Rezensionen - Einstellungsjahr 2019

Verfasser: Uwe Bekemann (sofern nicht jeweils ein anderer Verfasser genannt ist)

Improve Your Practical Play in the Endgame

Alexey Dreev
Improve Your Practical Play in the Endgame
250 Seiten, kartoniert
ISBN: 9789492510594
27,95 Euro




Improve Your Practical Play in the Endgame
Mit "Improve Your Practical Play in the Endgame" richtet sich Alexey Dreev, Großmeister, Trainer und renommierter Autor, an den spielstarken Schachfreund, vom Turnierspieler aufwärts. Bei diesem Werk handelt es sich um eine Übersetzung aus dem Russischen, 2019 erschienen bei Thinkers Publishing. Anhand von intensiv besprochenen Beispielen aus der Meisterpraxis soll der Leser in der Behandlung schwieriger Endspieltypen geschult werden. Im Vordergrund stehen dabei das Herausarbeiten der maßgeblichen Aspekte zur Einschätzung der Stellung, das Finden des richtigen Gewinnweges oder das Erreichen eines Remis sowie die jeweilige korrekte Umsetzung. Zugleich soll der Leser seine intuitiven Fähigkeiten im Endspiel weiter entwickeln können.

Das Werk ist in sechs Kapitel gegliedert, die sinngemäß ins Deutsche übersetzt wie folgt aussagekräftig überschrieben sind:

Kapitel 1 - Spezielle Endspieltypen
Kapitel 2 - Verteidigung
Kapitel 3 - Versteckte Ressourcen
Kapitel 4 - Prophylaxe
Kapitel 5 - Bauernendspiele und Abwicklung in Bauernendspiele
Kapitel 6 - Verwirklichung eines Vorteils in einen Erfolg.

Alle Kapitel sind gleichartig aufgebaut. Zunächst erfährt der Leser in einer kurzen Einführung, welchem Gegenstand des Endspieltrainings er sich in der Folge widmen wird. Anhand von ausgewählten Fragmenten aus der Meisterpraxis, die über ein Anfangsdiagramm eingeführt werden, steigt Dreev tief in die Materie ein. Als Quellen hat er eigene und auch von anderen Spitzenspielern gespielte Partien verwendet. Deren Zahl variiert von Kapitel zu Kapitel. Mit 8 Beispielen kommt das Kapitel 4 mit der niedrigsten Zahl aus, Kapitel 2 ist mit 17 diesbezüglich der Spitzenreiter.
Die allgemeine Endspieltheorie wird als vorhandenes Wissen des Lesers vorausgesetzt. So werden typische Manöver, Leitsätze etc. weder entwickelt noch angesprochen. Um ein Bild von der Art der Darstellung im Buch zu geben, möchte ich den Vergleich mit intensiv analysierten Partien allgemein herstellen. In "Improve Your Practical Play in the Endgame" werden die sich aus den Stellungen heraus ergebenden Möglichkeiten in ähnlicher Weise untersucht, nur eben auf das Endspiel konzentriert bzw. beschränkt. Bei einer Mischung aus Text und Varianten gehen die Analysen teilweise sehr in die Tiefe.

Im Anschluss an die Beispiele enthält jedes Kapitel Aufgabenstellungen für den Leser. Auch in deren Anzahl unterscheiden sich die Kapitel erheblich. Die wenigsten Aufgaben hält Kapitel 5 bereit (4), die meisten Kapitel 2 (16).
Dem Leser wird regelmäßig sehr genau beschrieben, was er machen soll. Das Spektrum reicht vom Finden eines ganz bestimmten Zuges bis zur Ausarbeitung eines Gewinn- oder Remisweges. Der Schwierigkeitsgrad ist hoch. Der Leser muss tief in die jeweilige Stellung einsteigen, um eine fundierte begründete Lösung finden zu können. Die Musterlösungen bzw. Buchlösungen werden ausführlich dargestellt. Platziert sind sie jeweils im Kapitel als dessen Abschluss.

Insgesamt bietet das Werk durchgehend "schwere Kost" an, gerade das Richtige für den schon starken Spieler. In der Hand des unerfahrenen Spielers oder gar des Anfängers wird es nicht glücklich machen.

Mit einfachen Fremdsprachkenntnissen ausgerüstet wird der Leser gut mit dem Buch zurechtkommen.

Fazit: "Improve Your Practical Play in the Endgame" ist ein Werk ausschließlich für Fortgeschrittene. Es trainiert die praktische Endspielbehandlung und hilft bei der Weiterentwicklung der Spielstärke und setzt hierfür einen erheblichen Einsatz an Engagement und Zeit voraus.
Wer sich zum beschriebenen Adressatenkreis zählt, erwirbt mit dem Buch die Chance auf eine praxisbezogene Vervollkommnung seiner Endspielbehandlung.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Liebe zum Schach

Dagobert Kohlmeyer
Liebe zum Schach
111 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-944158-23-5
22,00 Euro




Liebe zum Schach
Was haben Mona Lisa, die ägyptischen Pyramiden und Bratkartoffeln gemeinsam? Ich habe keine Ahnung, aber mit einer gehörigen Portion Fantasie wird sich bestimmt etwas dazu finden lassen. Keine Fantasie braucht man bei der Suche nach einer solchen Verbindung, wenn besonderen Persönlichkeiten aus dem Weltgeschehen Geschichten und Geschichtchen in einem Buch gewidmet sind, das den Titel "Liebe zum Schach" trägt. In "Berühmte Menschen und das Denkspiel", so lautet der Untertitel des Werkes, zeichnet Dagobert Kohlmeyer ein Bild von Größen aus Politik, Philosophie, Literatur, Film, Musik und Wissenschaft in Bezug auf ihre Verbindung zum königlichen Spiel. Erschienen ist die Arbeit im Verlag Chaturanga, der sich auf Arbeiten aus dem Bereich Schach und Kultur konzentriert.

In 24 eigenständigen Texten, die teilweise um eine oder zwei kommentierte Partien oder Fragmente bereichert sind, widmet sich Kohlmeyer politischen Persönlichkeiten wie Richard von Weizsäcker und Mikhail Gorbatschow, Josip B. Tito, Wladimir I. Lenin, Napoleon und Che Guevara, Philosophen wie Karl Marx, Schriftstellern wie Alexander S. Puschkin, Leo Tolstoi und Bertold Brecht, Filmstars wie Humphrey Bogart und Steve McQueen, Musik-Genies wie Sergej Prokofjew und Wissenschaftlern wie Albert Einstein. Wer schon Bücher von Dagobert Kohlmeyer gelesen hat, der weiß um dessen Gabe, informativ und unterhaltsam, bisweilen auch amüsant zugleich zu schreiben. Wie von ihm nicht anders zu erwarten war, hat er auch für dieses Werk intensiv und sauber recherchiert, was auch das breite Quellenverzeichnis im Bereich der letzten Buchseiten bestätigt. Eine besondere Quelle für seine Arbeit aber ist er selbst bzw. sind seine persönlichen Erfahrungen im Kontakt zu in den Texten erscheinenden Personen, Zeitzeugen, Wissensträgern etc. Er hat fast unzählige Bücher zum Schachspiel geschrieben, ist in dieser Hinsicht erfahren wie nur wenige andere und hat im Laufe der Zeit eine Fülle an Kontakten geknüpft, die zum Gelingen von "Liebe zum Schach" beigetragen haben. Sein Renommee wird auch davon getragen, dass er 2006 mit dem deutschen Schachpreis ausgezeichnet worden ist.

Ich hatte zunächst vor, zu einem oder zwei der Berühmtheiten, die Kohlmeyer aufgenommen hat, Details aus dem Buch zu skizzieren. Diese Idee habe ich aber verworfen, weil ich damit zu viel verraten und die Spannung des Lesers gelitten hätte. Lassen Sie sich überraschen!

Zahlreiche Bilder bzw. Fotos ergänzen die schon genannten Inhalte, Karikaturen aus der Feder von Frank Stiefel inbegriffen.

Ich persönlich mag Bücher dieser Art sehr. Deshalb fällt es mir schwer, in meinen Ausführungen neutral zu bleiben. Aber dies muss ich im Rahmen einer Rezension auch nicht.
Also: Die Liebe zum Schach verbindet mich mit den aufgenommenen Berühmtheiten, dem Autor und dem Herausgeber Dr. Mario Ziegler. Jedem, der sich dieser Gesinnung anschließen kann, empfehle ich den Kauf des Werkes, auch wenn es mit 20 Euro nicht ganz billig ist.
Es eignet sich auch sehr gut als Geschenk an andere - oder an sich selbst. Ein fester Einband ist der angemessene handwerkliche Rahmen dafür.

Fazit: "Liebe zum Schach" findet meine volle Unterstützung - ein sehr gelungenes Buch und damit eine klare Kaufempfehlung an den Liebhaber des Schachspiels.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Verlag Chaturanga (www.chaturanga.de) zur Verfügung gestellt.

Understanding Maroczy Structures

Adrian B. Mikhalchishin & Georg Mohr
Understanding Maroczy Structures
295 Seiten, kartoniert
ISBN: 9789492510549
27,95 Euro




Understanding Maroczy Structures
"Understanding Maroczy Structures" ist 2019 im belgischen Verlag Thinkers Publishing erschienen. Hierbei handelt es sich um ein gemeinsames Werk der beiden Großmeister, erfahrenen Trainer und geschätzten Autoren Adrian B. Mikhalchishin und Georg Mohr. Es geht darin um die Behandlung von Stellungen, die von der Maroczy-Struktur geprägt sind, auf weißer oder schwarzer Seite. Diese ist dadurch gekennzeichnet (für Weiß, für Schwarz gilt dies spiegelverkehrt), dass auf c4 und auf e4 ein eigener Bauer steht, Schwarz über keinen c-Bauern mehr verfügt (regelmäßig nach Abtausch auf d4 über d2-d4 und cxd4), ein schwarzer Springer auf c6 und der Königsläufer fianchettiert auf g7 steht. Es gibt eine Reihe von Eröffnungen, die zu Maroczy-Strukturen führen können, so insbesondere die Englische Partie, die Königsindische Verteidigung und natürlich - nicht zuletzt - die Sizilianische Verteidigung.

Man hätte den Ansatz der Arbeit kaum besser beschreiben können, als dies im Vorwort tatsächlich passiert. Hier nehmen die Autoren Anleihe bei Aaron Nimzowitsch, von dem die Feststellung stammt, dass das Studium des Mittelspiels gleichbedeutend ist mit dem Studium typischer Stellungen. Sie erweitern diese Aussage, indem sie folgern, dass das Studium typischer Stellungen das Studium typischer Bauernstrukturen meint und dies das Studium der Strategie bedeutet.
"Understanding Maroczy-Structures" ist ein Lehr- und Studienbuch, konzentriert auf die bezeichnete Stellungsstruktur.

Das Werk ist sehr gut konzipiert, der Lehrstoff ist ebenso gut aufbereitet. Den Leser erwarten insgesamt fünf Abschnitte, auf die sich 16 Kapitel verteilen. Zunächst erfährt er, was er unter Maroczy-Strukturen zu verstehen hat, typische Stellungen hierzu und etwas zum geschichtlichen Ablauf. Dem schließt sich die Darstellung typischer Methoden für Weiß an, gefolgt von dem gleichen Besprechungsgegenstand für Schwarz. Teil 4 widmet sich mehreren, ausgewählten Methoden, gefolgt von einem der Vervollständigung dienenden letzten Abschnitt zur Frage, wie Weltmeister die Stellungen mit Maroczy-Strukturen behandelt haben.

Die Autoren erklären mustergültig. Im Vordergrund steht durchgehend die Erörterung, wie der richtige Plan in jeder Stellung aussieht. Dabei wird jeweils erläutert, warum ein Plan "richtig" ist und was einen anderen Plan als unzureichend "disqualifiziert". Hier darf man sich nicht vorstellen, dass die Autoren eine Komplettlösung für jedes behandelte Stellungsmuster anbieten. Oft ist es so, dass sie Teilpläne besprechen, die sich wiederkehrend in verschiedenartigen Stellungen anbieten. Die Erläuterungen sind bis auf die Zugebene heruntergebrochen, so dass auch der noch weniger erfahrene Leser den Autoren folgen kann.
Der Gegenstand der Behandlung wird zunächst jeweils allgemein beschrieben und erläutert. An Beispielen aus der Praxis werden in der Folge auch die Details behandelt. Dabei lernt der Leser an Partien, in denen dem Spieler aus der Meisterpraxis die richtigen strategischen Entscheidungen gelungen sind oder er auch sich bietende Chancen ausgelassen hat, aber ebenso aus Versäumnissen des Gegners.

Wer sind die potenziellen Adressaten des Werkes? Zu diesen zählt für mich bereits der regelfeste Anfänger, besonders auch vor dem Hintergrund, dass Mikhalchishin und Mohr dem Leser sehr viel allgemeines Mittelspielverständnis vermitteln können. Am Leistungsvermögen ausgerichtet sehe ich auch im erfahrenen Klub- und Turnierspieler einen dankbaren Interessenten, der sein Spezialwissen ausbauen kann. Maroczy-Strukturen wird er mit Weiß oder auch mit Schwarz qualifiziert spielen können, spätestens nach dem intensiven Studium des Werkes.
Wer Systeme spielt bzw. in seinen Systemen nicht vermeiden kann, die auf Maroczy-Strukturen bauen, sollte diese gut zu behandeln wissen. "Understanding Maroczy-Structures" hat das Potenzial, ein sehr gutes Rüstzeug zu verschaffen, besonders für die planvolle und natürlich korrekte Spielführung.
Der Fernschachspieler gehört nicht minder zur angesprochenen Spielerschaft. Aus eigener Erfahrung weiß ich von den Verlockungen, die von einer Engine errechnete Züge mit sich bringen. Gerade aber die Strategie zählt nicht zu deren Stärken in der Partie. Diese muss vom Spieler beigesteuert werden. Und selbst dann, wenn sich ein Spieler "nur" zwischen Zügen entscheidet, die von der Engine ähnlich bewertet werden, hilft ihm das Wissen um die richtige Strategie bei der Auswahl. Bei der Sichtung des jüngeren Materials aus der Fernschachpraxis zu einem eigenen Buch über die Königsindische Verteidigung sind mir viele Partien aufgefallen, in denen der "rote Faden" im Spiel fehlte. Die einzelnen Züge waren dem Anschein nach mit Engines ermittelt worden, ergaben in der Gesamtbetrachtung aber nur Stückwerk. Diesen offenkundigen Mangel kann "Understanding Maroczy-Structures" auch in Fernschachpartien zu überwinden helfen, unter anderem im angesprochenen Königsinder. Die von den Autoren vermittelten Erwägungen und strategischen Pläne sind, am Rande bemerkt, auch für andere königsindische Strukturen wertvoll.

Das Werk ist unterhaltsam geschrieben, so dass es auch Spaß macht, sich mit ihm zu befassen.

Lehr- und Studienbücher dieser Art und Qualität sind heutzutage nicht Standard. Für mich ist dieses Werk einer Auszeichnung würdig.

Bewusst nach dieser Wertschätzung möchte ich anmerken, dass die Autoren keine vom Leser zu lösenden Aufgaben eingearbeitet haben. Diese wären eine sinnvolle Ergänzung gewesen. Den sehr positiven Gesamteindruck soll dies aber nicht trüben.

Wie man schon leicht am Titel erkennen kann, ist die Buchsprache Englisch. Der deutschsprachige Leser mit Fremdsprachkenntnissen auf Schulniveau wird keine bemerkenswerten Schwierigkeiten beim Verständnis des Werkes haben."

Fazit: "Understanding Maroczy-Structures" ist ein ausgezeichnetes Buch zur Strategie im Schach. Es konzentriert sich auf Stellungen mit Maroczy-Strukturen, kann aber auch das allgemeine Spielverständnis des Lesers heben oder trainieren. Für mich ist das Werk eine der besten Neuerscheinungen dieses Genres in der jüngeren Vergangenheit. Dabei passt es in die Hand des regelfesten Anfängers wie auch in jene des erfahrenen Klub- und Turnierspielers. Dem Schachlehrer und Trainer kann es als Arbeitsmittel dienen.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Beyond Material

Davorin Kuljasevic
Beyond Material
336 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-860-6
22,95 Euro




Beyond Material
Mit "Beyond Material", sinngemäß in etwa zu übersetzen mit "Jenseits des Materials" hat der kroatische Großmeister Davorin Kuljasevic ein überaus wichtiges Thema aufgegriffen. Der Untertitel "Ignore the Face Value of Your Pieces and Discover the Importance of Time, Space and Psychology in Chess" macht deutlich, worum es genau geht in dieser Neuerscheinung 2019 bei New In Chess (NIC). "Ignoriere den Nennwert deiner Figuren und entdecke die Bedeutung von Zeit, Raum und Psychologie im Schach" lässt sich dieser übersetzen.

Schon der Anfänger im Schach bekommt beigebracht, dass neben dem Material Zeit und Raum bestimmende Elemente sind. Doch während das (statische) materielle Kräfteverhältnis relativ leicht ermittelt werden kann, weil die Stärke der Figuren über zugeordnete Werte bzw. Bauerneinheiten bekannt ist und diese schlicht zusammengezählt werden können, ist dies hinsichtlich der Zeit und des Raumes nicht ganz so einfach. Außerdem wird jedem Anfänger schnell klar, dass ein schlichter materieller Nachteil regelmäßig zur Niederlage führt. So entwickelt sich der lernende Spieler leicht und schnell zu einem "Materialisten" und überwindet diesen Charakter in der Folge nicht mehr.

Davorin Kuljasevic hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Spieler bei der Steigerung seiner Spielstärke zu helfen, indem er ihn in die Richtung eines flexibleren Umgangs mit den genannten Elementen unter Einbeziehung psychologischer Aspekte qualifiziert. Er soll nicht nur die besondere Herausforderung bestehen, Stellungen korrekt einzuschätzen, in denen die Vor- und Nachteile der Spieler sich auf unterschiedliche Elemente beziehen, sondern die sich aus der Umwandlung von Werten ergebenden Chancen besser zu nutzen lernen. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt darin, den Spieler die Aufgabe von Material zugunsten von Zeit und Raum lernen zu lassen, indem dieser die Dominanz des materiellen Denkens aufgibt, die Konsequenzen dieses Vorgehens besser abzuwägen lernt und letztlich ein kalkuliertes Risiko eingeht.

Der Autor arbeitet mit Beispielen aus der Praxis. Zunächst zeigt er im ersten von insgesamt sieben Kapiteln anhand eindrucksvoller Beispiele auf, wie das Ergebnis der Stellungsbewertung unter Berücksichtigung aller Elemente von der materiellen Situation abweichen kann. Dies ist für den erfahrenen Leser natürlich kein Geheimnis, die gezeigten Beispiele aber haben doch ein echtes Überraschungspotenzial. Im weiteren Verlauf befasst er sich insbesondere mit verschiedenen Einflüssen, denen der Spieler unterliegt und die ihn "materiell" handeln lassen. Hierzu zählen beispielsweise die Angst vor der Niederlage, reflexartig ausgeführte Züge und nachteilige Auswirkungen des Hochgefühls in besserer Stellung bzw. vor einem erwarteten Sieg.
In den Folgekapiteln zwei bis fünf geht Kuljasevic auf den relativen Wert der Figuren und dann auf Stellungsverhältnisse ein, in denen der Zeitvorteil bzw. der Raumvorteil den Materialstand aushebelt und den Ausschlag für den Ausgang der Partie gibt. Interessant sind die psychologischen Aspekte, die sich mit Entscheidungen verknüpfen, die nicht materiell orientiert sind. Hier geht es vor allem um die Auswirkungen auf die Psyche des Gegners, der in seinen Planungen und Überlegungen von materiell ausgerichteten Antworten ausgegangen ist. Hier zeigt der Autor auf, dass es neben Überraschungseffekten und unvorteilhaften Spielanlagen auch zur Überforderung des Gegners kommen kann.
Das Kapitel 6 befasst sich mit Aspekten der Habgier im Schach, eine besondere Ausprägung des materiell dominierten Handelns.
Eine Zusammenfassung, die auch schon mal mehr als eine ganze Seite einnehmen kann, hält die wesentlichen Inhalte des jeweiligen Kapitels fest. Zumeist handelt es sich dabei um lehrsatzähnliche Aussagen, Prinzipien und Hinweise auf Möglichkeiten für das eigene weiterführende Studium.
Die Kapitel 2 bis 6 halten Übungsaufgaben bereit, an denen der Leser seine Fertigkeiten bzw. seinen Lernerfolg überprüfen kann. Die Lösungen dazu enthält das Kapitel 7.

Das Thema des Buches ist auch für den Fernschachspieler relevant. Im rechnergestützten Spiel und auf der Basis der heute weit entwickelten Eröffnungstheorie und gut gefüllten Datenbanken, die während der Partie als Hilfsmittel eingesetzt werden dürfen, hat die Remisquote Spitzenwerte erreicht. Engines wie Stockfish, Komodo und Houdini rechnen in Bauerneinheiten und werfen ihre Bewertungsergebnisse dezimal aus. Abweichungen von mehr als 0,50 Einheiten, die statisch in etwa einem halben Bauern entsprechen, haben in den Standardsystemen und dort in den Hauptlinien bereits Ausnahmecharakter. Die Aufgabe von Material zugunsten dynamischer Gegenwerte zählt zu den Ideen, die der Spieler der Engine "zeigen" kann. Nicht zuletzt der Wettkampf zwischen Stockfish und AlphaZero hat gezeigt, dass die herkömmlich vorgehenden Engines bei der Berechnung der dynamischen Langzeiteffekte an gewisse Grenzen kommen. Auf diesen Wettkampf geht Davorin Kuljasevic übrigens am Rande kurz ein.

Das Werk kann bereits dem regelfesten Anfänger helfen, sein Spiel nicht von materiellen Erwägungen dominiert zu führen. Besonders spricht es meines Erachtens den Spieler ab Klubniveau an.

Die Buchsprache ist Englisch. Der verwendete Wortschatz geht bisweilen über das in Schachbüchern Übliche hinaus. Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau reichen aber für ein unkompliziertes Arbeiten mit dem Werk aus.

Fazit: "Beyond Material" lehrt eine Spielführung, die sich gezielt der Möglichkeiten der Elemente Material, Raum und Zeit bedient und die Dominanz der materiellen Betrachtung vermeidet. Ergänzend behandelt das Werk damit im Zusammenhang stehende psychologische Aspekte.
In meinen Augen sind dem Autor die Aufarbeitung des Themas und die Anleitung des Lesers sehr gut gelungen. So birgt die Arbeit immens viel Potenzial, auch den fortgeschrittenen Spieler zur Vervollkommnung seiner Fertigkeiten zu unterstützen.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Chigorin Bible

Ivan Sokolov & Ivan Salgado Lopez
The Chigorin Bible
349 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-94-9251-041-9
28,95 Euro




The Chigorin Bible
Wenn sich ein Buch als "Bibel" für irgendetwas bezeichnet, dann vermittelt dies den Eindruck, dass so ziemlich alles darinstehen wird, was es zum Thema gibt. Mit dieser Einschätzung habe ich auch "The Chigorin Bible" von Ivan Sokolov und Ivan Salgado Lopez in die Hand genommen. Das Werk ist 2018 bei Thinkers Publishing erschienen. Der Name des großen russischen Meisters Mikhail I. Tschigorin (1850 bis 1908) verbindet sich mit mehreren Dingen im Schach. Das besprochene Werk befasst sich mit der Tschigorin-Verteidigung, auch Tschigorin-System genannt, in der Spanischen Partie, die über die Züge 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6 8.c3 0-0 9.h3 Sa5 entsteht.
Ich konnte dann aber früh, in der Einleitung des von Sokolov verfassten Teils 1, lesen, dass Bibel hier etwas Anderes heißen soll. Die Autoren sehen in ihrer Arbeit das perfekte Hilfsmittel für Klub- und Turnierspieler, um ihre Spielstärke zu verbessern. Im Zentrum steht dabei natürlich das Beherrschen des Eröffnungssystems mit Weiß und mit Schwarz.
"The Chigorin Bible" will kein Repertoirebuch sein, was Salgado Lopez zu Beginn des von ihm zu verantwortenden Teil 2 ausdrücklich schreibt. Begründend gibt er an, dass er diesem Buchformat nicht traut. Faktisch aber kann der Leser das Werk durchaus auch beim Bilden eines eigenen Repertoires sehr gut einsetzen.

Dem nachfolgenden Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis lässt sich entnehmen, welchen Schwerpunkten sich die beiden schon erwähnten Teile widmen und wie sie mit einzelnen Kapiteln bestückt sind. Die Einträge habe ich sinngemäß ins Deutsche übersetzt.

Teil 1: Partien, Pläne und persönliche Erfahrung
Einführung zum Teil 1
Kapitel 1: Erste Partien und Pläne
Kapitel 2: Die Strategie von Weiß zum Abtausch der d-Bauern, Vor- und Nachteile
Kapitel 3: Keres' Vermächtnis
Kapitel 4: Der weiße Bauernvorstoß f2-f4 in nicht-geschlossenen Zentrumsstellungen
Kapitel 5: Strategien für das geschlossene Zentrum
5.1: Der weiße Bauernvorstoß f2-f4
5.2: Entscheidungen auf dem Damenflügel
5.3: Der auf b7 schlecht platzierte schwarze Läufer und a5-Springerprobleme
5.4: Der weiße Bauernvorstoß g2-g4

Teil 2: Theorie
Einführung zum Teil 2
Übersicht über die Tschigorin-Theorie
Kapitel 1: Frühes ...d5 und die Romanischin-Variante
Kapitel 2: 11...Dc7 12.d5
Kapitel 3: 11...Dc7 12.Sbd2, Turmzüge und 12...cxd4
Kapitel 4: 11...Dc7 12.Sbd2 Sc6, Alte Hauptvariante
Kapitel 5: 11...Dc7 12.Sbd2, Läuferzüge
Kapitel 6: 11...Sd7, Nebenvarianten im 12. Zug
Kapitel 7: 11...Sd7 12.Sbd2 (Hauptvariante)
Kapitel 8: 11...Sd7 12.a4 (Moderne Variante).

Teil 1 Partien, Pläne und persönliche Erfahrung (Games, Plans and Personal Experience), enthält 32 kommentierte Partien, die in der Zeit von ca. 1900 bis in die Gegenwart hinein gespielt worden sind. Natürlich ist auch Tschigorin unter den Spielern vertreten, von dem es aber erstaunlicherweise kaum Duelle gibt, in denen er mit der nach ihm benannten Verteidigung eröffnet hat.
In Teil 2 "Theory" findet der Leser in der Form einer Baumstruktur in einzelnen Kapiteln zusammengestellt, was die Autoren ihm als theoretisches Rüstzeug mitgeben wollen. Aus dem Titel dieses Abschnitts im Buch darf nicht geschlussfolgert werden, dass der 1. Teil nicht auch der Vermittlung der Theorie dient. Während es in diesem aber eher über generelle Aspekte wie Spielanlage und Pläne geht, liegt im 2. Teil der Schwerpunkt auf den konkreten Zügen und Zugfolgen. Und natürlich spielt bei der Auswahl der unterstützten Fortsetzungen die Einschätzung des Autors eine hervorgehobene Rolle. Wie bei einem Repertoirebuch bildet er nichts ab, was er für unzureichend relevant hält. Allerdings gibt Salgado Lopez die Kriterien bekannt, nach denen er ausgewählt hat. Zugleich stellt er heraus, dass er bisweilen deutlich von dem abweicht, was allgemein als Theorie der Verteidigung gilt. Zahlreiche Neuerungen, die sich tatsächlich in der Folge finden lassen, sollen für Verbesserungen sorgen und dem Leser zugleich die Möglichkeit geben, den Gegner in der selbst geführten Partie zu überraschen.

