Rezensionen - Einstellungsjahr 2013
Verfasser: Uwe Bekemann (sofern nicht jeweils ein anderer Verfasser genannt ist)
The Nimzo-Larsen attack - move by move
Cyrus Lakdawala
The Nimzo-Larsen attack - move by move
416 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-112-6
24,95 Euro
The Nimzo-Larsen attack - move by move
"The Nimzo-Larsen attack" ist der Titel eines neuen Bandes aus der Reihe "move by move" von Everyman Chess. Er widmet sich der Eröffnung mit 1.b3, im deutschen Sprachraum vor allem als "Larsen-Eröffnung" in Anlehnung an den dänischen Großmeister Bent Larsen bekannt, der sie selbst gespielt und die Theorie um viele Erkenntnisse bereichert hat. Autor des Werkes ist einmal mehr Cyrus Lakdawala, US-amerikanischer Internationaler Meister und inzwischen offenkundig spezialisiert auf das Schreiben von Büchern aus der move by move-Reihe.
"The Nimzo-Larsen attack" ist in 10 Kapitel gegliedert. Gewöhnlich gebe ich in meinen Rezensionen einen detaillierten Überblick über die in einem Werk angebotenen Inhalte, indem ich die Kapitelüberschriften aufführe oder - bei Eröffnungsbüchern - die jeweiligen Initialzugfolgen nenne. Beides macht beim vorliegenden Werk nicht viel Sinn, weil
a. die Kapitelüberschriften oft nicht aussagekräftig sind, insbesondere für einen Leser aus dem deutschen Sprachraum, und
b. fast schon ein Variantenverzeichnis entstehen müsste, um eine ausreichende und ausreichend detaillierte Differenzierung zu erreichen und dies bei einer aussagekräftigen Zuordnung aller Zugfolgen hinsichtlich der Kapitel.
Ich muss es deshalb bei einer allgemeinen Beschreibung bewenden lassen, und diese versuche ich wie folgt: Das Werk befasst sich mit allem, was mit 1.b3 beginnt bzw. unter Zugumstellung zu einer Linie des Systems b3 führt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf 1.b3 e5. Soweit es um Linien ohne …e5 geht, verwendet Lakdawala auch den Weg über die Zugumstellung 1.Sf3, worauf Schwarz nicht 1…e5 spielen kann. Einige weiße Spielweisen tragen den Charakter farbvertauschter Systeme (u.a. Sizilianisch, Nimzo-Indisch, Trompowsky).
Der theoretische Stoff wird anhand von 60 kommentierten Partien behandelt. Dem Prinzip der Buchreihe entsprechend zeichnet sich die Kommentierung durch die Besonderheit aus, dass durchgehend Fragen und Übungen an den Leser gerichtet werden. Indem er diese beantwortet bzw. ausführt, soll er quasi interaktiv lernen. Über die immer gleich im Anschluss abgebildete Antwort des Autors kann er feststellen, inwieweit er richtig lag bzw. in der Übung zum korrekten Ergebnis gekommen ist.
Den Schwierigkeitsgrad der an den Leser gerichteten Elemente stufe ich als recht niedrig ein. Deshalb ist "The Nimzo-Larsen attack" in meinen Augen besonders auch ein Buch für den Anfänger bzw. den noch nicht allzu weit in der Spielstärke entwickelten Schachfreund. Dies mag auch am Beispiel gleich der ersten Frage zu ersehen sein, in der auf den Zug 1.Sf3 dem Leser der Zweifel in den Mund gelegt wird, ob denn die Bucheröffnung nicht mit 1.b3 beginne.
Etwas im Widerspruch zu meiner Einschätzung scheint zu stehen, dass die Larsen-Eröffnung eher keine Anfänger-Eröffnung ist. Den Ausweg kann eine Unterteilung der Inhalte in die herkömmliche Kommentierung einerseits und die aktiven Elemente andererseits zeigen. Wenn man die Fragen und Antworten außen vor lässt, dürfte das Buch auch bis ins Niveau des Klubspielers interessant sein.
Ein paar Dinge, die mir besonders gut gefallen:
1. Lakdawala erklärt sehr gut und leitet den Leser dadurch an, die Inhalte zu verinnerlichen, sie von Grund auf zu verstehen.
2. Er geht über die Besonderheiten der behandelten Eröffnung hinaus und schult den Leser auch generell in Strategie und Taktik. Er erreicht dies beispielsweise über die Darstellung von Plänen und die analytische Beurteilung von Stellungen.
3. Er streut immer wieder Prinzipien ein, die in einer Partiesituation von Belang sind und dem Leser wie Merksätze helfen können.
Es gibt nichts, was mir schlecht gefällt, von einem verunglückten Werbeversuch Lakdawalas für sein Buch zum Colle-System aus der move by move-Reihe auf Seite 389 vielleicht abgesehen. Für den deutschsprachigen Leser dieses englischsprachigen Werkes muss ich aber anmerken, dass ich die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse in nicht wenigen Passagen als vergleichsweise hoch ansehe. Der verwendete Wortschatz ist teilweise so weit, dass ich in den Passagen, in denen ich mich tief eingelesen habe, oft ein Wörterbuch benötigte. Ohne dieses Hilfsmittel war es mir einige Mals nicht möglich, den Inhalt so weit zu verstehen, dass ich zufrieden war und mich auch sicher fühlte, alles korrekt erfasst zu haben.
Die schon erwähnten Partien sind überwiegend jüngeren Datums, aber auch ein paar ältere Schätzchen sind dabei. Sie stammen aus allem, was die Turnierszene zu bieten hat, vom Normalschach über Rapid-Turniere, Blindturniere bis zum Fernschach. Einige Partien hat der Autor selbst gespielt.
Gut gefällt mir das Variantenverzeichnis am Ende des Werkes. Es zeigt auch schön die Übergänge und Zugumstellungen auf, die den Leser sonst vor Probleme stellen können.
Fazit: "The Nimzo-Larsen attack" ist ein gelungenes Werk. Um ohne große Probleme mit ihm arbeiten zu können, sollte der Leser über gesicherte Fremdsprachkenntnisse verfügen. Ausgehend von den Anforderungen des Buches an den Leser insgesamt verorte ich den Adressatenkreis leistungsmäßig beim (fortgeschrittenen) Anfänger. Lässt man die interaktiven Elemente aus der Betrachtung, die allerdings gerade den Unterschied der move by move-Reihe zu anderen Serien ausmachen sollen, ist das Buch ganz sicher auch ein Gewinn für den guten Klubspieler.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The French Defence, Volume One
Emanuel Berg
The French Defence, Volume One
324 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-40-8
24,99 Euro
The French Defence, Volume One
Die Französische Verteidigung hat sich inzwischen zu den Top-Adressen für die Autoren von Eröffnungsbüchern entwickelt. Auch in diesen Wochen sind gleich wieder mehrere Werke zu diesem Thema in den Markt eingeführt worden.
In der ausgezeichneten Eröffnungsreihe "Grandmaster Repertoire" von Quality Chess fehlte bisher ein Repertoirebuch für Schwarz eben für die Französische Verteidigung. Dies hat sich nunmehr geändert, mit dem ersten Band eines auf insgesamt drei Bände angelegten Gesamtwerkes "The French Defence, Volume One" vom schwedischen Großmeister und Französisch-Experten Emanuel Berg trägt die Ziffer 14 in der Grandmaster Repertoire-Serie und behandelt die Winawer-Verteidigung (1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Lb4) ohne die Fortsetzung 7.Dg4, die im zweiten Band behandelt wird. "Volume Three" wird dann von der Tarrasch-Verteidigung über die Vorstoßvariante hinweg alles das thematisieren, was an Wichtigem noch fehlt.
"The French Defence, Volume One" enthält 23 Kapitel, die insgesamt acht Abschnitten im Buch zugeordnet sind. Diese Abschnitte gliedern das Material wie folgt:
- weiße Möglichkeiten im 4. Zug allgemein,
- 4. Se2,
- 4.exd5,
- weiße Möglichkeiten im 5. Zug allgemein,
- 5. Dg4,
- 5. Ld2
- weiße Möglichkeiten im 7. Zug allgemein,
- 7. a4.
Schon diese Zusammenstellung zeigt, dass das Werk aus der Warte von Schwarz geschrieben ist und sich inhaltlich daran orientiert, auf was der Nachziehende an gegnerischen Möglichkeiten treffen kann, soweit diese nicht minderwertig sind. Weiß kann nicht darauf setzen, ebenfalls alle gut spielbaren schwarzen Möglichkeiten vorzufinden, da deren Aufnahme von den Repertoireentscheidungen des Autors abhängt. Soweit "The French Defence, Volume One" die schwarzen Alternativen berücksichtigt, sind die Ausführungen inhaltlich in gleicher Weise für den Spieler mit den weißen Steinen zu verwenden.
Das dargestellte Repertoire ist "rund", soweit es diesem ersten Band der dreibändigen Gesamtausgabe zugeschrieben ist. Solange Weiß in der Winawer-Variante nicht zu 7. Dg4 greift, läuft Schwarz kaum Gefahr, aus seinem Repertoire gehebelt zu werden. Zumindest sind mir keine weißen Zugalternativen aufgefallen, die als Muss für eine Abbildung anzusehen sind, im Werk aber fehlen.
Wie für die Grandmaster Repertoire-Bücher typisch ist "The French Defence, Volume One" klassisch als Eröffnungsbuch aufgebaut. Eine Hauptvariante, die aus der Praxis stammen kann oder aus der Analyseküche, bildet jeweils das Rückgrat der Betrachtung und ordnet dabei auch die chronologische Darstellung der Nebenvarianten.
Die Kapitel sind gleichförmig und nach dem bewährten Muster der Buchreihe aufgebaut. Einer auf eine Seite begrenzten Variantenübersicht, die um Diagramme für Schlüsselstellungen ergänzt worden ist, folgt die intensive theoretische Betrachtung, die dann mit einer kurzen wertenden Zusammenfassung abgeschlossen wird.
Schon in meinen Rezensionen über frühere Werke aus der Grandmaster Repertoire-Serie habe ich keinen Zweifel daran gelassen, dass mich diese Bücher begeistern. So verhält es sich auch mit dem vorliegenden Band. Er fügt sich qualitativ voll und ganz in den hohen Standard der gesamten Reihe ein.
Im Vorwort macht Berg darauf aufmerksam, dass es ihm besonders wichtig ist, dem Leser die Zusammenhänge in den Systemen klar zu machen. Er will nicht schlicht lange Zugfolgen abbilden und diese mit einem Stellungsurteil abschließen, sondern die Pläne, Ideen und Hintergründe aufzeigen. So soll dem Leser die Möglichkeit gegeben werden, das System verständig zu erlernen und nicht über das Einprägen von Varianten das Studium zu betreiben. Der Leser soll also heimisch werden mit seinem neuen Repertoire. Diesem Anspruch wird Berg in allen Teilen des Buches gerecht. Natürlich gibt es auch über etliche Züge dargestellte Varianten ohne besondere Begleitkommentierung, der Schwerpunkt aber liegt ganz eindeutig auf Erläuterungen, Hinweisungen und Erklärungen. Insofern halte ich die Darstellung für mustergültig.
"The French Defence, Volume One" enthält zahlreiche Neuerungen, auch in Hauptvarianten und auch in einem bisweilen noch sehr frühen Partiestadium. Es war für mich unmöglich, in der Vorbereitung dieser Rezension die Stichhaltigkeit der Neuerungen in größerer Zahl zu überprüfen. Soweit ich dies stichprobenartig und mit Unterstützung von Houdini gemacht habe, ist mir kein Vorschlag aufgefallen, zu dem ich ernste Zweifel anbringen könnte. Auch der Französisch-Kenner wird gewiss in "The French Defence, Volume One" einiges finden, was neu für ihn ist.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse sind niedrig. Diese Einschätzung begründe ich u.a. damit, dass sich das verwendete Vokabular fast ausschließlich auf den Bereich des Grundwortschatzes beschränkt, ergänzt um die allgemeinen schachspezifischen Wendungen.
Am Ende des Buches ist das übliche Variantenverzeichnis zu finden, das eine gute Navigation im Werk erlaubt und ausgezeichnet um die schon erwähnten jeweiligen Kapitelübersichten ergänzt wird.
Fazit: "The French Defence, Volume One" ist ein rundum und ohne eine Einschränkung empfehlenswertes Werk. Um ein Komplettrepertoire für Schwarz in der Französischen Verteidigung zu erhalten, ist der Kauf auch der weiteren beiden Bände der Trilogie erforderlich.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Ultimate Anti-Grünfeld
Dmitry Svetushkin
The Ultimate Anti-Grünfeld
232 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-94-4
23,95 Euro
The Ultimate Anti-Grünfeld
"The Ultimate Anti-Grünfeld" aus dem bulgarischen Chess Stars-Verlag ist ein Repertoirebuch aus der Feder von GM Dmity Svetushkin. Sein Untertitel "A Sämisch Repertoire" zeigt schon genauer an, in welche Richtung die Reise im Buch geht. Svetushkin baut ein Repertoire mit der Initialzugfolge 1.d4 Sf6 2.c4 g6 und dann 3.f3 auf und bringt dieses dem Leser in der für Chess Stars typischen Art und Weise näher. Alle Abspiele führt er zunächst jeweils in einem Abschnitt "Main Ideas" (sinngemäß mit "Hauptideen" übersetzt) ein, bevor er dann in "Step by Step" (also "Schritt für Schritt") in die tiefe Erörterung einsteigt und diese dann über die Behandlung des Systems in Partien aus der Praxis in "Complete Games" ("vollständige Partien") fortsetzt und abschließt.
Svetushkin erklärt, dass er mit der genannten Zugfolge drei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Zwei der von ihm bezeichneten Vorteile beziehen sich auf Auswirkungen auf die Stellung, einer aber legt genau die hintergründige Motivation seiner Wahl offen. Er will den Schwarzspieler, der Grünfeld-Indisch spielen will, aus seinem Repertoire drängen und stattdessen den Sämisch-Angriff der Königsindischen Verteidigung auf das Brett bekommen.
Schon bei der Besprechung früherer Bücher aus dem Hause Chess Stars, die wie oben beschrieben aufgebaut sind, hatte ich meine hohe Meinung zum systematischen Vorgehen zum Ausdruck gebracht. Eine gute Qualität der inhaltlichen Ausführungen vorausgesetzt sind die so strukturierten Repertoirebücher ausgezeichnet geeignet, sich das Repertoirethema mit hohem Verständnis zu Eigen zu machen. Ohne an dieser Stelle zu viel vorwegnehmen zu wollen, kann ich meine Kaufempfehlung schon mal für das abschließende Fazit ankündigen. Sie können daraus ersehen, dass bei "The Ultimate Anti-Grünfeld" eben auch inhaltlich alles passt.
