe zur Umschreibung dessen Wesens: "Mastering Endgame Strategy" ist "learning by doing".
Hellsten setzt Grundkenntnisse, den theoretischen Unterbau zur Endspielführung also, voraus. Er verlangt vom Leser, dass er dieses Wissen anwendet, zunächst im Verstehen der Ausführungen im Theorieteil, später im praktischen Einsatz beim Lösen und Besprechen von Aufgaben.
Unter diesem Ansatz ist "Mastering Endgame Strategy" ein Buch sowohl für den noch lernenden Spieler als auch für den Meister. Die Beispiele im Werk reichen von einfach bis anspruchsvoll. So findet jeder Spieler Material für sich. Der Lernende entwickelt seine Fähigkeiten über den steigenden Schwierigkeitsgrad, der Meister findet in "Mastering Endgame Strategy" ein ausgezeichnetes Trainingsbuch.
"learning by doing", wie oben schon angemerkt, ist auch ein Hinweis auf die Buchsprache Englisch. Der Anfänger wie der Meister muss über Fremdsprachkenntnisse verfügen, um mit dem Werk arbeiten zu können. Fähigkeiten auf Schulniveau reichen aus.
Hellsten hat die theoretischen Besprechungen insgesamt acht Kapiteln zugeordnet. Diesen folgt ein umfangreicher Bereich mit Aufgaben und Lösungen. Die genannten Kapitel beinhalten drei bis neun jeweils behandelte Themen.
Die Kapitelübersicht sieht - sinngemäß übersetzt - wie folgt aus:
1. Themen/Motive zum König
2. Themen/Motive zu den Bauern
3. Themen/Motive zum Turm
4. Themen/Motive zu den Leichtfiguren
5. Themen/Motive zur Dame
6. Verschiedene Themen/Motive
7. Abtäusche
8. Klassische Themen/Motive.
Im Bereich der theoretischen Betrachtungen führt Hellsten seine Beispiele, von denen es exakt 500 im Buch gibt, mit einer Diagrammstellung ein. Sie stammen zumeist aus Partien aus der Turnierpraxis, manchmal aber auch aus Analysen bzw. Studien. Er bespricht das Thema dann sehr praxisorientiert. Dies soll bedeuten, dass er die Lösung der sich stellenden Probleme auf genau diese Brettsituation zuschneidet und daraus abzuleitende Schlüsse allgemeiner Art nicht lehrsatzartig vermittelt, sondern über die konkrete Spielführung. Allerdings leitet er jedes Thema mit wenigen Worten ein, woraus der Spieler den Bezug zu seinem schon vorhandenen Endspielwissen herstellen kann. Wenn dieser also beispielsweise etwas über aktives und passives Spiel oder über Festungen erfährt, findet er darin auch die eine oder andere Information theoretischer Natur, die er schon kennt. Damit ist dann der Brückenschlag zwischen "Mastering Endgame Strategy" und dem Wissen aus Grundlagenwerken hergestellt.
Dem achten Kapitel schließen sich die Aufgaben und Übungen an. 240 Mal muss der Leser unter Beweis stellen, dass er die Materie beherrscht, oder er erkennt, welche Defizite er noch ausräumen sollte. Zum Schwierigkeitsgrad hatte ich mich oben schon geäußert, noch nicht aber zur Art der Aufgabenstellung. Der Leser findet ein Ausgangsdiagramm vor und erfährt, wer im Anzug ist und wie sich die Aufgabe stellt. Es kann sich dabei um das Finden eines Gewinnweges handeln, um das Erkennen eines Schlüsselzuges, die Erklärung, warum ein in der Partie ausgeführter Zug ein Fehler war und mehr. 5 bis 20 Minuten soll der Leser dabei investieren, je nach Schwierigkeit der Aufgabe und eigener Spielstärke.
Die Lösung im Besprechungsteil reduziert sich auf das Wesentliche. Sie ist nicht überfrachtet, was auch damit im Zusammenhang stehen mag, dass Hellsten auch hier auf lehrsatzartige Ausführungen verzichtet.