Im Anschluss an die Erörterung einer Spielweise werden die wesentlichen Erkenntnisse daraus in einer Zusammenfassung festgehalten. Diese kann bisweilen sehr lang sein, soweit sie in Details geht. Für den adressierten Klub- bzw. Turnierspieler wird dies eine große Hilfe sein, wobei es sich lohnen kann, zunächst jeweils die Zusammenfassung aufzurufen, bevor man sich mit dem Stoff selbst befasst. So lässt sich auch der Aufwand beim Studium des Werkes begrenzen, indem nach dem eigenen Geschmack disponible Inhalte ausgelassen werden.

Das dem Buch zugrundeliegende Konzept ist in meinen Augen überzeugend. Während der Leser, der schon eine Spielstärke mindestens auf Klubniveau mitbringt, im ersten Teil den Blick für das Ganze, für die Statik des Systems und die grundsätzlichen Strategien und Pläne bekommt, erhält er im zweiten Teil zugbasiert das ganz konkrete Rüstzeug.
Beide Autoren erklären sehr gut, jeder auf seine Weise und auf das Wesen des von ihnen jeweils erarbeiteten Teils abgestellt. Dabei richten sie sich nach meiner Einschätzung gut an den Anforderungen aus, die man an einen Klubspieler stellen darf.

"The Chigorin Bible" ist ein sehr gut für das Selbststudium geeignetes Buch, aber sicher auch für Schachlehrer und Trainer als Arbeitsgrundlage geeignet.
Lösungsaufgaben enthält es nicht.

Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind niedrig. Mit einem ordentlichen Schulenglisch lässt sich bequem mit dem Werk arbeiten.

Fazit: "The Chigorin Bible" ist eine Bereicherung der Eröffnungsliteratur. Das Buch richtet sich vor allem an Klub- und Turnierspieler, um sie für die mit der Tschigorin-Verteidigung im "geschlossenen Spanier" eröffnete Partie zu qualifizieren. Das Werk wendet sich sowohl an Weiß als auch an Schwarz. Es will den Leser verstehen lassen, gibt aber auch viel Material an die Hand, für das sich ein Einprägen lohnen kann.
Es ist für den autodidaktischen Einsatz wie auch als Grundlage für Schachlehrer und Trainer geeignet.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Winning Ugly in Chess

Cyrus Lakdawala
Winning Ugly in Chess
336 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-828-6
22,95 Euro




Winning Ugly in Chess
Bei der Vorbereitung dieser Rezension über "Winning Ugly in Chess" musste ich meine Brille als Fernschachspieler absetzen. Dieses neue Werk von Cyrus Lakdawala, 2019 erschienen bei New In Chess (NIC) beschäftigt sich mit dem Thema, schlecht zu spielen und doch zu gewinnen. Konkret geht es darum, in Partien, in denen man aufgrund seines bis dahin fehlerhaften Spiels auf verlorenem Posten steht, doch noch Erfolg zu haben, gemessen am natürlichen Verlauf also unverdient.

Im Kern geht es ihm darum, die Möglichkeiten zu erkennen oder zu schaffen, um die Niederlage zu verhindern. Die von ihm vorgestellten Mittel und Wege lassen sich im Wesentlichen unter folgende Überschriften fassen:
- Die sich bietenden Ressourcen der Stellung erkennen und nutzen.
- Die Stellung so verändern, dass sich neue Ressourcen auch dadurch ergeben, dass der Gegner mit ihr nicht mehr zurechtkommt.
- Schon mit der Eröffnung beginnend die Partie in Bahnen lenken, die dem Gegner weniger liegen.
- (Auch) den Gegner spielen und nicht (nur) die Partie.

Auf das Spiel unmittelbar am Brett konzentriert sind alle Vorschläge des Autors fair. Es geht also nicht darum, den Gegner unter Missachtung des Fairplays zu überwinden. Zu seinen konkreten Tipps zählt auch das Verweigern der Aufgabe in verlorenen Stellungen. Hätte ich vorab nicht die Fernschachspieler-Brille abgesetzt, so hätte ich hier die Kollision mit der Fairness festhalten müssen. Beim Spiel mit langen Bedenkzeiten gilt das Verzögern der Aufgabe als unsportlich; im englischen Sprachraum hat sich dafür die Bezeichnung "Dead Man's Defence" eingebürgert, die Verteidigung des toten Mannes.

Zu den von Lakdawala gesehenen oder nach ihm zu schaffenden Ressourcen zählen beispielsweise Maßnahmen im Spiel, die den Gegner unter Druck setzen oder ihn auf dem falschen Fuß erwischen, so dass er zu nicht erzwungenen Fehlern verleitet oder in eine Falle gelockt wird. In anderen Fällen soll ihm die Souveränität genommen werden, mit der er eine bestimmte Brettkonstellation beherrscht, indem die Partie in chaotische Entwicklungen gelenkt wird. Diese und zur Wirkung ähnlich motivierte Maßnahmen im Spiel sollen dem bis dahin unterlegenen Spieler neue Chancen geben.

Lakdawala arbeitet mit 67 kommentierten Partien, die sich über insgesamt zehn Buchkapitel verteilen und in allen Epochen des modernen Schachspiels ausgetragen worden sind. Er hat sie so ausgewählt, dass sie eines oder mehrere Mittel gut repräsentieren, die dem "nominell" unterlegenen Spieler neue Chancen verschaffen sollen. Entsprechend ist die Kommentierung vom verfolgten Zweck dominiert; was nichts mit der Ausnutzung einer Möglichkeit zu einem "schmutzigen" Sieg im jeweiligen Duell zu tun hat, bleibt regelmäßig außen vor. Diese Feststellung bezieht sich allerdings allein auf Analysen und nicht etwa auf alle Textanmerkungen. Wie für Lakdawala typisch enthält die Kommentierung viele narrative Elemente, die den Leser unterhalten wie auch Informationen aus der Welt des Schachspiels geben.

Seine Erläuterungen orientiert Lakdawala hinsichtlich des Anforderungsniveaus nach meiner Einschätzung am regelfesten Anfänger bis zum einfachen Klubspieler. Regeln und eingebaute Merksätze zählen oft zum einem Anfänger ans Herz gelegten Stoff.
Sehr schön ist seine Vorgehensweise zur Istaufnahme einer Stellung, zur Analyse einer Situation. In der Form einer Aufzählung stellt er die wesentlichen Merkmale auf, so dass der Leser seine Einschätzung sehr gut nachvollziehen und auch verinnerlichen kann. Insofern ist "Winning Ugly in Chess" durchaus auch ein Schulungs- und Trainingsbuch allgemein zur Strategie und zur Taktik im Schach.
"Mit "Moment of Contemplation" nimmt er regelmäßig die Aufmerksamkeit des Lesers für sich in Anspruch, um Bestandsaufnahmen vorzunehmen, aus seiner Sicht wichtige Anmerkungen anzubringen oder auch eine detaillierte Stellungseinschätzung vorzunehmen.

Durchgängig richtet er Aufgabenstellungen und Übungen an den Leser, für die er dann jeweils unmittelbar im Anschluss die Lösungen eingearbeitet hat.

Johann Wolfgang von Goethes Wortschatz umfasste nachgewiesen mehr als 90.000 Wörter. Cyrus Lakdawalas Wortschatz ist nach meinem Eindruck mindestens genauso umfangreich, gefühlt zumindest. Er ist für seinige blumige und fantasievolle Schreibweise bekannt, ich persönlich mag diesen Stil. Allerdings ist er für einen Fremdsprachler eine Herausforderung. Wenn man seine Texte komplett verstehen möchte, braucht man entweder einen Goethe-gleichen Wortschatz im Englischen oder muss sich darauf einstellen, häufig Bedeutungen nachschlagen zu müssen. Dies ist der Preis für eine unterhaltsame Möglichkeit, sich im Schach zu üben und Neues zu erlernen.

Fazit: "Winning Ugly in Chess" befasst sich mit den Möglichkeiten im Spiel, eine Partie unverdient zu gewinnen. Auch wenn der rote Faden des Werkes entsprechend sehr speziell ist, kann es als allgemeines Schulungs- und Trainingsbuch genutzt werden. In erster Linie sehe ich den Spieler angesprochen, der als regelfester Anfänger oder als noch nicht allzu versierter Klubspieler seine Erfolgschancen im Nahschach in für ihn kritisch verlaufenen Partien verbessern möchte.
Gute Englischkenntnisse sollte der Leser mitbringen, wenn er bequem mit dem Buch arbeiten können möchte.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Side-Stepping Mainline Theory

Gerard Welling & Steve Giddins
Side-Stepping Mainline Theory
269 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-869-9
22,95 Euro




Side-Stepping Mainline Theory
Mit "Side-Stepping Mainline Theory" verfolgen die Autoren Gerard Welling, Internationaler Meister aus den Niederlanden, und Steve Giddins, FIDE-Meister aus England, das Ziel, vor allem dem einfachen Klubspieler und dem Gelegenheitsspieler ein robustes Eröffnungssystem an die Hand zu geben, das dieser aus so gut wie allen Lagen anwenden kann. Er soll es mit einem begrenzten Aufwand erlernen und allem aus dem Weg gehen können, was als Hauptvariante bis weit in die Partie hinein analysiert ist und für einen erfolgreichen Einsatz ein umfangreiches Erinnerungswissen voraussetzt. Sie vertrauen darauf, dass der Leser mit den Stellungsbildern vertraut wird und mit dem Verständnis, das er über das Buch erhält, die richtigen Entscheidungen in seiner Partie treffen kann. Im Ergebnis soll er ein Mittelspiel erreichen, das ihm gute Chancen gibt, auch ohne einen Eröffnungsvorteil den Gegner auszuspielen.
Welling, auch ein erfahrener Schach-Trainer, und Giddins sind beide als Schach-Autoren bekannt.

Mit den schwarzen Steinen kommt es über die Aufstellung der Bauern auf e5, d6 und c6, den Springern auf f6 und d7 sowie des Läufers auf e7 zum Standardaufbau. Gegen 1.d4 versucht Schwarz über die Altindische Verteidigung seine Absichten durchzusetzen, gegen 1.e4 über die Philidor-Verteidigung. Gegen alternative weiße Anzüge wie 1.c4 oder 1.Sf3 bieten die Autoren geeignete Zugumstellungen an.

Gespiegelt soll der Aufbau auch mit den weißen Steinen eingesetzt werden können, was seinen Wert für den Leser weiter steigern soll.

"Side-Stepping Mainline Theory" ist ein sehr gut konzeptioniertes Buch. Welling und Giddins haben ihre Arbeit so organisiert, dass der Leser
1. die Ziele des vorgestellten Aufbaus verstehen und erkennen soll, was mit der Aufstellung der Figuren jeweils erreicht werden soll.
2. die typischen Pläne für das Mittelspiel verinnerlicht und die maßgeblichen taktischen Ideen erfährt und diese umzusetzen erlernt.
3. erlernt, die Züge jeweils in der richtigen Reihenfolge auszuführen.

Das Buch ist in sechs Kapitel mit den folgenden Überschriften, jeweils in einer sinngemäßen deutschen Übersetzung, gegliedert:

Kapitel 1: Die Schlüssel zu einem erfolgreichen Eröffnungsspiel
Kapitel 2: Die Altindische Verteidigung gegen 1.d4
Kapitel 3: Die Altindische Verteidigung gegen Flankeneröffnungen
Kapitel 4: Die Philidor-Verteidigung gegen 1.e4
Kapitel 5: Das System mit Weiß
Kapitel 6: Tabellen der Hautvarianten.

In den Kapiteln 2 bis 5 gehen die Autoren dem vorstehend skizzierten Konzept getreu vor. Nach dem Prinzip "vom Element zum Ganzen" stellen sie einzelne Aspekte, Manöver etc. anhand von Beispielen vor. Diese intensive Erläuterung wird jeweils abgelöst von Beispielpartien aus der Praxis, die über die Jahrzehnte des modernen Schachspiels hinweg gespielt worden sind, zumeist vor der Jahrtausendwende. Insgesamt und über alle Kapitel hinweg sind 92 Partien im Werk enthalten, einige stammen aus dem Bereich des Fernschachs. Die Zeitschrift Fernschach ist im Quellenverzeichnis zu finden.

Das 6. Kapitel enthält eine ausführliche tabellarische Aufstellung der Hauptzüge und wichtigsten Nebenvarianten, so wie man diese aus den Eröffnungs-Enzyklopädien kennt. Damit möchte ich diesen Service, der sich über rund 40 Seiten erstreckt, als die wohl umfänglichste Variantenübersicht bezeichnen, die ich in einem als Lehrbuch gestalteten Repertoirebuch je gesehen habe. Sie erlaubt eine ausgezeichnete Navigation über alle Buchinhalte hinweg und kann zugleich auch als Quelle zum Nachschlagen dienen.

Ich hätte mir in diesem Werk sehr gut einen Abschnitt vorstellen können, in dem der Leser anhand von Aufgabenstellungen überprüfen kann, inwieweit er das System tatsächlich verstanden hat. Bei dieser Einschätzung orientiere ich mich am angesprochenen Leserkreis und dem Ziel der Autoren.

Noch etwas zur konzeptionellen Grundidee der Autoren: Sie zitieren den früheren Weltmeister Emanuel Lasker, der schon vor gut 100 Jahren bemängelte, dass lernende Spieler ihr Studium zu sehr auf die Eröffnung richten. Mit dem von ihnen vorgestellten System möchten sie die Konzentration des Lesers auf die Eröffnung entbehrlich machen. Sie erklären, dass die Großmeistervarianten, die oft auf ein Ausnutzen der kleinsten Vorteile ausgerichtet sind, nicht zur Situation des "kleinen" Spielers passen. Er hat nicht das Profil, um sich viele langzügige Varianten zu merken, und auch nicht die Fähigkeit, die kleinsten Unterschiede zu erkennen und für sich in der Partie zu nutzen. Das gut beherrschte eigene System, wie es dem Leser über "Side-Stepping Mainline Theory" angeboten wird, sehen sie als Ausweg aus dem Dilemma.
Ich kann diese Auffassung verstehen, sie ist auch nicht neu. Andere Autoren aber argumentieren anders, indem sie sagen, der "kleine" Spieler solle die Hauptlinien spielen. Auch sie wollen den Leser verstehen lassen, allerdings die Hauptlinien.
Welling und Giddens räumen ein, dass die im Buch vermittelten Spielweisen einen etwas passiven Charakter haben und eher so angelegt sind, dass der Spieler später in der Partie auf positionelle Vorteile spielt. Dabei ist aber zu bedenken, dass der Gegner den sich daraus ergebenden Freiraum für einen soliden aktiven Aufbau nutzen kann. Und hier unterscheidet sich die Situation des einfachen Klubspielers bzw. des Freizeitspielers ebenfalls von einem Magnus Carlsen, der auch schon mit den Ideen aus den dargestellten Systemen eröffnet hat. Ein Magnus Carlsen ist so stark, dass er aus einer passiven Mittelspielstellung in beinahe jeder Partie gut aussieht, selbst aus einer passiveren Eröffnungsstellung heraus.

Ich möchte den universellen Aufbau, den Welling und Giddins aufgearbeitet haben, nicht unterschätzen. Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass er den Anwender in eine bis auf weiteres etwas passive Rolle führt.
Im heutigen Fernschach, in dem die Spieler umfangreiche Datenbanken einsetzen können und die Unterstützung durch Engines nutzen, wird der Anwender in seiner Partie lange brauchen, um Aktivität zu entwickeln.

So ist "Side-Stepping Mainline Theory" für mich in erster Linie ein Buch für den Bereich des Nahschachs.

Die Buchsprache ist Englisch, Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau sind für ein gutes Verstehen ausreichend.

Fazit: "Side-Stepping Mainline Theory" ist das gelungene Ergebnis eines Versuchs, vor allem den "einfachen" Spieler mit einem universellen Eröffnungsaufbau auszustatten. Auf diesen gestützt soll er ohne ein intensives und breit angelegtes Eröffnungsstudium auskommen. Die Konzentration auf ein schmales Eröffnungsrepertoire soll dazu führen, dass er in seinen Partien Stellungen zu spielen bekommt, die ihm vertraut sind.
Das Buch folgt einem guten Konzept, der Leser wird sehr gut in die Theorie des Aufbaus eingeführt. Er bekommt die Chance, die Pläne und die wichtigsten taktischen Motive zu verinnerlichen, so dass er in seiner Partie die richtigen Entscheidungen treffen kann, ohne auf sein Erinnerungsvermögen zu langen Varianten vertrauen muss.
Der vermittelte Aufbau ist leicht passiv, aber solide.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Grandmaster Repertoire, Band 2b, 1.d4 - Dynamic Systems

Boris Awruch
Grandmaster Repertoire, Band 2b, 1.d4 - Dynamic Systems
592 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78483-046-5
29,99 Euro




Grandmaster Repertoire, Band 2b, 1.d4 - Dynamic Systems
Mit "1.d4 - Dynamic Systems, Band 2b" aus der Reihe "Grandmaster Repertoire" von Quality Chess hat Boris Awruch im laufenden Jahr 2019 das Update seiner vor rund 10 Jahren in den Markt gelangten bahnbrechenden Werke über schwarze Systeme nach 1.d4 vollendet. Zugleich hat er damit seine Tätigkeit als Autor von Eröffnungsbüchern abgeschlossen, wie er eingangs schreibt. Es bleibt zu hoffen dass dies nur eine vorübergehende Abstinenz sein wird.
Der Umfang seiner Repertoire-Erörterung ist deutlich gewachsen, was sich auch daran ablesen lässt, dass aus ursprünglich zwei Bänden inzwischen vier geworden sind.

Der neue Band widmet sich den folgenden Systemen:
Holländische Verteidigung (8 Kapitel)
Benoni (5 Kapitel)
Wolga-Benkö-Gambit (3 Kapitel)
Budapester Gambit (3 Kapitel)
Moderne Verteidigung (2 Kapitel)
Seltener gespielte Systeme nach 1.d4 Sf6 2.c4 (3 Kapitel)
Selten gespielte Systeme nach 1.d4 (5 Kapitel).

Awruch hat seine damaligen Empfehlungen nicht nur aktualisiert und um neue Ideen und neues Material erweitert, sondern teilweise auch geändert bzw. ersetzt. Die bedeutendsten Änderungen dieser Art sind mir für das Wolga-Benkö-Gambit aufgefallen, bei dem er die Carlsen-Variante vertritt, wie auch für das Budapester Gambit, bei dem er den besonders großen Richtungswechsel von 4. Sf3 auf 4.Lf4 vollzieht.
Wie schon das damalige Ausgangswerk sind auch im neuen Buch zahlreiche Züge wieder als Neuerung gekennzeichnet.

Aus meinen früheren Rezensionen über Werke von Boris Awruch aus der Grandmaster Repertoire-Serie war schon zu ersehen, dass ich ein großer Anhänger seiner Art und Weise, dem Leser ein qualifiziertes Repertoire näherzubringen, bin. "1.d4 - Dynamic Systems, Band 2b" tritt passgenau in die Fußstapfen seiner Vorgänger und überzeugt mich in gleicher Weise. Awruch erläutert und erklärt sehr viel. Besonders hervorzuheben ist, dass er intensiv auch auf die Pläne eingeht, die den Spielweisen zugrunde liegen. Der Leser erfährt und versteht, wie nach seiner Interpretation der Theorie ein System zu spielen ist und welches die hierfür maßgeblichen Gründe sind. Dabei versteht er den Ansatz, ein großmeisterliches Repertoire anzubieten, nicht als einen Schritt in die Darstellung von Analysen und Fragmenten aus praktischen Partien in Tiefen, die wohl nur das Gedächtnis eines Großmeisters noch zu beherrschen vermag. Awruch stellt Hauptlinien dar, die er bestens erläutert, und bietet dem Leser damit ein geprüftes Repertoire an, aus dem dieser dann in seiner Partie mit dem erreichten Verständnis das Beste machen soll.
"1.d4 - Dynamic Systems, Band 2b" bedient sich der Aufbaustruktur des Baumprinzips aus Haupt- und Nebenvarianten. Beispielpartien sind nicht abgebildet, der Leser erhält "Theorie pur".
Jedes Kapitel enthält auf seiner ersten Seite eine Variantenübersicht, die mit dem Variantenübersicht über alle Buchinhalte hinweg auf den letzten Seiten des Werkes korrespondiert. So ist eine ausgezeichnete Navigation über alle Inhalte hinweg möglich.

Im Buch wird ein Repertoire für Weiß dargestellt. Dies bedeutet, dass alle wesentlichen schwarzen Alternativen behandelt werden. Auch aus der Warte des Spielers mit Schwarz ist "1.d4 - Dynamic Systems, Band 2b" gut zu verwenden, allerdings begrenzt auf den Rahmen der Auswahl, die Awruch für das weiße Repertoire trifft.

Die Bücher aus der Grandmaster Repertoire-Serie sind nicht billig. Dies gilt auch für das neue Werk, für das 29,99 Euro auf den Tisch zu legen sind. Ich kann aber versichern, dass "1.d4 - Dynamic Systems, Band 2b" jeden Cent wert ist. Wer das Buch nicht in einer kartonierten Fassung erwerben möchte, bekommt es gebunden und mit einem festen Einband für einen Aufschlag von fünf Euro.
Ein über fast 600 Seiten ausgebreitetes Repertoire ist das, was der Käufer für sein Geld erhält.

Für wen lohnt sich der Kauf des Buches? Zum prädestinierten Käuferkreis zählt für mich der ambitionierte Spieler, der die vom Buch abgedeckten Systeme in sein Repertoire aufnehmen möchte, insbesondere wenn er für diesen Zweck eine ausgezeichnete Grundlage für ein Selbststudium sucht. Gleiches gilt für den Spieler, der die vor rund zehn Jahren erschienenen Ursprungsbände besitzt und jetzt wieder komplett up to date kommen will.
Den Fernschachspieler reihe ich in diese Betrachtung ein.
Der Freizeitspieler und der Klubspieler, dem daran gelegen ist, grundsätzlich gut in seine Partie zu kommen, wird auch noch mit den Erstausgaben gut zurechtkommen. Wenn er seine Systeme vielleicht unter Zuhilfenahme von Schachzeitschriften oder weiterer Literatur auf Stand gehalten hat, gilt dies für ihn besonders.
Ansonsten ist mein Tipp: Die alten Bücher nicht weggeben, sondern weiter für seine eigenen Repertoireentscheidungen nutzen. Nicht jedem Gegner muss man auf denselben Repertoirewegen begegnen.

Englischkenntnisse auf einem ordentlichen Schulniveau sollten vorhanden sein, wenn ein recht bequemer Umgang mit dem Werk möglich sein soll.

Fazit: "1.d4 - Dynamic Systems, Band 2b" ist eine klare Kaufempfehlung, die sich besonders an den ambitionierten Spieler richtet. Er erhält ein Werk, das ihm ein ausgezeichnetes Weißrepertoire gegen die Holländische Verteidigung, Benoni, das Budapester Gambit und andere schwarze Verteidigungen verständlich vermittelt. Mit diesem Buch bestätigt Boris Awruch seinen Ruf, aktuell einer der besten Autoren auf dem Sektor der Eröffnungsliteratur zu sein.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Devoted to Chess

Boris Postovsky
Devoted to Chess
365 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-822-4
29,95 Euro




Devoted to Chess
Juri Rasuwajew (1945 - 2012) hat sich einen dauerhaften Platz in der Geschichte des Schachspiels gesichert. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere zählte er zur Spitze der sowjetischen Großmeister. Ganz besonders aber hat er sich als Trainer einen Namen gemacht. Er hat gleich mit einer ganzen Reihe von herausragenden Spielern zusammengearbeitet und seinen Anteil zu deren Erfolg beigetragen. Zu ihnen gehören u.a. die ehemaligen Weltmeister Karpov und Kramnik. Die beiden Kontrahenten des letzten WM-kampfes, Weltmeister Magnus Carlsen und sein Herausforderer Fabiano Caruana, haben Juri Rasuwajews Dienste ebenfalls in Anspruch genommen.
Weiterhin hat sich Rasuwajew als Theoretiker und als Autor einen großen Namen gemacht.

Mit seinem "etwas anderen" Buch "Devoted to Chess" mit dem Untertitel "The Creative Heritage of Yuri Razuvaev", im laufenden Jahr 2019 erschienen bei New In Chess (NIC), setzt Boris Postovsky seinem Freund ein Denkmal. Er steht für dieses Werk als derjenige, der es aus vielen Teilen zu einem sinnvollen Ganzen zusammengefügt hat. Die Puzzleteile stammen von Juri Rasuwajew selbst und von zahlreichen weiteren Persönlichkeiten des Schachspiels, die einen einfachen bis hin zu einem sehr intensiven Kontakt zu ihm hatten. Und fehlen darf dabei auch nicht eine gute Auswahl von Partien, die den mit diesem Buch Geehrten am Brett zeigen.

Boris Postovsky ist ein ehemaliger sowjetischer Meister im Fernschach und der Trainer, der mit seinem Team viermal die Goldmedaille für die russische Föderation errungen hat.

"Devoted to Chess" beinhaltet fünf Kapitel, über die sich drei Arten von Inhalten verteilen. Das Inhaltsverzeichnis sieht diesbezüglich wie folgt aus (in einer sinngemäßen deutschen Übersetzung):

Kapitel 1: Erinnerungen von Zeitgenossen Juri Rasuwarews - I
Kapitel 2: Ausgewählte Partien
Kapitel 3: Erinnerungen von Zeitgenossen Juri Rasuwarews - II
Kapitel 4: Artikel und Interviews (von und mit Juri Rasuwarew)
Kapitel 5: Erinnerungen von Zeitgenossen Juri Rasuwarews - III.

Es lässt sich leicht erkennen, dass die Kapitel 1, 3 und 5 gleichartig zu kategorisieren sind. In ihnen kommen die vielen Spielerinnen und Spieler mit ihren Erinnerungen zu Wort, die ihren Kontakt zu und mit Juri Rasuwajew beschreiben. Teilweise sind ihre Beiträge nur kurz, oft aber auch recht lang, selten auch sehr lang. Etliche von ihnen habe ich komplett gelesen. Dies hatte ich nicht etwa zur Vorbereitung dieser Rezension genauso geplant, sondern war die Folge dessen, dass mich das Werk erreicht hat. Die Beiträge sind allesamt informativ und unterhaltsam, teilweise sind sie auch spannend. So ist es dazu gekommen, dass ich mich deutlich länger mit dem Buch befasst habe, als ich dies vorgesehen hatte. Der Leser erfährt sehr viel über Juri Rasuwajew, wie sollte es auch anders sein, aber auch über andere Schachgrößen, über Turniere, über Schachpolitik und mehr.
Nach einigen Beiträgen hatte ich das Gefühl, über "Devoted to Chess" über einen sehr intelligenten und sympathischen Menschen so viel zu wissen, als hätte ich ihn auch einmal persönlich kennen gelernt.

Im Kapitel 2 findet der Leser 52 Partien des Meisters, chronologisch nach Abschnitten seiner Karriere geordnet und teilweise von ihm selbst oder auch von anderen kommentiert. Die Anmerkungen sollen natürlich Rasuwajew ein Denkmal als Spieler setzen, aber auch unterhalten. Wer sich gerne in gut kommentierte Partien vertieft, wird in diesem Buch sehr gut bedient.

Das Kapitel 4 enthält Artikel und Interviews von und mit Juri Rasuwajew, so wie es das Inhaltsverzeichnis auch treffend bestätigt. Besonders interessant sind hier Beiträge, in denen er sich vertieft ganz bestimmten Themen widmet, so wie etwa Gambit-Aspekten, Schach-Lektionen oder der Entwicklung des eigenen Intellekts.