Im Aufbau erinnern mich die Bücher von Chess Stars ein wenig an "Ich helfe mir selbst"-Reihen in der Vergangenheit. Diese aber hatten nichts mit Schach zu tun und gaben dem Leser, der keine Ahnung von etwas hatte, Rat und Hilfe zur Bewältigung eines handwerklichen Alltagsproblems. So konnte man sich als mutiger Unkundiger an so manche Arbeit machen, von der man aber oft genug wohl besser die Finger gelassen hätte. Anders als die Chess Stars-Bücher gaben die "Do It Yourself"-Anleitungen nicht das Hintergrundwissen mit, das der Leser aber brauchte, um mit Sinn und Verstand ans Werk zu gehen. So erinnere ich mich, dass ich in jungen Jahren als ahnungsloser Doppellinkshänder die abenteuerliche Lust verspürte, höchstpersönlich einen Ölwechsel an meinem Auto vorzunehmen und mich dabei auch vom Filterwechsel nicht schrecken zu lassen. Ich war doch bestens ausgerüstet, denn mit meiner "Ich helfe mir selbst"-Anleitung hatte ich das Beste in der Hand, was ich kannte. Mit leichten Blessuren und dem befristeten Verlust einer Schraube, die ich uninspiriert ins Gefäß mit dem Altöl verschwinden ließ, bekam ich auch tatsächlich die alte Schmiere vom Auto. Es gelang mir auch, die besagte Schraube wieder in die Finger zu bekommen und das neue Öl unfallfrei einzufüllen. Ich sah zwar inzwischen aus "wie Sau", wie mich gutmeinende Stimmen bedauerten, aber ansonsten hatte ich keine Verluste zu beklagen. Nun ging es an den Filterwechsel! Das war kein Problem, ich hatte doch die Beschreibung, wie es ging. Und tatsächlich, es lief gut, zunächst zumindest. Der alte Filter war ruckzuck abgeschraubt und der neue angebracht. Allerdings muss ich bei nachgehender Betrachtung zwei Lücken in der "Ich helfe mir selbst"-Anleitung beanstanden. Zum einen fehlte mir der Hinweis, dass man beim Ölablass eben nicht die Schraube ins Altöl plumpsen lassen sollte, und zum anderen jener, dass man tunlichst darauf achten sollte, mit dem alten Filter auf jeden Fall auch den alten Dichtungsring zu entfernen. Das stand aber eben nicht in meinem Buch. Der dramatische Rest der Geschichte lässt sich in der Erzählung abkürzen, Sie ahnen auch schon, was kommen wird. Motor an und ausprobieren, ob alles läuft - ja, alles bestens, es läuft und funktioniert, super! - was ist das? - sieht aus wie eine Blase! - das ist eine Blase! - gehört bestimmt nicht dorthin! - sie wächst! - Motor aus! - zu spät! - volle Deckung! - "blubb". Und zum Rest schweigt des Dichters Höflichkeit, inklusive der Reaktionen der Mitmenschen und der notwendigen Säuberungsaktion.
"The Ultimate Anti-Grünfeld" ist kein Buch, das die Handhabe von etwas vermittelt, von dem man besser die Finger lassen sollte. Ganz im Gegenteil behandelt es eine Spielweise, die in die Hand des Spielers gehört, der sich zum Sämisch-System hinwenden und Grünfeld-Indisch dabei vermeiden will. Das Werk lässt auch nicht die Tücken außer Betracht, die mit der Anwendung des Systems verbunden sind. Und ganz besonders rechne ich es ihm an, dass es keine Blase entstehen lässt, etwa durch überzogene Anpreisungen der für Weiß entstehenden Möglichkeiten, die dann später platzen dürfte. Ob das Repertoire zur eigenen Natur passt, ob man es im Turnierschach, beim Blitzen oder in der Fernpartie einsetzen will, ist in die Beurteilung des einzelnen Spielers gelegt. Er erfährt von Grund auf, wie das Spiel angelegt wird, welche typischen (strategischen und taktischen) Motive es gibt, wo die Hauptlinien zu suchen sind etc. Svetushkin erklärt gut, er geizt nicht mit textlichen Anmerkungen. Mit "The Ultimate Anti-Grünfeld" werden sowohl das Verständnis für die Anforderungen des Systems geschaffen als auch das konkrete Knowhow der empfohlenen Varianten vermittelt. Nach der intensiven Arbeit mit diesem Werk kann der Spieler mit Weiß das System im Vertrauen darauf, sehr gut vorbereitet zu sein, spielen. Genau das übrigens kündigt Svetushkin auch in seinem Vorwort an. Sinngemäß übersetzt meint er: "Man kann das Sämisch-System spielen, wenn man es verstanden hat. Man sollte die Pläne erlernen und sich weniger die konkreten Züge einprägen."
"The Ultimate Anti-Grünfeld" ist in folgende Kapitel unterteilt:
Kap. 1: Anti-Grünfeld I: 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.f3 d5
Kap. 2: Anti-Grünfeld II: 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.f3 Sc6, seltene Linien
Kap. 3: Benoni/Abweichungen vom Wolga-Gambit: 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.f3 c5 4.d5
Kap. 4: Königsindisch mit …c5: 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.f3 Lg7 4.e4 d6 5.Sc3 0-0 6.Le3 c5
Kap. 5: Panno-Variante: 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.f3 Lg7 4.e4 d6 5.Sc3 0-0 6.Le3 Sc6
Kap. 6: Panno-Variante, Hauptlinie: 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.f3 Lg7 4.e4 d6 5.Sc3 0-0 6.Le3 Sc6 7.Sge2 a6 8.Dd2 Tb8
Kap. 7: Byrne-System: 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.f3 Lg7 4.e4 d6 5.Sc3 c6 6.Le3 a6
Kap. 8: Klassische Hauptvariante: 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.f3 Lg7 4.e4 d6 5.Sc3 0-0 6.Le3 e5 7.Sge2
Kap. 9: Sonstige Varianten: 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.f3 Lg7 4.e4 d6 5.Se2.
Ein qualifiziertes Variantenverzeichnis erlaubt die Navigation über die Buchinhalte hinweg. Zu finden ist es am Ende des Werkes.
Die innere Verarbeitung ist gut. Früher habe ich schon mal den einen oder anderen vergessenen Zug in Varianten in den Büchern von Chess Stars gefunden, sodass beispielsweise nach dem 7. gleich der 9. Zug kam, hier aber ist mir nichts Derartiges aufgefallen.
Der Umschlag ist - wie bei Chess Stars üblich - für meinen Geschmack aus zu dünnem Karton hergestellt und deshalb etwas anfällig für Knicke u.ä.
Die Buchsprache ist Englisch, man kann mit Fremdsprachkenntnissen auf Schulniveau gut mit dem Werk arbeiten.
Fazit: "The Ultimate Anti-Grünfeld" offeriert dem Leser ein Sämisch-Repertoire zur Königsindischen Verteidigung und lässt ihn bei dessen Wahl die Grünfeldindische Verteidigung umschiffen. Es zielt darauf ab, ihn das System innerlich verstehen zu lassen. Zu diesem Zweck bietet es als Schwerpunkt textliche Erläuterungen an und hält sich bei der Darstellung breiter Variantengefüge eher zurück.
Ich kann "The Ultimate Anti-Grünfeld" guten Gewissens zum Kauf empfehlen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Steamrolling the Sicilian
Sergey Kasparov
Steamrolling the Sicilian
239 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-435-6
23,95 Euro
Steamrolling the Sicilian
Als ich den Buchtitel "Steamrolling the Sicilian" gelesen und das Cover mit einer auf ein Schachbrett rollenden Dampfwalze gesehen habe, ist mir sofort ein Gedanke durch den Kopf gegangen: "Da hat sich aber einer so richtig etwas vorgenommen!" Der Untertitel "Play for a Win with 5.f3!" ist da schon etwas realistischer hinsichtlich dessen, was der Leser von diesem Werk erwarten darf. Ganz sicher verhilft es ihm als Weißspieler nicht dazu, die Sizilianische Verteidigung des Gegners platt zu walzen, was der Buchtitel suggeriert. Ein Spielen auf Sieg mit dem Bauernzug 5.f3 aber kann es Weiß als Ambition vermitteln.
Autor des Werkes ist der armenische GM Sergey Kasparov, der auch selbst in seinen praktischen Partien zum Themazug greift. Erschienen ist "Steamrolling the Sicilian" vor wenigen Wochen bei NIC (New In Chess).
Mit 5.f3 nach den einleitenden Zügen 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 kann Weiß den Gegner, der eines der herkömmlichen Systeme nach der genannten Zugfolge spielen möchte, aus seinem Theoriespeicher ziehen. Er macht dies allerdings zu dem Preis, dass er eine "nur" als Nebenvariante geltende Fortsetzung wählt. Zu den damit verbundenen Konsequenzen zählen u.a. eine gewisse Schwächung des eigenen Königsflügels und eine weniger geschmeidige Figurenentwicklung, aber niemand wird behaupten können, dass sein Aufbau nicht solide sei.
Dass 5.f3 nicht zu den Standardfortsetzungen zählt, will Kasparov nicht als Vorbehalt gelten lassen. Zurecht führt er Beispiele an, in denen auch an anderen Stellen der Theorie sich Einschätzungen geändert haben und vermeintliche Aschenputtelvarianten zur Prinzessin der Turnierbühne geworden sind. Allerdings denke ich, dass man mich nicht zu den Pessimisten zählen darf, wenn ich mir eine solche Wandlung für den Zug 5.f3 nicht wirklich vorstellen kann. In meinen Augen ist "Steamrolling the Sicilian" ein Spezialwerk, das sich mit einer Außenseitervariante gegen den schwarzen sizilianischen Aufbau befasst. Es kann dem Spieler mit Weiß einen Theorievorsprung verschaffen, den der Gegner - besonders im Nahschach - erst mal mit eigener Spielfertigkeit am Brett auffangen muss, wenn er denn nicht auch selbst entsprechend vorbereitet ist.
"Steamrolling the Sicilian" ist in vier Teile gegliedert, die insgesamt 12 Kapitel enthalten. Das Inhaltsverzeichnis hat insoweit, in sinngemäßer Übersetzung, das folgende Gesicht:
Teil 1 - Der Bauer geht nach e5
Kapitel 1 - Das "langweilige Endspiel"
Abschnitt 1 - Seltene Linien
Abschnitt 2 - Standardfortsetzung
Kapitel 2 - Das frühe …a7-a5
Abschnitt 1 - 7.c4
Abschnitt 2 - 7.a4
Abschnitt 3 - 7.Sc3
Abschnitt 4 - 7.Lb5+
Kapitel 3 - Die Hauptvariante 6...Le6
Abschnitt 1 - 7...a5
Abschnitt 2 - 7...Sbd7
Kapitel 4 - Der Venedig-Angriff 6.Lb5+
(Übungen für den Teil 1)
Teil 2 - Drachen-Strukturen
Kapitel 5 - Die Dame zieht nach b6
Kapitel 6 - Der Maroczy-Aufbau
(Übungen für den Teil 2)
Teil 3 - Igel-Systeme
Kapitel 7 - Zulassung des Durchbruchs - 9.Le2
Kapitel 8 - Weiß verhindert ...d6-d5 - 9.Sc2
Kapitel 9 - Der Damenausfall ...Db6
Kapitel 10 - Aufarbeitung verschiedener Igel-Strukturen
(Übungen für den Teil 3)
Teil 4 -Schwarz geht 5.f3 mit 3...Sf6 aus dem Weg
Kapitel 11 - Weiß schlägt mit: 4.dxc5
Abschnitt 1 - 4...Da5+
Abschnitt 2 - 4...Sxe4
Kapitel 12 - Das Läuferschach 4.Lb5+
Abschnitt 1 - 4...Ld7
Abschnitt 2 - 4...Sbd7
(Übungen für den Teil 4).
"Steamrolling the Sicilian" ist ein Repertoirebuch, in dem der Bauernzug 5.f3 das Kernelement des weißen Aufbaus bildet, zu dem es aber nicht in allen Fällen der von Schwarz bestimmten Fortsetzungen kommen kann. Hier ist es für den Leser, der ein Vollrepertoire erwartet, zu wissen wichtig, ob auch die "Abwege" gebührend aufgefangen sind. Dies kann ich so bestätigen; soweit der Nachziehende im Bereich der als spielbar geltenden Fortsetzungen bleibt, findet der Leser für Weiß Empfehlungen zum Fortgang. Insoweit ist das Repertoire als "rund" zu bezeichnen.
Eine besondere Erwähnung verdient der Schreibstil Kasparovs. Er findet eine Linie zwischen sachlicher Information und Erzählung, die mich persönlich anspricht. Ohne dass dies nach meinem Empfinden zu Lasten der Seriosität geht, verdingt er sich zwischendurch immer mal als Erzähler. So schildert er die Probleme des osteuropäischen Spielers, der auf Visa angewiesen ist, um innerhalb der EU an Turnieren teilnehmen zu können. Ein "leicht korruptiv angehauchtes" Ansinnen in Richtung europäischer Konsulatsmitarbeiter ist Stilelement, zum Schmunzeln anregende Episode und zugleich auch nachdenklich stimmende Wertung. An anderer Stelle beschreibt er Land und Leute, Klima und Schönheit der Bräute in fernen Regionen Russlands. Der Leser also, der nicht nur auf der Suche nach einem Repertoire ist, sondern auch auf Freiersfüßen wandelt, bekommt hier also vielleicht einen zusätzlichen und ganz heißen Tipp …!
Kasparov bemüht sich, den Leser das aufbereitete Eröffnungssystem erlernen im Sinne von verstehen zu lassen. Er erklärt gut und macht das System dadurch plausibel. In Übungen, deren Lösungen auf den letzten Seiten des Werkes zu finden sind, kann der Leser überprüfen, ob er die Inhalte verstanden hat und in einer praxisnahen Situation einzusetzen weiß.
Zum Aufbau: Die einzelnen Kapitel werden zunächst kurz allgemein eingeführt. Die Darstellung der Partien erfolgt an vollständigen Partien, die über Schlüsselzüge miteinander verbunden sind. Regelmäßig bildet eine wertende Zusammenfassung den Kapitelabschluss, bisweilen sind dort auch die schon angesprochenen Übungen zu finden.
Ein Variantenverzeichnis, ein Spieler- und ein Partienverzeichnis nehmen die letzten Buchseiten ein.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind moderat.
Fazit: "Steamrolling the Sicilian" ist ein empfehlenswertes Repertoirebuch, das vor allem dem Spieler mit Weiß gewidmet ist und diesem ein Alternativrepertoire gegen die Sizilianische Verteidigung gut aufbereitet vermittelt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The King's Gambit
John Shaw
The King's Gambit
680 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-906552-71-8
24,99 Euro
The King's Gambit
Hinter dem Buchtitel "The King's Gambit" steht ein neues Werk über das Königsgambit, das über die Zugfolge 1.e4 e5 2.f4 auf das Brett kommt. Geschrieben worden ist das Buch von John Shaw, erschienen ist es vor wenigen Wochen bei Quality Chess.