Fazit: "Mastering Endgame Strategy" ist ein empfehlenswertes Werk. Auch wenn es Teil einer Trilogie ist, hat es einen nicht minderen Wert bei der Einzelbeschaffung. Die theoretischen Grundlagen der Endspielführung sollten beim Leser vorhanden sein, wenn er sich an die Arbeit mit diesem Werk macht. So verhilft es dem lernenden Spieler zur praktischen Anwendung und zum Ausbau der Kenntnisse, dem schon spielstarken Schachfreund zu einem ausgezeichneten Trainingsmaterial. Englischkenntnisse auf Schulniveau sollten vorhanden sein.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Semi-Slav 5 Bg5
Bryan Paulsen
Semi-Slav 5 Bg5
192 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-987-7
18,95 Euro
Semi-Slav 5 Bg5
Als ein Buch für den fortgeschrittenen Spieler, ich möchte ihn im Leistungsbereich des Klubspielers ansiedeln, sehe ich das Ende 2013 auf den Markt gekommene Werk "Semi-Slav 5 Bg5" aus der Reihe "Chess Developments" von Everyman Chess an. Sein Autor ist Bryan Paulsen, ein Nationaler Meister in den USA. Um frühzeitig zu verdeutlichen, um was es in diesem Werk geht, skizziere ich zunächst die Inhalte über die Beschreibung der einzelnen Kapitel.
"Semi-Slav 5 Bg5" beschäftigt sich in fünf Kapiteln mit der Semi-Slawischen Verteidigung (auch Halbslawisch bzw. Halb-Slawisch genannt). Diese sind:
1. Semi-Slawisch/Abgelehntes Damengambit - Hybridsystem (1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 e6 5.Lg5 Le7)
2. Cambridge Springs-Verteidigung (1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 e6 5.Lg5 Sbd7)
3. Botvinnik-Variante (1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 e6 5.Lg5 dxc4)
4. Moskauer Variante (1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 e6 5.Lg5 h6)
5. Anti-Moskau-Gambit (1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 e6 5.Lg5 h6 6.Lh4).
Dem vorangestellt erläutert Paulsen den Weg zu Halbslawisch, Zugumstellungen und die Abgrenzung zu anderen Systemen in einer ausführlichen Einleitung.
Die Serie "Chess Developments" konzentriert sich auf die Darstellung und Erörterung von Eröffnungen bzw. Varianten, die aktuell in der Diskussion sind, auf der Turnierbühne also an der Schwelle stehen zwischen "als Bestes oder klar spielbar erwiesen" und "der letzte Beweis steht noch aus, ob die Fortsetzung das Beste oder klar spielbar ist". Die Bücher aus dieser Reihe dokumentieren den Stand, bringen sich zugleich aber auch in die Diskussion ein.
Paulsen nutzt 50 Partien für seine Ausführungen. Diese sind allesamt in den letzten Jahren gespielt worden, was auch Auswahlkriterium sein musste, um den aktuellen Diskussionsstand aufzuzeigen. Erfreulicherweise sind 13 dieser Partien und damit ein bemerkenswerter Anteil im Fernschach gespielt worden. Auch mehrere deutsche Namen finden sich unter den Akteuren. Es scheint sich so langsam herumzusprechen, dass Fernpartien eine gute Quelle für die Bestätigung der Qualität von Zügen und Varianten sein können. Die Fernschachspieler sind viel mehr als früher darauf angewiesen, über eine Top-Variante in die Partie zu kommen, da in der heutigen Zeit aufgrund der Engineunterstützung während der Partie andernfalls keine guten Ergebnisse mehr möglich sind.
Von Ausnahmen abgesehen fasst Paulsen die aus einer Partie zu ziehenden Erkenntnisse hinsichtlich des infrage stehenden Eröffnungsproblems jeweils nach deren Abschluss zusammen. Die Kapitel unterzieht er einer abschließenden Gesamtbetrachtung.