Alles in allem ist "Devoted to Chess" eine "runde Sache", auch wenn das Buch eine Zusammenstellung von Gegenständen ist, die nicht von vornherein homogen zueinander passen. Boris Postovsky ist es gut gelungen, aus verschiedenen Zutaten ein schmackhaftes Gericht herzustellen. Garniert ist es mit einigen Fotos von Juri Rasuwajew und anderen.

Das Werk ist eine Übersetzung aus dem Russischen. Weil es ganz erheblich aus Textanteilen besteht, sollte der Leser über mindestens ein gutes Schulenglisch verfügen.

Fazit: "Devoted to Chess" ist eine Empfehlung für jeden Schachfreund, dessen Interesse sich nicht nur auf das Spiel als solches konzentriert, sondern auch auf Spielerpersönlichkeiten, Schachgeschichte und mehr. Gut kommentierte und somit sehr unterhaltsame Partien ergänzen den umfangreichen Lesestoff.
Der Leser ohne gesicherte Fremdsprachkenntnisse muss sich wohl auf einen etwas beschwerlichen Weg zum Verstehen einstellen.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Opening Simulator: King's Indian Defence

Esben Lund & Skytte Hagen
Opening Simulator: King's Indian Defence
280 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78483-081-6
27,99 Euro




Opening Simulator: King's Indian Defence
Mit ihrem Buch "Opening Simulator: King's Indian Defence" greifen die beiden Internationalen Meister Esben Lund und Skytte Hagen aus Dänemark eine Idee zur Konzeptionierung von Eröffnungsbüchern auf, die in ähnlicher Form sporadisch in der Vergangenheit in Buchprojekten realisiert worden ist. Sie fußt darauf, den Leser Schachaufgaben lösen zu lassen, in die er jeweils über ein Ausgangsdiagramm eingeführt wird. Der Clou liegt dabei darin, dass alle Aufgabenstellungen über dieselbe Eröffnung entstanden sind, hier über die Königsindische Verteidigung. Zumeist erfährt der Leser nur, welche Seite sich am Zug befindet und für wen somit nach einer Lösung gesucht werden soll. Nur in wenigen Ausnahmefällen ist die Aufgabe auf eine bestimmte konkrete Fragestellung konzentriert.
Abgedeckt werden alle Phasen einer Partie, von der Eröffnung über die frühe und die fortgeschrittene Mittelspielstellung bis ins Endspiel hinein.

Die Autoren haben versucht, die Aufgabenstellungen nach Schwierigkeitsgraden zu sortieren. Sie haben eine Einstufung in Level, von einfach bis sehr schwer, vorgenommen. Einem Level zugeordnet sind mindestens 60 und höchstens 100 Aufgaben. Insgesamt sind 400 Lösungen vom Leser zu erarbeiten.
Erwartet wird von ihm regelmäßig nicht nur eine Aussage, wie die Partei, für die jeweils ein Vorgehen zu ermitteln ist, in der Tendenz spielen sollte, sondern die Ausarbeitung von konkreten Zugfolgen. Mit steigendem Schwierigkeitsgrad erhöhen sich auch die Anforderungen an die Analysearbeit. Dies lässt sich auch an den Lösungen erkennen, die gesammelt im Anschluss an den Aufgabenteil abgebildet sind. Während sie im Bereich des Levels 1 auch schon mal mit einer Zeile und weniger auskommen, können sie im Extremfall zu Level 5 bis zu 1,5 Seiten einnehmen.

Was bedeutet Level 1? Als erfahrener Spieler habe ich mir die ersten darunter abgebildeten Aufgaben vorgenommen und bin zunächst ausnahmslos gescheitert. Hierbei spielte es aber auch eine Rolle, dass man sich als Leser zunächst in die Erwartungshaltung des Buches einfinden muss, was mir nicht sofort gelungen ist. Nach einigen Aufgaben "war ich drin" und war dann auch mit meinem Lösungserfolg zufrieden. Um der Erwartung der Autoren, Analysen abzuliefern, im Bereich der Level 4 und 5 gerecht werden zu können, fehlte mir die Zeit für eine tiefe Befassung mit einzelnen Aufgaben. Ich habe es deshalb stichprobenweise bei dem belassen, was den Autoren zu wenig ist - bei einer Aussage zur Lösungstendenz. Diese war mir oft möglich. Ich musste mir aber eingestehen, dass ich nicht in der Lage gewesen wäre, auch nur eine einzige dieser Aufgaben in der Qualität der abgedruckten Lösung zu bearbeiten.
Das Anforderungsniveau steigt nach meiner Einschätzung bis in den Leistungsbereich von sehr starken Spielern. Auch sie werden aber intensiv in vielen dieser Stellungen einsteigen müssen, um Feinheiten zu erkennen, beispielsweise die strikt einzuhaltende Reihenfolge von Zügen.

Wer sich intensiv auf "Opening Simulator: King's Indian Defence" einlassen will, muss viel Zeit aufbringen. Wer der Idee folgt, Aufgaben in zeitlichen Abständen auch mehrfach zu lösen, kann den Zeitaufwand locker potenzieren. Auf der anderen Seite lässt dieses Buch ganz ohne Zweifel für die meisten Leserinnen und Leser ein enormes Verbesserungspotenzial erwarten. Sie lernen die Stellungen der Königsindischen Verteidigung zu verstehen und vieles intuitiv richtig zu machen.

Die Autoren lassen erkennen, dass sie den Adressatenkreis des Werkes grundsätzlich schon mit dem regelkundigen Anfänger aufmachen. Bevor sie die ersten Übungsaufgaben stellen, bieten sie eine Einleitung an, die sich mit allen wichtigen Systemen der Eröffnung im Abriss befasst. Hier beginnen sie quasi mit dem Einmaleins des Königsinders. Sie verstehen diese Einführung nicht als "Eröffnungstheorie", sondern nur als Sprungbrett für den Leser ins Thema. Sie ist auch nicht geeignet, um einem Leser, der ein Lehrbuch zur Eröffnung sucht, ausreichend helfen zu können. Optimal ist meines Erachtens der Einsatz eines klassischen Lehrbuches, ergänzt um das besprochene Werk.

Erschienen ist "Opening Simulator: King's Indian Defence" bei Quality Chess. Es unterstreicht dessen Anspruch, ausgezeichnete Schachliteratur zu erzeugen. Die hochwertige Verarbeitung unter Verwendung von Hochglanzpapier hält mit dem qualifizierten Inhalt mit.

Die Buchsprache ist Englisch. Weil es viel Text zu verstehen gilt, sind Fremdsprachkenntnisse auf einem fortgeschrittenen Niveau hilfreich.

Fazit: "Opening Simulator: King's Indian Defence" ist ein anspruchsvolles, in sich sehr gut gelungenes Werk, dass sich an den ehrgeizigen Spieler wendet. Wer sich darauf einlässt und den damit verbundenen zeitlichen Aufwand zu investieren bereit ist, darf auf ein immenses Verständnis der Königsindischen Verteidigung hoffen. Aktuell ist mir nichts Vergleichbares auf dem Markt bekannt, so dass dieser Neuerscheinung das Merkmal der Alleinstellung zusteht.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Grundzüge der Schachstrategie

José Raúl Capablanca
Grundzüge der Schachstrategie
146 Seiten, kartoniert
ISBN: 9783959200660
16,80 Euro




Grundzüge der Schachstrategie (Gastrezension von Gerd Schowalter, Bad Kreuznach)
Der Joachim Beyer Verlag hat sich der Aufgabe gestellt, klassische Werke der Schachliteratur vor dem Vergessen zu bewahren. Dies ist ihm mit dem Lehrbuch des 3. Weltmeisters, das 1921 erstmals auf Englisch erschienen ist ("Chess Fundametals"), hervorragend gelungen.

Ein Geleitwort des Deutschen Meisters Kurt Richter aus dem Jahre 1967 wird vorangestellt. Es folgen ein Vorwort des niederländischen Autors G. Wiarda 1927 zur ersten deutschen Ausgabe und ein weiteres Vorwort des Literaten, Rezensenten und Sammlers Ralf Binnewirtz 2009. Diese Einführungen und die Neubearbeitung garantieren eine aktuelle neuzeitliche Sichtweise auf das beinahe 100 Jahre alte Opus des großen Capablanca.

Zweifellos gilt er noch immer als einer der größten Schachmeister aller Zeiten. Und sein Buch aus dem Jahre 1921, in dem er Weltmeister wurde, wurde von keinem Geringeren als einem seiner Nachfolger, dem früheren Weltmeister M. Botwinnik, geradezu geadelt "als das fraglos beste je geschriebene Schachbuch" (Botwinnik 1984). Tatsächlich darf es als echtes Grundlagenwerk von zeitlosem Wert bezeichnet werden. Denn es hat in den bald 100 Jahren nichts von seiner großen Bedeutung eingebüßt. Auch die "Allgemeinen Hinweise" Capablancas aus dem Jahr 1921 können noch heute verantwortet werden:
"Nutzen des Schachspiels"
"Der Weg zu höherer Spielstärke"
"Problemlösen" (als eine gute Übung für die Vorstellungskraft)
"Endspiele sind am nützlichsten".

An anderer Stelle sagt der als Endspielvirtuose berühmt gewordene Meister: "Wenn Sie Ihr Spiel verbessern wollen, müssen Sie vor allem anderen das Endspiel studieren; denn die Endspiele kann man für sich selbst untersuchen und beherrschen, das Mittelspiel und die Eröffnung müssen in ihrer Beziehung zum Endspiel studiert werden."

Im Buche gibt es sechs gut strukturierte Kapitel, die teilweise von späteren Autoren übernommen wurden. Ich nenne hier nur "Einige Gewinnwege im Mittelspiel" und "Grundzüge der allgemeinen Schachstrategie". In 16 elementaren Beispielen werden der "Relative Wert der Figuren" und "Grundzüge der allgemeinen Eröffnungslehre" und die "Beherrschung des Zentrums" usw. erläutert. Lehrreiche Endspiele nehmen einen großen Raum ein, gemäß Capablancas Credo, das immer wieder durchscheint.

Abschließend folgen insgesamt 14 gut kommentierte Partien des Meisters (S. 101 - 143), die ihn sowohl als Weiß- oder auch als Schwarzspieler zeigen. Tatsächlich finden sich auch sechs Partien darunter, die der Meister, der selten verlor, verloren hat. Schließlich zog er die Konsequenz daraus, dass man ihm nach seinem ersten Buch ("Meine Schachkarriere", 1920) den Vorwurf machte, dass er nur schachliche Erfolge gebracht hatte.

Fazit: Das handliche Buch des 3. Weltmeisters ist wohl fast 100 Jahre alt, wird aber seinen Weg auch in unserer Zeit machen. Es ist ein zeitloses Lehrbuch, das sich zu studieren lohnt!
Die Schachfreunde werden es dem Joachim Beyer Verlag danken, dass er es in 10. Auflage erneut aktualisiert hat.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachverlag Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung gestellt.

The Sicilian Taimanov

Antonios Pavlidis
The Sicilian Taimanov
480 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78483-058-8
27,99 Euro




The Sicilian Taimanov
"The Sicilian Taimanov" aus der Reihe "Grandmaster Repertoire" von Quality Chess widmet sich aus schwarzer Sicht der Taimanov-Variante der Sizilianischen Verteidigung, die über die einleitenden Züge 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 auf das Brett kommt. Autor dieser 2019er Neuerscheinung ist Antonios Pavlidis, Großmeister und dreifacher griechischer Meister. Das Werk enthält 22 Kapitel auf 480 Seiten, denen eine den Leser ins System führende Einleitung vorangestellt ist.

Die einzelnen Kapitel sind überwiegend gleichartig aufgebaut. Eine einleitende Übersichtsseite, die sehr gut mit dem am Ende des Buches zu findenden Variantenverzeichnis verwoben ist, enthält die Initialzugfolge, eine Übersicht über die behandelten Varianten und als "Leckerli" drei Diagramme mit Stellungen zu Neuerungen im Buch und der Angabe der Fundstelle im weiteren Text. Dem schließt sich die intensive Erörterung des vorgeschlagenen Repertoires an, die von einer abschließenden wertenden Zusammenfassung ("conclusion") abgelöst wird.

Ich möchte dem Leser raten, vor der intensiven Auseinandersetzung mit einem Kapitel zunächst die Zusammenfassung aufzunehmen. Dies gilt besonders für die Kapitel, die sich mit Weichenstellungen in schwarzer Hand befassen. Pavlidis vermittelt in der Zusammenfassung Informationen, die den Leser bei der Arbeit mit dem Kapitel inhaltlich leiten und deshalb frühzeitig helfen können. Da er bisweilen verschiedene Repertoireempfehlungen zur Auswahl stellt, kann der Leser für seine Wahl die Ausführungen unter "Conclusion" nutzen, was mich zu meinem vorstehenden Ratschlag veranlasst.

Ich habe schon einige überaus gelungene Werke aus der Grandmaster-Repertoire-Serie rezensieren dürfen, "The Sicilian Taimanov" gehört aber sicher zu den besten daraus, vielleicht sogar ist es das beste bisher. Antonios Pavlidis erläutert und erklärt meisterlich. Seine Art ist nicht nur informativ, sondern auch unterhaltsam. Dabei bezieht er den Leser in Denkprozesse ein bzw. beteiligt er ihn an seinen Erfahrungen und Erwägungen. Ich habe selten ein Buch gesehen, in dem der Autor so intensiv und nachvollziehbar erläutert. Der Leser wird geradezu an die Hand genommen, um ihn die strategischen Aspekte des jeweiligen Abspiels zu vermitteln und die taktischen Erwägungen und Besonderheiten zu einer Situation aufzuzeigen. Dabei hilft ihm seine Erfahrung, die er als Spieler mit beiden Farben im System erlangt hat. Er verbindet die Ergebnisse seiner häuslichen Arbeit gekonnt mit dem, was er in der praktischen Partie erlebt hat. Beispielhaft sei eine Passage erwähnt, in der er einräumt, während einer Partie die vorbereitete Zugfolge vergessen zu haben. In der Partie auf sich gestellt musste er also den Weg neu finden und war im Anschluss mit diesem zufriedener als mit der vorbereiteten Vorgehensweise.

Zahlreiche persönliche Analysen des Autors verhelfen "The Sicilian Taimanov" zu einer Alleinstellung. Wer einen Nutzen daraus ziehen möchte, ist auf dieses Werk angewiesen. Das gilt auch für eine erhebliche Zahl an Neuerungen, die Pavlidis vorschlägt.

Das Werk spricht nicht nur den spielstarken erfahrenen Spieler an, der ein aktuelles qualifiziertes Repertoire erhält, sondern auch jeden Klubspieler. Die eingängigen Erläuterungen machen es jedem Schachfreund, der die Anfangsgründe des Spiels ein Stückchen hinter sich gelassen hat, möglich, sich sein Repertoire auf seiner Basis zurechtzuschneiden. Von ambitionierten Top-Spielern abgesehen wird kaum jemand die Informationsvielfalt für sich nutzen können. Jeder aber kann das für sich herausziehen, was ihm hilft und für ihn relevant ist.

Einiges haben aktuelle Fernpartien als Materialquelle beigetragen.

"The Sicilian Taimanov" macht Lust auf mehr aus der Feder von Antonios Pavlidis.

Fremdsprachkenntnisse auf einem ordentlichen Schulniveau reichen aus, um dieses in englischer Sprache verfasste Werk ohne große Probleme aufnehmen zu können.

Fazit: "The Sicilian Taimanov" ist ein erstklassiges Werk aus der Grandmaster Repertoire-Serie von Quality Chess, das ich jedem Klubspieler wärmstens empfehlen kann. Ein Spitzenwerk!

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Understanding Minor Piece Endgames

Karsten Müller, Yakov Konoval
Understanding Minor Piece Endgames
384 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-941270-78-3
25,50 Euro




Understanding Minor Piece Endgames
"Understanding Minor Piece Endgames" ist der zweite Band einer mehrteiligen Serie zur Endspielführung des amerikanischen Verlagshauses Russell Enterprises. Die Autoren sind Karsten Müller und Yakov Konoval. Der deutsche Großmeister Karsten Müller ist ein ausgewiesener Endspielexperte, Yakov Konoval ist vor allem als Programmierer bekannt geworden. In Zusammenarbeit mit Marc Bourzutschky begann er 2005 die Arbeit an 7-Steiner-Tablebases. Er war für den Generator verantwortlich.

In acht Kapiteln, denen eine Einleitung zur Geschichte der 7-Steiner Tablebases vorangestellt ist, gehen die Verfasser auf die Endspiele ein, an denen neben natürlich dem König ausschließlich Läufer, Springer und Bauern beteiligt sind, in unterschiedlichen Konstellationen. Sie fokussieren ihre Betrachtungen auf die Stellungen mit sieben Steinen, so ist auch die oben beschriebene Einleitung zu erklären.
Die Kapitel 1 bis 6 sind unmittelbar der Theorie verschiedener Kräfteverhältnisse auf dem Brett gewidmet. Das siebte Kapitel mit der Überschrift "Computer Endgames" geht vor allem auf Schwächen der Engines in Endspielen ein, z.B. das Auslassen einer Rettung durch das Bilden einer Festung. "Endgame Studies" ist der Titel des 8. Kapitels, das Beispiele zeigt, in denen durch die Einführung von Tablebases Fehler in Studien aus vergangener Zeit erkannt werden konnten.

Die Kapitel zur Theorie werden zunächst - zumeist recht kurz - eingeleitet. Hier erfährt der Leser Grundsätzliches zu den nachstehend behandelten Endspieltypen. Die weitere Darstellung basiert auf Beispielen aus der Praxis, die über eine Angabe der Quelle und ein Diagramm eingeführt werden. Im Rahmen dieser Besprechung gehen die Autoren auf spezielle Aspekte der jeweils betrachteten Konstellation ein. Hierzu zählen insbesondere das erreichbare Ergebnis und der Weg dahin.
Die Beispiele werden teilweise sehr weit in die Tiefe geführt. Die Erläuterung beschränkt sich auf die markanten Weichenstellungen, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Hier sind die Anforderungen an die Disziplin des Lesers bisweilen "brutal" hoch. Dieser muss - und dies lässt sich für uns Otto-Normalverbraucher zumeist nur am Brett gut bewerkstelligen - oft lange Passagen von Zügen durchspielen, um sich über den Ausgang und letztlich über den korrekten Weg zur Spielführung Gewissheit zu verschaffen. In diesem Zusammenhang ist noch kurz zu erwähnen, dass "Understanding Minor Piece Endgames" aus als eBook erhältlich ist.
Es ist ein durchaus anspruchsvoller Weg, den die Autoren dem Leser zumuten. Dafür aber bekommt er einen tiefen und weitreichenden Einblick in die Endspielführung. Und zusätzlich erhält er auch hier Informationen über notwendige Korrekturen, die über die erweiterten Tablebases erkannt worden sind.
Übungsaufgaben am Ende eines Kapitels verlangen vom Leser die eigene Arbeit an Stellungen der gerade besprochenen Art. Inwieweit er jeweils mit seiner Lösung richtigliegt, erfährt er am Ende des Buches in einem speziellen Lösungsbereich.

Es gibt viele Bücher zur Theorie des Endspiels. Einige sehr gute Werke sind ebenfalls erst in den vergangenen Jahren auf den Markt gekommen. Was kann "Understanding Minor Piece Endgames" dem Leser bieten und andere nicht? Dies hängt meines Erachtens vom Ansatz ab. Wer auf einfache Weise ein Grundwissen zu Endspielen mit Leichtfiguren aufbauen möchte, das ihn auch ohne anstrengende und zeitaufwändige Studien für das Gros seiner eigenen Endspiele rüstet, der ist mit anderen Werken wohl besser bedient. Dies gilt besonders für jene, die für diesen Zweck entsprechend didaktisch aufbereitet sind. Wer aber - insbesondere auch als schon gereifter Spieler - tief einsteigen möchte, auch um in Feinheiten der Spielführung eingeweiht zu werden, wird mit dem besprochenen Werk gut bedient.

Durch die Brille des Fernschachspielers sehe ich zusätzliche Möglichkeiten für einen eigenen Profit. Mit "Understanding Minor Piece Endgames" kann er daran arbeiten, wie er Mehrsteiner mit Leichtfiguren in Kräfteverhältnisse überführen kann, die von Tablebases abgedeckt sind. Dies reduziert sich nicht auf die 7-Steiner, sondern gilt auch auf die heute gut verfügbaren 6-Steiner. Zudem kann er seinen Umgang mit den Schwächen von Engines im Endspiel qualifizieren.

Wer über halbwegs ordentliche Englischkenntnisse verfügt, sollte als Fremdsprachler mit dem Verstehen keine großen Probleme haben. Nur gelegentlich gilt es längere Textpassagen zu bewältigen.

Fazit: "Understanding Minor Piece Endgames" ist eher ein Werk für den Leser, der bereits über eine fortgeschrittene Spielstärke verfügt. Es verlangt einen disziplinierten Umgang und das Investieren von Zeit, wenn er den Profit für sich erreichen will, den das Buch grundsätzlich anbietet.
Zum Konzept der Autoren gehört es, Erkenntnisse aus den noch recht jungen 7-Steiner-Tablebases für Korrekturen zum bisherigen Endspielwissen und von Fehlern in älteren Studien zu nutzen.
Für den Fernschachspieler dürfte das Werk besonders zum Umgang mit Tablebases und zum Engine-Einsatz in Endspielen interessant sein.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Game Changer

Matthew Sadler, Natasha Regan
Game Changer
415 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-818-7
22,50 Euro




Game Changer
Es wäre schon ein mittelschweres Wunder gewesen, wenn AlphaZeros Erfolg über Stockfish mit allem Drum und Dran nicht auch Auswirkungen auf den Büchermarkt haben würde. Und "Game Changer" von Matthew Sadler und Natasha Regan ist eine solche Auswirkung, und eine sehr gut gelungene sogar, wenn ich mir ein frühes Urteil erlauben darf. Erschienen ist dieses Buch 2019 bei New in Chess (NIC).

Aber der Reihe nach! Wer oder was Stockfish ist, werden die meisten Schachspieler wissen, zumindest wenn sie nicht nur gelegentlich mal zu Hause eine Feierabendpartie spielen, nämlich die aktuell stärkste Schach-Engine der Welt. Und diese Engine wurde von AlphaZero 2017 beeindruckend geschlagen. Aber AlphaZero ist doch auch ein Programm, das Schachzüge ermittelt. Ist es dann nicht einfach nur zu einem Wachwechsel an der Spitze der Engines gekommen? Nicht so ganz. Während Stockfish klassisch die Züge errechnet und dabei das von Menschen einprogrammierte menschliche Wissen zum Schach verwendet, hat AlphaZero nur die Regeln erhalten. In kürzester Zeit hat es sein Schachwissen, das Wissen zur Spielführung, selbst erlernt, ein Beispiel künstlicher Intelligenz. AlphaZero spielt unzählige Partien gegen sich selbst und nutzt diese, um zu lernen und seine Züge zu finden.

Beeindruckend war nicht nur der Erfolg AlphaZeros als solcher, sondern auch die Art und Weise seines Spiels. Das Programm zeigt Dinge, die als spektakulär zu bezeichnen sind. Es opfert Material, ohne dass sich ein klarer Rückgewinn berechnen lässt, dafür aber dynamische Werte erreicht werden. AlphaZero spielt auf Aktivität, auf ein freies eigenes Figurenspiel mit offenen Linien und Diagonalen, auf Einengung des Gegners bis zur Passivität und manches mehr, was der modernen Spielauffassung entspricht.

Matthew Sadler, Großmeister und erfahrener Autor, und Natasha Regan, Internationale Meisterin, beide aus England, haben sich mit "Game Changer" auf der Basis des einschneidenden Duells Stockfish gegen AlphaZero dem Erfolgsmodell AlphaZero insgesamt, dem Thema Künstliche Intelligenz, dem Computerschach und den Auswirkungen auf das Schachspiel gewidmet. Beigezogen haben sie auch mehr als zweitausend zuvor von AlphaZero gespielte Partien. So ist ein ungemein unterhaltsames, lehrreiches und bisweilen richtig spannendes Werk herausgekommen.

Das Buch ist 415 Seiten stark und in fünf Teile mit insgesamt 18 Kapiteln untergliedert. Die genannten fünf Teile tragen die folgenden Überschriften:
Teil 1: AlphaZero's history
Teil 2: Inside the box
Teil 3: Themes in AlphaZero's play
Teil 4: AlphaZero's opening choices
Teil 5: Conclusion.

"Inside the box" enthält zwei Kapitel mit den Überschriften "How AlphaZero thinks" und "AlphaZero's style - meeting in the middle"; für die weiteren Teile lässt sich aus der Überschrift recht gut ersehen, was jeweils behandelt wird.

Am meisten beeindruckt haben mich die acht Kapitel im Teil 3. Hier gehen die beiden Autoren analytisch anhand von Partien darauf ein, was AlphaZeros Spielstil auszeichnet bzw. kennzeichnet. Für bestimmte Merkmale stellen sie Beziehungen zu menschlichen Meistern her, die ebenfalls für sie bekannt sind.
Sadler und Regan arbeiten die Stationen heraus, die eine Partie genommen hat, und gehen auf die Schlüsselerkenntnisse aus der Spielführung ein. Hier entwickelt "Game Changer" eine besondere Stärke auch zur Verknüpfung des Ansatzes künstlicher Intelligenz und der Schachstrategie, wie wir sie kennen. Ich habe zwar immer ein leichtes Akzeptanzproblem, wenn ich lese, dass AlphaZero denkt oder einen Plan hat, aber bei einem menschlichen Spieler würde man genauso schreiben. Also ist es auch richtig so, selbst wenn AlphaZero wohl kaum einen Plan erdenkt, so wie wir dies tun.
Wenn ich die Schachstrategie besonders erwähne, heißt dies nicht, dass die Taktik zu kurz kommt. Die für mich spektakulärsten Situationen, die von den beiden Autoren auch ausgezeichnet herausgearbeitet werden, sind taktischer Natur - es ist schon klasse zu sehen, wie ein Computerprogramm Opfer spielt, die unser ästhetisches Auge ansprechen und deren Folgen nicht klar berechenbar sind, für uns schon gar nicht, und doch zum Erfolg führen.

"Game Changer" enthält sehr gut schachlich und auf das Thema Künstliche Intelligenz aufbereitete Partien, informative Texte, Interviews, statistische Daten, Vergleiche von Rechenergebnissen verschiedener Engines mit jenen von AlphaZero und etliches mehr.
Der Fernschachspieler erhält zudem zahlreiche Anhaltspunkte zur Verbesserung seines eigenen Computereinsatzes.

Da viel Text in englischer Sprache zu bewältigen ist und dieser auch bisweilen anspruchsvoll ist, sollte der Leser ordentliche Fremdsprachkenntnisse mitbringen, wenn er möglichst unkompliziert mit dem Werk zurechtkommen will.

Fazit: "Game Changer" ist ein ausgezeichnetes Buch über die Verbindung von Künstlicher Intelligenz und Schach im Allgemeinen und AlphaZero speziell, hier kristallisiert um das Duell gegen Stockfish.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Bishop

Sergey Kasparov
The Bishop
248 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-941270-95-3
23,50 Euro




The Bishop
Das US-amerikanische Verlagshaus Russell Enterprises hat eine neue Buchserie mit dem Titel "The Power oft he Pieces" in sein Programm aufgenommen. Dahinter steckt die Idee, für jede Figur des Schachspiels einen eigenen Band herauszubringen, der sich mit deren Stärken, Schwächen und spezifischen Merkmalen befasst. Den Anfang macht nunmehr der Läufer, dessen "Steckbrief" im fortgeschrittenen Jahr 2018 auf den Markt gekommen ist.
Der Autor, der alle Bände bearbeiten soll und somit auch das Premieren-Werk "The Bishop, Danger on the Diagonal" geschrieben hat, ist der weißrussische Großmeister und bekannte Autor Sergey Kasparov.