Bevor ich tiefer in die Besprechung einsteige, ist mir in diesem Fall eine kleine Vorbemerkung sehr wichtig. Das zu besprechende Werk hat eine Eröffnung zum Gegenstand, über die vor rund einem Jahr auch das Werk "Königsgambit - richtig gespielt" von Jerzy Konikowski und mir selbst auf den Markt gekommen ist. Diese Besonderheit macht mich nicht etwa voreingenommen, sondern schlicht sachkundiger. Die Leserinnen und Leser werden dies hoffentlich nach dem Lesen dieser Rezension bestätigen können.
"The King's Gambit" ist das vermutlich umfangreichste Buch zum Königsgambit, das die Welt bisher gesehen hat und das die Welt auf viele Jahre hinaus sehen wird. Es hat 680 Seiten, was an sich schon die Fülle des enthaltenen theoretischen Materials, das der Käufer mit dem Erwerb erhält, vorstellbar macht.
Struktur geben den Inhalten insgesamt 21 Kapitel, die sich den folgenden fünf Teilen zuordnen:
- Linien mit 2…exf4 3.Sf3 g5
- 2…exf4 3.Sf3 - Andere Linien
- Läufergambit (Königsläufergambit)
- Das abgelehnte Königsgambit
- Seltene Linien.
Überwiegend folgen die Erörterungen im Aufbau dem klassischen Stil eines Eröffnungsbuches, indem eine Hauptvariante das inhaltliche Rückgrat bildet, von dem die alternativen Abspiele abzweigen, sodass sich ein Variantenbaum ergibt. In Teilen aber wechselt Shaw von diesem Stil in die Methode, Partien aus der Praxis aufzureihen und diese über Schlüsselzüge miteinander zu verknüpfen, sodass die Besprechung einen roten Faden durch die Partien erhält. Dieser folgt der Leser also über eine "Urpartie" und die darin eingearbeiteten Anmerkungen, über die er ggf. dann in eine Folgepartie geleitet wird, in der eine spezielle Variante gespielt worden ist.
Mir persönlich sagt dieser flexible Aufbau zu, denn er erlaubt auch eine gewisse Gewichtung des Materials schon über den Aufbau. Wenn es beispielsweise davon nur wenig für einen Zweig der Theorie gibt, bietet sich seine Darstellung über Partien gegenüber einer künstlich wirkenden Einteilung in Haupt- und Nebenvarianten an.
Shaw erklärt viel und gut. Damit macht er seine Einschätzungen für den Spieler nachvollziehbar und inhaltlich besser erlernbar. Mir sind einige interessante Neuerungen aufgefallen, die auch dem passionierten Anhänger des Königsgambits neue Munition und auch neue Verteidigungsressourcen als Schwarzer geben können.
"The King's Gambit" lässt sich nicht eindeutig einem bestimmten Genre innerhalb der Rubrik Eröffnungsbücher zuordnen. Es ist weder durchgängig ein Repertoirebuch noch eine Monografie. Das Werk enthält von beidem etwas, zusätzlich ergänzt um Lehrbuchelemente.
In dieser Gestaltung sehe ich eine Stärke und Schwäche zugleich, abhängig vom Interesse des Lesers. Wenn dieser ausschließlich aussichtsreiche Linien und klare Empfehlungen erfahren möchte, so findet er diese Beschränkung nicht im Buch. Es enthält beispielsweise auch Abspiele, die als nicht spielbar gelten, ihren Wert aber mindestens in einer hohen Unterhaltsamkeit haben. So gibt es Zweige, deren Nachspielen ungemein Spaß machen, z.B. weil die auf dem Brett entstehenden Verwicklungen Schach pur sind, die aber eben bekannterweise bei korrektem gegnerischen Spiel nicht zum Erfolg führen.
Nicht selten bleibt offen, was Shaw in einer Variante zu spielen empfiehlt. Hier ist der Leser dann selbst gefordert, was eine ausreichende Spielstärke voraussetzt.
Verunsichern kann den Leser auch die eine oder andere Formulierung, dass Shaw eine bestimmte Variante nicht interessiert und er sie deshalb nicht behandelt. Hier wäre dann die Angabe des Grundes wünschenswert gewesen, damit man erkennen kann, ob das fehlende Interesse an einer schwachen Einschätzung der Variante oder schlicht einer persönlichen Neigung folgt.
In den Hauptlinien ist mir aber keine Bewertung aufgefallen, der ich nicht folgen könnte. Auch habe ich keine "Pflichtvariante" vermisst, "The King's Gambit" ist hinsichtlich der wichtigen Bereiche zum Königsgambit ein sehr vollständiges Buch.
Wen dürfte es besonders ansprechen und wen weniger? Ich möchte dies mit einem Vergleich ausdrücken. Wenn jemand eine Schafzucht aufmachen möchte und seine ersten Tiere ganz gezielt auf den Rat eines Händlers bauend kaufen und sich darauf beschränken will, der würde sich auf unser Thema bezogen von Shaw teilweise weniger, konkretere und eindeutigere Aussagen wünschen. Wer aber die geeignetsten Tiere selbst nach und nach ermitteln möchte, der bekommt von Shaw gleich eine ganze Schafherde geliefert.
Aus der Warte des Fernschachspielers und dann besonders auch als derjenige, der mit den schwarzen Steinen von Weiß mit dem Königsgambit überrascht wird, ist "The King's Gambit" eine ergiebige Quelle.
Auf den letzten Seiten des Buches findet der Leser zunächst ein Verzeichnis der Hauptpartien im Werk, gefolgt von einem Namensverzeichnis und dann einem Variantenverzeichnis, das ich als erfreulich detailliert bezeichnen möchte. Es hilft dem Leser sehr dabei, sich in den Weiten des Buches komfortabel zu orientieren.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an den Fremdsprachler sind aber moderat. Kenntnisse auf Schulniveau sollten grundsätzlich ausreichen, um gut mit dem Werk arbeiten zu können.
Fazit: "The King's Gambit" ist ein sehr bemerkenswertes und gelungenes Werk zum Königsgambit. Gemessen an der Fülle des angebotenen Materials dürfte es von keinem gegenwärtigen wie auch historischem Werk erreicht werden. Es ist in erster Linie eine Mischung aus Repertoirebuch und Monografie und besonders auch für den Fernschachspieler eine klare Kaufempfehlung.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Botvinnik - move by move
Cyrus Lakdawala
Botvinnik - move by move
255 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-102-7
22,50 Euro
Botvinnik - move by move
"Botvinnik - move by move" ist das inzwischen zehnte Werk, das der US-Amerikaner Cyrus Lakdawala zu dieser Buchreihe von Everyman Chess beigesteuert hat. Es setzt sich mit dem Stil Botwinniks auseinander und versucht den Leser daraus lernen zu lassen. Theoretisch und damit in Kapitel unterteilt ist das Buch wie folgt (in sinngemäßer Übersetzung aus dem Englischen):
1. Botwinniks Angriffsführung
2. Botwinniks Verteidigungsfähigkeiten
3. Das dynamische Element nutzen
4. Wie Botwinnik Ungleichgewichte in Stellungen erreicht
5. Botwinnik beim Ausbau von Stellungsvorteilen
6. Botwinniks Endspielfähigkeiten.
Basis für alle Ausführungen sind 60 vom mehrmaligen früheren Weltmeister Mikhail Botwinnik gespielte Partien, die somit den Hauptinhalt der insgesamt 398 Buchseiten ausmachen.
Wie für die gesamte Buchreihe typisch enthält die sonst überwiegend gewöhnliche Kommentierung die Besonderheit, dass sich Fragen und Aufgaben unmittelbar an den Leser richten. Dieser wird somit wie in einer Übungseinheit zwischen Schachlehrer und Schüler einbezogen und soll sich dabei konstruktiv einbringen. Die Antworten auf seine Ergebnisse findet er dann in der sich unmittelbar anschließenden Kommentierung.
Die Stärken des Werkes sehe ich vor allem in den drei folgenden Merkmalen:
1. Zahlreiche Analysen der Brettsituationen veranschaulichen dem lernenden Leser deren Technik und maßgebliche Kriterien für eine Bewertung.
2. Grundlegende Prinzipien der Spielführung werden als Regeln formuliert und dabei textlich hervorgehoben.
3. Der Leser wird zur Mitarbeit animiert, lernt dabei und kann seine Überlegungen sogleich anhand der Antworten im Buch auf ihre Richtigkeit überprüfen, wobei er einen weiteren Schritt des Lernens vollzieht.
Inhaltlich stufe ich "Botvinnik - move by move" in die Kategorie "für den fortgeschrittenen Anfänger" ein, wobei sich mein Urteil auch auf die vg. Ziffer 2 bezieht. Die vermittelten Prinzipien sind so grundlegend, dass der lernende Spieler sie in einem sehr frühen Stadium erfahren muss, wozu er dann aber doch schon etwas mehr als einfach nur regelkundig sein sollte.
Eine gewisse Diskrepanz sehe ich zwischen diesem Schwierigkeitsgrad und den nicht zu unterschätzenden Anforderungen an die englischen Sprachkenntnisse des Lesers. Wenn ich davon ausgehen darf, dass die meisten Schachfreunde noch recht jung sind, wenn sie sich in Sachen Schach im bezeichneten Lernstatus befinden, dann wird auch ihr Schulenglisch noch nicht Abschlussqualität haben und schon gar nicht werden lange Jahre der praktischen Anwendung vorliegen, beispielsweise aus beruflichen Gründen. Für den Leser ohne breite und gesicherte Englischkenntnisse können sich sowohl der breite Wortschatz inkl. der sprachtypischen Redewendungen wie auch der nicht immer einfache Satzbau zu einer gewissen Hürde entwickeln.
Fazit: "Botvinnik - move by move" ist ein gelungenes Werk. Ordentliche Englischkenntnisse sollten beim Leser vorhanden sein, wenn die Arbeit mit ihm nicht allzu mühselig werden soll.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Sacrifice and Initiative in Chess
Ivan Sokolov
Sacrifice and Initiative in Chess
255 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-431-8
24,95 Euro
Sacrifice and Initiative in Chess
"Sacrifice and Initiative in Chess" von Ivan Sokolov ist ein Buch, dem ich zutraue, den Stil eines Spielers nachhaltig ändern zu können, wenn der dies denn will. Ich traue ihm zu, den Spieler offensiver und dynamischer zu machen, wenn er intensiv damit arbeitet, längerfristig und den Stoff auch mehrfach wiederholend. Zwei Voraussetzungen sehe ich dabei: Erstens ist dafür eine bereits respektable Spielstärke erforderlich, vielleicht darf ich sie als "gutes Klubniveau" bezeichnen, zweitens aber auch die Bereitschaft, mehr Risiko in den eigenen Partien einzugehen, Material gegen andere kompensierende Werte zu investieren und auf die eigene Intuition zu setzen, wenn die konkrete Berechnung keine Klarheit herbeiführen kann.
"Sacrifice and Initiative in Chess" ist eine Neuerscheinung bei New In Chess (NIC), an der die letzten Arbeiten erst im Sommer 2013 abgeschlossen worden sind. Dies wird auch darin deutlich, dass das verwendete Material aus der Praxis teilweise sogar aus dem laufenden Jahr stammt.
Das Buch besteht aus zwei Teilen, die insgesamt 16 Kapitel beherbergen. Während es im ersten Teil um die Initiative geht, behandelt der zweite das Opfer. Beide Themen liegen eng beieinander, was Sokolov auch sehr gut darzustellen weiß.
Die im Inhaltsverzeichnis zusammengestellten Überschriften sind ziemlich aussagekräftig. Wer die daran orientierte nachfolgende Aufstellung in der Buchsprache Englisch versteht, wird auch insgesamt kaum mit erheblichen fremdsprachlichen Problemen rechnen müssen. Das Vokabular ist weitgehend auf den um Begriffe aus der Welt des Schachs ergänzten Grundwortschatz begrenzt.
Das Werk hat folgende Inhalte:
Teil 1: Initiative
Kap. 1: Ignoring the Thread
Kap. 2: Keeping the Momentum
Kap. 3: Standard Attacking Plans
Kap. 4: Pawn Breaks
Kap. 5: Sensing the Moment
Kap. 6: Developing the Attack
Kap. 7: The Fight for the Initiative
Teil 2: Sacrifice
Kap. 8: The King Chase
Kap. 9: The Castled King
Kap. 10: The Decoy Sacrifice
Kap. 11: King in the Centre
Kap. 12: The Sacrifice for Development
Kap. 13: Clearance Sacrifices
Kap. 14: Pawn Structure Sacrifices
Kap. 15: Unexpected Sacrificing Motifs
Kap. 16: Intuitive Sacrifices.
Unabhängig davon, dass "Sacrifice and Initiative in Chess" mit Schulenglisch gut zu verstehen ist, wünsche ich mir, dass das Werk bald auch in einer deutschen Übersetzung erscheinen möge. Für mich hat es das Zeug zu einem Standardwerk, das dann unabhängig von Fremdsprachkenntnissen genutzt werden könnte.
Sokolov schreibt sehr instruktiv und ist dabei auch noch recht unterhaltsam. Ein Lesebuch sollte der Käufer zwar nicht erwarten, aber doch immer mal wieder einen interessanten Einschub, der dann angenehm zu lesen ist. Es macht also auch Spaß, sich mit dem Werk zu beschäftigen, was die Motivation, mit dem Studium bei der Stange zu bleiben, nur unterstützen kann.
Die einzelnen Kapitel sind allesamt ähnlich aufgebaut. Der textlichen Einführung folgt die Darstellung des jeweiligen Stoffes anhand von Partien aus der Praxis. Abgeschlossen wird ein Kapitel von einer Zusammenstellung von Tipps, die Sokolov dem Leser gibt. Diese sind sehr konkret, können wie Merksätze behandelt werden und sind einzeln bereits auf den vorangehenden Kapitelseiten erarbeitet worden. Mir gefällt an diesen Tipps, dass sie Ideenspeicher und Checkliste zugleich sein können, ohne aber ein schablonenhaftes Spiel zu provozieren. Die Art der Behandlung schafft in meinen Augen gute Voraussetzungen dafür, dass der Leser in seinen eigenen Partien mindestens nach und nach auf das zurückgreifen wird, was er im Buch kennen gelernt und trainiert hat.
Im Unterschied zum Teil zur Initiative sind die Kapiteleinführungen im Teil zum Opfer generell länger. Sokolov nutzt sie, um die jeweiligen Opfer genau zu umschreiben. Dabei gibt er bisweilen auch einen Ausblick auf nachfolgende Praxisbeispiele. Zudem geht er auf Spieler und deren Fähigkeiten im Opferspiel bzw. glanzvolle Beispiele ein.
Zusätzlich überzeugend ist für mich, dass Sokolov "Sacrifice and Initiative in Chess" nicht wie eine Parade von Opferbeispielen gestaltet hat, sondern eine ganzheitliche Sichtweise von Initiative, Opfer und sonstigen zum Tragen gekommenen Aspekten in einer Partie vermittelt. Er stellt auch heraus, dass beispielsweise ein Opfer allein in der Regel keine Partie entscheidet. Vielmehr muss mindestens ein weiteres Angriffselement hinzutreten, häufig mehrere.