Die Kommentierung der Partien konzentriert sich natürlich auf die Eröffnungszüge ab dem Zeitpunkt, der den Übertritt der Theorie von der gesicherten Erkenntnis in den Diskussionsbereich bezeichnet. Die Eingangszüge bleiben regelmäßig komplett unkommentiert, was ich als ohne Zweifel folgerichtig ansehe. Nach der "heißen Phase" in der Partie wird die Kommentierung tendenziell wieder schmaler, begleitet den Leser aber auf diesem niedrigeren Stand bis zum letzten Zug. Auch dies macht in meinen Augen Sinn, denn Mittelspiel und Endspiel unterliegen den Konsequenzen aus der Eröffnungsphase, die späteren Anmerkungen in der Partie zeigen oft derartige Zusammenhänge auf.
Meine oben formulierte Einschätzung, dass "Semi-Slav 5 Bg5" ein Werk für den fortgeschrittenen/für den Klubspieler aufwärts ist, hängt mit den vorstehenden Ausführungen zusammen. Ein noch ungeübter Spieler braucht zum Erlernen einer Eröffnung eine Einführung ab dem ersten Zug. Er wird die Phase, in der "Semi-Slav 5 Bg5" mit seinen Betrachtungen ansetzt, in seiner Partie ohne den entsprechenden Hintergrund überhaupt nicht erreichen. Die dort dann erörterten Probleme liegen jenseits seiner Erkenntnisschwelle. Der erfahrene Spieler aber wird genau hier ansetzen, die Anfangsstereotypen interessieren ihn nicht.
Ein differenziertes und um Diagramme bereichertes Variantenverzeichnis sowie ein Partienverzeichnis schließen das Werk ab.
Die Buchsprache ist Englisch, Kenntnisse auf Schulniveau dürften weitgehend zum guten Verständnis ausreichen, auch soweit der Leser auf längere Textpassagen trifft, mit denen Paulsen nicht geizt.
Die Verarbeitung ist gut, wie für Bücher von Everyman Chess typisch. Nur zur Erfüllung einer dokumentarischen Pflicht sei angemerkt, dass - zumindest im Rezensionsexemplar - auf S. 65 ein kleiner drucktechnischer Fehler dazu führt, dass eine etwa Viertelzeile nicht entziffert werden kann.
Fazit: "Semi-Slav 5 Bg5" ist ein Buch, das ich dem fortgeschrittenen Spieler, der sich in den Themavarianten auf Stand halten oder bringen will, mit gutem Gewissen zum Kauf empfehlen kann.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Tarrasch Defence - move by move
Sam Collins
The Tarrasch Defence - move by move
254 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-142-3
20,95 Euro
The Tarrasch Defence - move by move
"The Tarrasch Defence - move by move": Dieses von IM Sam Collins geschriebene Werk hat mich im Zuge der Vorbereitung dieser Rezension überzeugt wie kaum ein Vorgänger aus dieser Buchreihe. Systematisch siedele ich es an der Nahtstelle zwischen Lehr- und Repertoirebuch an.
Aber im Einzelnen: Die Tarrasch-Verteidigung entsteht im Revier des Damengambits über die Zugfolge 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 c5, sie kann also mit 3…c5 von Schwarz durchgesetzt werden. Die Theorie führt gegen sie ins Feld, dass der Nachziehende mit einem isolierten Damenbauern spielen muss, wenn sein Gegner dies so will. Demgegenüber wird aber anerkannt, dass sich Schwarz großen Einfluss auf das Zentrum verschafft und eine aktive Rolle in der Partie erreichen kann.