Der Leser erhält mit dieser Arbeit ein Lehrbuch in die Hand, das Elemente eines Endspiel-, eines Eröffnungs- und eines Mittelspielbuches in sich vereinigt, von allen ein bisschen. Im Fokus der Betrachtung steht aber immer die Hauptfigur, diesmal also der Läufer. Die vorgenannte Reihenfolge der Partiephasen entspricht jener, nach der Kasparov sein Werk gegliedert hat. Jeder hat er einen eigenen Abschnitt gewidmet.

Das Niveau, das Kasparov in der Spielstärke seines Lesers voraussetzt, ist niedrig. Ich möchte den adressierten Spieler bereits beim fortgeschrittenen Anfänger verorten, bis in den Bereich des Klubspielers hinein. Dem erfahrenen Schachfreund dürfte bereits vieles bekannt sein, was er im Buch vorfindet. Besonders deutlich wird dies im ersten Teil, also zum Läufer im Endspiel.
Zum Läufer in der Eröffnung muss der Leser nicht bestimmte konkrete Varianten erwarten, denen er seine Aufmerksamkeit widmen soll; es geht vielmehr um strukturelle Aspekte. So arbeitet Kasparov die Besonderheiten zur Situation des Läufers beispielsweise in der Französischen Verteidigung, in der Nimzowitsch-Verteidigung oder in der Fianchetto-Stellung heraus.
Im Mittelspiel geht es um Dinge wie beispielsweise den Vorteil eines Läuferpaars oder den "schlechten" Läufer.

Gegenstand aller Erörterungen sind Beispiele aus der Praxis, oft solche aus Partien des Autors selbst. In einem Mix aus Partiezügen, Texterläuterungen und einer kleinen Dosis Varianten versucht Kasparov herauszuarbeiten, was er dem Leser vermitteln möchte. Eine kurze Zusammenfassung fasst die hervorzuhebenden Aspekte eines Kapitels, von denen es insgesamt 15 im Buch gibt, zusammen.

In einer Art Nachwort, dem dann nur noch ein Partienverzeichnis folgt und das Werk damit abschließt, werden noch einmal sechs grundlegende Aspekte zusammengestellt, die der Leser sich merken sollte. Es handelt sich dabei um einfache Feststellungen, die dem Anforderungsprofil des unerfahrenen Spielers entsprechen und ihn als Adressaten noch einmal verdeutlichen.

Die Buchsprache ist Englisch. Schulenglisch reicht zu einem unkomplizierten Verstehen aus.

Fazit: "The Bishop, Danger on the Diagonal" ist ein Lehrbuch für den noch am Anfang seiner Entwicklung stehenden Spieler, das sich mit den Besonderheiten des Läufers in den drei Partiephasen befasst. Er enthält Informationen, die üblicherweise über Bücher über die Eröffnung bis über das Endspiel verteilt sind.
"The Bishop" ist auch als EBook erhältlich.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Modern English, Volume 2

Kiril Georgiev, Semko Semkov
The Modern English, Volume 2
256 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-6197188233
21,95 Euro




The Modern English, Volume 2
"The Modern English, Volume 2" von Kiril Georgiev und Semko Semkov schließt eine auf zwei Bände angelegte Arbeit ab, die Weiß mit einem qualifizierten und modernen Repertoire auf der Basis von 1.c4 ausstatten soll. Während sich der erste Band mit der Antwort 1…e5 auseinandersetzte, präpariert das neue Werk den Leser gegen die Antworten 1…c5, 1…Sf6 und 1…e6. Zugleich sichert es das Repertoire gegen Abweichungen des Gegners ab, z.B. gegen Übergänge aus dem Bereich der indischen Verteidigungen und des Damengambits. Soweit das Spiel in andere Eröffnungen übergeht, endet die Erörterung der Theorie natürlich. Hier erhält der Spieler dann den generellen Ratschlag, die jeweiligen Hauptvarianten anzustreben, ggf. ergänzt um die Zugfolgen, mit deren Wahl er dies erreicht. So kommt das Werk auf 12 Kapitel, die sich über rund 250 Seiten erstrecken.

Das Inhaltsverzeichnis sieht insoweit wie folgt aus:

Kapitel 1: 1.c4 c5. Symmetrical with ...g6
Kapitel 2: 1.c4 c5 2.Nf3 Nf6 3.Nc3 e6
Kapitel 3: Symmetrical with ...e6, ...Nxd5
Kapitel 4: Symmetrical with ...b6
Kapitel 5: Maróczy Bind
Kapitel 6: Anti-Grünfeld
Kapitel 7: Anti-Nimzo
Kapitel 8: 1.c4 Nf6 2.Nc3 e6 3.e4
Kapitel 9: Anti-Slav and Chebanenko
Kapitel 10: Anti-Meran
Kapitel 11: Anti-Queens's Gambit
Kapitel 12: Odds and Ends.

Das Buch bedient sich des typischen dreiteiligen Aufbaus der Repertoirebücher, für die der bulgarische Verlag Chess Stars bekannt ist und geschätzt wird. Jedes Kapitel wird durch den Abschnitt "Main Ideas" eingeleitet, der den Leser über die grundlegenden Aspekte der im Kapitel besprochenen Variante informiert. Schon im Vorwort wird dem Leser empfohlen, diesen Bereich keinesfalls auszulassen und immer mit ihm zu starten. Er enthält auch Aussagen, die im weiteren Verlauf kein zweites Mal getroffen werden. Dies gilt nicht zuletzt für die strategische Ausrichtung der Variante und für grundsätzliche Erwägungen zum Plan.
Im nachfolgenden Abschnitt "Step by Step" erfolgt dann die intensive Besprechung des Materials, die eigentliche Zusammenstellung des Repertoires. Abgeschlossen wird ein Kapitel vom Abschnitt "Annotated Games", also mit Partien aus der Praxis, die im Sinne der Vermittlung des Repertoires kommentiert worden sind. Hier steht das Ziel im Vordergrund, dem Leser zu veranschaulichen und ihm ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie sich die Eröffnungsentscheidungen auf das gesamte Spiel auswirken, welche Strukturen im Mittelspiel bis zum Endspiel entstehen. Insoweit kann man also von einem ganzheitlichen Ansatz sprechen, unter dem die Autoren dem Leser die Buchempfehlungen zu vermitteln versuchen.

Es ist dem Werk nicht zu entnehmen, wo die Schnittstelle in der Zusammenarbeit der beiden Autoren liegt. Wenn es um persönliche Haltungen und Erfahrungen geht, werden diese in der 1. Person Singular formuliert ("ich"). Hier scheint dann immer Kiril Georgiev zu sprechen. Er ist GM und war früher unter den Top Ten in der Weltrangliste zu finden. Seine immense Erfahrung wird auch darin deutlich, dass er an 15 Olympiaden teilgenommen hat und früher bulgarischer Nationaltrainer war. Semko Semkov hat sich in den vergangenen Jahren besonders als Theoretiker einen Namen gemacht; sein Name ist inzwischen beinahe untrennbar mit Chess Stars verbunden.

Die Autoren erklären im Bereich "Step by Step" intensiv. Dabei setzen sie nicht bei grundlegenden Aspekten an, sondern setzen ein entsprechendes Knowhow beim Leser bereits voraus. Auch um von den Analysen und Varianten profitieren zu können, die vor allem als Beispiel fungieren sollen, eine Einschätzung bestätigen oder aber auch gelegentlich als exakt angeratene Fortsetzung fungieren, ist ein eigenes Schachverständnis des Lesers erforderlich. Ich denke, dass der Spieler auf Klubniveau die Fertigkeiten mitbringt, die das Werk verlangt.
Es sollte übrigens nicht nur der Weißspieler von dessen Ausführungen profitieren können, sondern auch derjenige, der sich für das Spiel mit Schwarz vorbereiten möchte. "The Modern English, Volume 2" macht ausdrücklich darauf aufmerksam, dass die Autoren oft Alternativen zu den Hauptvarianten besprechen. So läuft man als Nachziehender weniger Gefahr, dass die an Weiß gerichteten Empfehlungen das eigene inhaltliche Interesse verfehlen, aus der Sicht von Schwarz wichtige Varianten also fehlen.

Das Repertoire findet in Teilen seinen Ursprung in dem Gedanken, bestimmte Varianten zu vermeiden, indem Schwarz ein Wechsel hinein verbaut wird. Zumeist soll damit der Möglichkeit vorgebeugt werden, dass Schwarz auf weitgehend sichere Weise auf ein Remis spielen kann. Eine besondere Bedeutung kommt diesem Ansatz in der Symmetrievariante zu, also bei der Fortsetzung mit 1…c5.

Mir sind bei der Arbeit zur Vorbereitung dieser Rezension mehrere Besonderheiten aufgefallen, die ich anhand einer schlichten Aufzählung einbringe.
1. Mindestens Kiril Georgiev hält viel davon, Hinweise zur Erfolg versprechenden Spielweise in behandelten Systemen daraus zu ziehen, wie die stärksten aktuellen Computerprogramme diese behandeln. Mehrfach zieht er beispielsweise Schlüsse aus dem Match AlphaZero gegen Stockfish, London 2018. Mehrere Partien daraus haben in einer kommentierten Form als "Annotated Games" Eingang ins Werk gefunden. An einer Stelle (Seite 154) bezeichnet er beide sogar als die weltbesten Spieler (also nicht als weltbeste Spielprogramme). Auf Seite 168 stellt er die besondere Arbeitsweise von AlphaZero heraus, die zu völlig neuen Erkenntnissen befähigt.
Bei der Erarbeitung des Manuskriptes zum Buch sind mindestens die Engines Stockfish und Houdini zum Einsatz gekommen.
Bei aller Anerkennung des Wertes der Computeranalysen geht das Werk keinesfalls unkritisch damit um. Dazu interessant ist beispielsweise ein Hinweis auf Seite 83. Stellvertretend für geschlossene Spielweisen stellen die Autoren an dieser Stelle die Aussagekraft der Stellungseinschätzung durch Engines in Frage. Diese geben Weiß auch hier einen Bonus von 0.50, selbst wenn sie keine Vorschläge unterbreiten, die ein planvolles Spiel ergeben könnten. So könnte Weiß ewig hin und her ziehen.
2. Mehrere interessante Rückschlüsse geben dem Leser die Chance, allgemein in seiner Eröffnungsvorbereitung zu profitieren, insbesondere beim Einsatz seiner Datenbank. So wird beispielsweise auf Seite 59 herausgestellt, dass Weiß an einer Partiestelle zehn unterschiedliche Fortsetzungen ausprobiert hat und dass dies ein Beleg dafür ist, dass eine klare Hauptvariante fehlt. Also kann das Repertoire so gestaltet werden, wie es dem gewünschten Typus am besten entspricht.
3. Auch aus dem Bereich des Fernschachs hat Material zum Werk beigetragen. Hier finde ich es schade, dass eine verwendete Partie nicht immer exakt nach Spielern und Austragung bezeichnet wird und es manchmal bei einem schlichten anonymen Hinweis bleibt.
4. Es gibt den einen oder anderen "formalen" - also nicht die Korrektheit der schachlichen Ausführungen betreffenden - Fehler im Werk, der bei einer genaueren Endkontrolle vielleicht hätte vermieden werden können. So gibt es beispielsweise mal doppelte Wörter im Satz, von denen also eines überflüssig ist, oder es passt auch mal der Zeichensatz nicht (beispielsweise beginnt ein Wort mit einem Figurensymbol statt mit einem Buchstaben, weil dieser in der Notation eine Figur vertritt).

Das am Ende des Buches zu findende Variantenverzeichnis ist nicht sehr ausführlich, aber brauchbar.

Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau reichen aus, um gut mit dem Werk arbeiten zu können.
Die eine oder andere Vokabel bzw. sprachliche Wendung ist mir aufgefallen, die der Muttersprachler vermutlich nicht verwenden würde. Dem Verständnis seitens des Lesers schadet dies nicht.

Fazit: "The Modern English, Volume 2" ist ein gut gemachtes Repertoirebuch für Weiß. Es stellt als zweiter Band einer auf zwei Bände angelegten Mini-Serie ein Repertoire gegen die Fortsetzungen 1…c5, 1…Sf6 und 1…e6 zusammen. Die Erläuterungen, Ratschläge und Hinweise im Werk machen erkennbar, dass die Autoren die Spielstärke der Leser jenseits der Schwelle von Anfängern verorten; dem Spieler auf Klubniveau kann das Buch zum Kauf empfohlen werden.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Modernized Colle Zukertort Attack

Milos Pavlovic
The Modernized Colle Zukertort Attack
202 Seiten, kartoniert
ISBN: 9789492510525
24,95 Euro




The Modernized Colle Zukertort Attack
"The Modernized Colle Zukertort Attack" ist ein neues Werk des serbischen Großmeisters Milos Pavlovic, erschienen 2019 bei Thinkers Publishing. Auf der Basis einer Grundaufstellung mit den Bauern auf d4 und e3 sowie einem Springer auf f3 will er den die weißen Steine führenden Leser mit einem Repertoire ausstatten, das gegen verschiedene von Schwarz angesteuerte Systeme eingesetzt werden kann. Kommt es in der Hauptvariante nach 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 e6 4.Ld3 c5 5.0-0 Sc6 zu c2-c3, so ordnet er seine Ausführungen dem Colle-System zu, nach alternativ b2-b3 der Zukertort-Variante. Hier läuft die Hauptvariante über 5…Sb8-d7 und dann 6.b3. Aus seiner persönlichen Sicht ist heute der Aufbau nach Zukertort für Weiß aussichtsreicher als nach Colle. In dieser Form hält er das System für komplexer; die Aussicht, über einen Bauernvorstoß nach c4 auf das Zentrum zu spielen, ist seine strategische Begründung für sein Urteil.

Der folgende Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis zeigt, wie Pavlovic seine Arbeit gegliedert hat. Zugleich gibt er einen Hinweis darauf, wie er seine Systemempfehlungen gegen von Schwarz gespielte Abweichungen abgesichert hat, insbesondere wenn dieser auf d7-d5 verzichtet.

Teil I - Systeme mit ...d5
Kapitel 1 - 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 e6 4.Ld3 c5 5.0-0 c4, 5 ... Sc6
Kapitel 2 - 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 e6 4.Ld3 c5 5.0-0 Sbd7
Kapitel 3 - 1.d4 d5 2.Sf3 Sf63.e3 e6 4.Ld3 c5 5.0-0 Ld6
Kapitel 4 - 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 e6 4.Ld3 b6
Kapitel 5 - 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 -
Kapitel 6 - 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 c5

Teil II - Systeme ohne ...d5
Kapitel 7 - 1.d4 Sf6 2.Sf3 c5
Kapitel 8 - 1.d4 Sf6 2.Sf3 e6 3.e3 b6
Kapitel 9 - 1.d4 Sf6 2.Sf3 g6
Kapitel 10 - seltene Abweichungen im ersten und zweiten Zug.

In seinem Vorwort stellt Pavlovic fest, dass die von ihm untersuchten Systeme heute aus der Mode geraten sind. Er möchte mit seinem Buch nicht nur am Rande daran erinnern, dass auch im Zeitalter des von Engines unterstützten Schachspiels der Stil der früheren Spielergenerationen noch existiert. Er nutzt das Knowhow und das Material aus der Vergangenheit, ergänzt und ersetzt es aber durch neue Entwicklungen und auch um eigene Analysen unter den Bedingungen des modernen Schachs. Es sind etliche Stellen im Werk zu finden, an denen Pavlovic eigene Analyseergebnisse eingebracht hat. Hierbei hat er keinesfalls auf Engines verzichtet, was möglicherweise aufgrund der Ausführungen im Vorwort angenommen werden könnte. Bei deren Einsatz versucht er aber erkennbar eine Grenze dort zu setzen, wo die Technik die Federführung zur Frage der Spielbarkeit von Varianten übernimmt. Dies unterstützt seine frühe Aussage, den Stil der Vergangenheit im Visier behalten zu wollen. Besonders deutlich wird dies auf der Seite 78, auf der er sinngemäß übersetzt schreibt: "Diese Strukturen sind für Schwarz nicht leicht zu behandeln, auch wenn die Engine sie für spielbar hält".

Der Rückentext löst die Erwartung aus, dass Pavlovic viele illustrative Partien eingearbeitet hat. Wenn man dies so versteht, dass praktische Partien in der Baumstruktur des Buches als Haupt- und Nebenvarianten eingebunden sind, dann ist diese Aussage zu bestätigen. Üblicherweise werden illustrative bzw. ergänzende Partien so verstanden, dass sie neben der Erörterung der Theorie die praktische Anwendung der behandelten Varianten zeigen bzw. Ergänzungen aus dem praktischen Einsatz anbieten. Partien in dieser Form aber enthält das Werk nicht.
Konzeptionell scheint Pavlovic einen Ausdruck miteinander verschmolzener Partien als Rückgrat seiner Arbeit genutzt zu haben. In diese Struktur hinein dürfte er dann seine Kommentare und Analysen eingearbeitet haben.

Der Leser sollte bereits ein gewisses Schachverständnis mitbringen, um mit den Erläuterungen des Autors zurechtzukommen. Er kommentiert wenig zu den strategischen Ansätzen der Systeme. Nichtsdestotrotz sind viele Anmerkungen eingearbeitet, die aber im Wesentlichen taktisch geprägt sind bzw. auch das Brettgeschehen kommentieren oder eine schlichte Aussage zur Einschätzung der Stellung treffen. Der noch nicht allzu geübte Spieler wird auf seine grundlegenden Fragen keine Antworten im Werk finden.
In erster Linie spricht "The Modernized Colle Zukertort Attack" meines Erachtens den Spieler an, der sich der Systeme, die im Buch behandelt werden, bereits bedient. Er kann davon ausgehen, dass ihm dieses Werk zu einer Ergänzung und zu einer Auffrischung seines Repertoires verhilft.

Ich hätte mir ein Variantenverzeichnis gewünscht, um mich besser im Material orientieren zu können. So ist es mir mehrfach nicht leichtgefallen, Abgrenzungen zwischen den Systemen und Übergänge zu erkennen. Dies gilt besonders für die von Pavlovic gezogene Trennung zwischen "Colle" und "Zuckertort", aber auch für die Teile, die für eine Absicherung des Repertoires sorgen sollen.

Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind niedrig.

Fazit: "The Modernized Colle Zukertort Attack" ist ein Repertoirebuch, das den Weißspieler mit einem universalen Aufbau gegen verschiedene schwarze Eröffnungssysteme ausstatten soll. Seine Stärken kann es eher in der Hand des schon erfahrenen Spielers ausspielen, der sich bereits mit dem Colle-System und der Zukertort-Variante auskennt bzw. über ein entsprechend aufgebautes Repertoire verfügt.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Randspringer, Quixotische Schacheröffnungen Teil 1

Rainer Schlenker
Randspringer, Quixotische Schacheröffnungen Teil 1
144 Seiten, kartoniert & gebunden
ISBN: 978-3-947648-15-3
14,80 Euro / 17,80 Euro




Randspringer, Quixotische Schacheröffnungen Teil 1
"Randspringer" ist nicht nur eine Bezeichnung für einen zumeist nicht besonders wirkungsvoll positionierten Springer, sondern auch für ein Kultmagazin, das ich früher selbst als Abonnent bezogen habe. Vor etlichen Jahren wurde es sehr zu meinem Bedauern eingestellt. Autor, Herausgeber und der Verantwortliche "fürs Ganze" war Rainer Schlenker. Seinen Namen verband man mit einem bemerkenswerten Idealismus, einer schier unerschöpflichen Ideenvielfalt insbesondere auf dem Gebiet der Eröffnungen und einem quasi dem Schachspiel gewidmeten Leben.
Der Name Randspringer war Programm. Das Erstaunliche daran war, dass aus einem eigentlich negativ besetzten Begriff ein Gütezeichen wurde, ein Gütezeichen für Eröffnungswege völlig abseits der herkömmlichen Theorie und vieler allgemeiner Grundsätze im Schach. Im übertragenen Sinne war der Name Randspringer zunächst eine Art Blickfänger, in einer Kategorie zu verorten mit "Fußpilz als Chance". Aber Schlenker hat es damals geschafft, weiter im übertragenen Sinne, den Fußpilz salonfähig zu machen, wenn auch nicht beim Opernball, aber doch beim Schützenfest vor Ort.

Der Randspringer war herrlich unorthodox, wunderbar unprofessionell und absolut unzuverlässig, wenn es um das Einhalten des avisierten Erscheinungstermins ging. Ganz sicher aber war, dass er wieder eine Fülle an neuen und verblüffenden Ideen enthielt, die es sonst kaum irgendwo in Veröffentlichungen zu Schacheröffnungen gab, wenn er denn irgendwann kam. Wie als Kind die Wundertüte konnte man den Randspringer aufschlagen und sich davon überraschen lassen, was er diesmal zu bieten hatte.

Nun ist dies aber eine Rezension und nicht eine Reminiszenz. Der Randspringer ist zurück! Es gibt ihn wieder in Buchform, ausgelegt auf insgesamt drei Bände, nicht mehr unprofessionell und unzuverlässig, aber so unorthodox und voller spritziger Ideen wie damals.

Manfred Herbold, ebenfalls ein Schachenthusiast erster Güte, hat viel Material aus dem Fundus von Rainer Schlenker in die Hand genommen und in den Band 1 des neuen Randspringers einsortiert. "Randspringer, Quixotische Schacheröffnungen Teil 1" ist der Titel dieses Werkes. Der Duden kennt das Wort "quixotisch" nicht. Im Englischen versteht man darunter, sinngemäß übersetzt, "in der Praxis nicht sinnvoll; idealistisch und unrealistisch", wie uns Frank Stiefel in einer Einleitung wissen lässt. Und wer diesen Begriff mit der Gestalt des Don Quijote aus dem Roman von Miguel de Cervantes assoziiert, liegt komplett richtig. Doch während dieser Ritter aus der Weltliteratur gegen Windmühlen kämpfe, trat und tritt der Randspringer gegen ein dogmatisches Verfolgen der Eröffnungstheorie an.

Dieser neue Randspringer, der für 14,80 Euro kartoniert und für 17,80 Euro gebunden mit Hardcover erhältlich ist, enthält rund 20 Eröffnungen abseits der Theorie. Teilweise sind sie humorvoll betitelt, so dass sie auch Begriffe aus einem Kinderbuch sein könnten. "Dieter-h4", "Eselohr-Verteidigung" oder "Ochsenfrosch-Gambit" sind beste Beispiele hierfür.
Wenn ich nun behaupten würde, dass diese und die weiteren im Buch behandelten Spielweisen auch bestens für das Fernschachspiel geeignet sind, um im wichtigen Turnier die erforderlichen Punkte einzufahren, dann würde ich vermutlich irgendwann verklagt. Sie sind es nicht. In der Partie "Auge in Auge", in der ein Gegenüber die besten Antworten am Brett finden muss, sind sie aber geeignete Überraschungswaffen. Dies gilt besonders für Duelle mit einer eng gesetzten Bedenkzeit.

Nehmen wir mal die "Tübinger Variante Orang Utan": Wie wird der Gegner auf das Brett starren, wenn er sein gut vorbereitetes 1.b4 spielt und dann mit 1…Sh6 konfrontiert wird. Diesen Randspringer wird er vermutlich noch nicht allzu oft gesehen haben. Auf 2.Lb2 folgt 2…Tg8 und Weiß ist wohl komplett aus seiner Theorie. Es ist nicht so, dass damit nur Chaos im Spiel verursacht wird. Vielmehr werden die vorgestellten Spielweisen auch unterfüttert, das heißt sie werden auf Chancen, Gefahren und weitere Möglichkeiten untersucht. Wer sie anwendet, kann also auf eine eigene gewisse Vorbereitung bauen.

Oder was ist mit der sog. USA-Eröffnung, die über 1.e4 e5 2.Dh5 entsteht? Auch Magnus Carlsen hat sie probiert (World Rapid 2018) und gegen Vokhidov aus einer Gewinnstellung heraus nur deshalb verloren, weil ihm in der Folge zwei klare Fehler unterlaufen sind.
Hikaru Nakamura hat sich ebenfalls bereits mehrfach als Anwender dieser Eröffnung eingetragen. Warum also nicht auch der Schachfreund "wie du und ich"?

Das Handwerkliche am Werk passt auch. Es ist auf Hochglanzpapier gedruckt, Qualität 1a.

Neben Manfred Herbold und dem oben schon angesprochenen Frank Stiefel, der u.a. zahlreiche geistvolle und amüsante Zeichnungen beigetragen hat, ist die Mitwirkung von Torsten Stau, Thomas Binder, Andreas Lambert und Lothar Knebel am Werk besonders zu erwähnen, wie das Vorwort des Herausgebers herausstellt.

Fazit: Randspringer, Quixotische Schacheröffnungen, Band 1, ist ein Buch, das ich jedem Schachfreund, der von der Norm erfrischend abweichende Eröffnungsideen sucht, wärmstens empfehlen kann.

Das Buch ist versandkostenfrei beim Herausgeber Manfred Herbold erhältlich. E-Mail: mherbold@gmx.net

The Modernized Caro-Kann

Daniel Fernandez
The Modernized Caro-Kann
416 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-9492510259
30,95 Euro




The Modernized Caro-Kann
Mit seinem Erstlingswerk "The Modernized Caro-Kann" will GM Daniel Fernandez den Spieler mit Schwarz mit einem Komplettrepertoire gegen 1.e4 auf der Basis der Erwiderung 1…c6 ausstatten. Erschienen ist das Buch bereits 2018 bei Thinkers Publishing. Wie schon der Titel verrät, ist die Buchsprache Englisch.

Fernandez hat seine Arbeit in vier Teile gegliedert, die sich den folgenden Fortsetzungen widmen:
Teil 1: Seltene und kritische weiße Versuche nach 1.e4 c6 (5 Kapitel),
Teil 2: Vorstoßvariante 1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 (5 Kapitel),
Teil 3: Nebensysteme nach 1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxd4 Sd7 (4 Kapitel),
Teil 4: Hauptvariante 1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Sd7 5.Sg5 Sgf6 6.Ld3 e6 7.Sgf3 Ld6 8.De2 h6 9.Se4 Sxe4 10.Dxe4 Dc7 (4 Kapitel).

Fernandez will Schwarz gegen alle wichtigen weißen Fortsetzungen im Rahmen seiner Repertoireauswahl wappnen. Dabei soll Schwarz nach Möglichkeit zwischen eigenen Alternativen wählen können, um so Caro-Kann-Stellungen ansteuern zu können, die seinen Vorlieben entsprechen. Er spricht hier von unterschiedlichen Spielertypen. Mir sind mehrere Stellen aufgefallen, an denen ich die Behandlung von Abspielen vermisse. Nun könnte man dies darauf zurückführen, dass Fernandez ihnen nicht die Bedeutung beigemessen hat, die er als Schwelle für eine Erörterung gesetzt hat. Dann aber wären auch Varianten außen vor geblieben, die in der Praxis nicht selten auf das Brett kommen und von Weiß angesteuert werden.
Ein Beispiel dazu: Das Rückgrat des schwarzen Repertoires nach 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 bildet 4…Sd7. Nach 5.Sf3 Sgf6 habe ich speziell zu 6.Sxf6 nichts gefunden. Über Zugumstellungen werden die sich hier anschließenden Stellungsbilder in Teilen erreicht, der breite Fächer der Möglichkeiten kommt dabei aber nicht zum Ausdruck.
Das Repertoire ist nicht so abgesichert, dass es als Komplettausstattung fungieren kann.