Weil man von mir weiß, dass ich eine entsprechende Erfahrung habe, werde ich hin und wieder gefragt, welches aktuelle Schachbuch als Geschenk in Betracht kommen könnte. Hieran fühlte ich mich schon recht bald nach der Aufnahme meiner Arbeit zur Vorbereitung dieser Rezension erinnert. "Sacrifice and Initiative in Chess" ist in meinen Augen ein solches Buch, das sich als "Allrounder" klassisch als Geschenk anbietet. Jeder Spieler mit einer ausreichenden Spielstärke wird damit etwas anfangen können, es wird bei jedem Beschenkten gut ankommen. Für den einen ist es ein vortreffliches Lehrbuch, für den anderen sehr qualifiziertes Trainingsmaterial.
Fazit: "Sacrifice and Initiative in Chess" ist in meinen Augen eine klare Kaufempfehlung für den Spieler mit einer Spielstärke ab gutem Klubniveau. Es hat das Zeug dazu, über ein intensives und nachhaltiges Studium den Stil in Richtung von mehr Offensive und Dynamik zu schulen und ihn so zu verändern bzw. zu entwickeln.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Kotronias on the King's Indian, Fianchetto Systems
Vassilios Kotronias
Kotronias on the King's Indian, Fianchetto Systems
720 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-906552-50-3
29,99 Euro
Kotronias on the King's Indian, Fianchetto Systems
"Kotronias on the King's Indian, Fianchetto Systems" ist ein Monumentalwerk wie Ben Hur unter den Filmen. Anders als Ben Hur aber ist dieses Buch aus der Feder von Vassilios Kotronias Teil eines Gesamtvorhabens. Nur wenn Ben Hur eine Fortsetzung bekommen hätte, wäre die Situation um den Film vergleichbar gewesen. Das Buch ist "Volume One", mindestens Volume Two sollte also noch folgen. Die "Fianchetto Systems" sind mit dieser Arbeit abschließend behandelt, unglaubliche 720 Buchseiten sind zusammengekommen.
"Kotronias on the King's Indian, Fianchetto Systems" lässt sich quasi der Grandmaster Repertoire-Serie von Quality Chess zurechnen, auch wenn dies formal nicht zutrifft. Aufbau, Stil, Outfit etc. - alles ist so wie sonst bei den Werken aus der genannten Serie.
Das Buch stellt ein Komplettrepertoire für Schwarz zusammen, sofern der Anziehende auf den gegnerischen königsindischen Aufbau mit einem Fianchetto reagiert. Natürlich sind die Ausführungen auch für den Spieler mit Weiß wertvoll, nur eben ist das Repertoire allein aus schwarzer Sicht "rund".
Die Fülle des Werkes ist erschlagend. Vermutlich gibt es nichts, was man vergeblich darin suchen könnte, sofern es nur irgendwie relevant sein mag. Einen Scherz von Jacob Aagaard aufgreifend geht Kotronias auch selbst darauf ein, indem er meint, dass es kaum jemanden auf der Erde geben wird, der sich das gesamte Repertoire wird merken können. R2-D2 könnte es vermutlich, aber der spielt kein Schach, zumindest kein Turnierschach.
So drängt sich natürlich geradezu die Frage auf, für wen "Kotronias on the King's Indian, Fianchetto Systems" das ideale Buch ist. Der wichtigste Adressat ist für mich ganz klar der Fernschachspieler. Mit ihm ist dieser bestmöglich gewappnet, egal wohin ihn der Weg in seiner eigenen Partie führt, solange denn nur das Buchsystem nicht verlassen wird.
Natürlich ist es auch für den Nahschachspieler eine unerschöpfliche Quelle. Der durchschnittliche Spieler wird genauso wie der Crack sein System bzw. seine Systeme auf den 720 Seiten vertreten sehen und dieses mit den Buchempfehlungen absichern oder verbessern können. Ist jemand auf der Suche nach neuen eigenen Repertoirevarianten, ist das Buch für ihn wie die große Wiese, auf der er die Blumen für seinen bunten Strauß finden kann. Ich kann mir allerdings absolut niemandem im Freizeitschach vorstellen, der die inhaltlichen Grenzen von "Kotronias on the King's Indian, Fianchetto Systems" auch nur annähernd ausloten könnte. Für den Nahschachbereich wird sich der Käufer eher mit demjenigen vergleichen lassen, der einen Korb Wolle braucht und sich deshalb eine Schafherde anschafft. Er wird nur wenige Tiere scheren, dabei aber diejenigen aussuchen können, die ihm die allerbeste Wolle bieten. Und sollte jemand eine Vorauswahl bestimmen, vielleicht der Tierarzt, kann unser imaginärer Wollfreund auch aus dieser "Stichprobe" wieder die besten Schafe wählen. So ähnlich geht es auch dem schwarzen Königsinder, der in seiner Repertoirefortsetzung von den Zugentscheidungen des Gegners beeinflusst wird.
Der Fernschachspieler aber, der das Buch während seiner praktischen Partie nutzen kann, erhält mit "Kotronias on the King's Indian, Fianchetto Systems" das theoretische Rundum-Sorglos-Paket.
Auf drei besondere inhaltliche Aspekte möchte ich hinweisen:
1. Mir sind zahlreiche Neuerungen aufgefallen. Kotronias ist ein ausgewiesener Kenner der Königsindischen Verteidigung. Von einem Experten erarbeitete Neuerungen rechtfertigen in meinen Augen von vornherein große Erwartungen, grundsätzlich zumindest.
2. Das Buch enthält zwar keine vollständigen Referenzpartien, wohl aber weit in die Partie führende Varianten. Dies erlaubt dem Leser nachzuvollziehen, wie sich die jeweilige Variante jenseits der Eröffnungsphase weiter entwickeln kann. Hierauf macht auch Kotronias selbst auf den ersten Seiten des Buches aufmerksam.
3. Gleich zu Beginn trifft der Leser auf 120 Übungen, die ihm über Diagramme gestellt werden. Er soll diese wie in einer Partie lösen, ggf. unter Nutzung einer Engine. Die Übungsstellungen sind allesamt dem später behandelten Stoff entnommen und erhalten keine ausdrückliche Lösung. Diese ergibt sich automatisch aus der Behandlung im betreffenden Kapitel, die Fundstelle wird jeweils angegeben.
"Kotronias on the King's Indian, Fianchetto Systems" enthält insgesamt 40 Kapitel, die neun Abschnitten zugeordnet sind. Deren Überschriften lauten auf …
- Lines without c4
- c4 without Sf3
- c4, Sf3 without Sc3 - 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.g3 Lg7 4.Lg2 0-0 5.Sf3 d6 6.0-0
- 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.g3 Lg7 4.Lg2 0-0 5.Sf3 d6 6.Sc3 Sbd7 7.0-0 e5
- 8.Dc2
- 8.e4 c6 9.h3
- 9.h3 Db6
- 10.c5!?
- Mozny Variation - 10.c5 dxc5 11.dxe5 Se8 12.e6!?.
Die einzelnen Kapitel sind so gestaltet, wie man es von den Büchern aus der Grandmaster Repertoire-Serie kennt. Ein Variantenindex gibt eine Übersicht über den im Kapitel behandelten Stoff. Dem folgt die Darstellung der Theorie, die von einer wertenden Zusammenfassung abgeschlossen wird.
Kotronias erklärt gut und viel. Auch dann, wenn Varianten bis in eine besondere Zugtiefe geführt werden, beispielsweise über den 30. Zug hinaus, muss der Leser nur selten auf eine textliche Kommentierung verzichten.
In punkto Erklärung und Kommentierung schreibe ich dem Werk eine sehr hohe Qualität zu.
Die Buchsprache ist Englisch. Von langen Texten zu Beginn vielleicht abgesehen sollte der Leser, der über Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau verfügt, keine ernsthaften Probleme beim Lesen haben.
Mit 29,99 Euro ist "Kotronias on the King's Indian, Fianchetto Systems" nicht gerade billig. Der Preis ist aber ganz sicher angemessen, wenn man sich vor Augen hält, welche Fülle an hochwertigem Material der Käufer erhält. Und teilt man den Kaufpreis durch die 720 Buchseiten, kommt man auf den Wert von etwas mehr als 4 Cent, der sogar günstig ist.
Fazit: Für die Fianchetto-Systeme im Königsinder gibt es nunmehr eine Bibel, deren Titel "Kotronias on the King's Indian, Fianchetto Systems" ist. Es ist ein unglaublich vollständiges Werk, für das der Käufer etwas in die Tasche greifen muss, dessen Kauf aber ohne eine Einschränkung empfohlen werden kann. Für den Fernschachspieler ist es die ganz besonders gut gefüllte Fundgrube.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
45 Practical Methods to Gain the Upper Hand in Chess
Valeri Bronznik und Anatoli Terekhin
45 Practical Methods to Gain the Upper Hand in Chess
254 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-434-9
24,95 Euro
45 Practical Methods to Gain the Upper Hand in Chess
"45 Practical Methods to Gain the Upper Hand in Chess" von Valeri Bronznik und Anatoli Terekhin, jüngst erschienen bei New in Chess, ist zwar eine Neuerscheinung, aber als Übersetzung des Werkes "Techniken des Positionsspiels im Schach". Wie unschwer aus dem Titel erschlossen werden kann, ist der Weg diesmal anders als gewöhnlich beschritten worden - ein im Deutschen erschienenes Buch ist ins Englische übersetzt worden. Das deutsche Werk ist 2005 vom Verlag Kania herausgebracht worden und auch noch im Handel erhältlich. Während es 22,50 Euro kostet, ist "45 Practical Methods to Gain the Upper Hand in Chess" für 24,95 Euro zu haben.
Unter Hinweis auf die online zu findenden zahlreichen Rezensionen der deutschen Ausgabe gehe ich nicht weiter auf die Inhalte des neuen Werkes ein. Das englischsprachige Inhaltsverzeichnis sieht wie folgt aus:
1: Restricting the enemy pieces
2: Create breathing space for your pieces!
3: The clash between pawn formations
4: The rook pawn - an underrated fighter
5: Techniques in the fight for an open file
6: Some aspects of piece exchanges
7: Working with the king
8: Developing and activating pieces
9: Along the diagonals
10: Other methods
11: Practical exercises.
Fazit: "45 Practical Methods to Gain the Upper Hand in Chess" dürfte auf dem deutschen Markt eher die Schachfreundinnen und Schachfreunde ansprechen, für die Deutsch nicht die Muttersprache ist und die Englisch bevorzugen. Für sie bietet sich nun also die Gelegenheit, ein in der Schachwelt anerkanntes Buch in englischer Sprache zu erhalten.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Colle - move by move
Cyrus Lakdawala
The Colle - move by move
416 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-996-9
21,95 Euro
The Colle - move by move
Das Colle-System, das "vollendet" charakterisiert wird durch eine Eröffnungsplatzierung der weißen Steine in der Form Bd4, Sg1-f3, Be3, Bc3, Sb1-d2 und Lf1-d3 nebst kurzer Rochade, löst bei mir ein Gefühl aus, das ich beispielsweise auch mit der Standardeinstellung eines PC-Programms verbinde. Diese Einstellung ist solide, sicher und für viele alternative Möglichkeiten ein gesunder Kompromiss. Zu etlichen Punkten aber ließe sich auch mehr "herauskitzeln", hier bleibt man mit dem Kompromiss unter dem Optimum.
Ungeachtet dessen kann derjenige, der sich richtig in das System unter den Standardeinstellungen "hineinfuchst", Verständnis und Erfahrung aufbauen, was ihm einen Expertenstatus verleihen und ihm für die Praxis großes Potenzial vermitteln kann.
Das Colle-System ist ein Weg, solide ins Mittelspiel zu kommen und dabei die weiten der Eröffnungstheorie im großen Stil zu vermeiden.
"The Colle - move by move" von Cyrus Lakdawala ist ein neues Werk, das die inzwischen nicht mehr nur spärliche Literatur zu dieser Eröffnungsidee ergänzt. Es hebt sich dadurch von den Mitbewerbern um die Gunst der Schachwelt ab, dass es in der "move by move"- Reihe von Everyman Chess erschienen ist und somit im Rahmen der Kommentierung auf Fragen und Übungen setzt, die dem Leser gestellt werden. Dadurch wird ein Lehrer-Schüler-Gespräch simuliert, das zugleich realitätsnah erscheinen und den Leser das System gezielter verinnerlichen lassen soll.
Für den Autor Cyrus Lakdawala, IM aus den USA, ist "The Colle - move by move" das inzwischen achte Buch, das er zur genannten Reihe von Everyman Chess beigetragen hat. Damit ist er der insoweit erfahrenste Autor überhaupt. Anders als bei früheren Werken von ihm aus dieser Reihe verzichtet er diesmal weitgehend auf Stilelemente wie Ausrufe, Überraschungsäußerungen etc., die dem Leser als imaginärem Schüler im Präsenzgespräch in den Mund gelegt werden. Persönlich finde ich dies gut, da ich früher den einen oder anderen Einwurf auch schon mal als etwas gekünstelt, aufgesetzt oder sogar albern empfunden habe. Es handelt sich aber ganz sicher um eine Sache des persönlichen Geschmacks, sodass der Leser dies ganz anders sehen mag. Zwei der wenigen Beispiele hierzu aus dem vorliegenden Werk: Auf Seite 171 kommen sie gleich als Paar vor. Sinngemäß übersetzt werden dem Leser die Fragen "Ich verstehe nicht, was die ganze Aufregung soll. Warum nicht einfach rochieren?" und "Okay, ich sehe die Idee, aber warum nicht einfach (…)?" in den Mund gelegt. Wer das Stilelement in dieser Einsatzform mag, der wird die Passage als aufgelockert geschrieben verstehen, ein anderer vielleicht als gekünstelt.
Zumindest passagenweise schätze ich die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers als etwas höher als gewöhnlich ein. Lakdawalas Wortschatz ist breit, sodass ich ein Wörterbuch Englisch/Deutsch benötigte, um weniger geläufige Begriffe nachzuschlagen. Der Leser sollte also über ein ordentliches Schulenglisch verfügen und ein Wörterbuch zur Hand haben, sofern er nicht jeweils online nach der Bedeutung von Vokabeln schauen möchte.
Lakdawala führt den Leser anhand von 58 Partien aus der Praxis in das Colle-System ein. Diese hat er in der besonderen Weise kommentiert, dass sie die wesentlichen theoretischen Aspekte herausstellen. Über die Auswahl der Partien hat er sichergestellt, dass alle Zweige, die der Leser kennen muss, wenn er sich voll in das System einarbeiten möchte, behandelt werden. Dieser erfährt somit, welches die beachtenswerten Abspiele des Systems sind und wie man sie am besten spielt. Lakdawalas Ziel ist es weniger, dem Leser Varianten vorzusetzen, die er sich einprägen sollte. Dieser soll vielmehr dabei unterstützt werden, ein grundlegendes Verständnis des Colle-Systems zu erlangen.