Mit "The Tarrasch Defence", das in der fest etablierten "move by move"-Reihe von Everyman Chess erschienen ist, geht Collins sehr konzentriert auf diese Besonderheiten ein. Vor Eintritt in die Kernkapitel betrachtet er intensiv die Strukturen, die über die Eröffnung entstehen können. Diese werden geprägt von den Bauernstellungen, die über die Anfangszüge je nach Variante auf das Brett kommen. Collins widmet jeder zentralen Struktur ein Diagramm, geht auf ihre Merkmale und Anforderungen ein und beschreibt sehr anschaulich, nach welchen Plänen und Ideen beide Seiten vorgehen können und manchmal auch sollten. Beim Leser stellt sich - wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann - sehr früh das Gefühl ein, dass man den Schlüssel für ein inneres Verständnis dessen, was folgen wird, in die Hand gelegt bekommen hat.
Der Einführung inkl. "Structural Introduction" schließen sich acht Kapitel zu den Hauptlinien der Verteidigung an, ein neuntes Kapitel enthält Ergänzungsmaterial.
In Anlehnung an die Inhaltsübersicht ergibt sich das folgende Bild:
Kap. 1: 9.Lg5 cxd4
Kap. 2: 9.Lg5 c4
Kap. 3: 9.Lg5 Le6
Kap. 4: 8.dxc5/9.dxc5
Kap. 5: Andere Möglichkeiten im 8./9. Zug
Kap. 6: Symmetrievariante
Kap. 7: Seitenlinien
Kap. 8: Reti-Aufbauten.
Für seine Darstellungen der Theorie, die zugleich eine Anleitung für den Leser sind, wie man die jeweilige Linie strategisch behandelt, nutzt Collins 25 Partien aus der Meisterpraxis. Diese sind bis auf wenige Ausnahmen in den Jahren 2011 bis 2013 gespielt worden, also sehr aktuell. Fernschachpartien sind leider nicht dabei.
Hinsichtlich der Erörterungstiefe zu den wichtigsten Varianten ist das Buch kaum von einem Spezialwerk im Sektor der Repertoirebücher zu unterscheiden. Den Betrachtungen möchte ich das Prädikat "fernschachtauglich" verleihen, wobei berücksichtigt ist, dass Fernschachspieler für den partiebegleitenden Einsatz von Literatur sehr detaillierte Ausführungen mit erheblicher Variantentiefe bevorzugen.
Die Eingliederung des Werkes in die "move by move"-Reihe von Everyman Chess bedingt die Aufforderung an den Leser, sich mit Fragen und Übungen zu beschäftigen, die der Autor in großer Zahl eingebaut hat. In meinen Augen hat Collins eine Punktlandung zur Aufgabe hingelegt, dieses interaktive Element gewinnbringend für den Leser zu nutzen, ohne zu künsteln und zu nerven. Bei ihm ist Schlichtheit Trumpf. Er versucht nicht, den Leser über dieses Element zu bespaßen. Natürlich ist diese Aussage rein subjektiv geprägt und andere Leser mögen Ausrufe, Scherze etc. vermissen. Für mich aber ist die Gestaltung von "The Tarrasch Defence" in diesem Punkt ganz genau so, wie ich es mir generell für diese Buchreihe wünsche.
Die Antworten auf die Fragen/Übungen fallen oft sehr umfangreich und detailliert aus. Auf diese Weise erreicht es Collins, dass Schlüsselaspekte besonders intensiv vom lernenden Leser durchdacht werden und er die Theorie besonders wirksam aufnimmt.
Die Kapitel werden mit "Key Notes" abgeschlossen, die sich als wertende Zusammenfassung und Sammlung von Hinweisen jeweils beschreiben lassen.
Das Werk ist auf dem Stand der Theorie, was neben der Partienauswahl auch die Einträge in der Bibliografie bestätigen. Diese ist umfangreich und umfasst die wichtigsten aktuellen Werke.
Ein Variantenverzeichnis ist am Ende des Buches zu finden. Es ist ausreichend detailliert und erlaubt ein bequemes Navigieren über die Kapitel hinweg.
Noch ein Wort zur Sprache: "The Tarrasch Defence" ist englischsprachig, der Leser muss dementsprechend über Fremdsprachkenntnisse verfügen. Die an diese gestellten Anforderungen schätze ich aber als moderat ein. Der Wortschatz ist nicht ausufernd, der Satzbau scheint bewusst einfach gehalten worden zu sein.