Die Stärken des Buches liegen nach meiner Einschätzung woanders. Richtig ausspielen kann es diese in der Hand eines Spielers, der Caro-Kann bereits im "Portefolio" hat und nach neuen Entwicklungen sowie frischen und jungen Ideen sucht. Mit "The Modernized Caro-Kann" wird es ihm möglich, sein Repertoire anhand der Entwicklungen der letzten Jahre aufzuarbeiten und es auch mit neuem Überraschungspotenzial aufzutanken.
Entsprechend ist für mich der erste Adressat des Werkes eher der erfahrene Klubspieler als der Novize, der sein Eröffnungsprofil erst noch sucht. Dies deckt sich auch mit der Art und Weise, wie Fernandez erläutert und kommentiert. Er versucht den Leser nicht anzuleiten, sondern stattet ihn mit Informationen aus, für deren umfassendes Verstehen er einiges an Schachverständnis mitbringen muss. Die Erfahrung wird ihn auch dabei unterstützen, gesuchte Stellungsbilder aufzufinden, die über Zugumstellungen zu in der Praxis durchaus häufiger gespielten Varianten erreicht werden.
Leider bietet "The Modernized Caro-Kann" kein umfassendes Variantenverzeichnis an, das eine Übersicht bzw. Navigation über die Buchinhalte hinweg erleichtern würde.

Die Teile und Kapitel sind ähnlich, aber nicht allesamt identisch aufgebaut. Einer Titelseite folgen eine Zusammenstellung der in der Folge behandelten Linien und eine kurze Einführung. Dem schließt sich die eigentliche Erörterung der Theorie an, die von einer wertenden Zusammenfassung ("Conclusion") abgelöst wird und die dann auch den Abschluss des Kapitels bildet.
Fernandez nutzt eine jeweils von ihm als Hauptvariante auserkorene Linie, von der er die Nebenvarianten abzweigen lässt, so dass sich eine übliche Baumstruktur ergibt.
Kommentierte Partien hat er auf die Vorstoßvariante begrenzt. Den Grund hierfür habe ich nicht so recht verstanden. Als nachteilig sehe ich dies aber nicht an.

Die Anforderungen an die Englischkenntnisse des Lesers sind moderat.

Fazit: "The Modernized Caro-Kann" ist ein aus der Sicht von Schwarz geschriebenes Repertoirebuch zu Caro-Kann. In der Hauptvariante setzt der Autor auf 4…Sd7, was in der jüngeren Literatur nicht allzu häufig intensiv betrachtet worden ist. Ich sehe in dem Werk in erster Linie eine Ergänzung für den Klubspieler, der die Caro-Kann-Verteidigung bereits in seinem Repertoire hat und seine Verteidigung ausbauen, aktualisieren und um überraschende Ideen bereichern möchte.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Gata Kamsky - Chess Gamer: Volume 1

Gata Kamsky
Gata Kamsky - Chess Gamer: Volume 1
437 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-94-9251-028-0
30,95 Euro




Gata Kamsky - Chess Gamer: Volume 1
"Gata Kamsky - Chess Gamer: Volume 1" ist eine Neuerscheinung aus dem laufenden Jahr 2019 bei Thinkers Publishing. Autor ist Gata Kamsky selbst, früher Spieler der absoluten Weltklasse. Zu seinen herausragenden Erfolgen zählen sein Sieg im Welt-Cup 2007 und sein WM-Titel im Schnellschach 2010. Seine Karriere als Spitzenspieler verlief in zwei Etappen. Sie begann 1989 und endete zunächst 1996, als er sich vom Turnierschach zurückzog. Dieser Zeit widmet sich der vorliegende Band aus der auf zwei Bücher angelegten kleinen Serie. 2004 kehrte er zum Profischach zurück. Den mit diesem Jahr beginnenden Zeitraum behandelt der nächste Band, "Volume 2".

Kamsky gibt an, dass sein Vorbild für diese Arbeit "My 60 Memorable Games" von Bobby Fischer gewesen sei. Für diesen Band 1 hat er 22 Partien ausgewählt, die er intensiv bespricht und kommentiert. Er will mit seinen Analysen der Wahrheit im Schach nachgehen und auch das Denken des Großmeisters während seiner Partie zeigen. Daneben bringt er gelegentlich seine Sichtweisen im Zusammenhang mit Fragen aus der Politik wie auch Aspekte seiner Lebensphilosophie ein.

Herausgekommen ist aus meiner Sicht ein höchst unterhaltsames Werk, das mit Partiebesprechungen auf höchster Stufe glänzt. Es ist informativ und vermittelt auf angenehme Weise die eine oder andere Einschätzung zu Vorgängen im Weltschach, die man als Alternative zum herrschenden Meinungsbild sehen kann.

Kamsky hat 22 Partien ausgewählt, die er auf deutlich mehr als 400 Seiten intensiv vor dem Leser ausbreitet. Seine Kommentierung ist ein Mix aus Text und Analysen. Wie man von einem Buch dieser Art aus der Feder eines Top-Spielers erwarten darf, gehen die Analysen zum Teil sehr in die Tiefe, ohne aber die Überhand zu entwickeln. Zudem werden sie dem Leser regelmäßig nicht einfach nur vorgesetzt, sondern erläutert. Dieser hat also die Chance, tatsächlich tief in die Geheimnisse des jeweiligen Duells einzudringen, sich davon unterhalten zu lassen und sicher auch etwas für das eigene Spielverständnis mitzunehmen.

Wer sich schon lange mit dem Schachspiel verbunden fühlt und dabei auch Interesse am Spitzenschach gezeigt hat, wird sich daran erinnern, dass in öffentlichen Darstellungen in Kamskys Jugend regelmäßig auch sein Vater Raum einnahm. Zu dessen Einfluss auf seinen Sohn und das diesen betreffende Turniergeschehen gab es kritische Stimmen zu lesen. In diesem Werk kann man maßvoll erkennen, dass das Verhältnis zwischen Gata Kamsky und seinem Vater bisweilen etwas schwierig und nicht konfliktfrei war. Auf Seite 248 beschreibt er seinen Vater als "unberechenbaren" Charakter. Auf Seite 355 erklärt er, dass damals ausgezeichnete Lehrer ihn wegen seines Vaters abgelehnt hätten, als dieser entschieden habe, dass er Berufsspieler zu werden habe. Auf 397 korrigiert er sich, als er zu einem Match von "seiner" Delegation spricht, er nennt sie dann "die Delegation seines Vaters".

Gata Kamsky ist auch nicht mit allem einverstanden, was heute zur Schachpolitik der dama-ligen Zeit publiziert wird. So geht er auch auf Distanz zu Garri Kasparow, was in einer Bemerkung auf Seite 296 besonders deutlich wird. Er schreibt (in sinngemäßer Übersetzung): "In der heutigen Zeit versucht Herr Kasparow die Schachgeschichte neu zu schreiben, wobei er meine Leistungen auslässt. Aber ich bin älter geworden und gehe philosophischer mit solchen Leuten um. Leute wie Kasparow, die permanent im Rampenlicht stehen müssen, sind sehr unzufrieden mit sich selbst."
Es fällt auf, dass Kamsky bei manchen Spielern den Titel "Herr" verwendet, so wie hier bei Kasparow, während er bei anderen nur den Nachnamen oder Vor- und Nachnamen nennt, so wie man es bei Büchern aus der Feder von Insidern des Spitzenschachs kennt.

Auch in "Gata Kamsky - Chess Gamer: Volume 1" "menschelt" es also, was den Unterhaltungswert des Buches erhöht.

Interessant sind zudem einige Abbildungen von Urkunden und Glückwunschschreiben, die Kamsky auch von höchsten politischen Stellen erhalten hat.

Die übliche Schachkommentierung wird - nicht ganz ernst gemeint - durch ein Zeichen unserer Zeit ergänzt. Gelegentlich hat Kamsky einen Smiley eingefügt. Dies sieht man auch nicht allzu oft in Schachbüchern.

Mit ordentlichen Sprachkenntnissen auf Schulniveau wird der Leser überwiegend bequem mit dem Werk umgehen können.

Fazit: "Gata Kamsky - Chess Gamer: Volume 1" ist eine sehr gelungene Partiesammlung besonderer Art. Sie ist bestes Schachkino und auch aufgrund der Textinhalte sehr unterhaltsam. Das Werk ist Teil einer zweibändigen Ausgabe. "Volume 1" macht Lust auf mehr.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Chess Toolbox

Thomas Willemze
The Chess Toolbox
399 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-797-5
24,95 Euro




The Chess Toolbox
Wie wunderbar ist die Vorstellung, die Schachpartie wie ein Handwerker führen zu können, der für jeden Bedarf das passende Werkzeug in seinem Koffer hat! Gilt es einen Nagel einzuschlagen, ergreift dieser automatisch den Hammer, und muss der Nagel wieder heraus, wählt er nicht minder automatisch die Zange. Ganz so einfach ist es im Schach zwar nicht, aber gewisse Parallelen lassen sich sehr wohl ziehen. Dies macht sich auch der niederländische IM und erfahrene Trainer Thomas Willemze zunutze, indem er sein Lehrbuch zur Taktik und etwas auch zur Strategie im Schach mit "The Chess Toolbox" betitelt. Das Buch ist 2018 bei New In Chess (NIC) erschienen.

Um Erfolg im Schach zu haben, geht kein Weg am Erlernen der Techniken und Manöver vorbei, die die Spielführung kennt. Willemze vertritt die Auffassung, dass es wichtiger ist, eine gute Zahl der maßgeblichen Techniken sehr gut zu kennen, als alle, aber dann nur eher oberflächlich. Entsprechend konzentriert er sich auf eine Auswahl. Dabei geht es ihm natürlich nicht nur darum, die "Tools" vorzustellen, sondern auch die Möglichkeit eines jeweiligen Einsatzes zu erkennen und diesen dann richtig auszuführen.

Willemze richtet sich mit seinem Buch an den Klubspieler. Es sind keine neuen Erfindungen, die er ihm zeigt. Vielmehr geht es um Techniken wie beispielsweise das Erobern einer offenen Linie, den Abtausch eines wichtigen gegnerischen Verteidigers oder das Spiel mit dem isolierten Damenbauern. Die Manöver sind also nicht neu, und dennoch ist das Werk alles andere als ein neues Glied in der Kette aus einander ähnelnden Lehrbüchern. Es ist erfrischend, unterhaltsam und didaktisch sehr gut gemacht.

Das Buch besteht aus fünf Teilen mit insgesamt zehn Kapiteln. Teil 1 widmet sich dem Abtausch, Teil 2 dem Einsatz der Türme, Teil 3 Angriff und Verteidigung und Teil vier dem Spiel mit dem isolierten Damenbauern. Der fünfte und letzte Teil enthält die Lösungen zu den Aufgabenstellungen, die der Leser in jedem Kapitel vorfindet.
Zu Beginn jedes Teils gibt Willemze dem Leser zunächst eine allgemeine theoretische Einführung zu den in der Folge behandelten Techniken. Die intensive Besprechung erfolgt dann anhand von Beispielen aus der Praxis. Diese sind teilweise betagt und so manchem Leser vermutlich bereits in anderer Form in früheren Lehr- oder Partiebüchern begegnet. Überwiegend aber sind die Partien, denen sie entnommen sind, jüngeren Datums.
Willemze gibt sich eine immense Mühe, um den Leser in die jeweilige Technik einzuweihen. Er erklärt sehr viel und versucht den Stoff gut zu veranschaulichen. So hat der Leser die Chance, den Stoff zu verinnerlichen. Entsprechend dominieren die Hauptzüge jeder Partie und die Texterläuterungen, während Varianten eine nur bescheidene Rolle spielen.
Bisweilen erfährt der Leser zu Beginn eines Kapitels, welches Ziel mit ihm erreicht werden soll. Obligatorisch ist eine Zusammenfassung an dessen Ende wie auch im Anschluss an wichtige Teile innerhalb eines Kapitels. Auf diese Weise erhält der Leser in einer kompakten Form noch einmal die wichtigsten Erkenntnisse zusammengestellt.
Erwähnenswert sind zudem Regeln bzw. Merksätze, die gelegentlich in den Text eingebaut sind, sowie Aufzählungen, die als eine weitere Variante der kompakten Zusammenstellung von Wissen dienen.
An einigen Stellen hat Willemze Fragestellungen eingebaut, die er unmittelbar an den Leser richtet. Regelmäßig wird dieser dabei um die Entscheidung zur Fortsetzung gebeten, manchmal auch in der Form einer Auswahl aus mehreren Alternativen.

Den Abschluss eines Kapitels bildet regelmäßig eine Reihe von Lösungsaufgaben. Der Leser erhält je Beispiel ein Diagramm zur Ausgangsstellung und die Angabe, welche Seite am Zug ist. Neben Aufgaben, die über diese Informationen hinaus keine weiteren Angaben enthalten, gibt es auch solche mit Konkretisierungen. In diesen hat sich der Leser mit bestimmten Zugalternativen zu befassen.
Wie oben bereits erwähnt, sind die Lösungen gesammelt im Teil 5 des Buches zu finden.

Eine Besonderheit der "Chess Toolbox" möchte ich nicht unerwähnt lassen. Willemze hat jeweils zwischen der Zusammenfassung und den Aufgabenstellungen sog. Flash Cards eingesetzt. Hierbei handelt es sich um Diagramme, die Schlüsselpositionen zu den jeweils behandelten Techniken zeigen. Ein kurzer schlaglichtartiger Text ergänzt die Regel, die der Leser sich einprägen sollte.

"The Chess Toolbox" ist mit Schulenglisch überwiegend gut zu verstehen.

Fazit: "The Chess Toolbox" ist ein überzeugendes Lehrbuch. Es richtet sich an den Klubspieler und ist didaktisch sehr gut gemacht.
Konzentriert und diszipliniert durchgearbeitet wird es die Spielstärke so gut wie jedes Klubspielers heben können. Da es auch unterhaltsam gestaltet ist, dürfte sich der Leser besser als bei "trockenen" Werken zur Arbeit motivieren können.
"The Chess Toolbox" kann ich ohne Wenn und Aber empfehlen.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Vergessene Meister

Frank Zeller & Tim Hagemann
Vergessene Meister
227 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-931192-40-2
24,80 Euro (Softcover 19,80 Euro)




Vergessene Meister
Ich freue mich immer, wenn ich Bücher für das Erarbeiten einer Rezension erhalte, die sich von den meisten Werken abheben. Dies ist bei "Vergessene Meister" der Fall, einem Gemeinschaftswerk von Tim Hagemann und Frank Zeller. Das Buch ist 2018 beim Schachverlag Kania erschienen.
Schon der Titel fällt auf, denn während normalerweise Unvergessenes in Büchern behandelt wird, haben die Autoren sich hier mit großen Schachspielern der Vergangenheit befasst, deren Namen heute zumeist nur noch den nicht mehr ganz so jungen Anhängern des königlichen Spiels wie mir etwas sagen dürften. Man kennt sie aus älteren Publikationen, in neueren kommen sie mehr oder weniger nicht mehr vor. Paul Saladin Leonhardt, Gercz Rotlewi, Mir Malik Sultan Khan, Wladimir Petrow und Erich Eliskases haben zu ihrer Zeit tiefe Fußspuren auf ihren Wegen durch die Schachwelt hinterlassen, die im Laufe der Jahrzehnte mehr und mehr verweht sind.

Es wäre schade gewesen, wenn das Bild und die Geschichte dieser Spieler vergessen worden wären. Es ist das Verdienst von Tim Hagemann und Frank Zeller, dass dieser Entwicklung zumindest einiges entgegengehalten wird. So bleiben uns Informationen, Anekdoten, Aphorismen und einige sehr unterhaltsame Partien erhalten. "Vergessene Meister" hält die fünf großen Spieler der Vergangenheit unvergessen.

Die Autoren haben sich nach den Angaben des Buches die Arbeit geteilt. Tim Hagemann, ein starker Amateurspieler (u.a. in der 2. Bundesliga aktiv) und erfahrener Buchautor, war für den biographischen Teil des Buches verantwortlich, Frank Zeller demnach für die Partien. Zeller ist aus der Bundesliga bekannt, besonders aber als Buchautor und Verfasser zahlreicher Artikel in Schachpublikationen.

Für jeden der genannten Meister haben die Autoren einen eigenen geschlossenen Abschnitt im Buch geschaffen. Dieser beginnt jeweils mit einer Biographie und wird vervollständigt durch mehrere kommentierte Partien bzw. Fragmente.
Es muss eine wahre Fleißarbeit gewesen sein, die Informationen zusammenzutragen, die Eingang in die biographischen Ausführungen gefunden haben. Mehrseitig erfährt der Leser Dinge zum Leben und aus dem Leben des besprochenen Meisters, Turniererfolge und Niederlagen, Verlauf der Karriere mit Aufstieg und Niedergang wie auch Dinge, die zum gesellschaftlichen Verhalten oder zur politischen Anschauung gezählt werden können. Garniert wird dies alles mit oben schon kurz erwähnten Anekdoten, Aphorismen etc. Die Texte sind sehr interessant und angenehm zu lesen. Sie ziehen zumindest teilweise ihren Facettenreichtum aus den Persönlichkeiten der vor dem Vergessen bewahrten Meister. Es lässt sich bestimmt leicht vorstellen, dass beispielsweise die Biographie über Sultan Khan mit etlichen interessanten Stationen gespickt ist.
Das Literaturverzeichnis ist ellenlang und enthält neben bekannten und verbreiteten Werken auch etliche Quellen, die als eher außergewöhnlich bezeichnet werden können.

Die Partien sind unterhaltsam kommentiert, in einem Mix aus Zügen und Anmerkungen. Diese beschränken sich nicht allein auf das Brettgeschehen, sondern stellen auch zusätzliche Bezüge her, zum Beispiel zur Theorie, zu anderen Spielern, auch aus der Gegenwart, oder zu Partien und Turnieren aus anderen Zeiten.

Für mich ist dieses Buch "absolut rund". Dies gilt auch für das äußere Erscheinungsbild und das handwerkliche. Der Käufer erhält 227 sauber gedruckte Hochglanzseiten, gebunden und mit einem festen Einband versehen.

Eine Kleinigkeit auf den ersten Seiten habe ich mit einem Schmunzeln zur Kenntnis genommen. Der Verlag gibt an, dass er seine Werke auch weiterhin "in der normalen Rechtschreibung" herausgibt. Damit ist die Verwendung der Rechtschreibung in der Form vor der sog. Rechtschreibreform gemeint. Den jüngeren Lesern tut er damit keinen Gefallen, denn es ist ganz sicher nicht ihre Rechtschreibung. Asterix und seine Gallier setzen sich seit Jahrzehnten mit Erfolg gegen die Römer zur Wehr. Ich bezweifele, dass der Verlag die reformierte Rechtschreibung daran hindern kann, "normale" Rechtschreibung zu sein. Bei allem Respekt vor der klaren Haltung gegen die reformierte Rechtschreibung dürfte irgendwann Zeit für eine Akzeptanz der ungeliebten Veränderung sein.

Fazit: "Vergessene Meister" ist ein in meinen Augen wertvolles Buch, weil es Schachhistorie zu bewahren hilft. Wer sich für Bücher interessiert, die biographische Texte mit nett kommentierten Partien verbinden, wird mit diesem Werk sehr zufrieden sein.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachverlag Kania (www.kaniaverlag.de) zur Verfügung gestellt.

Play the Alekhine Defence

Alexei Kornev
Play the Alekhine Defence
287 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-619-7188-22-6
21,95 Euro




Play the Alekhine Defence
Als ich "Play the Alekhine Defence" für das Schreiben einer Rezension erhielt, habe ich mir vorgenommen, das Werk möglichst bald durchzuarbeiten. Dies ist mit der großen Erwartung verbunden gewesen, die das Werk bei mir ausgelöst hat. Sein Autor ist Alexei Kornev, von dem ich schon mehrere Bücher besprechen durfte und die mich allesamt überzeugt haben. Dieses neue Werk über die Aljechin-Verteidigung ist eine Neuerscheinung des bulgarischen Verlags Chess Stars im laufenden Jahr 2019.

Kornev hat seine Arbeit, die fast 290 Buchseiten einnimmt, in fünf Abschnitte gegliedert, auf die sich insgesamt 16 Kapitel verteilen. In den genannten Abschnitten behandelt er den Stoff wie folgt:

Teil 1. 1.e4 Sf6 ohne 2.e5
Teil 2. 1.e4 Sf6 2.e5 Sd5 ohne 3.d4
Teil 3. 1.e4 Sf6 2.e5 Sd5 3.d4 d6
Teil 4. 1.e4 Sf6 2.e5 Sd5 3.d4 d6 4.c4 Sb6 5.exd6 cxd6
Teil 5. 1.e4 Sf6 2.e5 Sd5 3.d4 d6 4.Sf3 g6.

Meine hohe Erwartung an das Werk wurde nicht enttäuscht, sondern eher noch übertroffen. Ich möchte die Art und Weise, wie Kornev die Spielweisen erklärt, als mustergültig bezeichnen. Der Leser muss zu kaum einem wesentlichen Zug ohne Erläuterungen auskommen. Beständig werden ihm die Pläne, Vor- und Nachteile von Zügen und Zugmöglichkeiten sowie Aussagen zur Stellungsbeurteilung sowie komplette Stellungseinschätzungen offeriert. Das Ganze erscheint dabei wie aus einem Guss und erinnert an den eigenen Denkprozess in der Partie.
Wer ein System wirklich erlernen möchte, wer es gedanklich durchdringen und verstehen möchte, ist mit einem Werk wie diesem bestens bedient.

Unterstützt wird die Arbeit durch eine sehr übersichtliche Darstellung. Man weiß immer, an welcher Stelle man sich gerade befindet. Die Hauptzüge sind fett geschrieben und durch Absatzmarken von den Anmerkungen getrennt. Diese wiederum sind in der ersten Ebene ebenfalls durch Absatzmarken voneinander getrennt. Für alternative "gleichrangige" Züge werden neue Zeilen aufgemacht, die etwas eingerückt sind.

"Play the Alekhine Defence" ist aus der Sicht von Schwarz geschrieben und "Eröffnungstheorie pur", enthält also keine ergänzenden und illustrierenden Partien aus der Praxis.

Zu Beginn räumt Kornev ein, dass die Aljechin-Verteidigung nicht die gleiche theoretische Chance zum Stellungsausgleich wie die Hauptsysteme vermittelt. Dies allerdings dürfte dem Spieler, der sich ihr zuwendet, ohnehin klar sein. Dennoch aber birgt sie viel Potenzial, auch gerade weil sie nicht so oft wie manch andere Eröffnung auf das Brett kommt. Wer mit den weißen Steinen mit 1.e2-e4 eröffnet, wird leicht überrascht sein, tatsächlich mal auf die Aljechin-Verteidigung zu treffen. So mancher Klubspieler wird ohne ein echtes theoretisches Rüstzeug auskommen müssen. Kornev spricht die zusätzlichen Chancen an, die sich für Schwarz in Partien mit verkürzten Bedenkzeiten ergeben. Hier kann es sich für Weiß schnell zu einem Nachteil entwickeln, wenn schon in der "Theoriephase" der Partie einiges an Zeit in die eigenen Züge investiert werden muss.

Kornev hat immens auf Partien aus dem Fernschachspiel gesetzt. So finden sich auch vier reine Fernpartie-Datenbanken im Quellenverzeichnis. Dies ist kein Widerspruch zum Ansatz, dass die Aljechin-Verteidigung gerade für Blitz- und Schnellpartien eine gute Wahl sein kann. Partien, die im Fernschach und so mit Unterstützung des Rechners gespielt worden sind, sind frei von Berechnungsfehlern. Wenn sich eine Variante entsprechend im Fernschach behauptet hat, wird sie auch im Nahschach helfen. Voraussetzung dabei ist allerdings, dass sie ihre Spielbarkeit nicht allein der Hilfe des Computers verdankt, sondern im Wettkampf vom Spieler ohne Unterstützung beherrscht werden kann. Diesen Grundsatz scheint hat Kornev meines Erachtens im Auge behalten.

Auf den letzten Seiten des Buches ist ein Variantenverzeichnis zu finden, das nicht allzu ausführlich ist, aber ausreicht, um sich gut im Werk orientieren zu können.

Die Buchsprache ist Englisch. Aufgrund des hohen Anteils an Erläuterungen ist bei der Arbeit mit dem Werk viel zu lesen. Eine gewisse Übung im Verstehen englischer Texte ist deshalb von Vorteil.

Fazit: "Play the Alekhine Defence" ist ein ausgezeichnetes Buch zur Aljechin-Verteidigung. Jeder Klubspieler kann sich mit seiner Hilfe aufgrund der vorbildlichen Erläuterungen tief in das System einfinden und es verständig einsetzen. Geschrieben ist es aus der Warte von Schwarz. Im Rahmen dieser Sichtweise ist es auch für den Spieler geeignet, der sich mit Weiß gegen die Aljechin-Verteidigung seines Gegners vorbereiten will.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Attacking the Flexible Sicilian

Vassilios Kotronias & Semko Semkov
Attacking the Flexible Sicilian
403 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-619-7188-12-7
21,95 Euro




Attacking the Flexible Sicilian
"Attacking the Flexible Sicilian" ist ein Gemeinschaftswerk der beiden bekannten Autoren Vassilios Kotronias und Semko Semkov, bereits 2017 erschienen im bulgarischen Chess Stars-Verlag. Sie wollen dem Spieler mit Weiß ein Komplett-Repertoire gegen die Sizilianische Verteidigung vermitteln, sofern diese über die Züge 1.e4 c5 und nun 2.Sf3 e6 eingeleitet wird. Den größten Teil des Werkes nimmt die Taimanow-Variante für sich ein (sieben von insgesamt 16 Kapiteln). Die Flexibilität des Systems lässt aber zu, dass auch andere Varianten über diese Eingangszugfolge entstehen, die somit ebenfalls im Werk aufgenommen sind. Die Systeme, die das Repertoire insgesamt bilden und auf den rund 400 Buchseiten entsprechend behandelt werden, ergeben sich aus dem nachstehenden Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis (in der Originalsprache, inkl. der Figurenbezeichnungen).

Chapter 1. Taimanov - Various 7th Moves
Chapter 2. Taimanov - 7...Bd6
Chapter 3. Taimanov - 7...Nf6
Chapter 4. Taimanov - 7...d6
Chapter 5. Taimanov - the Giri Variation 7...Ne5 8.Qg3 h5
Chapter 6. Taimanov - 6...Nf6
Chapter 7. Taimanov - 5...a6
Chapter 8. The Pin Variation
Chapter 9. Anti-Sveshnikov
Chapter 10. Anti-Sveshnikov - Main Line 8...Qc7
Chapter 11. Kan 5.c4 - Rare lines
Chapter 12. Kan 5.c4 - 6...Bb4
Chapter 13. Kan 5.c4 - 6...Qc7
Chapter 14. Keres Attack without 6...h6
Chapter 15. Keres Attack - Main Line
Chapter 16. Anti-Keres

Ein paar Erläuterungen dazu: Mit "Pin-Variation" in Kapitel 8 ist die "Französische Variante", ECO B40, gemeint. Im Bereich "Anti-Sweschnikow" (Kapitel 9 und 10) stellen die Autoren Wege dar, wie Weiß die von Schwarz angestrebte Sweschnikow-Verteidigung verhindern kann. Hierfür bauen sie auf die Zugfolge 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 Sf6 6.Sxc6 bxc6 7.e5 Sd5 8.Se4. "Kan" ist die im englischen Sprachraum übliche Bezeichnung für die Paulsen-Variante. Paul Keres hat die Schachwelt um mehrere Angriffsmanöver bezeichnet, die deshalb seinen Namen tragen. In diesem Buch ist natürlich sein Beitrag zur Themaeröffnung gemeint, die Zugfolge ist 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.g4.