"The Colle - move by move" ist somit ein Lehrbuch für das Colle-System, zugleich hilft es ihm in grundlegenden Schritten dabei, ein Repertoire dazu aufzubauen. Es wäre aber überzogen, das Angebot eines Grundrepertoires vom Werk zu erwarten.
Die schon angesprochenen 58 Partien sind insgesamt 11 Kapiteln zugeordnet. Da die Überschriften der Kapitel nicht in allen Fällen genügend über den jeweiligen Inhalt aussagen, unterscheide ich sie nachstehend anhand der Initialzugfolgen.
1.) 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 e6 4.Ld3 c5 5.c3 Sc6 6.Sbd2 Ld6 7.0-0 0-0
2.) 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 e6 4.Ld3 c5 5.c3 Sbd7 6.Sbd2 Ld6 7.0-0 0-0
3.) 1.d4 Sf6 2.Sf3 b6 3.e3 Lb7 4.Ld3 c5 5.0-0 e6 6.Sbd2
4.) 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 e6 4.Ld3 c5 5.b3
5.) 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 c6 4.c4
6.) 1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 c5 4.c3 Sc6 5.dxc5
7.) 1.d4 c5 2.c3 cxd4 3.cxd4 d5 und 1.d4 c5 2.e3 cxd4 3.exd4 d5
8.) 1.d4 d5 2.Sf3 Sc6 3.e3 Lg4 4.c4
9.) 1.d4 Sf6 2.Sd2
10.) 1.d4 b6
11.) 1.d4 g6 2.e4 Lg7 3.Sf3 d6 4.c3 Sf6 5.Sbd2 0-0 6.Ld3.
Ein ordentliches Variantenverzeichnis und ein Partienverzeichnis nehmen die letzten Seiten des Buches ein.
Für den Fernschachspieler kann "The Colle - move by move" besonders auch ein ordnendes Hilfsmittel während einer praktischen Partie sein. Hier kann das Werk symbiotische Effekte im Zusammenspiel mit einer gut sortierten Partiendatenbank entwickeln.
Fazit: "The Colle - move by move" ist ein gelungenes Werk, das ich zum Kauf empfehlen kann. Gemessen am Schwierigkeitsgrad der an den Leser gerichteten Fragen und Übungen sehe ich den Käuferkreis beim fortgeschrittenen Anfänger bis zum durchschnittlichen Klubspieler.
Ich kann mir "The Colle - move by move" auch gut als Ergänzungswerk vorstellen, an der Seite mehr variantenbasierter Literatur und als Hintergrundsystem einer Partiendatenbank.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Playing the Trompowsky
Richard Pert
Playing the Trompowsky
264 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-75-0
24,99 Euro
Playing the Trompowsky
Aus einem ganz besonderen Grund beginne ich meine Rezension über "Playing the Trompowsky" von IM Richard Pert, vor wenigen Wochen bei Quality Chess erschienen, mit meinem Fazit: "Playing the Trompowsky" ist ein gelungenes Werk, das ich zum Kauf empfehlen kann. Es bietet eine breite Übersicht über die Theorie zum Trompowsky-Angriff, strukturiert das Material sehr gut und enthält eine Reihe von Neuerungen. Ergänzend zur Titeleröffnung enthält das Buch theoretische Ausführungen zu 2.Lg5 gegen Holländisch (1.d4 f5 2.Lg5) sowie zum Läuferspiel ("Pseudo-Trompowsky", 1.d4 d5 2.Lg5).
Auch wenn der Untertitel des Werkes auf "An Attacking Repertoire" lautet, geht es über die Darstellungen eines reinen Repertoirebuches hinaus.
Während meiner Arbeit mit dem Werk zur Vorbereitung der Rezension stieß ich auf die Besprechung eines Kollegen, die im Internet veröffentlicht worden ist. Der Kollege kam zu einem sehr schlechten Urteil und verglich die Ausführungen Perts mit Grimms Märchen und ließ auch die Vermutung offen, der Autor könnte bewusst Varianten vernachlässigt haben, die für den Trompowsky-Angriff als solchem nicht gut sind. Einer solchen Veröffentlichung kann man sich nicht verschließen, wenn man selbst an einer Rezension arbeitet. Deshalb habe ich in Unterbrechung des normalen Ablaufs meiner Arbeit zunächst geprüft, ob der Kollege Recht hat. Mein Ergebnis fasse ich wie folgt zusammen:
1. Der Verfasser der angesprochenen Rezension hat mehrere Varianten aufgeführt, in denen Richard Pert, aus seiner Sicht, nicht ausreichend gut gearbeitet hat. Insbesondere hat er in mehreren Fällen Alternativen zu Perts Ausführungen bezeichnet, die Stellungsverhältnisse grundsätzlich anders beurteilen lassen. In den ausgewiesenen Varianten kann ich das Urteil des Kollegen in seiner Rezension hinsichtlich der Stellung und der Variantenwahl nur bestätigen, er hat gut recherchiert.
2. Für alle genannten Varianten habe ich in meiner Datenbank zu den Schlüsselpositionen keine praktischen Partien gefunden, obwohl ich mich in diesem Punkt als gut aufgestellt betrachte. Wenn der Verfasser der Rezension nicht auf eigene Analysen zurückgegriffen haben sollte, wofür ich keine Anhaltspunkte habe, muss es andere Fundstellen geben, die Richard Pert nicht genutzt hat oder in denen er aufgrund einer anderen Ursache nicht fündig geworden sein sollte (wenn nicht der Vorwurf eines bewussten Auslassens zutreffen sollte).
3. In allen fraglichen Buchvarianten kann Pert für sich reklamieren, Engines auf seiner Seite zu haben.
Im Ergebnis gehe ich davon aus, dass der Kollege nach dem Finden der von ihm aufgeführten diskussionswürdigen Varianten das Vertrauen in "Playing the Trompowsky" schlechthin verloren hat. Dies mag begründen, dass er in seinem Urteil sehr streng geworden ist und aus meiner Sicht deutlich überzogen hat. Er mag den Vorwurf gegen sich gelten lassen müssen, nicht mehr immer die angemessenen Worte gefunden zu haben, Fehler in der eigenen Recherche muss er sich aber nicht vorwerfen lassen.
Jedes Theoriebuch enthält Fehler, über die sich, wenn sie denn erkannt werden, der Autor selbst am meisten ärgert. Ich spreche hier aus eigener Erfahrung, denn ich nehme mich und eigene Buchveröffentlichungen dabei überhaupt nicht aus. Es gehört aber gerade auch zum Wesen des Schachspiels und dabei auch seiner Theorie, dass Fehler gemacht werden, man über Einschätzungen diskutieren und unterschiedlicher Meinung sein kann. Manchmal sind Stellungen auch ganz und gar Geschmacksache.
Fehler in der Form, dass Pert die Leser seines Buches ins partieliche Verderben führt, habe ich nicht erkennen können und ein solches Ergebnis haben auch nicht die vom Kollegen aufgeführten Varianten.
"Playing the Trompowsky" ist unter den vorgenannten Aspekten ein Buch wie jedes andere. Wie immer sollte der Leser die Möglichkeit auf dem Schirm haben, dass der Autor auch mal irrt. Pert ist Autor und damit so wenig unfehlbar wie jeder andere auch.
Richard Pert unterteilt das Werk in insgesamt 13 Kapitel mit den folgenden Inhalten:
1. 2…e6 3.e4
2. 2…3.Sd2!?
3. 2…c5 3.Sc3!?
4. 2…c5 3.d5
5. 2…Se4 3.Lf4 c5 4.d5
6. 2…Se4 3.Lf4 c5 4.f3
7. 2…d5 3.Lxf6
8. 2…d5 3.e3
9. 2…Se4 3.Lf4 d5 4.e3
10. Seltene 3. Züge
11. Seltene 2. Züge
12. 2.Lg5 gegen Holländisch
13. 1.d4 d5 2.Lg5.
Wie man sieht, betreffen die Kapitel 12 und 13 nicht den Trompowsky-Angriff, sondern die beiden schon oben genannten verwandten Systeme.
Auf den letzten Buchseiten findet sich ein Variantenindex, der eine ausgezeichnete Navigation über eben die Zugfolgen erlaubt.
Die Kapitel sind in der für Quality Chess typischen Struktur aufgebaut. Sie werden von einer Variantenübersicht eingeführt, die zur Schlüsselposition um ein Diagramm ergänzt wird. Dem folgt die theoretische Behandlung in der Form eines klassischen Eröffnungsbuches, also in der Gliederung nach Varianten und Nebenvarianten und nicht anhand fortlaufend abgebildeter Partien aus der Praxis. Solche sind im Werk nicht zu finden, der Käufer erhält Theorie pur. Eine in der Regel kurze wertende Zusammenfassung schließt das Kapitel ab.
Der Gesamtheit der Kapitel vorangestellt findet der Leser eine auf jeweils wenige Sätze begrenzte charakterisierende Zusammenfassung aller in der Folge behandelten Systeme. Sie bietet ihm einen ersten Überblick und fungiert sicher auch als Appetithäppchen so wie der "Gruß aus der Küche" im Restaurant.
In der Kommentierung setzt Pert in erheblichem Umfang auf Varianten, die oft als Fragmente gespielten Partien entnommen sind. Aber auch theoretische Analysen sind bemerkenswert vertreten. Pert spielt den Trompowsky-Angriff auch selbst seit vielen Jahren. So hat er offenkundig nicht nur viel Erfahrung aufgebaut, sondern verfügt auch über eigenes praktisches Material, das gehäuft im Buch zu finden ist. Im Zusammenhang mit seinen eigenen Partien wird er über die Jahre hinweg auch etliche Analysen geschaffen haben, die Eingang in das Buch gefunden haben.
Perts Zuganmerkungen sind überwiegend taktisch geprägt, strategische Aspekte kommen weniger gehäuft zur Sprache.
Da wir gerade bei der Sprache sind: "Playing the Trompowsky" ist in Englisch geschrieben. Obwohl dies die Muttersprache des Autors ist, lässt sich gut mit dem Werk arbeiten, ohne als Fremdsprachler gehobene Fertigkeiten entwickelt zu haben. Gesichertes Schulenglisch und ein Wörterbuch, in dem der eine oder andere nicht alltägliche Begriff nachgeschaut werden kann, machen die Tür zum Verstehen auf.
Die Bibliografie ist umfangreich und enthält die wichtigsten Buchquellen, aktuelle und auch schon leicht betagte. Bei den elektronischen Medien fehlt mir der Hinweis auf die eine oder andere wichtige Partiendatenbank.
In den einzelnen Kapiteln verweist Pert recht oft auf genutzte Quellen, was ich als zusätzlichen Beleg für die intensive Feststellung des Theoriestandes ansehe.
Alles in allem überzeugt mich das Werk, weshalb ich meine Kaufempfehlung im Fazit gleich zu Beginn der Rezension als gerechtfertigt ansehe.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
A Practical White Repertoire with 1.d4 and 2.c4 - Volume 1
Alexei Kornev
A Practical White Repertoire with 1.d4 and 2.c4 - Volume 1
304 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-93-7
24,95 Euro
A Practical White Repertoire with 1.d4 and 2.c4 - Volume 1
"A Practical White Repertoire with 1.d4 and 2.c4" von GM Alexei Kornev ist der erste Teil eines Projektes, das als Trilogie vorgesehen ist. Der vorliegende Band "Volume 1 - The Complete Queen's Gambit" deckt das Damengambit ab. Die geplanten Bände 2 und 3 werden die Eröffnungen behandeln, in denen Schwarz seinen Königsläufer fianchettiert (wie vor allem im Königs- und im Grünfeldinder - Band 2) bzw. die zuletzt noch offen sind (vor allem Nimzoindisch - Band 3). Band 1 ist erschienen im bulgarischen Chess Stars-Verlag.
In seinem Vorwort erklärt Kornev, dass es nicht möglich sei, die auf 1.d2-d4 mögliche Theorie in einem Band darzustellen, und es deshalb drei Bände geben werde. Der Aussage ist zweifellos zuzustimmen, aber auch in drei Bänden wäre ein solches Vorhaben nicht zu realisieren. Wenn man aber für alle Erwiderungen auf diesen Anzug, soweit sie nicht klar minderwertig sind, ein Repertoire an die Hand geben möchte, so ist ein qualifiziertes geeignetes Konzept unerlässlich. Für den 1. Band ist ein solches Konzept in meinen Augen ganz klar erkennbar und ich halte es für überzeugend angelegt. Charakterisieren möchte ich es über die folgenden Merkmale:
- Alle maßgeblichen Zugalternativen für Schwarz werden behandelt, Züge der "2. Wahl" aber bleiben außen vor oder werden nur kurz erwähnt bzw. rudimentär besprochen.
- Bei als gleichrangig anzusehenden weißen Alternativen entscheidet sich Kornev oft für eine bestimmte Wahl und beschränkt sich im Wesentlichen auf deren Besprechung.
- Textliche Erklärungen dominieren über Analysevarianten und Partiefragmente. Auf Analyseketten verzichtet Kornev fast vollständig.
Für den Leser bringt dies vor allem die folgenden Konsequenzen mit sich:
- Er kann als Weißer kaum aus seinem Repertoire gehebelt werden, soweit Schwarz mit seinen Zügen in den anerkannten Hauptlinien bleibt. Bei diesen ist allerdings zu bedenken, dass die Klassifizierung durch Kornev subjektiven Einflüssen unterliegt und nicht immer eindeutig sein muss.
- Verlässt der Nachziehende die so definierte Hauptlinie, wird sich Weiß oft schnell in Varianten wiederfinden, die im Buch nicht behandelt werden. Hier sollten dann ggf. weitere eigene Quellen zur Verfügung stehen, insbesondere auch eine gut sortierte Partiendatenbank.
- Als Schwarzer bleibt man so lange "gespiegelt" im Repertoire, wie sich der Gegner an Linien "nach dem Geschmack" Kornevs hält. Er kann also auch dann aus dem Buch sein, wenn Weiß eine als vollwertig geltende Alternative wählt, an deren Stelle sich Kornev aber für einen anderen Zug entschieden hat.
- Im Rahmen der behandelten Zweige erhält der Leser Erklärungen, Anleitungen etc., die ich als mustergültig bezeichnen möchte. Er wird mit engagierten Texten regelrecht in das System eingewiesen. Wenn es Kornev nicht gelingt, einen Leser die Theorie verstehen zu lassen, dann gelingt es niemandem, es wird am Leser liegen.
Um die Konsequenzen für den Leser plakativ zusammenzufassen: Er erhält viel Klasse bei eingeschränkter Masse.