Fazit: "The Tarrasch Defence" ist in meinen Augen eines der bisher besten Werke aus der "move by move"-Reihe von Everyman Chess. Es ist als Lehr- und in gewisser Weise auch als Repertoirebuch eine klare Kaufempfehlung.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Schachkalender 2014
Arno Nickel (Herausgeber)
Schachkalender 2014
320 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-924833-65-7
14,80 Euro
Schachkalender 2014
Die Rezension des Schachkalenders macht nur zu Anfang eines Jahres Sinn, da es sich dabei um einen "richtigen" Taschenkalender handelt und ein Kauf somit früh im Jahr den meisten Sinn macht. Die Besprechung soll eine Entscheidungshilfe für den interessierten Schachfreund sein, wenn er sich die Frage stellt, ob das Werk im Jahr 2014 auch in seiner Tasche Platz finden soll.
Damit dies möglich wird, muss die Tasche des Käufers die ausreichenden Maße haben. Dies sollte aber kein Problem sein, denn der Kalender ist nur 15 cm lang, 11 cm breit und knapp 2 cm dick. Er ist robust, Umschlag als Hardcover und qualifiziert gebunden. Er passt in die hintere Hosentasche, Sie können es ausprobieren. Das Sitzen macht er nicht unbedingt bequemer, aber das ist gut so, denn andernfalls wäre er zu dünn und es stünde nicht genug drin. Es gibt eine einfache Lösung: Vor dem Setzen nimmt man den Kalender einfach aus der Hosentasche oder, besser noch, man sucht sich gleich eine andere Tasche, in der man ihn verstaut. Er passt hinein!
Ich bin nun schon zum wiederholten Mal in der Situation, den Schachkalender rezensieren zu dürfen. Einerseits stellt mich dies vor die Herausforderung, genügend Neues zu identifizieren, über das ich schreiben kann, andererseits versetzt es mich aber auch in die Lage, mir die Sache einfacher zu machen.
Im letzten Jahr, also zum Schachkalender 2013, habe ich geschrieben: "Der Schachkalender (…) umfasst insgesamt 320 Seiten. Sein Gerüst ist ein gewöhnlicher Kalender. Für jede Woche des Jahres steht eine Doppelseite zur Verfügung. Bei 52 Wochen im Jahr werden somit 104 Seiten von der Kalenderfunktion eingenommen. Hier kann man für jeden Tag seine eigenen Termine etc. eintragen. Schon vorhanden sind Geburts- und ggf. Sterbedaten gegenwärtiger und früherer Schachgrößen. Haben Sie beispielsweise am 7.11. einen Termin mit Tante Elfriede, so steht dieser dann unter dem Geburtsdatum von u.a. Aaron Nimzowitsch.
Jede Woche wird mit einer Kleinigkeit aus der Welt des Schachspiels abgeschlossen, die somit rechts unten auf der Doppelseite zu finden ist. Dies kann eine kurze Textinfo zu einem erwähnenswerten Aspekt sein, ein Foto, ein Diagramm mit einer kleinen Aufgabe, eine Kombination daraus und mehr. Immer aber beschäftigt sich der Nutzer mit seinem Hobby Schach, wenn er sich diesem kleinen Intermezzo widmet, findet etwas Zerstreuung in einer kleinen Flucht aus dem Alltagsstress."
Das alles passt auch wieder für den Kalender 2014! Betrachten Sie die Zeilen also bitte als frisch und für das aktuelle Jahr geschrieben!