Zur Taimanow-Variante bleibt noch zu ergänzen, dass hier der Aufbau mit 5.Sc3 Dc7 6.Le3 a6 7.Df3 im Vordergrund steht.

Die Autoren haben für ihr Werk den Aufbau genutzt, für den die Repertoire-Bücher von Chess Stars bekannt sind (und für den sie auch geschätzt werden). Jedes Kapitel wird durch den Abschnitt "Main Ideas" eingeleitet, in dem die Grundprinzipien der jeweiligen Spielweise dargestellt und erklärt werden. Hier bekommt der Leser den Überblick über die strategische Behandlung des Systems.
Es schließt sich dann der Abschnitt "Step by Step" an. Dieser enthält die übliche Besprechung des Repertoires. "Attacking the Flexible Sicilian" ist in der Form eines Variantenbaums strukturiert; es gibt eine Hauptvariante, die jeweils das Rückgrat bildet, von der Nebenvarianten abzweigen.
"Annotated Games" ist der dritte und abschließende Abschnitt. Hier sind vollständige Partien abgebildet. Diese dienen zur Illustration dessen, was zuvor in der Theorie besprochen worden ist, aber auch zu deren Ergänzung.

Eröffnungsbücher von Kotronias sind dafür bekannt, dass sie oft gut mit Varianten und Analysen gefüllt sind, die spärlich oder nicht erläutert werden. Typisch ist dabei die Aufnahme längerer Fragmente aus Partien der Meisterpraxis. Wer beispielsweise die Buchreihe "Kotronias on the King's Indian" kennt, hat auch eine Vorstellung davon, wie hoch deren Anteil am Gesamtinhalt sein kann. Auch in "Attacking the Flexible Sicilian" gibt es diese Passagen, aber sie nehmen nur einen kleinen Anteil ein. Im Vordergrund steht ganz klar eine Mischung aus Zügen und Text. Der Leser bekommt viel an die Hand, um die Systeme verstehen zu können.

Insgesamt betrachtet denke ich, dass der Hauptadressat des Werkes der Klubspieler ist. Dieser ist mindestens regelfest und kennt die Sizilianische Verteidigung mit Basiswissen, oder ist auch bereits erfahren und versiert. Die Spannweite des Werkes schätze ich entsprechend breit ein. Dabei lasse ich mich einerseits von der Art und Weise leiten, wie die Autoren erläutern, andererseits aber auch von dem Niveau, das das Repertoire erreicht.

Etliche Male habe ich vor der Frage gestanden, ob ich gerade eine Originalanalyse der beiden Autoren vor mir hatte. Manchmal gaben Formulierungen unmittelbar einen Hinweis darauf (z.B. wenn eine Einschätzung in der 1. Person formuliert worden ist), manchmal ergab sie sich aus dem Zusammenhang. Ein paar Mal habe ich mir die Mühe gemacht, in meiner Datenbank nach Partien zu suchen, denen die Zugfolge entnommen sein könnte. Nach meiner Einschätzung auf der Basis dieser Erkenntnisse meine ich zu erkennen, dass Kotronias und Semkov einige Neuerungen bzw. neue Analysen beigetragen haben, da ich für sie keine Vorgänger gefunden habe, weder im Originalverlauf der Partien noch in veröffentlichten Kommentierungen. Bei einer Übernahme von Analysen wäre jeweils die Quelle bezeichnet worden.

Drei Beispiele dafür:
S. 87, 88: Hier erklären die Autoren, dass sie an einem praktischen Test einer von ihnen dargestellten Variante interessiert seien. Über diese Zugfolge hinweg gibt es eine Fernpartie, die in 2016 begonnen worden ist, also bevor "Attacking the Flexible Sicilian" veröffentlicht worden ist. Ab dem 22. Zug weicht die Buchanalyse ab. Wer war früher, die Fernschachspieler oder Kotronias und Semkov? Auf jeden Fall ist die im Buch favorisierte Fortsetzung im 22. Zug neu.
S. 128 rechts: Die Autoren (in persona Kotronias) gehen auf eine Variante ein, für die ich ebenfalls nur Material aus dem Fernschach habe. Für eine Fortsetzung im 11. Zug (11.Dc4) ist zu lesen, dass sie die damit eingeleitete Variante ebenfalls geprüft haben ("I also looked at"). Quellmaterial konnte ich hierfür nicht ausfindig machen.
S. 157 links: Die hier zu findenden Varianten sind Teil eines größeren Betrachtungskomplexes, der - durch die Brille der Praxis betrachtet - zumindest in wesentlichen Teilen Neuland sein dürfte.
Stockfish stimmt den Analyseergebnissen zu, rechnerisch sind die Varianten auf jeden Fall "sauber".

Noch ein Wort zu den Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers: "Attacking the Flexible Sicilian" bedient sich regelmäßig eines einfachen Satzbaus und der verwendete Wortschatz orientiert sich am um Schachausdrücke ergänzten Grundwortschatz.

Fazit: Mit "Attacking the Flexible Sicilian" sollte der Leser, der sich mit Weiß gegen die Sizilianische Verteidigung nach 2.Sf3 e6 seines Gegners vorbereiten möchte, ein qualifiziertes Repertoire erhalten. Dieses wird gut erläutert, so dass er es - eine intensive Arbeit mit dem Werk vorausgesetzt - verständig einzusetzen in der Lage sein sollte. Insoweit empfehlen kann ich es jedem Klubspieler, auch dem noch nicht allzu erfahrenen.
Für den Leser, dessen Repertoire bereits aus Themen des Werkes besteht, hält "Attacking the Flexible Sicilian" einige Neuerungen bereit, die sich ggf. einbauen lassen und die einen erfahrenen Gegenüber überraschen können.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Playing 1.e4 - French Defence & Sicilian Sidelines

John Shaw
Playing 1.e4 - French Defence & Sicilian Sidelines
384 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78483-071-7
22,50 Euro




Playing 1.e4 - French Defence & Sicilian Sidelines
John Shaw, GM und mehrfacher Schottischer Meister, ist als Autor von Eröffnungswerken dafür bekannt, dass er das jeweilige System intensiv durchdringt und es sehr ausführlich darstellt. Dabei setzt er erfolgreich seine Fähigkeit ein, das Wesentliche vom Rest zu unterscheiden und sich darauf zu konzentrieren. Seine Erörterungen orientiert er erkennbar an dem, was er für den von ihm adressierten Leser als wichtig und zu bewältigen ansieht. Er ist wie nicht viele andere in der Lage, Herausforderungen aufgrund von Bergen an Material in Hauptsystemen zu bestehen, so dass der Leser im Ergebnis ein praxistaugliches Konzentrat erhält.

"Playing 1.e4 - French Defence & Sicilian Sidelines" ist der zweite Band einer insgesamt dreibändigen Buchreihe, in der Shaw ein Weiß-Repertoire auf der Basis eines Anzugs des Königsbauern zusammenstellt. Band 1 befasst sich mit Caro-Kann, 1…e5 und seltenen Systemen, Band 3 mit der Sizilianischen Verteidigung.
Herausgeber der Buchreihe ist Quality Chess, "French Defence & Sicilian Sidelines" ist 2018 auf den Markt gekommen.

Shaw stellt die Tarrasch-Variante, die er auch selbst gerne anwendet, in den Mittelpunkt seines Französisch-Repertoires. Seine Empfehlungen basieren also auf 3.Sd2.
Vor dem tieferen Einstieg stellt er die Grundregeln für den weißen Aufbau auf, nach denen im Repertoire verfahren wird. Hierzu gehört beispielsweise die Festlegung, dass Weiß auf 3…Sf6 immer 4.e4-e5 spielt oder dass …c5 immer mit dxc5 beantwortet wird, es sei denn, dass der eigene Läufer zuvor bereits nach d3 geführt worden ist. Diese "Regeln" sind eine sehr gute Hilfe. Sie dienen dem Erlernen und Verstehen des Systems und nicht zuletzt auch der Hilfestellung in der eigenen praktischen Partie.

Die Darstellung und Erörterung der Repertoireempfehlungen findet in fünf Abschnitten im Werk statt, auf die sich 14 Kapitel verteilen. Vier Abschnitte mit 12 Kapiteln befassen sind mit der Französischen Verteidigung.
Die vier Abschnitte zur Französischen Verteidigung tragen die folgenden Überschriften:


French - Various 3rd Moves
French - 3…Sf6
French - 3…c5
French - 3…dxe4.

Ich sehe absolut keinen Sinn darin, in der Besprechung eines Werkes wie "Playing 1.e4 - French Defence & Sicilian Sidelines" einzelne Varianten oder Empfehlungen herauszupicken und anhand dieser Beispiele Rückschlüsse auf das Werk als solchem zu ziehen. Es liegt in der Natur der Sache, dass auf rund 300 Seiten zu einem System sowohl die eigene Fürsprache findende Varianten abgebildet sind wie auch solche, die man als Rezensent als kritisch ansieht. Gleiches gilt zur Frage, ob der Autor neueste Entwicklungen aufgenommen hat oder an bewährten Varianten festhält, warum auch immer. Was bei der Befassung mit dem vorliegenden Werk aber auffällt, sind die zahlreichen Neuerungen, die es anbietet. Shaw gibt dem Leser einiges an die Hand, mit dem er in der Praxis überraschen kann bzw. was ihm Raum für Experimente gibt.

Jedes Kapitel wird mit einer Variantenübersicht eröffnet, die zugleich als Kompass genutzt werden kann, um bestimmte Seiten mit einer gesuchten Fortsetzung anzusteuern. Zusammen mit dem ausführlichen Verzeichnis am Ende des Buches wird der Leser in die Lage versetzt, sich ausgezeichnet über alle Inhalte hinweg zu orientieren und bestimmte Buchinhalte aufzurufen.
Das Gros der Darstellungen der Theorie behandelt Shaw über Meisterpartien. Diese sind im Variantenbaum miteinander verwoben und werden um allgemeine theoretische Darstellungen ergänzt. Ins Thema eingeführt wird der Leser regelmäßig durch eine kurze theoretische Einleitung.

Die große Stärke des Werkes liegt in der Art und Weise, wie Shaw erläutert und erklärt. Nicht selten geht er geradezu mustergültig vor, indem er die Besonderheiten einer Variante, einer Stellung u.ä. und die daraus abzuleitenden Schlüsse ausführlich zusammenstellt. Zwei Beispiele dazu: Auf Seite 184, rechte Spalte, merkt er zu einem Zug an, dass er ursprünglich die Absicht hatte, eine andere Empfehlung zum Vorgehen zu geben. Er begründet sein ursprüngliches Vorhaben und erklärt auch seine Sinneswandlung. Im Ergebnis wird der Leser in den Denkprozess einbezogen und die Erwägungen pro und contra werden quasi zu einem eigenen Durchdenken. Auf Seite 204, linke Spalte, empfiehlt er einen Zug, den er an anderer Stelle zuvor abgelehnt hat. Er zeigt die Unterschiede zwischen beiden Situationen auf und erklärt damit auch, warum der fragliche Zug nun von Vorteil ist und was er bringt. Besser als Shaw kann man es meines Erachtens kaum machen.

Wenn ich oben festgestellt habe, dass Shaw sich an dem orientiert, was der Leser brauchen dürfte und was er bewältigen kann, sehe ich auch die von ihm gemachten Unterschiede zwischen der Praxis im Nahschach und jene im Fernschachspiel. Auf Seite 318 links oben folgt er mit seinen Ausführungen der Erkenntnis, dass eine Stellung im Fernschach gehalten werden könnte, im Nahschach aber kaum fehlerfrei und damit erfolgreich zu spielen wäre.
Das Buch und damit die Buchreihe richten sich an den Klubspieler, der bereit ist, mit Fleiß und Eifer sein Spiel zu verbessern. Seinem Repertoire spricht er die Qualität zu, dass es auch von Großmeistern eingesetzt werden könnte.

Die Buchsprache ist Englisch. Da recht viel und nicht immer einfach strukturierter Text zu verarbeiten ist, sollte der Leser über Fremdsprachkenntnisse mindestens auf einem ordentlichen Schulniveau verfügen. Auch der Wortschatz ist nicht immer auf das Übliche begrenzt.

Fazit: "Playing 1.e4 - French Defence & Sicilian Sidelines" ist ein Spitzen-Repertoirebuch für den Klubspieler, der insbesondere mit der Tarrasch-Variante auf die Französische Verteidigung seines Gegners reagieren möchte. Es bietet dem Leser die Chance, die behandelten Systeme von Grund auf zu erlernen und zu verstehen, eine große Stärke sind dabei die ausgezeichneten Erläuterungen und Erklärungen. Entsprechend ist das Werk eine glatte Kaufempfehlung. Wer nachhaltig von ihm profitieren möchte, muss bereit sein, Ehrgeiz und Zeit zu investieren.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Complete Manual of Positional Chess, Volume 2

Konstantin Sakaev & Konstantin Landa
The Complete Manual of Positional Chess, Volume 2
368 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-742-5
24,50 Euro




The Complete Manual of Positional Chess, Volume 2
Es ist ungefähr zwei Jahre her, dass ich "The Complete Manual of Positional Chess", Volume 1, von Konstantin Sakaev und Konstantin Landa rezensiert habe. Seit bereits einigen Monaten ist auch der zweite Band, "Volume2" also, erhältlich, womit diese kleine Buchreihe komplett geworden ist. Die Autoren sind dieselben geblieben und dies gilt natürlich auch für den Verlag New In Chess (NIC).

Eigentlich kann ich zu diesem 2. Band genau das Gleiche schreiben wie zum Vorgängerwerk, das übrigens sehr gut von der Fachpresse aufgenommen worden ist. Auch mich hat es damals überzeugt, wie der Rezension zu entnehmen ist.

"The Complete Manual of Positional Chess", Volume 2, besteht aus zwei Teilen, auf die sich insgesamt 58 Kapitel verteilen. Während sich Band 1 noch mit den Phasen Eröffnung und Mittelspiel allgemein befasste, geht es nun um positionelle Elemente als solche, weitgehend unabhängig vom Zeitpunkt, in dem sich eine Partie befindet. Im ersten Teil mit 20 Kapiteln behandeln die Autoren die Bauernführung, im zweiten mit folglich 38 Kapiteln Belange der Dynamik im Schach. Auch diesmal ist das Inhaltsverzeichnis sehr konkret und damit besonders aussagekräftig, so dass ich mich erneut entschieden habe, es vollständig abzubilden. Das Buch ist englischsprachig, das nachfolgende Inhaltsverzeichnis bilde ich in einer von mir sinngemäß übersetzten Fassung ab.

Teil I - 'Bauern sind die Seele im Schach'
Kapitel 1: Der Freibauer
Kapitel 2: Der gedeckte Freibauer
Kapitel 3: Die Blockade von Freibauern
Kapitel 4: Ein Bauernkeil im gegnerischen Lager
Kapitel 5: Bauernumwandlung in die Dame
Kapitel 6: Die Blockade einer Bauernkette
Kapitel 7: Eine Bauernkette aufbrechen
Kapitel 8: Rückständige Bauern
Kapitel 9: Doppelbauern
Kapitel 10: Isolierte Bauern
Kapitel 11: Verbundene Bauern
Kapitel 12: Hängende Bauern
Kapitel 13: Bauernmehrheit/Bauernminorität in einem wichtigen Brettbereich, der Minoritätsangriff
Kapitel 14: Schwächung der gegnerischen Bauernstruktur
Kapitel 15: Bauerndurchbrüche
Kapitel 16: Zerstörung des gegnerischen Bauernzentrums
Kapitel 17: Ein Schlag gegen den am besten verteidigten Punkt
Kapitel 18: Die Sicherheit der Königsstellung
Kapitel 19: Der Angriff mit dem Turmbauern
Kapitel 20: Zerstörung der Königsstellung

Teil II - Dynamik
Kapitel 21: Offener/direkter Angriff
Kapitel 22: Abzugsschach und Abzugsangriffe
Kapitel 23: Verstärkung des Angriffs durch Herbeiführen weiterer Kräfte
Kapitel 24: Das Öffnen von Linien
Kapitel 25: Die Fesselung
Kapitel 26: Die Gabel
Kapitel 27: Der Doppelangriff
Kapitel 28: Das Abschneiden gegnerischer Kräfte
Kapitel 29: Ablenkung
Kapitel 30: Überforderung/Überfrachtung von Figuren
Kapitel 31: Die Zwickmühle
Kapitel 32: Laskers Kombination
Kapitel 33: Ersticktes Matt
Kapitel 34: Figurenfallen
Kapitel 35: Schwache Grundreihe
Kapitel 36: Opfer auf h7 (h2)
Kapitel 37: Angriff gegen f7 (f2)
Kapitel 38: Blockade
Kapitel 39: Die Bedeutung der siebten Reihe
Kapitel 40: Der Angriff gegen den unrochierten König
Kapitel 41: Königsangriff
Kapitel 42: Den König aus seiner sicheren Stellung drängen, Königsjagd
Kapitel 43: Den König in ein Mattnetz zwingen
Kapitel 44: Angriffe auf unterschiedlichen Flügeln, entgegengesetzte Rochaden
Kapitel 45: Aktivierung untätiger Figuren für den Angriff
Kapitel: Beseitigung von Verteidigern
Kapitel 47: Diagonalen ausbauen
Kapitel 48: Zwischenzüge
Kapitel 49: Gegnerische Figuren auf schlechte Felder locken
Kapitel 50: Felder und Linien für den Angriff frei machen
Kapitel 51: Unsichere Figurenstellungen, Röntgenblick
Kapitel 52: Stille Züge/Prophylaxe während des Angriffs
Kapitel 53: Der Gegenangriff
Kapitel 54: Der Gegenschlag
Kapitel 55: Unerwartete Möglichkeiten, langschrittige Ressourcen (von außerhalb des im Fokus stehenden Brettareals)
Kapitel 56: Das intuitive Opfer
Kapitel 57: Das positionelle Opfer
Kapitel 58: Stellungen mit außergewöhnlichen Materialverhältnissen.

Auch dieser zweite Band basiert auf Material, mit dem Schachlehrer der DYSS, Talentschule im russischen Schach, fortgeschrittene junge Spielerinnen und Spieler zur weiteren Entwicklung verholfen haben, orientiert an einer Elozahl von ca. 2000 bis 2200. Zum Adressatenkreis zählen erstrangig Schachlehrer und Trainer etc. sowie autodidaktisch vorgehende Spielerinnen und Spieler mit ehrgeizigen Zielen.

Die Kapitel sind ganz überwiegend gleichartig aufgebaut. Nach einer kurzen, immer aber für das Verständnis ausreichenden Einleitung wird das Thema anhand von Beispielen aus der Praxis besprochen. Zumeist handelt es sich dabei um Fragmente aus den Jahren bis 2000, aber auch jüngeres Material hat Eingang in das Werk gefunden.
Den Kapitelabschluss bildet fast immer die Zusammenstellung von Ergänzungsmaterial, bestehend aus Partien, die dann aus einer anderen Quelle stammen müssen, regelmäßig aus einer Partiendatenbank.

Erneut machen die Autoren darauf aufmerksam, dass "The Complete Manual of Positional Chess" nicht streng nach der Chronologie des Buches durchgearbeitet werden muss, solange sichergestellt, ist, dass sich der Leser in allen Themenbereichen sicher auskennt bzw. sich diese über das Buch erarbeitet.

Die im Rahmen der Einführung von den Autoren ergänzend gegebenen allgemeinen Empfehlungen zur Anleitung eines Spielers und damit auch zur Selbst-Schulung entsprechen jenem im 1. Band (Studium der Partien aus Partiensammlungen, Analyse der eigenen Spiele, Steigerung der Kompetenz im Schach sowie zum körperlichen und psychischen Befinden des Spielers etc.).

Mit Englischkenntnissen auf Schulniveau wird der Leser ohne große Probleme mit dem Werk zurechtkommen.

Fazit: "The Complete Manual of Positionel Chess", Volume 2, ist wie Band 1 ein qualifiziertes Schulungs- und Trainingsbuch, das sich am schon recht spielstarken Schachfreund (ca. 2000 - 2200 Elo) orientiert. Es richtet sich an Lehrende und Trainer im Schach wie auch an ehrgeizige Autodidakten. Es kann eingesetzt werden, ohne dass der Leser zwingend auch Band 1 besitzen müsste.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Bologan's Caro-Kann

Victor Bologan
Bologan's Caro-Kann
351 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-778-4
28,95 Euro




Bologan's Caro-Kann
"Bologan's Caro-Kann" verrät schon im Titel, was dem Leser angeboten wird - ein Schwarz-Repertoire gegen 1.e4 auf der Basis von Caro-Kann, also der Erwiderung 1…c6. Das Werk ist eine Neuerscheinung aus 2018 bei New In Chess (NIC). Mit Victor Bologan hat es einen Autor aus der Weltspitze.

"Bologan's Caro-Kann" scheint zunächst Ansprüche auf den Titel "Eröffnungsbuch mit den meisten Kapiteln" anmelden zu wollen. Deren Zahl beläuft sich auf 59. Sie verteilen sich auf vier Abschnitte mit - in Übersetzung - den Überschriften
- seltene Linien,
- Steiner-System, Panov-Angriff, Abtauschvariante,
- Klassisches System und
- Vorstoß-Variante.
Bei rund 350 Buchseiten ist schon rechnerisch klar, dass manche Kapitel sehr kurz sein müssen. So ist es auch, das untere Limit liegt bei zwei Seiten. Ich möchte den positiven Effekt dieser Umsetzung herausstellen, und dieser liegt in der ausgezeichneten Gliederung. Das Werk ist sehr gut geeignet, um unter seiner Einbeziehung Struktur in das eigene Material des Lesers zu bringen, vom Inhalt seiner Partiendatenbank bis zu anderen Büchern und elektronischen Medien. Auch aus der Sicht des Fernschachspielers ist dies in meinen Augen ein wichtiger Aspekt. Konzentriert man sich auf eine Spielweise bzw. auf den Bereich mehrerer verwandter Spielweisen, kann dieses Werk als Basis sehr gute Dienste leisten.

Zum Stichwort Fernschach ist eine Besonderheit zu erwähnen. Bologan stützt sich in einem großen Umfang auf Fernpartien. Gleich im Vorwort nimmt er hierzu ausführlich Stellung. Er stellt heraus, dass gerade heutige Fernpartien von höchster Qualität sind, weil die Spieler alle Ressourcen aus der Verbindung aus menschlichem Intellekt und Rechnerhilfe nutzen.

Die Kapitel werden zumeist kurz theoretisch eingeführt, bevor die Theorie des Repertoires im Anschluss in der Form eines Variantenbaums mit Haupt- und Nebenvarianten tiefer behandelt wird. Abweichungen sind häufig Fragmente aus Fernpartien. Vollständige Partien enthält "Bologan's Caro-Kann" nicht.
Den Abschluss eines Kapitels bildet eine kurze wertende Zusammenfassung ("conclusion"). Sie stellt die wesentlichen Aspekte zum behandelten Abspiel zusammen und kann nicht selten wie ein kurzer Merksatz zur gebotenen Spielweise genutzt werden.

Die Erläuterungen sprechen nach meiner Einschätzung insbesondere den schon etwas erfahreneren Klubspieler an. Für den Anfänger ist das Werk meines Erachtens nur bedingt geeignet. Ich begründe meine Einschätzung vor allem damit, dass die Kommentierung in der Regel die Situation auf dem Brett beschreibt und bewertet. Anleitung zur Spielführung, die auch dem Spieler helfen könnte, der sich noch am Anfang seiner Entwicklung befindet, leistet das Werk zumeist nicht.
Das Material ist aus der Sicht von Schwarz zusammengestellt. Bologan legt Wert darauf, nach Möglichkeit mehrere Alternativen zur Auswahl zu stellen, damit der Leser nicht auf eine einzige Zugmöglichkeit festgelegt wird. Es lässt sich also feststellen, dass dem Leser eine Auswahl immer dann angeboten werden soll, wenn sich diese auf in etwa gleichwertige Zugalternativen bezieht.

In einem fünften Abschnitt des Werkes stehen 40 Aufgaben bereit, vom Leser gelöst zu werden. In ihrer Mehrzahl erwarten diese Übungen von ihm, dass er einen typischen Plan in der Eröffnung findet. Hier kann er ganz besonders das bis dahin Erlernte anwenden und überprüfen. Manchmal gilt es einen forcierten Weg zu finden.
Was genau er jeweils leisten soll, muss der Leser selbst erkennen. Er erhält immer nur ein Diagramm für die Ausgangsstellung, die Information zum am Zug befindlichen Spieler und die Seite, auf der er die Lösung findet.
Die Lösungen sind gesammelt im Anschluss an die Übungen abgebildet und sind so wie die Erörterungen im Theorieteil gestaltet.

Am Ende des Werkes ist u.a. ein ausführliches Variantenverzeichnis abgebildet, das bei der Navigation über die Buchinhalte hinweg gute Dienste leistet.

"Bologan's Caro-Kann" ist in englischer Sprache geschrieben. Mit Fremdsprachkenntnissen auf Schulniveau sollte der Leser keinerlei Probleme beim Verstehen haben.

Fazit: "Bologan's Caro-Kann" ist ein Repertoirebuch mit Licht und Schatten. In der Hand des "richtigen" Adressaten ist es aber eine Bereicherung der Schachliteratur. Dieser richtige Adressat ist für mich der (Fernschach-)Spieler, der auch Struktur für sein Repertoire auf der Basis von Caro-Kann sucht. Die Informationen aus dem Buch und solche aus seinen anderen Quellen können in jeweiliger Ergänzung in den Strukturen des Werkes zusammengeführt und genutzt werden.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Test Your Chess Skills

Sarhan Guliev & Logman Guliev
Test Your Chess Skills
206 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-809-5
14,95 Euro




Test Your Chess Skills
Bücher mit Schachaufgaben haben Konjunktur. Es gibt eine ganze Palette jüngerer Werke, aus denen der Schachfreund auswählen kann. Daneben gibt es ein breites Angebot an Literatur zu allen Phasen der Partie, in dem ebenfalls ein Aufgaben- und Lösungsteil zu finden ist.

Als ich die 2018er Neuerscheinung "Test Your Chess Skills" des Brüderpaars GM Sarhan Guliev und IM Logman Guliev zur Vorbereitung dieser Rezension erstmals in die Hand genommen habe, bin ich wohl unterbewusst davon ausgegangen, dass mich mit Ausnahme der konkreten Beispiele nicht viel Neues erwarten würde, denn es hat mich gleich mit der ersten Aufgabenstellung überrascht. Wie aus anderen Werken bekannt erfährt der Leser zunächst über ein Diagramm und ein kleines Symbol, mit welcher Ausgangsstellung er sich zu befassen hat und welche Seite am Zug ist. Er hat dann aber nicht etwa wie üblich nach einem konkreten Manöver oder ähnlich zu suchen, sondern die Frage zu beantworten, ob Weiß gewonnen oder besser steht oder die Stellung ausgeglichen ist. Das ist alles, mehr erfährt er nicht. Wie ins kalte Wasser seiner Partie geworfen muss er sich also an die Stellungsanalyse machen, ohne jeden seinem Denken eine Richtung gebenden weiteren Hinweis. Dass von ihm mehr als nur eine platte konkrete Antwort auf die Frage nach dem Stellungsurteil erwartet wird, erkennt er spätestens dann, wenn er zur Lösung vorblättert. Die Angabe zu deren Fundstelle komplettiert die Informationen im Rahmen der Aufgabenstellung.
Die ausführliche Lösung gibt das richtige Ergebnis der Stellungsbewertung bekannt und begründet das Urteil. Zugleich zeigt sie im Stil einer herkömmlichen Partiekommentierung auf, wie es in der Partie, der das Beispiel entnommen ist, tatsächlich weitergegangen ist. Ab der zweiten Aufgabe kann der Leser sein Lösungsangebot dann an dieser Messlatte orientieren.