"A Practical White Repertoire with 1.d4 and 2.c4" ist in fünf Teile gegliedert, die sich jeweils den folgenden Eröffnungen und Zugfolgen widmen:
Teil 1: Schwarz vermeidet die Hauptlinien (1.d4 d5 2.c4 und dann 2… c5, …Lf5, …Sc6 und …e5.
Teil 2: Angenommenes Damengambit (1.d4 d5 2.c4 dxc4 3.e3)
Teil 3: Schwarz vermeidet das abgelehnte Damengambit (1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 und 3…Lb4 und andere)
Teil 4: Abgelehntes Damengambit (1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3)
Teil 5: Slawische Verteidigung (1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sc3).
Insgesamt 25 Kapitel gruppieren sich in diese fünf Teile.
Zu Beginn eines Kapitels wird die darin betrachtete Eröffnung zunächst allgemein eingeführt. Dies kann mit wenigen Worten erledigt sein, bisweilen aber geht Kornev auch recht ausführlich vor. Die ausführliche Behandlung der Theorie schließt sich unmittelbar an und wird von einer wertenden Zusammenfassung abgeschlossen. Diese ist regelmäßig sehr ausführlich und kommt in meinen Augen als erste Anlaufstelle für den Leser mit Schwarz in Betracht, wenn dieser sich auf die Suche nach geeigneten Systemen macht. Ob die im Kapitel behandelte Eröffnung für ihn etwas sein kann, wird er oft schon mit dem Lesen der Zusammenfassung recht gut einschätzen können. Es sei jedoch nochmals der Hinweis angebracht, dass "A Practical White Repertoire with 1.d4 and 2.c4" ein Repertoire für Weiß zusammenstellt und der Nachziehende nur insoweit etwas davon hat, dass sich der Gegner auch an Stellen mit grundsätzlich gleichwertigen Zugmöglichkeiten an Kornevs Empfehlungen hält.
Das Werk ist klassisch als Eröffnungsbuch aufgebaut. Eine Hauptvariante führt durch das Kapitel bzw. jeweils auch durch Abschnitte, wenn sich der Theorieweg teilt, und von ihr abweichende Züge bilden die Nebenwege. Beispielpartien sind nicht enthalten, mir persönlich fehlen sie auch nicht. Die Abbildung von vollständigen Partien hätte das Vorhaben einer Trilogie sicher auch gesprengt, wenn sie mehr als nur so eine Art Architektenpetersilie hätten sein sollen.
Schon über das Inhaltsverzeichnis findet man sich sehr gut im Werk zurecht, ein recht ordentliches Variantenverzeichnis auf den abschließenden Seiten geht noch um einiges weiter.
Kornev meint, dass sich "A Practical White Repertoire with 1.d4 and 2.c4" an Spieler jeder Spielstärke richtet, vom GM bis zum Amateur. Den absoluten Anfänger einmal ausgenommen denke ich auch, dass sich jeder Amateur gut damit rüsten kann. Das Konzept mit "viel Klasse und weniger Masse" kann sich besonders auch für den Fernschachspieler bewähren. Dieser bekommt, zumindest als Weißer, sehr intensiv ausgearbeitetes Zentralmaterial für ein Repertoire an die Hand. Tritt in der eigenen Partie der Fall ein, dass der Gegner abweicht, ist dies für ihn kein Beinbruch. Die Kernideen zur Behandlung des erreichten Eröffnungszweiges nimmt er mit, den Rest besorgen andere zur Verfügung stehende Buchquellen und die gut sortierte Partiendatenbank.
Ob auch ein GM von dem Werk profitieren kann, werde ich erst einschätzen können, wenn ich selbst GM geworden bin, also leider nie.
Die Sorgfalt in der textlichen Gestaltung ist gut. Im Vorwort findet man schon mal ein Läufersymbol, wenn ein Wort mit einem großen B beginnt. Hier wurde vermutlich mit Suchen & Ersetzen gearbeitet, um für den Läufer in der Notation, im Englischen ein B für "bishop", das ihm entsprechende Symbol einzusetzen. Ich werde immer etwas skeptisch, wenn ich so etwas sehe, weil es ein Zeichen dafür sein kann, dass es insgesamt und damit womöglich auch inhaltlich etwas an Sorgfalt gemangelt hat. Dies ist hier aber nicht der Fall. Nach meiner Feststellung aufgrund einer gezielten Suche kann ich sagen, dass die genannten Fehler kein Indiz für eine insgesamt unzureichende Sorgfalt sind. Ich verstehe zwar nicht, wie ein solcher Fehler bei der Korrekturlesung übersehen werden kann, wirklich wichtig aber ist er also nicht.
"A Practical White Repertoire with 1.d4 and 2.c4" ist in Englisch geschrieben. Wegen des erfreulich großen Umfangs der Textpassagen ist es von Vorteil, wenn der Leser über gesicherte Fremdsprachkenntnisse verfügt. Wortschatz und Satzbau stellen aber grundsätzlich keine Anforderungen, die man als besondere Hürde bezeichnen könnte.
Fazit: "A Practical White Repertoire with 1.d4 and 2.c4" ist ein sehr gutes Repertoirebuch für den Spieler, der die Theorie der behandelten Zweige auf der Basis intensiver Erläuterungen erlernen möchte. Er muss sich darauf einrichten, weniger Breite im Material vorzufinden, als er es von anderen Repertoirebüchern gewohnt sein kann. Ich empfehle den Kauf allen Spielern jenseits der reinen Anfangsgründe und weit nach oben.
Der Wert des Werkes als Teil einer Trilogie wird sich erst dann vollständig einschätzen lassen, wenn auch die beiden weiteren Bände erschienen sind.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Chess Developments: the Grünfeld
David Vigorito
Chess Developments: the Grünfeld
400 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-689-0
24,95 Euro
Chess Developments: the Grünfeld
Bei der Arbeit mit dem Buch "the Grünfeld" von David Vigorito zur Vorbereitung dieser Rezension habe ich mich an einen Experten in seinem Beruf erinnert gefühlt, dem sich permanent der Bedarf stellt, sich auf dem Stand des Wissens zu halten. Sein Fachgebiet unterliegt einer rasanten Entwicklung. Ständig gibt es Neues, wird Altes verworfen oder auch wiederbelebt. Schafft er es nicht, sowohl den Überblick zu behalten als auch sein Detailwissen zu pflegen, verliert er seinen Vorsprung als Experte.
Die Grünfeldindische Verteidigung zählt in unserer Zeit zu den wichtigsten Waffen des Nachziehenden gegen ein weißes 1.d4. Sie ist Dauergast in den Turniersälen und Thema einer Publikation nach der anderen. Der ambitionierte Spieler im oberen Leistungsbereich, der Grünfeldindisch im Repertoire hat, kommt nicht umhin, seine ständige "Fortbildung" zum System zu organisieren. Und in diesem Punkt sehe ich den größten Gewinn für den Käufer des in 2013 als Neuerscheinung bei Everyman Chess erschienenen Werkes. Er könnte alles sichten und bewerten, was sich über Partien Bemerkenswertes ergeben hat bzw. in Publikationen behandelt worden ist. Einfacher aber ist es, Vigoritos Arbeit zu nutzen.
"the Grünfeld" ist übrigens Spross der Serie "Chess Developments", was schon deutlich anzeigt, dass es sich um Entwicklungen im System kümmert.
Mit "Chess Developments - the Grünfeld" fasst Vigorito zusammen, was sich zur Grünfeldindischen Verteidigung in unseren Jahren getan hat, er kategorisiert, ordnet und bewertet die eingetretenen Entwicklungen. Der Käufer erhält damit den Honig, den Vigorito aus den Waben der Praxis und der neuen Theorie geschlagen hat.
In meinen Augen richtet sich das Werk eindeutig an den bereits fortgeschrittenen Spieler mit der Ambition, sein Knowhow zum Grünfeldinder zu erhalten und auszubauen. Ein noch wenig erfahrener Spieler wird noch keinen ausreichenden Repertoire-Unterbau haben, um von "Chess Developments - the Grünfeld" wirklich profitieren zu können. Der starke Spieler findet seine Linien, die er mit dem Werk überprüfen und entwickeln kann, und er hat auch das Auge dafür, sich qualifiziert im Repertoire neu zu orientieren.
In meiner Einschätzung irritiert mich allerdings, dass das Werk mit Symbolen arbeitet, die Schlüsselentwicklungen anzeigen, Warnungen aussprechen, Hinweise geben und mehr. Die Informationen in diesen herausgehobenen Passagen sind aber oft so banal, dass sie einem in der behandelten Theorie so qualifizierten Werk nicht würdig sind. Hierfür mal zwei Beispiele: Auf Seite 37 spricht Vigorito, in sinngemäßer Übersetzung, die Warnung aus: "Wenn man riskante Linien spielt, muss man nicht nur gut vorbereitet sein, sondern sich auch gut erinnern können." Auf Seite 45 gibt er den Hinweis: "Manchmal ist der einfachste Zug der beste." Immerhin schaden diese "Informationen" nicht, der starke Spieler kann an ihnen vorbeigehen.
Das organisatorische Rückgrat des Werkes sind 50 Partien aus der aktuellen Praxis, eine davon wurde im Fernschach gespielt. Die Kommentierung ist stark eröffnungslastig, wie es bei einer Arbeit wie dieser auch sein muss. Sie besteht ganz überwiegend aus Partiefragmenten, mit denen die jeweilige "Trägerpartie" gespickt ist. Einige davon stammen aus dem Fernschach. Die Detaillierung der Varianten geht zum Teil sehr weit, was das Werk auch für den Fernschachspieler sehr interessant macht. Gerade auch für ihn ist es eine besondere Erleichterung, denn sonst müsste er eine Fleißarbeit leisten, um aus seiner Partiendatenbank das zu filtern und zu bewerten, was für ihn relevant sein kann.
Das gesamte Material verteilt sich auf acht Kapitel mit den, in sinngemäßer Übersetzung, folgenden Überschriften:
1. Abtauschvariante: 7. Lc4
2. Abtauschvariante: 7. Le3
3. Abtauschvariante: 7. Sf3
4. Russische Variante: 4. Sf3 Lg7 5. Db3
5. Linien mit Lf4
6. Linien mit Lg5
7. Fianchetto-Variante
8. Anti-Grünfeld: 3. f3.
Die umfangreiche Bibliografie enthält ganz überwiegend zeitaktuelle Bücher. Ebenso wie bei den elektronischen Quellen ist das Wichtigste dabei.
Ein ordentliches Variantenverzeichnis und ein Partienverzeichnis gestalten den Schluss des Werkes.
Die Buchsprache ist Englisch. Da aber narrative Elemente fast vollständig fehlen, wird auch kein entsprechender Wortschatz gebraucht. Dieser beschränkt sich deshalb im Wesentlichen auf das, was üblicherweise für die Kommentierung von Schachpartien benötigt wird.
Fazit: "Chess Developments - the Grünfeld" bietet dem Leser auf 400 Seiten den Stoff, sein Repertoire zu Grünfeldindisch auf Stand zu halten oder zu bringen bzw. es zu erweitern. Das Buch ist im Wesentlichen das Ergebnis eines Sammelns und Bewertens aktueller Entwicklungen aus dieser Eröffnung, in Partien auf das Brett gekommen oder in der Analyse gefunden.
Ich empfehle das Werk dem ambitionierten fortgeschrittenen Spieler.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Chess Psychology: The Will to Win
William Stewart
Chess Psychology: The Will to Win
204 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-027-3
18,20 Euro
Chess Psychology: The Will to Win
"Chess Psychology: The Will to Win" von William Stewart ist in erster Linie ein Buch, das dem reinen Anfänger das an die Hand gibt, was in den Büchern zur Einführung in das Schachspiel zumeist nicht oder nicht wirklich umfänglich angesprochen wird: Von allgemeinen Dingen wie die Vorteilhaftigkeit einer flexiblen Spielanlage über Tipps, wie man das Schachspiel am besten studiert, bis hin zu konkreten Adressen im Internet enthält es Wissenswertes zum Schach wie ein Gemischwarenladen Regale mit den verschiedensten Waren. Mit dem, was ich mit Schach-Psychologie verbinde, hat es aber weniger zu tun. Wie ein roter Faden durchzieht es zwar der Anspruch an den Spieler, selbstbewusst und nicht hasenfüßig in die Partie zu gehen und möglichst aggressiv zu spielen, weiter ausgebaut werden die psychologischen Aspekte aber nicht. So ist der Titel für mich auch etwas irreführend. Treffender, allerdings zu lang wäre "Was Sie als Anfänger über das Schachspiel wissen sollten, aber nicht in den Regelbüchern finden."
In sinngemäßer deutscher Übersetzung enthält das Werk neun Kapitel mit den folgenden Überschriften:
1. Zum Sieg führende Schach-Psychologie
2. Erste Tipps für den Anfänger
3. Die Eröffnung dominieren
4. Das Positionsspiel beherrschen
5. Wie man Schach studiert
6. Eine Turnierstrategie für die Praxis
7. Was Schach für den Spieler sonst noch bringt
8. Schach und Beruf
9. Zusätzliche Quellen.
Das 3. Kapitel, zur Dominanz in der Eröffnung, erstreckt sich über rund 108 Seiten und nimmt dabei klar den meisten Platz ein. Es vermittelt ein Grundrepertoire für den Anfänger, das auf dem Stonewall, der Französischen Verteidigung und Slawisch (Schallopp-Variante) basiert. Auch hierbei ist die Idee erkennbar, möglichst viel Einfluss in der Eröffnung zu gewinnen und dabei dem Gegner möglichst viele Drohungen zu präsentieren, um ihn nicht zur Ruhe kommen zu lassen.
Das 9. Kapitel weist dem Leser den Weg zu weiteren Quellen im Internet, wo er Material zum Schachtraining, Online-Partiendatenbanken, Engines erreicht und Schachnachrichten findet.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse sind nicht hoch. Dies dürfte ein wichtiger Gedanke unter dem Aspekt sein, dass sich "Chess Psychology: The Will to Win" nach meiner Einschätzung an den Anfänger richtet und dieser in der Regel noch recht jung ist.
In erster Linie ist "Chess Psychology: The Will to Win" in meinen Augen ein Begleitbuch für ein Lehrwerk im klassischen Sinn. Es ergänzt die Inhalte der "reinen Schachschule" um das, was man beim alten Fuchs unter den Spielern als Erfahrung bezeichnet.
Fazit: Ein Werk mit einem roten Faden aus der Schach-Psychologie, das ich dem Anfänger empfehlen kann, der sich im "Schnellverfahren" erfahrener machen möchte. Es kann ein Anfängerbuch nicht ersetzen, aber ergänzen und insofern gut begleiten. Englische Sprachkenntnisse sind auf einem Niveau erforderlich, das ich als "gutes Schulniveau" bezeichnen möchte.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Chess Strategy - move by move
Adam Hunt
Chess Strategy - move by move
415 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-997-6
23,95 Euro
Chess Strategy - move by move
Adam Hunt, britischer IM mit Ambition auf den GM-Titel (bisher zwei erfüllte Normen) ist Autor des Buches "Chess Strategy - move by move", 2013 erschienen bei Everyman Chess. Hunt verdient seine Brötchen auch als Schachtrainer, was man dem vorliegenden Werk im positiven Sinn auch anmerkt. Es ist ein weiterer Spross in der inzwischen breiten Phalanx der Werke aus der "move by move"-Serie, für die das Merkmal gilt, dass eingestreute Fragen und Aufgaben ein zusätzliches Element der Kommentierung sind. Diese richten sich an den Leser, die jeweils darauffolgende Kommentierung gibt unmittelbar die Antwort bzw. zeigt die Lösung auf.