Aber eine kleine Geschichte hat meine besondere Aufmerksamkeit gefunden. Sie steht auf Seite 191, unterhalb der Eintragungen zum 9. November 2014. Sie beginnt mit der Bemerkung, dass sich die beschriebene Angelegenheit in Ostwestfalen-Lippe zugetragen hat. Das ist die Gegend, in der die Leute nicht wissen, ob sie im Osten oder im Westen wohnen, darum also "ostwest". Da wohne ich auch. Und dann ist weiter zu lesen, dass die Geschichte auf eine Erinnerung von Dr. Ingo Althöfer zurückgeht. Den kenne ich auch, aus der Zeit unserer Jugend, wir haben zusammen um die lippische Kreismeisterschaft gespielt. Der einzige Unterschied liegt darin, dass er gewonnen hat und ich nicht. Ingo Althöfer ist der Erfinder von "Dreihirn". Das steht übrigens auch im Kalender, auf Seite 24 zu seinem Geburtstag im Februar. Der beschriebene Vorfall stammt aus einem Mannschaftskampf seines Heimatvereins "Turm" Lage gegen einen Nachbar-Klub. Das könnte mein eigener Verein sein, meine Heimatstadt Oerlinghausen grenzt an Lage. Und nun zum Inhalt der Geschichte: Ein Spieler aus Lage bemerkt, dass die gegnerischen Springer nach hinten schauen. Er dreht sie deshalb nach Ankündigung um 180 Grad, Ordnung muss sein. Sein Gegner - ich war es nicht! - hat aber eine andere Vorstellung von Ordnung. Er dreht die Figuren zurück und erklärt: "Das sind meine Springer - ich entscheide, wohin die gucken!"
Man weiß in Ostwestfalen-Lippe zwar nicht, ob man im Osten oder im Westen lebt, aber man weiß, dass jeder für sich bestimmen kann, wohin die Springer gucken!
Ich muss gestehen, dass ich die Geschichtchen des aktuellen Kalenders allesamt fast in einem Zug durchgegangen bin. So habe ich mir die zahlreichen Überraschungen nicht für das Jahr aufgehoben, sondern alles sofort "konsumiert", aber man kann das meiste auch nach einer gewissen Zeit noch einmal lesen.
Apropos Zug: Der Kalender ist auch eine ausgezeichnete Sache für Bahnfahrer, für Pendler beispielsweise. Ein Schmökern darin verkürzt so mache Fahrt, garantiert!
Der kalendarische Inhalt wird von einigen, auch längeren Texten unterbrochen, die unterschiedlichsten Ansprüchen genügen können. Mal sind sie informativ, dann eher amüsant oder kommentierend. Für jeden Leser sollte etwas dabei sein.
Zur Auflockerung tragen Bilder bei, überwiegend Fotos. Soweit die Vorlage dies erlaubte, ist die Abbildung in Farbe erfolgt.
Spielerranglisten, Turnier- und Bundesligatermine, Mannschaftsaufstellungen der Bundesligen, Adressen sowie Seiten für eigene Adresseintragungen schließen das Werk ab.
Zum Fernschach sind über einige Standardinhalte wie Listen und statistische Daten sowie eine Werbeanzeige des Deutschen Fernschachbundes e.V. keine Inhalte aufgenommen worden. Ich hätte hier gerne einen redaktionellen Beitrag gesehen, wie solche in der Länge von "Berliner Schachlegenden" oder "Ein leidenschaftlicher Spieler: Arnold Denker". Vielleicht nimmt sich der Herausgeber Arno Nickel, selbst Spitzenspieler im Fernschach, diesen Wunsch irgendwann mal zu Herzen und auch die Fernschachspieler finden sich im Schachkalender wieder. Mit einem eigenen längeren Beitrag.
Fazit: Der Schachkalender 2014 ist der gewohnt empfehlenswerte Begleiter durch das Schachjahr 2014.
(Uwe Bekemann)
Pump Up Your Rating
Axel Smith
Pump Up Your Rating
375 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-73-6
24,99 Euro
Pump Up Your Rating
"Pump Up Your Rating" aus der Feder des schwedischen IM Axel Smith zählt zu jenen Büchern, die schwierig zu rezensieren sind. Eigentlich müsste man es komplett durcharbeiten, um allen Inhalten umfassend gerecht zu werden, was sich natürlich ausschließt.