Die mit Abstand meisten der 224 Aufgaben in "Test Your Chess Skills" und die Lösungen darauf bedienen sich dieser Struktur. Die zur Auswahl stehenden Urteile differieren dabei; so kann sich der Leser beispielsweise auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob eine Partei hoffnungslos, schlechter oder vielleicht doch ausgeglichen steht.
Einige Beispiele dieser Art sind ergänzt um zusätzliche konkrete Aufgabenelemente. Sie bieten dann eine Auswahl von Zügen an, aus denen der Leser denjenigen auswählen soll, der in der Stellung gespielt werden sollte. Natürlich ist ihm dann auch eine Begründung seiner Entscheidung anhand konkreter Varianten abverlangt.
In einer vergleichsweise geringen Zahl findet der Leser Aufgabenstellungen vor, in denen er keine allgemeine Frage zur Stellungssituation beantworten, sondern allein konkrete Züge oder Manöver der vorstehend beschriebenen Natur finden soll.

Die Lösungen bieten allesamt zusätzlich eine Schlussfolgerung aus dem jeweiligen Beispiel bzw. einen Merksatz an. Hierdurch stellen die Autoren sicher, dass der daraus zu ziehende allgemeine Nutzen erkannt und verinnerlicht wird.
Zur Unterhaltung, etwas aber auch zur Intensivierung der Wirkung der Schlussfolgerung bzw. des Merksatzes, dienen ergänzende Aphorismen bekannter Persönlichkeiten. Zumeist handelt es sich dabei um Größen im Weltschach, aber auch Philosophen und Schriftsteller kommen zu Wort. Beispielsweise ist auch Franz Kafka mit einem Spruch für die Ewigkeit im Werk zu finden.

Die im Buch verwendeten Aufgaben stammen allesamt aus den Turnierauftritten der beiden Autoren. Damit ist sichergestellt, dass sie einen uneingeschränkten Praxisbezug haben. Da Sarhan Guliev nicht nur GM und dreimaliger Meister von Aserbeidschan ist, sondern auch ein erfahrener Schachtrainer, ist davon auszugehen, dass das im Buch verwendete Material auch in Sachen Schulung dem Praxistest unterzogen worden ist.

"Test Your Chess Skills" selbst sieht den Klubspieler als seinen Adressaten an. Dem möchte ich zustimmen, den Kreis in der Spielstärke aber nach unten erweitern. Vom regelfesten Anfänger (mit Einschränkungen) bis zum versierten Klubspieler dürfte dieses Werk ein Gewinn für den lernwilligen Schachfreund sein. Die Schlussfolgerungen und Merksätze werden den Leser mit größerer Erfahrung nicht mehr erreichen, die geforderten Stellungsanalysen aber ganz sicher.
Für mich ist dieses Werk eine sehr qualifizierte Einladung, um im Schach besser zu werden. Und da es zudem unterhaltsam gestaltet ist, macht die Beschäftigung mit ihm auch Spaß.
Allerdings sollte der Interessent nicht davon ausgehen, dass er das Buch mal salopp durchgehen kann und dann profitiert. Es verlangt vielmehr Zeit und Disziplin. Wenn man die 224 Aufgaben tatsächlich intensiv mit Sinn und Verstand lösen und dann die Buchlösung jeweils durchgehen will, wird man kaum über zwei oder drei Beispiele am Tag hinauskommen. So wird das Buch schon rechnerisch eine ganze Weile im Blickfeld bleiben.

Rein subjektiv ist "Test Your Chess Skills" für mich das beste Buch dieses Genres, das ich in letzter Zeit für das Spektrum des kundigen Anfängers bis zum erfahrenen Klubspieler in der Hand gehalten habe. Erschienen ist es übrigens bei New In Chess (NIC) als Übersetzung aus dem Russischen.

Wenngleich die Anforderungen an die Englischkenntnisse des Lesers in Sachen Vokabular und Satzbau nicht allzu hoch sind, sollte dieser über Sprachkenntnisse auf Schulniveau verfügen, weil es einiges an Text zu verstehen gilt.

Fazit: "Test Your Chess Skills" ist ein sehr gelungenes Buch mit Schachaufgaben aus allen Phasen der Partie und den Lösungen darauf. Es stellt den Leser vor eine ähnliche Aufgabe wie in dessen praktischer Partie. Eine konsequente "Arbeit" mit diesem auch unterhaltsamen Werk wird die Spielstärke des Lesers bis weit in den Klubbereich heben können. Profitieren wird er insbesondere auch hinsichtlich seiner strategischen wie seiner analytischen Fähigkeiten.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

French Defense (The Solid Rubinstein Variation)

Hannes Langrock
French Defense (The Solid Rubinstein Variation)
280 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-941270-92-9
21,95 Euro




French Defense (The Solid Rubinstein Variation)
Mit "French Defense", Untertitel "The Solid Rubinstein Variation" verfolgt der deutsche IM Hannes Langrock die Absicht, den Schwarzspieler mit einem Komplettrepertoire gegen 1.e4 auszustatten. Erhältlich ist das Werk nunmehr in einer zweiten Auflage. Sie ist seit 2018 auf dem Markt und unterscheidet sich angabegemäß vom Ursprungswerk aus 2014 durch eine Überarbeitung und Erweiterung. Der Titel belegt bereits, dass die Buchsprache Englisch mit amerikanischen Schattierungen ist (defense ist die amerikanische Schreibweise für Verteidigung und wir sonst mit c statt mit s geschrieben). Russell Enterprises ist das herausgebende Verlagshaus.

Die Rubinstein-Variante führt über die Eingangszüge 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 oder Sd2 dxe4 4.Sxe4 Sd7. Sie gilt als ultra-solide, aber auch als etwas langsam bzw. nicht energisch genug. Mit genau diesem (Vor-)Urteil möchte Langrock aufräumen. Er will zeigen, dass dieses System Schwarz einen sicheren Ausgleich erlaubt, ohne dass er Schwächen im eigenen Lager eingehen müsste. In Varianten mit einem Doppelbauern auf schwarzer Seite, wenn Weiß mit seinem Läufer auf f6 schlägt und Schwarz mit gxf6 antwortet, bestätigt er die Schwächung, sieht sie aber aufgrund des Läuferpaars als kompensiert an. Die Rubinstein-Variante führt nicht selten über ein positionelles Ringen bis ins Endspiel. Wer als Schwarzspieler seine Fähigkeiten besonders auch in der letzten Partiephase verortet, kann dementsprechend hiervon profitieren.

In einer Einleitung, die sich stilecht an zwei Partien Akiba Rubinsteins, dem "Paten" dieser Spielweise, orientiert, informiert der Autor den Leser über die wesentlichen strategischen Aspekte des Systems. Langrock selbst hat die Rubinstein-Variante 2004 in sein Repertoire aufgenommen, als er für die Bundesliga nominiert worden war und ein zweites Standbein gegen 1.e4 suchte. Seine reiche Erfahrung mit ihm wird auch bereits in der Einleitung erkennbar, indem er eine 2009 gespielte eigene Partie im Anschluss an jene von Rubinstein ergänzt.

Es gibt 18 Kapitel im Buch, die sich teilweise konkret mit bestimmten Varianten befassen und teilweise die Reaktion von Schwarz auf verschiedene weiße Entscheidungen zur Spielanlage gestalten bzw. optimieren sollen. Zur zweiten Alternative ist beispielsweise das Kapitel 7 zu zählen, in dem Langrock sich mit dem Fall befasst, dass Weiß lang rochiert oder sich diese Möglichkeit zumindest lange als Option offenhält.
Die Kapitel starten mit einer kurzen Einführung, die den Leser über die wesentlichen, quasi übergeordneten Aspekte des in der Folge betrachteten Systems informiert. Bisweilen enthält diese auch zusätzliche Informationen zu Dingen außerhalb des unmittelbaren Brettgeschehens, so insbesondere zu hervorzuhebenden Protagonisten der Spielweise.
Die eigentliche Darstellung des Repertoires erfolgt im Anschluss anhand von Partien aus der Praxis. Unter diesen sind ältere Schätzchen zu finden, aber auch Duelle aus dem aktuellen Turniergeschehen. Häufiger ist als Spieler mit den schwarzen Steinen Georg Meier eingetragen, der für seine guten Erfolge mit dem Buchsystem bekannt ist.

Langrock erklärt sehr gut in einem Mix aus Varianten, bei denen es sich zumeist um Partiefragmente handelt, und Text. Gelegentlich führt er die jeweilige Variante erheblich bis in die Tiefe der Partie fort, ohne sie dann noch weiter besonders zu kommentieren. Dies ist für den schon stärkeren Spieler, der sich ganz konkret auf einen bestimmten Weg vorbereiten will, wie auch für den Fernschachspieler von Vorteil. Der noch weitgehend unerfahrene Spieler wird damit weniger anfangen können. Diese Feststellung ist für mich eines von mehreren Indizien dafür, dass der besonders von diesem Werk angesprochene Spieler das Klubniveau erreicht haben sollte.
Aus dem Fernschachspiel hat Langrock übrigens einiges an Material verwendet, was für die rechnergeprüfte Qualität der Varianten spricht. Gelegentlich ist aber auch ein Hinweis auf den Computer im Text zu finden, was belegt, dass Langrock natürlich auch selbst auf dieses Hilfsmittel zur Überprüfung zurückgegriffen hat.

Soweit ich dies stichprobenweise feststellen konnte, ist das Werk auf dem aktuellen Stand der Theorie. Die verwendeten Ressourcen umfassen die wichtigsten gedruckten und elektronischen Werke in jeweils aktuellen Fassungen.

Da es einiges an Text zu verstehen gilt, sollte der Leser über gefestigte Englischkenntnisse verfügen. Der Wortschatz und der Satzbau sollten ihn insgesamt aber kaum vor besondere Probleme stellen.

Fazit: "French Defense (The Solid Rubinstein Variation)" ist ein gut gemachtes Repertoirebuch, das dem Leser mindestens ab Klubniveau weiterhelfen kann. Die Rubinstein-Variante wird ihm gekonnt vermittelt; der Autor legt besonderen Wert darauf, dass der Leser das System verstehen kann und sich nicht nur Varianten einzuprägen hat. Da die Rubinstein-Variante nicht zu den beliebtesten Systemen in der Französischen Verteidigung zählt, birgt sie auch ein gewisses Überraschungspotenzial gegen einen ansonsten möglicherweise gut vorbereiteten Gegner.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Strategic Chess Exercises

Emmanuel Bricard
Strategic Chess Exercises
221 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-760-9
23,50 Euro




Strategic Chess Exercises
"Strategic Chess Exercises" von Emmanuel Bricard ist als Übersetzung aus dem Französischen eine 2018er Neuerscheinung bei New In Chess". Das Original stammt aus dem Jahre 2016.
Bricard ist Großmeister, früherer Landesmeister Frankreichs und seit vielen Jahren ein erfolgreicher Trainer. Das Material, das er in diesem Buch verwendet hat, stammt aus seiner Trainertätigkeit, ist also praktisch erprobt.

Der Markt bietet dem Leser eine breite Auswahl an Büchern, in denen er sich anhand von Übungsaufgaben überprüfen und dabei seine Spielstärke heben kann. Diese widmen sich zumeist Themen aus dem Bereich der Taktik. In "Strategic Chess Exercises" geht es aber darum, die richtigen Pläne zu finden, also um die Strategie in der Partie.
Bricard sieht das breite Spektrum der Klubspieler als Hauptadressaten seines Werkes an, was ich gut nachvollziehen kann.

Der Stoff verteilt sich auf vier Kapitel, von denen jeweils zwei ein Pärchen bilden. Im ersten Kapitel sind die Übungen aus der Phase des Mittelspiels zu finden und im zweiten, dem mit Abstand längsten, die Lösungen hierauf. Entsprechend verhält es sich mit den Kapiteln drei und vier, diesmal aber auf das Endspiel ausgerichtet.
Fast alle Beispiele sind praktischen Partien entnommen, ergänzend ist eine Studie vertreten. Von den insgesamt 90 Übungen entfallen 63 auf das Mittelspiel.

Die Übungen werden jeweils über ein Diagramm eingeführt, das zusätzlich die Information über den am Zug befindlichen Spieler anzeigt. Die Aufgaben sind überwiegend offen formuliert; so ist beispielsweise manchmal ein den Gewinn bringender Plan zu entwickeln, die Möglichkeit zum Erringen der Initiative auszuarbeiten oder auch die Frage zu beantworten, wie eine Seite den Druck auf den Gegner erhöhen kann. Bisweilen muss sich der Leser auch mit den Möglichkeiten für beide Seiten befassen.

Ausgezeichnet finde ich Bricards Ansatz, keinerlei Anhaltspunkte dafür zu bieten, auf welche Motive der Strategie der Leser jeweils sein Augenmerk richten soll. So befindet sich dieser in einer vergleichbaren Situation wie in seinem eigenen Duell am Brett, bei dem ihm auch niemand das zum Erfolg führende strategische Mittel einsagt. Am Ende des Werkes gibt aber eine als Index eingearbeitete Aufstellung die vorne vermiedene Auskunft. Dem lernenden Leser möchte ich den Tipp geben, nach der Bearbeitung einer Aufgabe und für einen späteren Zeitpunkt vielleicht mit Bleistift das Motiv in die Übungsaufgabe zu übertragen. So kann er bei einem neuen "Arbeitsgang" überprüfen, ob ihm das Motiv so geläufig ist oder geworden ist, dass er es auch gezielt verfolgen kann.

Die Lösungen werden ganz überwiegend anhand der vollständigen Partie besprochen. Die Eingangszüge bis zur entscheidenden Stelle werden unkommentiert gelassen. Ab diesem Zeitpunkt in der Partie aber beschreibt und erläutert Bricard sehr intensiv. Das jeweilige Beispiel erscheint optisch wie eine sehr intensiv kommentierte Partie. Inhaltlich aber sorgen die Kommentare für den Lernerfolg, indem sie am Ziel orientiert das mit dem Beispiel verbundene Wissen vermitteln und anzuwenden veranschaulichen.

"Strategic Chess Exercises" ist ein ausgezeichnetes Handbuch auch für Schachlehrer und Trainer. Die Übungen und die Lösungen darauf können weitgehend eins zu eins unmittelbar eingesetzt werden.

Es gibt insgesamt recht viel zu lesen in diesem Buch. Auch wenn die Anforderungen an den Fremdsprachler nicht allzu hoch sind, weil der englische erweiterte Grundwortschatz kaum überschritten wird und der Übersetzer (Tony Kosten) erkennbar auf einen einfachen Satzbau geachtet hat, stellt allein der Umfang des Textes eine gewisse Herausforderung dar. Unabhängig davon reichen Englischkenntnisse auf Schulniveau aus.

Fazit: "Strategic Chess Exercises" ist ein Buch, das den Autodidakten unter den Klubspielern sehr gute Hilfestellung gibt, sein strategisches Spielvermögen zu verbessern. Eine konzentrierte Arbeit mit dem Werk vorausgesetzt wird er - in meinen Augen ohne Zweifel - erkennen, wie er sein Spiel planvoller führen kann.

Dem Schachlehrer und Trainer bietet es eine Fülle an unmittelbar einsetzbarem Schulungsmaterial.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Play the Queen's Indian Defence

Jewgeni Soloschenkin
Play the Queen's Indian Defence
319 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-619-7188-21-9
22,95 Euro




Play the Queen's Indian Defence
"Play the Queen's Indian Defence" von Jewgeni Soloschenkin folgt einem spezifischen übergeordneten Ziel: Weiß soll nicht verhindern können, dass man sich als Spieler mit den schwarzen Steinen der Damenindischen Verteidigung bedient. Das Motto ist also mit etwas anderen Worten: Damenindisch aus allen Lagen.
Soweit Weiß geschlossene Systeme ansteuert, aus denen die Themaeröffnung theoretisch und ggf. unter Zugumstellung erreicht werden kann, soll der Leser die Chance auch auf der Basis der Informationen aus diesem Buch nutzen können. Deshalb legt Soloschenkin viel Wert auf die Darstellung der verschiedenen Zugfolgen und der Übergänge zwischen den Systemen, über die auch außerhalb des Standardweges 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6 die Damenindische Verteidigung auf das Brett kommen kann.

"Play the Queen's Indian Defence" kommt aus dem bulgarischen Verlag Chess Stars, ist aber nicht nach dem für dessen Repertoirebücher bekannten besonderen Format aufgebaut. In der Behandlung der Theorie folgt es somit nicht einer Dreiteilung der einzelnen Kapitel in "Quick Repertoire", "Step by Step" und "Complete Games", sondern geht monologartig vor. Es gibt eine Baumstruktur aus Haupt- und Nebenvarianten, vollständige Partien sind nicht aufgenommen (außer jenen, die als Nebenvariante fungieren und ausnahmsweise komplett abgebildet sind).

Beim Durcharbeiten des Werkes sind mir zwei Besonderheiten aufgefallen, die ich für sehr erwähnenswert halte.
1. Das Werk stützt sich nicht nur auf viel aktuelles Praxismaterial aus den Meisterduellen am Brett, sondern auch aus dem Fernschachspiel. Dies freut mich nicht nur als Fernschachspieler, sondern überzeugt hinsichtlich der rechnerischen Korrektheit der Varianten. Im modernen Fernschach ist davon auszugehen, dass die Partien in herkömmlichen Turnieren allesamt technikunterstützt gespielt worden sind. Die Varianten sind also sauber mittels Engines gecheckt. Nun könnte der Leser, der das Duell im Nahschach bevorzugt, das Buchkonzept hinterfragen, indem er darauf hinweist, dass die rechnerische Genauigkeit der Varianten nicht zugleich deren Spielbarkeit bei kurzer Bedenkzeit auf der Turnierbühne belegt. Genau dies berücksichtigt Soloschenkin. Besonders deutlich wird dies auf Seite 133. Anhand einer Fernschachpartie belegt er, dass eine Stellung theoretisch Remis ist. Er verweist darauf, dass die Spielführung am herkömmlichen Brett sehr schwierig und fehlergeneigt ist, so dass der Remisausgang - anders als im Fernschach - nicht zwingend angenommen werden kann. Ob mit dem Gegner gegenüber oder irgendwo auf der Welt - Soloschenkin widmet seine Betrachtung beiden Bereichen des Schachspiels.
2. Solochenkin tut nicht so, als ob der Klubspieler immer die neuesten Entwicklungen auf der Turnierbühne kennen und die Modevarianten spielen müsste, um nicht unterzugehen. Wenn eine frühere Hauptspielweise inzwischen abgelöst ist, aber auch heute noch ein vollwertiges Spiel verspricht, geht er gewöhnlich darauf ein, selbst wenn es dann nur in der Form eines Hinweises geschieht. So kann sich der Leser entscheiden, ob er nicht doch die Alternative zu seiner ersten Wahl machen möchte, eventuell unter Beiziehung eines anderen Buches. Ein gutes Beispiel für dieses Vorgehen ist Kapitel 15 zur Nimzowitsch-Variante mit 4...La6.

Insgesamt ist "Play the Queen?s Indian Defence" in vier Teile gegliedert, auf die sich 19 Kapitel verteilen. Der Inhalt lässt sich im Abriss wie folgt zusammenfassen:
Teil 1: Abweichungen von den Hauptsystemen.
Teil 2: Miles-, Awerbach- und Botwinnik-Varianten.
Teil 3: Petrosjan-System.
Teil 4: Nimzowitsch-Variante.

Das Repertoire ist aus der Sicht von Schwarz geschrieben. Die damit verbundene Konzentration auf ausgewählte schwarze Alternativen wird über die og. Hinweise des Autors auf andere Möglichkeiten abgemildert.

Soloschenkin gibt sich große Mühe den Leser die Spielweisen verstehen zu lassen. Er erklärt sehr intensiv und geht insbesondere auch auf die strategischen Ideen und Anforderungen ein. Soweit die Grundgedanken eines Systems erstmals auftreten, passiert dies sogleich zu Beginn eines Kapitels.

Das Buch arbeitet mit einem Mix aus Varianten und Texterläuterungen. Für den herkömmlichen Klubspieler wird das Maß dessen, was er für sein Spiel als Vorbereitung als Varianten im Gedächtnis braucht und er sich merken will und kann, nach meiner Einschätzung häufig unterhalb der Darstellungstiefe liegen. Hier kann er seinen Weg festlegen, auf der Basis seines (neu erlangten) Wissens zur Spielführung mit zusätzlichen konkreten Zugfolgen zu arbeiten, oder eben auch nicht.
Der Fernschachspieler wird die Variantenbreite begrüßen.

Der Leser, der über Englischkenntnisse auf Schulniveau verfügt, wird sprachlich vor keine bemerkenswerten Anforderungen gestellt.

Fazit: "Play the Queen's Indian Defence" ist ein gelungenes Repertoirebuch zur Damenindischen Verteidigung, das ich dem Klubspieler sowie dem Fernschachspieler empfehlen kann.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Schach-Weltmeisterschaft 2018 (eine Gast-Rezension von Gerd Schowalter)

Jerzy Konikowski, Uwe Bekemann
Schach-Weltmeisterschaft 2018
190 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-95920-079-0
19,80 Euro




Schach-Weltmeisterschaft 2018
Die beiden bekannten Autoren haben schon wiederholt gemeinsam Bücher herausgebracht. Aber wenige Tage nach Beendigung des Großereignisses schon ein Buch darüber? Sollte es sich um einen Schnellschuss handeln? Schon auf Seite 15, beim ersten Diagramm eine Ungenauigkeit (nicht Schwarz, sondern Weiß wird zu einer konkreten Entscheidung gezwungen!). Außerdem sorgt auf Seite 81 die "Gratwanderung" mit "d" statt mit "t" geschrieben, für ein leichtes Schmunzeln. Denn Prof. Althöfer meinte mit seiner blumigen Feststellung nicht die Thermometerskala, sondern eine gefährlichen Gebirgspfad, auf dem man abstürzen kann. Also keine Sorge, Freunde, dieses Buch ist sehr gewissenhaft und seriös geschrieben!

Schon vor Beendigung der Weltmeisterschaft ließen sich nämlich mehrere Kapitel erstellen. Dies gilt etwa für die Auflistung aller Weltmeister (S. 10) oder die Prognosen der Experten, der Großmeister Karsten Müller und Artur Jussupow und des Professors Ingo Althöfer (S. 58 ff.) Auch die Kurzporträts der Protagonisten (S. 13 ff.) in Kapitel 1, die bisherigen Duelle (S. 37 ff.) in Kapitel 2 und die Kombinationen von Carlsen und Caruana, die zum Lösen auffordern, stammen aus früheren Turnieren (S. 51 ff.). Die Lösungen (ab S. 56) verraten nichts vorzeitig und lassen den Leser und Löser in einem Punktesystem seine Einordnung vom "durchschnittlichen Vereinsspieler bis zum Großmeister" feststellen (Kapitel 3).

Die Aufstellung der 50 besten Spieler der Welt (Stand 3. Dezember 2018, S. 186) und das Namensverzeichnis (S. 187) konnten natürlich ebenfalls vor Beendigung des Wettkampfes fertig gestellt werden.

Die Partien nehmen natürlich den größten Raum des Buches ein (S. 84 - 184). Sie sind ausnahmslos wiedergegeben, selbst die Spiele des Tiebreaks. Durchgängig finden sich tiefgreifende Analysen, die nicht nur von Konikowski und Bekemann stammen, sondern dankenswerterweise, wie es im Vorwort (S. 7f.) vermerkt ist, von IGM Karsten Müller. Dabei wird nicht selten auf Analysen früherer Partien, besonders im Eröffnungsstadium hingewiesen. Mehrere Fotos der Wettkämpfer, des Spielortes London usw. lockern die Texte auf.
Sehr schön sind auch die gekonnten Zusammenfassungen am Ende einer jeden Partie. Ausreichend vorhandene Diagramme in allen Partien sind für den Leser hilfreich.

Fazit: Dieses Buch über die WM ist keineswegs ein Schnellschuss. Die Autoren haben nicht nur die Vorgeschichte informativ dargestellt, sondern auch alle Partien gewissenhaft für den Leser aufbereitet. Schön sind auch die Aufstellung der bisherigen 16 Weltmeister, der TOP 50 der Welt und die Lösungsaufgaben "Kombinieren Sie wie Carlsen und Caruana".
Wie vom Verlag längst gewohnt, sind Satz und Druck vorbildlich, so dass sich dieses Buch gut einreiht in vergleichbare Werke früherer Weltmeisterschaften. Uneingeschränkte Empfehlung!

Chess Pattern Recognition for Beginners

Arthur van de Oudeweetering
Chess Pattern Recognition for Beginners
240 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-803-3
20,95 Euro




Chess Pattern Recognition for Beginners
Mit "Chess Pattern Recognition for Beginners" hat der niederländische IM, erfahrene Trainer und Autor Arthur van de Oudeweetering ein Buch zur Mustererkennung im Schach vorgelegt, mit dem er vor allem unerfahrene Spieler erreichen möchte. Er spricht zum Adressatenkreis von Anfängern bzw. Post-Anfängern. Mit ihm ergänzt er zwei Vorgängerwerke zum Thema, die er für Fortgeschrittene geschrieben hat und in denen quasi das vorausgesetzt worden ist, was er in seinem neuen Werk vorstellt.

Unter Mustererkennung ist die Fähigkeit des Spielers zu verstehen, in Stellungen die Möglichkeit zur Umsetzung bestimmter Manöver und Wendungen zu erkennen, um sie dann erfolgreich einsetzen zu können. Es geht also um bekannte und wiederkehrende Motive, die in den Stellungen stecken und auf ihre Entdeckung warten. Der Sinnspruch "Übung macht den Meister" trifft gerade auch auf die Entwicklung und Schärfung dieser Fähigkeit zu, die für jeden Spieler von einer herausragenden Bedeutung ist.

Den Schwerpunkt seiner Betrachtung legt van de Oudeweetering auf strategische Aspekte des Spiels. Taktische Dinge wie beispielsweise Kombinationen oder bestimmte überraschende Einschläge in die gegnerische Stellung kommen nicht als Selbstzweck vor und können höchstens mal für das Erreichen eines strategisch gesetzten Ziels eine Rolle spielen, dann aber untergeordnet.

Van de Oudeweetering hat sein Werk in vier Teile gegliedert, auf die sich insgesamt 25 Kapitel verteilen. Die Überschriften dieser vier Teile sind (in einer sinngemäßen Übersetzung):

1. Typische Bauern und Figuren
2. Wenn Bauern aufeinandertreffen
3. Wann abtauschen und wann nicht
4. Opfer - die Klassiker.

Aus ihnen lässt sich gut ableiten, wie die große Klammer um alle jeweiligen Kapitel aussieht.

Die Kapitel sind durchgehend gleich aufgebaut. Eine kurze Einleitung umschreibt, was den Leser erwartet. An diese schließen sich sechs bis acht Beispiele aus der Turnierpraxis an, in denen das erörterte Muster aufgetreten ist. Den Abschluss bildet eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Aspekte, die der Leser als Lernerfolg aus dem Kapitel mitnehmen soll.
Bei den Beispielen handelt es sich um Duelle im Spitzenschach der Gegenwart und der Vergangenheit, diese auch länger zurückliegend. Zumeist sind sie vollständig abgebildet. Für die Schlüsselstellungen bietet das Werk Diagramme an.
Die Erläuterungen des Autors sind sehr gut auf den Adressatenkreis zugeschnitten. So wird außer Regelfestigkeit kaum etwas vorausgesetzt. Die Muster werden nicht schlicht vorgestellt und erörtert, sondern in einer Weise behandelt, dass der Leser sie in seiner Partie auf sich allein gestellt zu erkennen lernt.