Ich halte "Chess Strategy - move by move" für ein wirklich gelungenes Buch. Den geborenen Käuferkreis sehe ich bei demjenigen beginnen, den man als regelfesten Anfänger bezeichnen kann, und sich bis zum mäßigen Klubspieler erstrecken. Hinzu kommen Spieler mit einer Spielstärke jenseits des beschriebenen Niveaus, die für sich ein quasi fertiges Trainingsprogramm suchen, sowie Lehrende und Trainer in Sachen Schach. Die Letztgenannten erhalten mit dem Werk einen gut strukturierten Lehrgang zur Strategie, der keiner besonderen Anpassung für den Einsatz in einer Vereinsgruppe oder Schule bedürfen sollte.
Voraussetzung aber sind Kenntnisse der Buchsprache Englisch. Auch diese aber sollten keine besondere Hürde darstellen, wenn der Leser die Fremdsprache auf Schulniveau beherrscht. Der Autor bzw. auch die Verlagsverantwortlichen scheinen darauf geachtet zu haben, dass die einzelnen Sätze nicht zu lang werden und auch der Wortschatz limitiert bleibt.
Basis aller Betrachtungen sind 113 Partien aus der Praxis, teilweise schon als historisch zu bezeichnen, teilweise aber auch in unseren Tagen gespielt. Dabei handelt es sich nicht nur um Beispiele aus der Meisterpraxis. Vielmehr finden auch Partien Einsatz, die unterhalb des Top-Levels gespielt worden, aber sehr lehrreich sind. Die meisten dieser Duelle aus der Praxis werden vollständig abgebildet, in ein paar Ausnahmen begnügt sich Hunt mit einem Fragment, das er über eine Diagrammstellung einführt.
Aus dem Fernschach ist nichts dabei, was ich als etwas schade empfinde, weil die Schachstrategie gerade auch hier von großer Bedeutung für den Erfolg ist.
Als sehr angenehm und zielführend nehme ich die eingestreuten Fragestellungen und an den Leser gerichteten Aufgabenstellungen wahr. Diese beschränken sich auf jeweils inhaltliche Aspekte und versuchen nicht zu sehr gekünstelt eine Gesprächssituation zwischen Lehrer und Schüler zu simulieren, wie ich es früher schon mal für andere Werke aus der "move by move"-Serie festgestellt habe. Der Einsatz dieses wichtigen Serienmerkmals ist also wirklich gut gelungen.
Mir aber nicht gelungen ist es, einen wesentlichen Unterschied zwischen den "Questions" (Fragen) und den "Exercises" (Aufgaben/Übungen) zu entdecken. Oft könnte man eine Aufgabenstellung in eine Frage umformulieren und ein Fragezeichen dahintersetzen, ohne dass sich für den Leser wesentlich etwas ändern würde. Und umgekehrt könnten auch die Fragen leicht in Aufgaben/Übungen "konvertiert" werden. Allzu große Bedeutung messe ich meiner Feststellung nicht bei, untergehen lassen möchte ich sie aber nicht.
Hunt hat sein Werk in die folgenden 12 Kapitel unterteilt (Titel sinngemäß ins Deutsche übersetzt):
1. Kontrolle über das Zentrum
2. Sich um den König kümmern
3. Entschlossene Entwicklung
4. Klassische Bauernstrukturen und das daraus abgeleitete Spiel
5. Löcher, Vorposten und schwache Felder
6. Die am schlechtesten stehende Figur verbessern
7. Initiative
8. Prophylaxe und übervorsichtiges Handeln
9. Stellungen bewerten
10. Gewonnene Stellungen tatsächlich gewinnen
11. Ideenreiche Verteidigung
12. Schachpsychologie und praktische Tipps.
Aus den Überschriften lässt sich jeweils das behandelte Thema gut ablesen, weshalb ich mit Ausnahme des letzten Kapitels nicht weiter darauf eingehe. Im 12. Kapitel präsentiert Hunt ein paar psychologische Erwägungen und praktische Tipps. Anders als für den unerfahrenen Spieler wird für den Fortgeschrittenen nicht viel Neues dabei sein, was meine obenstehende Verortung des Werkes zum potenziellen Käuferkreis bestätigen mag.
Überwiegend möchte ich den Mehrwert des Buches für den Leser im "Learning by Doing" ansiedeln. Hunt arbeitet nicht mit strengen Regeln etc., er zeigt auf und beschreibt, um daran orientiert bestimmte Lehren zu ziehen oder an Grundstrukturen von Stellungen bestimmte Vorgehensweisen zu orientieren. Das Prinzip "Lernen durch Beispiel nehmen" ist ein zentraler Ansatz. So wirkt "Chess Strategy - move by move" an keiner Stelle schulmeisternd, es beteiligt den Leser und animiert ihn zum Mitmachen und Lernen.
Eine umfangreiche Bibliografie am Anfang des Werkes zeigt auf, dass Hunt nach vielen Seiten sondiert hat, um eine qualifizierte Arbeit abliefern zu können. Geschrieben hat er nach seinen Worten ein Jahr an dem Buch, was ich mir gut vorstellen kann, besonders wenn man die Materialrecherche mit einbezieht.
Ein Eröffnungsindex und ein Partienverzeichnis schließen das Buch ab.
Fazit: "Chess Strategy - move by move" ist ein gutes Lehrbuch zur Schachstrategie für den regelsicheren Anfänger, ein Trainingsprogramm für den schon recht versierten Spieler und ein so gut wie fertiger Kurs für denjenigen, der als Lehrer/Trainer im Anfänger- und/oder Schülerbereich Schach lehrt. Ich kann das Werk klar empfehlen, Fremdsprachkenntnisse auf dem im Text beschriebenen Niveau vorausgesetzt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
New In Chess - Yearbook 107
Genna Sosonko (Editor)
New In Chess - Yearbook 107
256 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-421-9
29,95 Euro
New In Chess - Yearbook 107
Das NIC Yearbook 107 wartet mit Bewährtem und auch strukturell Neuem auf. Die Reihe der Jahrbücher zählt zu den wichtigsten Quellen für den Schachspieler, um sich eröffnungstheoretisch auf Stand zu halten und Neuerungen frühzeitig und in der Regel auf ihre Vor- und Nachteile abgeklopft zu erfahren. Mit vier Ausgaben im Jahr ist ein kontinuierliches Erscheinen in einer jeweils recht kurzen Frist zum Vorgängerwerk gesichert.
An die Neulinge unter den Schachspielern sei also der kurze Hinweis gegeben, dass es sich beim Jahrbuch nicht etwa um ein nur jährlich erscheinendes einmaliges Werk handelt, sondern - bezogen auf die Jahrbücher von New In Chess (NIC) - um die schon beschriebene Serie.
Zu den bewährten Inhalten zählen besonders die sogenannten Surveys, also Beiträge, die sich der Untersuchung eines Eröffnungsthemas widmen. Die Ausgabe 107 enthält hiervon insgesamt 26.
Die folgende Aufstellung gibt Auskunft darüber, aus welchem Eröffnungssystem welche Variante im jeweiligen Artikel betrachtet wird, welche Initialzüge zur Ausgangsstellung führen, wie das behandelte Thema im ECO-System verortet ist und wer sich als Autor verantwortlich zeichnet.
Ich habe darauf verzichtet, den NIC-eigenen Eröffnungsschlüssel zu verwenden, und stattdessen den ECO-Code angegeben, da dieser allgemeiner ist und verbreiteter sein dürfte. Weiterhin habe ich die Eröffnungssysteme und Varianten zwar ins Deutsche übersetzt, dabei aber grundsätzlich die ursprünglichen Namen beibehalten. Ich hoffe, dass dies den Leserinnen und Lesern eine bessere Vergleichsmöglichkeit innerhalb der Reihe der Jahrbücher eröffnet. Zum Teil sind für Varianten im deutschen Sprachraum andere bzw. weitere Namen gebräuchlich.
Das NIC Yearbook 107 enthält als Surveys:
Sizilianisch | Moskauer Variante 3.Lb5 | B52 | Tiviakov |
Sizilianisch | Ungarische Variante 4.Dd4 | B53 | Raetsky / Chetverik |
Sizilianisch | Sozin-Variante 6...Db6 | B57 | Zeller |
Sizilianisch | Rauser-Variante 6...g6 | B60 | Bosch |
Sizilianisch | Richter-Rauzer-Variante 6...Ld7 | B61 | Le Ruyet / Sochacki |
Pirc-Ufimzew | Österreichischer Angriff 7.Lc4 | B09 | Rodi |
Französisch | Tarrasch-Variante 3...Sf6 | C06 | S. Kasparov |
Caro-Kann | Panov-Angriff 5...g6 | B14 | S. Kasparov |
Caro-Kann | Vorstoßvariante 4.Le2 e6 5.Sf3 | B12 | Panczyk / Ilczuk |
Russisch | 3.Se5 Se4 | C42 | Ipatov |
Spanisch | Frühe Abweichungen nach 3...a6 4.La4 | C77 | Marin |
Italienisch | Ungarische Verteidigung 3...Le7 | C50 | Bosch |
Schottisch | Vier-Springer-Variante 5...Lb4 | C47 | Tay |
Abgelehntes Damengambit | Abtauschvariante 4...Sd5 | D35 | Finkel |
Slawisch | Chebanenko-Variante 6.c5 | D15 | Lukacs / Hazai |
Slawisch | Semislawisch 5.e3 | D45 | Antic |
Katalanisch | Angenommen 4...dc4 | E04 | Horvath / Juhasz |
Nimzoindisch | Karpov-Variante 4...b6 | E53 | Ikonnikov |
Nimzoindisch | Wiener Variante 6...h6 | D39 | Ninov |
Grünfeld-Indisch | Linie mit 3.f3 | D70 | Fogarasi |
Grünfeld-Indisch | Linie mit 4.Lg5 | D80 | Karolyi |
Königsindisch | Klassische Variante 7...ed4 | E94 | Antic |
Königsindisch | Awerbach-Variante 5.Le2, 6.Lg5 | E75 | Lemos Sarro |
Königsindisch | Adorjan-Gambit 3.f3 e5 | E60 | Adorjan / Vegh |
Benoni | Fianchetto-Variante 7.g3 | A64 | Okhotnik / Appleberry |
Englische Eröffnung | Symmetrie-Variante 4...g6 | A04/35 | Vilela |
Eine kurze textliche Einführung geleitet den Leser jeweils ins Thema, natürlich unter Darstellung der Ausgangszüge. Dabei können neben taktischen und strategischen Aspekten auch andere Dinge zur Sprache kommen, beispielsweise etwas zur Historie der Variante oder zu ihren Protagonisten. Die Buchsprache ist Englisch, mit der Unterstützung eines Wörterbuches dürften für den Leser mit Fremdsprachkenntnissen auf Schulniveau aber keine besonderen Probleme auftreten. Zudem sind die textlichen Passagen regelmäßig recht kurz. Sie werden um Partien aus der Praxis und bisweilen auch um Analysevarianten ergänzt, die aber auf der symbolischen Notation fußen und keine Sprachkenntnisse erfordern.
Neu im Bereich der Essays ist deren Ergänzung um drei Aufgaben, die dem Leser jeweils am Ende des Beitrags über eine Diagrammstellung und eine Frage zum behandelten System zur Lösung aufgegeben werden. Die Freunde von Lösungsaufgaben werden diese Ergänzung als Bereicherung empfinden. Ich persönlich halte die Aufgaben in den NIC-Jahrbüchern für entbehrlich, aber hier gilt auch eine alte Bauernregel: Was kein Gras frisst, stört auch nicht!
Welche Beiträge am interessantesten sind, lässt sich nicht verallgemeinern, da dies eine Frage ganz besonders auch der Vorlieben des Lesers und seines eigenen Repertoires ist. So möchte ich mich auf eine rein subjektive Aussage dazu beschränken, was mir aus dem einen oder anderen Grund als besonders bemerkenswert aufgefallen ist. Hier bin ich zum 1., 2. und 17. Beitrag fündig geworden.
Die im 1. Beitrag vorgestellte Spielweise ist sehr gut geeignet, den besonders tief analysierten und theoretisch vorbestimmten Wegen in der Sizilianischen Verteidigung auszuweichen. Mittels 3.Lb5 macht Weiß dem Gegner, der beispielsweise die Najdorf-Variante anstrebt, ganz früh einen Strich durch die Rechnung, ohne aber dafür den Preis zahlen zu müssen, dafür eine Stellung zweiter Klasse auf das Brett zu bekommen.
Noch verblüffender für den Nachziehenden dürfte es sein, wenn Weiß nach 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 mit 4.Dxd4 statt 4.Sxd4 antwortet. Der Buchbeitrag aus der Feder von Raetsky und Chetverik ist eine gute Basis für eigene Versuche in der praktischen Partie.
Survey Nr. 17 habe ich ausgewählt, weil sie sich einer Variante widmet, die keine besondere Aufmerksamkeit und Verbreitung gefunden hat, obwohl sie von so großen Spielern wie Karpov und Topalov angewendet worden ist. Die instruktive Darstellung von Horvath und Juhasz wird vermutlich dazu führen, dass der Variante neue und mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Wie die Autoren sicher richtig anmerken, ist die Entwicklung einer Variante oft auch eine Frage der Mode und des persönlichen Geschmacks und nicht allein die Konsequenz auf die Ergebnisse intensiver Analysen.
Im Forum, regelmäßig der erste redaktionelle Bereich des Jahrbuches, kommen die Leser zu Wort, unter ihnen auch Spieler aus der Weltspitze. Gleich zu Beginn greift Moskalenko eine Partie von Ivanchuk auf, die dieser im Londoner Kandidatenfinale spektakulär mit dem Budapester Gambit gespielt hat. Nach heißem Kampf verlor er letztendlich nach Zeit, nachdem sich sein Gegner Aronian bestens präpariert gezeigt hatte.
Das Forum ist regelmäßig und so auch diesmal die Diskussions- und Erörterungsstätte für Ideen und über Spielweisen, die in Surveys früherer Ausgaben behandelt worden sind. Die regelmäßigen Leser des Yearbooks erfahren hierüber auch neue Ideen und Erfahrungen, die andere gesammelt haben.