Axel Smith hat das Kunststück fertiggebracht, seine ELO-Zahl innerhalb von zwei Jahren um fast 400 Punkte zu steigern. In seinem Buch, das in englischer Sprache bei Quality Chess erschienen ist, stellt er für den Leser sein Erfolgsprogramm zusammen. Er versteht es als Methode, um zielorientiert und ernsthaft an der Verbesserung seiner Fähigkeiten zu arbeiten, um in der Folge bessere Ergebnisse im Wettkampf zu erzielen und so automatisch seine ELO-Zahl zu steigern.
"Pump Up Your Rating", mit dem Untertitel "Unlock your chess Potential", was ich sinngemäß mit "Entfessele deine Fähigkeiten im Schach" übersetzen möchte, ist sowohl ein Gemischtwarenladen als auch ein Spezialgeschäft. Das Werk deckt quasi die ganze Palette dessen ab, was den Erfolg eines Turnierspielers beeinflusst, und wird innerhalb einzelner Themen sehr speziell. In manchen Bereichen erreicht Smith eine Schaffenshöhe, die nach meinem Kenntnisstand seinem Werk ein Alleinstellungsmerkmal verleiht.
"Pump Up Your Rating" ist in zwei Teile gegliedert, die mit "Positional Chess" und "A Training Program" überschrieben sind.
Der erste Teil ist noch eher mit anderen Büchern zur Strategie im Schach, nachrangig auch zur Taktik, vergleichbar. Hier geht es um Bauerndurchbrüche als strategisches Kernelement und damit Basis für Pläne, um Figurenabtäusche, auch zur Herstellung von Ungleichgewichten und unter Hergabe eines, aus statischer Sicht, materiellen Wertes, um die Einschätzung einer konkreten Stellung unter Nutzung oftmals hilfreicher Fragestellungen und zur Erarbeitung eines Planes sowie die Berechnung von Zügen/Varianten und die Möglichkeiten des Visualisierens.
Der zweite Teil enthält über Inhalte, die sich konkret mit dem Schachspiel als solchem beschäftigen, hinaus sehr viele organisatorische Tipps und Methoden. So erfährt der Leser, wie er sein Spiel verbessern kann, indem er seine eigenen Partien analysiert und dabei eine Liste seiner Fehler erstellt, wie er die "Arbeit" mit Diagrammaufgaben gestalten kann, um darüber erfolgsorientiert lernen zu können, und einiges mehr. Zu den behandelten Methoden zählt beispielsweise auch die professionelle Arbeit mit ChessBase, etwa zur Förderung seines Eröffnungsspiels. Diese Anleitung kann nach meiner Einschätzung eine Lücke schließen, die nach meinem Informationsstand von vielen Schachspielern beklagt wird.
Zu den das Spiel und das Training "organisatorisch" betreffenden Inhalten gehört beispielsweise ein System des Zeitmanagements, das Smith vorstellt.
Die Stärke des Werkes liegt in seiner Ganzheitlichkeit. Der Spieler, der kontinuierlich und konzentriert mit ihm arbeitet, wird ganz ohne Zweifel seine Spielstärke heben.
Smith arbeitet auch mit langen Textpassagen, um Themen einzuführen oder zu erklären. Dennoch sind die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers moderat. So habe ich selbst kaum Probleme gehabt, von wenigen Stellen mit Fachbegriffen vielleicht abgesehen.
Seinen Stil möchte ich als analytisch bezeichnen. Er arbeitet dabei gerne mit Aufzählungen, die auch als Merkliste fungieren können.
Fazit: Im Schreibstil Smiths kann ich zusammenfassen: "Pump Up Your Rating" ist ein Werk, das ich demjenigen ohne Wenn und Aber empfehlen kann, der
- Englisch kann,
- ehrgeizig und diszipliniert arbeiten möchte,
- Zeit für ein kontinuierliches Studium aufbringen kann und möchte,
- seine Fähigkeiten im Schach im Rahmen eines Komplettkurses und damit in allen relevanten Bereichen, die ihn als Turnierspieler tangieren (können), steigern möchte.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)