Ich kann dem Leser empfehlen, nach der Einleitung des Kapitels zunächst sofort zur Zusammenfassung an dessen Ende zu springen. Im Anschluss daran kann er sich an die Beispiele machen. So stellt er sicher, dass er von Beginn an weiß, worum es geht und worauf er achten sollte.

Nach dem ersten Teil sowie am Ende des Buches für die Teile zwei bis vier sind Lösungsaufgaben eingearbeitet. Hier ist der Leser selbst gefordert und kann überprüfen, inwieweit er den Stoff bereits verinnerlicht hat. Er erfährt jeweils recht konkret, was sich ihm als Aufgabe stellt, so dass auch hier die Ausrichtung des Werkes auf den noch unerfahrenen Spieler gut erkennbar wird.
Die Lösungen sind gesammelt im Anschluss an die Aufgaben zu den Teilen zwei bis vier abgebildet, also auch jene für die Aufgaben zum ersten Teil. Sie sind erfreulich ausführlich und geben dem Leser damit eine gute weitere Gelegenheit, um zu lernen.

Insgesamt betrachtet halte ich "Chess Pattern Recognition for Beginners" bis in den Bereich des Klubspielers hinein für geeignet. Dies begründet sich unter anderem auch damit, dass manche Manöver nicht zum Standardinhalt der einführenden Schachbücher zählen und längst nicht immer in den aufgenommenen Beispielen auf der Hand liegen.

Das Buch ist, wie natürlich schon der Titel anzeigt, in englischer Sprache verfasst. Es ist einiges an Text zu verarbeiten, allerdings sind die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse moderat. Normales Schulenglisch sollte für ein recht bequemes Verstehen ausreichen.

Fazit: "Chess Pattern Recognition for Beginners" überzeugt mich in gleicher Weise wie seine Vorgänger, die sich an fortgeschrittene Spieler richten. Der Leser, den ich bis in den Klubbereich als Adressaten sehe, wird sehr gut informiert und angeleitet zugleich. Schon bei der Vorbereitung meiner Rezension hat es mir Spaß bereitet; dies wird dem Leser sicher nicht anders ergehen. Weil Übung den Meister macht und dieses Buch Übung und Spaß vermittelt, kann ich es uneingeschränkt empfehlen.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Strike Like Judith!

Charles Hertan
Strike Like Judith!
255 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-770-8
22,90 Euro




Strike Like Judith!
"Strike Like Judith!" von FIDE-Meister Charles Hertan und 2018 erschienen bei New In Chess (NIC) ist eine Sammlung von 110 Beispielen aus der Praxis von Judith Polgar, in denen sie ihre großartigen taktischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt hat. Als jüngste der drei ungarischen Polgar-Schwestern gilt sie als bisher beste Schachspielerin aller Zeiten. In der von Männern dominierten allgemeinen Elo-Weltrangliste war ihre beste Platzierung der 8. Rang.

Einem Vorwort des Autors, in dem er sich u.a. mit eher allgemeinen Aspekten wie dem Einfluss des Computers auf das Schachspiel, Fragen einer Zuordnung des Spiels zur Wissenschaft, zur Kunst oder auch zu keiner Kategorie und sowohl mit der Veränderung der Anforderungen an heutige Spitzenspieler als auch mit Reaktionen darauf befasst, folgt eine auf Judith Polgar konzentrierte Einleitung. Neben Informationen zur Person erfährt der Leser hier auch einiges zu Ihrem Turnierspiel und zu Besonderheiten im Kontakt zu anderen Spielern.

Der Kern des Buchthemas, die 110 Taktikbeispiele, ist der Gegenstand der nachfolgenden sechs Kapitel. Diese sorgen durch die Zuordnung der Partien, die zumeist als Fragment, manchmal aber auch vollständig abgebildet sind, für eine gewisse Gliederung des Materials. Daran ändert nichts, dass Hertans Einschätzungen zur Zuordnung mehr oder weniger auch subjektiv geprägt sind. So könnte manche Partie sicher auch in einem anderen Kapitel und damit zu einem anderen Thema besprochen werden.

Die Überschriften der einzelnen Kapitel geben teilweise zu wenig Anhaltspunkte auf den Inhalt, als dass hier die Abbildung des Inhaltsverzeichnisses sinnvoll sein könnte. So beschreibe ich lieber kurz, um was es jeweils geht.
Kapitel 1: Erkennen von Mustern und Strukturen, die über ein taktisches Manöver genutzt werden konnten.
Kapitel 2: Judith Polgar mit Weiß gegen die Sizilianische Verteidigung.
Kapitel 3: Die Kunst der Variantenberechnung.
Kapitel 4: Taktische Manöver im Endspiel.
Kapitel 5: Plötzliche unerwartete und entscheidende Taktikschläge.
Kapitel 6: Best of aus Judith Polgars Praxis.

Wenn nicht ausnahmsweise die vollständige Partie abgebildet ist, erfährt der Leser jeweils, wer im folgenden Fragment am Brett gesessen hat und in welchem Wettbewerb die Partie ausgetragen worden ist. Ein Diagramm, ergänzt um ein Symbol zum am Zug befindlichen Spieler, zeigt ihm die Ausgangsstellung.

Die Darstellung erinnert sehr an die herkömmliche Kommentierung von Partien aus Text und Varianten. Gelegentlich hat Hertan informative oder narrative Sequenzen eingebaut, die den Unterhaltungswert des Werkes erhöhen.
Er geizt nicht mit Diagrammen, so dass zumindest der erfahrene Spieler sich dem Stoff zumeist ohne das Brett und nur anhand des Buches widmen kann. Nicht immer hat Judith Polgar in den verwendeten Beispielen das Brett als Siegerin verlassen. Immer aber hat sie mit einer taktischen Aktion eine Art Glanztat vollbracht. Es ist von ihr bekannt, dass Sie über einen immensen Kampfgeist verfügte und so gut wie immer auf Sieg gespielt hat. Diese bedingungslose Haltung am Brett spiegelt sich im Buch wieder, es zeigt ihren Weg zum jeweiligen Erfolg.

In erster Linie setzt Hertan Judith Polgar mit diesem Werk ein den Leser unterhaltendes Denkmal. Ein bisschen wird auch für die Entwicklung seiner eigenen Spielstärke abfallen, denn man weiß ja, dass ein intensives Nachspielen von Beispielen aus der Meisterpraxis eine schulende Wirkung hat.

Zumeist wird der fremdsprachige Leser mit Hertans Ausführungen gut zurechtkommen, wenn er über ein ordentliches Schulenglisch verfügt. Längere Texte können schon mal das Nachschlagen einzelner Begriffe erforderlich machen, da der verwendete Wortschatz nicht gerade schmal ist.

Fazit: "Strike Like Judith!" kann dem Spieler so gut wie unabhängig von der eigenen Spielstärke empfohlen werden. Er erhält ein unterhaltsames und zugleich informatives Werk über das Schaffen von Judith Polgar, konzentriert auf ihre taktischen Einfälle und Manöver am Brett.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Clinch it!

Cyrus Lakdawala
Clinch it!
253 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-801-9
24,95 Euro




Clinch it!
Emanuel Lasker wird der Aphorismus zugeschrieben, nach dem nichts schwieriger als der Gewinn einer Partie ist, in der man eine Gewinnstellung erreicht hat. Es wird auch keinen erfahrenen Spieler geben, der nicht eigene Beispiele benennen könnte, in denen er den greifbaren Sieg in eine Remis- oder sogar in eine Verluststellung gepatzt hat.
Der schlecht stehende Gegner hilft in der Regel nicht dabei, den Sieg schnell einzufahren. Er kämpft ohne Rücksicht auf Verluste, denn er hat nichts mehr zu verlieren.

Dieser Thematik, den winkenden Erfolg nicht mehr aus der Hand zu geben, widmet sich Cyrus Lakdawala in seinem Werk "Clinch it!" (Untertitel: How to Convert an Advantage into a Win in Chess - "wie man im Schach einen Vorteil in einen Sieg umwandelt"), das 2018 bei New In Chess (NIC) erschienen ist. "Clinch it!" bedeutet so viel wie den Gewinn festhalten, ihn sich nicht mehr nehmen lassen, ihn einsacken.

Nach einer ausführlichen Einleitung findet der Leser auf den rund 250 Buchseiten fünf Kapitel mit den folgenden Überschriften vor:
1. Exploiting a development lead
2. Exploiting the attack
3. Defense and counterattack
4. Accumulating advantages
5. Converting favorable imbalances.

In der Einleitung führt Lakdawala 35 wiederkehrende und allgemeine Ursachen dafür auf, dass der Spieler eine vorteilhafte Stellung verdirbt. Er gibt an, dass seine Sammlung rund 300 Ursachen enthält, die er aber nicht in einer langen Liste am Anfang seines Buches abbilden wollte. Er verweist auf die nachfolgenden Inhalte, in denen weitere Gründe genannt werden, jeweils durch eine kursive Schrift hervorgehoben. Die weit gefächerte Aufzählung enthält Einträge wie beispielsweise Rechenfehler, Zaudern und Zweifel, psychologischer Zusammenbruch oder auch Über- oder Unterschätzung der Stellung und übertriebene Vereinfachung.
Eine weitere Auflistung sog. "psychologischer Irrtümer", die aber eher als Ratschläge bezeichnet werden können, lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers auf Aspekte wie den Kontrollverlust über die eigene Initiative bzw. den eigenen Angriff, ein notwendiges Übel zu akzeptieren oder Übermut zu vermeiden.

Nun hätte ich erwartet, dass Lakdawala in den nachfolgenden Kapiteln die Fehler in den Fokus nimmt, die zum Verwirken des zu erwartenden Sieges führen, auch um sich dabei den Ursachen und Vermeidungsstrategien zu widmen. Dies ist aber nicht der Fall. Er stellt anhand praktischer Beispiele das richtige Vorgehen dar, um einen Vorteil in den Sieg zu realisieren. Hierbei aber geht es um Ideen und Manöver, die zum allgemeinen Repertoire des Spielers zählen. Das Besondere im jeweiligen Beispiel liegt regelmäßig allein darin, dass zum Zeitpunkt des Einsatzes ein (erheblicher) Vorteil bereits bestand. Sie gehören aber auch zum Besteck oder Handwerkszeug des Spielers in ausgeglichenen oder für ihn nachteiligen Stellungen.
So sehe ich in "Clinch it!" eher ein Buch zu verschiedenen Aspekten der allgemeinen Mittel- und der Endspielführung als eines zur Sicherung des Sieges aus einer vorteilhaften Stellung heraus.

Das Thema des Werkes ist sehr gut gewählt, die Form der Umsetzung aber spiegelt dessen Ansatz nicht umfassend wider.

Lakdawala behandelt den Stoff anhand von Partiefragmenten aus allen Zeiten des modernen Schachspiels. Dieser weit gespannte Bogen ist wörtlich zu nehmen, denn auch von Greco sind Beispiele im Werk vertreten, die also rund 400 Jahre alt sind. Er erklärt ausführlich und so instruktiv, wie man es von ihm kennt. Er greift dabei auf seine etwa 40jährige Erfahrung als Schachlehrer zurück, der weiß, wo den Anfänger oder auch den Klubspieler der Schuh drückt. Als Autor muss man ihn vermutlich keinem Schachfreund mehr vorstellen, denn er schreibt Bücher in kurzer Folge. Als Spieler hat er es bis zum Internationalen Meister (IM) gebracht.
Über Übungen, die fortlaufend in die Erörterungen eingestreut sind, muss sich der Leser auch konstruktiv mit dem Stoff befassen. Wenn es eine Entwicklung zu vermeiden gilt, macht den Leser eine Warnung darauf aufmerksam. Übungen und Warnungen sind durch die Fettschrift der Bezeichnung hervorgehoben. Und wenn es mal philosophisch wird, etwa weil Lakdawala zu bedenken gibt, dass eine Amputation besser ist als der Tod des Körpers als solchem, ist auch dies entsprechend hervorgehoben.

Es gibt viel Text aufzunehmen, eben weil Lakdawala viel und intensiv erklärt und zudem auch noch einiges am Rande zu erzählen weiß. So ist "Clinch it!" nicht nur informativ, sondern auch unterhaltsam. Der Fremdsprachler muss entsprechend viel verstehen. Der im Buch zum Tragen kommende breite Wortschatz stellt dabei eine gewisse Herausforderung dar.

Fazit: "Clinch it!" halte ich für ein durchaus gelungenes Buch, allerdings nicht konsequent an seinem Ansatz orientiert geschrieben. Dem Leser werden an Beispielen Methodik und Verfahren für ein erfolgreiches Schach dargestellt. Sie greifen generell und nicht nur in Partien, in denen er sich bereits einen den Gewinn versprechenden Vorteil erarbeitet hat. Wer von "Clinch it!" auf den Punkt gebrachte Mittel und Wege erwartet, den Ursachen für den Verlust eines Gewinnvorteils entgegen zu wirken, wird sich weniger zufrieden gestellt sehen.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

How Ulf Beats Black

Cyrus Lakdawala
How Ulf Beats Black
287 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-771-5
25,95 Euro




How Ulf Beats Black
Als ich mich etwas in das Werk „How Ulf Beats Black“ vertieft hatte, kam mir das Stichwort „Industriespionage“ in den Kopf. Ich verbinde es mit einem Vorgang, bei dem ein Unberechtigter sich Zugang zu einem Betriebsgeheimnis verschafft, z. B. zu geschützten Informationen über ein Produkt. Sein Ziel mag es sein, dieses Produkt selbst herstellen zu können. Aber was bedeutet es, wenn diese Informationen offen verfügbar sind, keinem Patentschutz o. ä. unterliegen und nur herausgearbeitet oder entschlüsselt werden müssen? Ein ganz normaler Vorgang, der beim Gelingen zum eigenen Produkt verhilft.

Der US-amerikanische IM, Schachlehrer und Trainer sowie sehr fleißige Autor Cyrus Lakdawala hat sich die Partien des früheren Weltklassespielers Ulf Andersson vorgenommen, um dessen Repertoire mit Weiß herauszuarbeiten. Dies ist nicht erst mit der Absicht geschehen, das vorliegende Buch zu schreiben, sondern bereits vor vielen Jahren, weil er das Repertoire für seine eigene Praxis adaptieren wollte. Er hat dann herauszuarbeiten versucht, welche Gemeinsamkeiten die von Andersson eingesetzten Systeme verbinden. Aus diesen hat er die Leitideen für die Spielführung wie auch seine Einschätzung abgeleitet, für welche Spielernatur das Repertoire geeignet ist.

Herausgekommen ist ein aus meiner Sicht systematisch sehr harmonisch abgestimmtes Repertoire, das Lakdawala im Buch in seiner gewohnt eingängigen Art erörtert. Wo er einen Bedarf auf Neuerungen gesehen hat oder ihm Partien aus dem Fundus von Andersson zur Vervollständigung der Darstellung gefehlt haben, hat er auf Beispiele anderer Spieler zurückgegriffen, nicht zuletzt auch auf eigene Duelle.
Nicht überall, wo sich Theorie und Praxis heute andere Zugfavoriten gesucht haben, hat Lakdawala diesen Bedarf gesehen oder anerkannt. Wer seine Eröffnungsvorbereitung mit dem Einprägen konkreter Zugfolgen verbindet, sollte zumindest eine gut sortierte und vor allem aktuelle Partiendatenbank hinzuziehen. Allerdings ist dieser Spielertypus eher nicht der von Lakdawala angesteuerte Adressat.

Schon in seiner Einführung beschreibt Lakdawala, für welchen Spielertyp das Repertoire geeignet ist. Zu den Kriterien bzw. Anforderungen an den Spieler zählen u.a.:
- Er favorisiert Eröffnungen, die sich mit einem guten Konzept erfolgreich spielen lassen, ohne dass man alle Züge aus dem Gedächtnis reproduzieren kann.
- Er ist eher Positionsspieler als ein geborener Angreifer, Taktiker, auf Offene Spiele und Iniative ausgerichteter Spieler.
- Er erzielt gute Ergebnisse in ruhigen Partien mit positionellen Manövern.
- Für seine Spielstärke besitzt er ausgeprägte Fähigkeiten für das späte Mittelspiel und das Endspiel.
- Er hat ein gutes Auge im Umgang mit schwachen Feldern im gegnerischen Lager.
- Er ist gut im Spiel mit Leichtfiguren, insbesondere wenn die gegnerischen schwächer als die eigenen sind.
- Er ist ein eher vorsichtiger Spieler, der nicht auf einen schnellen Sieg gepolt ist und zu dessen Eröffnungspräferenzen Einfachheit und Klarheit gehören. Diese letztgenannte Eigenschaft korrespondiert mit Lakdawalas Feststellung, dass Andersson gerne früh in der Partie das Material reduziert hat, nach Möglichkeit auch die Damen.

Lakdawala erörtert das Repertoire, wie oben schon angedeutet, anhand von Partien. Er erklärt viel, erläutert Hintergründe und gibt sich insgesamt größte Mühe, dem Leser das Verständnis der Systeme zu erleichtern. Für seine besondere sprachliche Kompetenz, die auch in einem breiten Wortschatz ihren Ausdruck findet, und seinen metapherhaften, teilweise „blumigen“ Stil ist er bekannt. Diese Eigenschaft lebt er im vorliegenden Werk geradezu aus. Mir persönlich macht es Spaß, ihm zu folgen. Allerdings muss man als Fremdsprachler mit mehr Mühe rechnen, um dem Autor in dessen Muttersprache immer voll folgen zu können. Definitiv zählen in „How Ulf Beats Black“ etliche Vokabeln nicht zum zumindest erweiterten Grundwortschatz.
Es wäre übertrieben, "How Ulf Beats Black" auch einen biografischen Charakter zuzusprechen, aber immerhin bietet das Werk auch einen Ausschnitt aus dem praktischen Schaffen Ulf Anderssons an.

Zur Erläuterung hat Lakdawala fortlaufend Aufgaben in die Kommentierungen eingebaut, die den Leser veranlassen, sich auch produktiv mit dem Stoff zu befassen. Die Ergebnisse erfährt dieser sogleich fließend im Anschluss. Wenn es etwas mit prinzipieller Bedeutung im Spiel gibt, hat er dies entsprechend hervorgehoben. Auch arbeitet er gerne mit Aufzählungen, die dem Leser die kompakte Wissensaufnahme erlauben.

Der folgende Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis und in der englischen Originalsprache zeigt an, welche Systeme das Repertoire bilden.
1: Ulf versus the King's Indian
2: The Pseudo-Grünfeld
3: Queen's Indian and Hedgehog lines
4: Quadruple fianchetto lines
5: The move order 1.Nf3 d5 2.c4
6: Ulf in the Catalan
7: Ulf versus the Tarrasch Defence
8: Ulf versus the Symmetrical English
9: Ulf versus the Modern, the Pirc and the Accelerated Dragon
10: Ulf versus the Dutch
11: Ulf in the Exchange Slav
12: What did Ulf play?

Im 12. Kapitel hat Lakdawala 39 Aufgaben zusammengestellt. Hierbei handelt es sich um Brettsituationen aus Anderssons Praxis. Der Leser erfährt über ein Diagramm und eine ausführliche Beschreibung, was von ihm erwartet wird. Die Lösungen sind gesammelt im sich anschließenden Teil zu finden.

Am Ende des Werkes sind vor allem ein Varianten- und ein Spielerverzeichnis aufgenommen. Das Variantenverzeichnis ist ausführlich und um Diagramme zu den Schlüsselstellungen bereichert.

Ich habe Cyrus Lakdawala oben als fleißigen Autor bezeichnet. Er schreibt Bücher fast wie am Fließband. Das eine oder andere Werk hat ihm in der Vergangenheit die Kritik eingebracht, oberflächlich gearbeitet zu haben oder auch fehlerhaft. Ich habe viele Arbeiten von ihm gesehen und manche dabei als weniger gelungen eingeschätzt. Man sollte sich aber hüten, gegenüber einer neuen Arbeit dieses Autors Vorbehalte zu entwickeln. „How Ulf Beats Black“ ist nach meiner Feststellung keine oberflächliche Arbeit und auch "echte" Fehler konnte ich nicht feststellen.

Bevor ich zum Fazit komme: Auch in diesem Werk habe ich, wie früher schon in anderen Büchern Lakdawalas, deutsche Worte gefunden, ohne dass diese auf eine Übersetzung aus dem Deutschen hindeuten würde. Diesmal ist es auf Seite 21 "Ich bin ein Ulfier." Ich habe keine Idee, was es damit auf sich haben könnte, aber interessant ist dies schon.

Fazit: „How Ulf Beats Black“ ist ein Werk, das einer interessanten Idee zur Zusammenstellung eines Repertoires folgt. Die Umsetzung ist sehr gut gelungen, insbesondere im Hinblick auf die Darstellung des roten Repertoire-Fadens als auch der vorbildlichen Erläuterungen des Autors. Wer sich dem Spielertyp zugehörig sieht, den Lakdawala selbst definiert hat, erhält ein gelungenes Buch und ein nicht minder qualifiziertes "systematisches" Repertoire an die Hand.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Modernized Nimzo - Queen's Gambit Declined Systems

Milos Pavlovic
The Modernized Nimzo - Queen's Gambit Declined Systems
350 Seiten, kartoniert
ISBN: 9789492510136
25,50 Euro




The Modernized Nimzo - Queen's Gambit Declined Systems
Für sein Werk "The Modernized Nimzo - Queen's Gambit Declined Systems" hatte sich der serbische Großmeister und anerkannte Autor Milos Pavlovic die Aufgabe gestellt, für Schwarz ein positionell orientiertes Standardrepertoire gegen die drei weißen Eröffnungszüge 1.d4, 1. c4 und 1.Sf3 zu erarbeiten. Dieses basiert auf dem Abgelehnten Damengambit, der Nimzowitsch-Indischen Verteidigung und der im Buchtitel nicht genannten Katalanischen Eröffnung. Behandelt werden dabei auch hybride Spielweisen. Das Buch ist entsprechend aus der Sicht des Nachziehenden geschrieben. Es ist aber auch problemlos zu nutzen, wenn man sich für das Spiel mit den weißen Steinen präparieren will. Allerdings ist dabei zu beachten, dass die schwarzen Zugalternativen nur abgebildet sind, soweit sie den Repertoireempfehlungen des Autors entsprechen.

Das Werk ist in sechs Teile untergliedert, auf die sich 23 Kapitel verteilen. Das Inhaltsverzeichnis ist zugorientiert erstellt und übernimmt dabei die Funktion eines Variantenverzeichnisses, das es nicht zusätzlich gibt. Der Stoff wird wie folgt behandelt:
Teil 1: Abgelehntes Damengambit (5.Lg5 & 6.Lxf6)
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.Sc3 Le7 5.Lg5 h6 6.Lxf6 Lxf6 in drei Kapiteln.

Teil 2: Abgelehntes Damengambit (5.Lg5 & 6.Lh4)
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.Sc3 Le7 5.Lg5 h6 6.Lh4 Sbd7 in zwei Kapiteln.

Teil 3: Abgelehntes Damengambit (5.Lf4)
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.Sc3 Le7 5.Lf4 0-0 in fünf Kapiteln.

Teil 4: Abgelehntes Damengambit (andere Fortsetzungen im 5. Zug)
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.Sc3 Le7 in zwei Kapiteln. Hier werden detailliert die Folgen von 5.g3 und 5.Dc2 behandelt.

Teil 5: Katalanische Eröffnung
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.g3 dxc4 5.Lg2 c5 6.0-0 Sc6 in vier Kapiteln.

Teil 6: Nimzowitsch-Indische Verteidigung
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 in sieben Kapiteln.
Auf die häufigste Fortsetzung mit 4.e3 setzt Pavlovic auf die Hübner-Variante (mit 4...c5 5.Ld3 Sc6 6.Sf3 Lxc3+ 7.bxc3 d6).

Jeder Teil wird mit einem Deckblatt, das die Initialzüge zeigt, eingeleitet, jedes Kapitel zusätzlich mit einer Variantenübersicht ("Chapter's guide").

Sehr gut gemacht ist die Ordnung im Buch. Als Leser weiß man immer ganz genau, welcher Variante der gerade besprochene Stoff zugeordnet ist. Die Schlüsselzüge werden mittels eines farblichen Hintergrundes hervorgehoben. Die zahlreich eingesetzten Diagramme lassen aufgrund einer unterschiedlichen Größe sofort erkennen, ob sie der Hauptvariante oder einer Abzweigung zugeordnet sind. Nebenvarianten sind im Druckbild deutlich abgesetzt.
Der Verlag, Thinkers Publishing aus Belgien, knausert also nicht mit Papier, was sich auch im angenehm großen Druckbild niederschlägt.

Milos Pavlovic setzt für mich offensichtlich darauf, dass seine Leser bereits einiges an Schachverständnis mitbringen. Seine Erläuterungen setzen jenseits der Schwelle an, die ein noch unerfahrener Spieler für das Verstehen der Systeme braucht. Auch geht er überwiegend nicht ins Detail. So erfährt man beispielsweise die Ideen, die hinter einem Vorgehen stehen, oder dass eine Seite über ein gutes Spiel verfügt. Eine Anleitung zur Spielführung oder aber die Gründe für eine Einschätzung gibt Pavlovic regelmäßig nicht. So ist die Darstellung zwar ein Mix aus Text und Varianten, aber auf einem höheren Level. Varianten sind zahlreich im Buch vertreten und können auch schon mal länger ausfallen. Teilweise stammen sie als Fragmente aus Partien, von denen übrigens nicht wenige im Fernschach gespielt worden sind. Nicht selten sind auch Analysen im Werk zu finden, die ich dann regelmäßig Pavlovic zugeschrieben habe, soweit keine Urheber angegeben sind.

Neben dem schon stärkeren Klub- bzw. Turnierspieler ist für mich der Fernschachspieler Adressat des Werkes. Er kann besonders auch von der Strukturierung des Materials profitieren, die es anbietet. Ergänzt um eine gut sortierte Partiendatenbank hat "The Modernized Nimzo - Queen's Gambit Declined Systems" das Potenzial zu einem roten Repertoire-Faden während der Partie. Was das Buch trotz der zahlreich aufgenommenen Varianten nicht abbildet, ergänzt die Datenbank.
Teilweise geht Pavlovic Vereinfachungen nicht aus dem Weg bzw. sucht er diese sogar. Weniger komplizierte Stellungen machen Stellungsbeurteilungen moderner Engines verlässlicher als solche in komplizierten und auf eine lange Sicht angelegten Strukturen. Ob dies im persönlichen Fernschach ein Vor- oder Nachteil ist, liegt beim Spieler selbst.

Die Buchsprache ist Englisch. Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau reichen aus, um ohne besondere Probleme mit dem Werk arbeiten zu können.

Fazit: "The Modernized Nimzo - Queen's Gambit Declined Systems" ist ein gelungenes Repertoirebuch, das eher den fortgeschrittenen Spieler als den unerfahrenen anspricht. Sein Autor Milos Pavlovic möchte den Leser mit einem Standardrepertoire ausstatten, mit dem er in der Praxis wahrscheinlich häufig auftreten kann. Grundsätzlich kann es auf die weißen Eröffnungszüge 1.d4, 1.c4 und 1.Sf3 eingesetzt werden.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.