In "Benjamin´s Opening Takes" geht Joel Benjamin unter dem Titel "Hardcore Pawn Sacrificing" auf Bauernopfer ein, die den dynamischen Spiel des 21. Jahrhunderts unterstreichen. Ich nehme seinen Beitrag auch als Anstoß wahr, weniger materiell in der Partie vorzugehen und sich vom "Bauernzähler" zum Spieler zu entwickeln, der Material zum Gegenwert gewonnener Dynamik kalkuliert herzugeben bereit ist.
In "Kuzmin´s Harvest" widmet sich Alexey Kuzmin Eröffnungstrends aus dem Kandidatenturnier. Seine Kommentare bringt Kuzmin, den man dem Foto nach für einen Doppelgänger oder zumindest kleinen Bruder des früheren Torhüters des FC Bayern München, Oliver Kahn, halten könnte, fast ausschließlich textlich ein. Meine oben gemachte Aussage zu den Anforderungen an die Englischkenntnisse des Lesers könnte ich hier wiederholen. Also - keine Bange, es klappt schon!
Mehrere Buchbesprechungen, eine als Vorschau und die anderen als Rezension, sowie die Lösungen auf die in den Surveys gestellten Aufgaben schließen das Werk redaktionell ab.
Fazit: Das NIC Yearbook 107 ist wie immer der Teich mit den Edelfischen, aus denen sich der Spieler seinen Fang angeln kann. Anders als die Petrijünger am Ufer muss er aber nicht auf das Glück hoffen, dass sein großer Fang zum Beißen neigt, er kann einfach zugreifen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Scandinavian - move by move
Cyrus Lakdawala
The Scandinavian - move by move
400 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-009-9
22,75 Euro
The Scandinavian - move by move
Zu einem "Fließbandarbeiter" in Sachen Eröffnungsbücher entwickelt sich der US-amerikanische IM Cyrus Lakdawala. Er konzentriert sich dabei auf Themen für die Buchreihe "move by move" von Everyman Chess. In dieser Serie ist vor wenigen Wochen sein Werk zur Skandinavischen Verteidigung erschienen, das damit den vollen Titel "The Scandinavian - move by move" trägt.
Die Serie als solche dürfte den meisten Leserinnen und Lesern inzwischen ein Begriff sein. Ich beschränke mich hier deshalb auf eine kurze Beschreibung ihrer Aufbaumerkmale.
"The Scandinavian - move by move" simuliert so wie seine Vorgänger eine Präsenzlehrstunde eines Schachlehrers mit seinem Schüler. Anhand von Partien gehen beide virtuell durch den Stoff, wobei der Schüler eingestreut Fragen stellt, die der Lehrer sogleich beantwortet, bzw. dieser selbst Dinge anspricht oder Aufgaben an den Schüler richtet. Als Ergebnis erhält der Leser ein Eröffnungsbuch in die Hand, das einem Repertoirebuch ähnlich Basisvarianten bereitstellt und diese über eine spezielle Art der Kommentierung anhand von Partien verständlich vermittelt.
"The Scandinavian - move by move" konzentriert sich auf die Eröffnungszüge 1.e4 d5 2.exd5 Dxd5, auf den Zweig mit 2…Sf6 geht das Werk nicht ein. In der Folge spezialisiert Lakdawala das Vorgehen erneut, hier dann auf den Aufbau mit 3…Dd6.
Die Darstellung der Theorie ist inhaltlich sehr verständlich. Die textliche Kommentierung dominiert eindeutig über die Abbildung von Varianten. Dies unterstreicht den Anspruch des Buches, Theorie nicht nur darzustellen, sondern sie den Leser lernen zu lassen, sie ihn von Grund auf verstehen zu lassen. Ich denke, dass derjenige, der sich die Skandinavische Verteidigung unter Rückgriff auf die oben beschriebenen Pfade wirklich aneignen möchte, mit "The Scandinavian - move by move" eine gute Basis erhält.
In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage, in welchem Leistungsbereich der potenzielle Adressat des Werkes zu verorten ist. Ich sehe ihn in einem Bereich jenseits der frühen Anfangsgründe, aber noch unterhalb eines Niveaus des erfolgreichen Klubspielers. Allerdings ist das Werk hinsichtlich der Einstufung nicht ganz eindeutig für mich. Die "reine Kommentierung" dürfte in weiten Passagen auch den meisten Spielern auf Klubniveau noch auf die Sprünge helfen, der Anforderungsgrad kollidiert in meinen Augen dann aber doch bisweilen mit den schon angesprochenen Einwürfen des "virtuellen Trainers" bzw. mit den Fragen, die dem Leser über den ihn vertretenden Schüler in den Mund gelegt werden. Zumindest teilweise sind sie in ihrer Anforderung inhaltlich so niedrig, dass sie nur für einen Leser im frühen Lernstadium sprechen können. Zwei Beispiele hierzu: Auf Seite 364 beginnt Weiß die Partie mit 1.Sc3. Dies nimmt Lakdawala zum Anlass, den "Schüler" eine kurze Frage stellen zu lassen, die er mit dem Hinweis auf das Erreichen der Themaposition unter Zugumstellung in drei Halbzügen beantwortet. Diese Partie, gespielt zwischen Ekebjaerg und Van Oosterom, ist übrigens die einzige Fernpartie unter den insgesamt 54 aufgenommenen Partien.
Früh auf Seite 21 und damit in der Partie 2 möchte der Schüler wissen, ob über 1.e4 d5 nicht von Beginn an ein Grundsatz im Schach verletzt wird, indem die Dame früh ins Spiel geführt wird.
In gewisser Weise mag Lakdawala über Einwürfe dieser Art mit dem Leser spielen wollen. So fordert er beispielsweise den "Schüler" und damit den Leser in unserem ersten Beispiel auf, Ruhe zu bewahren. Inwieweit diese Wendungen als unterhaltsam und auflockernd oder als gekünstelt gesehen werden, kann nur dem Geschmack des Lesers überlassen werden. Wenn sie vor allem Spielereien sein sollen, mag ich mich in meinem Urteil zum potenziellen Käuferkreis in Nuancen irren, die Tendenz aber dürfte passen.
"The Scandinavian - move by move" ist in 10 Kapitel unterteilt, die sich jeweils den folgenden Bereichen der Themaeröffnung widmen (sinngemäß übersetzt):
1. Die Hauptlinie ohne 6. Se5
2. Die Variante mit 7. Sc4
3. Die Variante mit 7. Lf4
4. Shirovs Variante: 7. f4
5. Abweichungen im fünften Zug
6. Die Zugfolge mit einem frühen …c6
7. Skandinavisch mit 5…g6
8. Weiß verzichtet auf ein frühes d4
9. Weiß vermeidet ein frühes Sc3
10. Vermischtes.
Auf jeden Fall gehoben sind die Anforderungen an die Fremdsprache Englisch des Lesers. Dies gilt sowohl für den Wortschatz als auch für Redewendungen. Wer mit Sätzen wie "(…) Isn't this sac, to put it mildly, a bit on the rash end of the scale? (…)" und "(…) When I was in first grade I tried to pull off a scam and made "crystals" for a chemistry project, but I was outed by this bugger named Michael, who saw through it and announced: (…)" keine Probleme hat, wird auch insgesamt mit dem Werk zurechtkommen. Die Antwort auf die Frage, was dieser Michael denn nun von sich gegeben hat, möchte ich hier nicht geben, um nichts zu verraten, was dem Käufer des Buches vorbehalten bleiben sollte.
Das Variantenverzeichnis im Anschluss an die Theorieinhalte ist um Diagramme zu den Hauptabzweigen ergänzt und erlaubt ausreichend bequem die Navigation über alle Buchinhalte hinweg. Ein Partienverzeichnis schließt sich an und das Buch zugleich ab.
Vorne ist die Bibliografie zu finden, die ältere und jüngere Werke als Quellen ausweist und damit andeutet, dass Lakdawala neben der Aktualität seiner Empfehlungen auch die Berücksichtigung überlieferter und damit grundsätzlicher Aspekte wichtig war.
Fazit: "The Scandinavian - move by move" ist ein Buch, das ich dem noch aufstrebenden Spieler empfehlen kann. Er sollte über "ordentliche" englische Sprachkenntnisse verfügen. Das Werk führt sehr verständlich in den behandelten Zweig der Skandinavischen Verteidigung ein und eröffnet dem Leser zugleich ein Grundrepertoire daraus.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Grand Prix Attack
Jewgeni Sweschnikow
The Grand Prix Attack
251 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-417-2
24,95 Euro
The Grand Prix Attack
Der "Grand-Prix-Angriff" von Weiß gegen die Sizilianische Verteidigung zählt zu den wichtigsten Möglichkeiten, dem Nachziehenden in dessen Eröffnungsabsichten einen Strich durch die Rechnung zu machen. Möchte dieser eigentlich die Najdorf-Variante, den Drachen oder eine andere der populärsten sizilianischen Systeme auf das Brett bekommen, sieht er sich zumeist unerwartet einem sehr frühen f4-Degenhieb des Weißen ausgesetzt.
Solche Sonderwege in der Eröffnung haben oft den Nachteil, dass sie den zumeist gespielten Varianten qualitativ unterlegen sind. So steht dann einem Überraschungseffekt an die Adresse des Gegners und einem Spiel auf einem Terrain, das diesem nicht so geläufig sein mag, die Gefahr gegenüber, dass er doch die besten Erwiderungen kennt oder findet und so eine inhaltliche Minderwertigkeit einer Variante zu Lasten von Weiß zum Tragen kommt.
Mit seinem Werk "The Grand Prix Attack", jüngst erschienen bei New In Chess (NIC) tritt Jewgeni Sweschnikow den Beweis an, dass der Anziehende mit einem frühen f4 gegen den schwarzen Sizilianer ein vollwertiges System wählt. Sehr systematisch, zumeist wohl begründet und mit beeindruckenden Ideen im Gepäck arbeitet er diesen Abschnitt der Theorie auf und entwickelt ihn dabei auch fort.
Bevor ich in die Besprechung einsteige, wie Sweschnikow die Theorie des Grand-Prix-Angriffs darstellt, möchte ich ein paar globale Aspekte ansprechen. Sweschnikow gilt als einer der größten Eröffnungskenner unserer Zeit. Zugleich ist er bekannt dafür, dass er die Theorie an zahlreichen Stellen mit neuen Ideen zum jeweiligen System oder hinsichtlich von Varianten bereichert hat. Er ist weiter bekannt dafür, dass er dabei auch bereit ist, über den Tellerrand hinaus zu schauen und mit geltenden Tabus zur Behandlung einer Eröffnung oder Variante zu brechen. Dies macht ihn in meinen Augen zu einem Experten, der besonders unorthodox und offen mit der Theorie umgeht.
In "The Grand Prix Attack" lüftet er zunächst ein kleines Geheimnis zu seinem Eröffnungs- bzw. Schachverständnis und gibt dann einen Ausblick darauf, was er noch in Sachen Autorentätigkeit auf dem Gebiet der Sizilianischen Verteidigung vorhat. Betrachtet man nebeneinander alles, was Sweschnikow zumindest in den letzten Jahren auf dem Eröffnungsgebiet schon veröffentlicht hat (besonders auch zum geschlossenen Sizilianer mit c3), das vorliegende Werk, seinen Ausblick auf zukünftige Projekte sowie die Beschreibung seines Schachverständnisses, wird eine bemerkenswerte Logik erkennbar, ein roter Faden durch alles hinweg.
Sweschnikow folgt einer Reihe von Eröffnungsprinzipien, die er Sweschnikow-System nennt. Dieses ist nicht zu verwechseln mit nach ihm benannten konkreten Eröffnungslinien, sondern nimmt eher die Funktion eines Daches wahr. Für Weiß und für Schwarz formuliert er je vier Prinzipien, denen das Eröffnungsspiel folgen sollte. Interessant und nachvollziehbar ist dabei, dass sich diese Prinzipien leicht unterscheiden, was letztendlich auf den Anzugsvorteil von Weiß zurückgeht. An der Erfüllung dieser Prinzipien misst Sweschnikow dann auch in der Bewertung von Eröffnungslinien deren Eignung, natürlich in einer allgemeinen Betrachtung. Für mich sind diese Gedanken neu und schlüssig, ich halte diese Art der Bewertung und dabei auch die Unterscheidung nach Weiß und Schwarz für ein geeignetes Hilfsmittel auch für den Leser in seinen eigenen Vorbereitungen und in der praktischen Partie.
Die schon kurz erwähnten Projektabsichten Sweschnikows beziehen sich auf die Theorie zur Sizilianischen Verteidigung. Das vorliegende Buch wird damit auch zu einem Bestandteil einer sehr breit angelegten und sich über die Systeme erstreckenden Arbeit.
"The Grand Prix Attack" ist in zwei Teile gegliedert, die insgesamt sechs Kapitel beherbergen. Angelehnt an das Inhaltsverzeichnis und sinngemäß übersetzt behandelt Sweschnikow die Theorie wie folgt:
Teil 1 - über 2.f2-f4
Kapitel 1: Ein kurzer historischer Streifzug
Kapitel 2: Theoretischer Überblick
Teil 2 - Partienbereich
Kapitel 3: Schwarz fianchettiert seinen Königsläufer
Kapitel 4: Schwarz bereitet Gegenspiel im Zentrum vor
Kapitel 5: Grand-Prix-Angriff und andere Aufbauten mit einem Springer auf c3
Kapitel 6: Der sofortige Gegenschlag im Zentrum mit 2…d5.
Dem Leser rate ich, sich mit den im zweiten Teil behandelten Spielweisen erst zu beschäftigen, wenn er im ersten Teil das 2. Kapitel behandelt hat. Dies gilt selbst dann, wenn er sich ganz gezielt für einen bestimmten Aufbau aus dem 2. Teil interessiert. Sweschnikows Ausführungen im Kapitel "Theoretischer Überblick" sind eine hilfreiche und sicher für viele Leser notwendige Grundlage, um die späteren speziellen Inhalte bestmöglich zu verstehen.
Wie schon aus dem Inhaltsverzeichnis geschlossen werden kann, arbeitet Sweschnikow im Wesentlichen mit Partien aus der Praxis, um die Theorie zu besprechen. Er selbst hat mehr als 100 Partien zum Buchthema gespielt. Er kann also in einem weiten Umfang auf seine eigenen Erfahrungen zurückgreifen, was den Wert des Buches sogar noch unterstreichen mag. Lediglich zu einem Aufbau kann er nichts aus seiner Praxis beisteuern, was er auch begründet. Er vermeidet in seinen Eröffnungen ein bestimmtes Aufbauelement, was aber zum fraglichen Aufbau gehört.
Persönlich ziehe ich Theoriebücher vor, die klassisch aufgebaut sind und somit mit Haupt- und Nebenvarianten arbeiten, die zusammen ein stimmiges Gefüge bilden. "The Grand Prix Attack" tut mir diesen Gefallen nicht. Dennoch lässt sich auch für einen Leser mit meiner Präferenz gut mit dem Buch arbeiten, was besonders auch mit dem sehr ansprechenden Variantenverzeichnis am Schluss zusammenhängt. Es ist ansprechend detailliert und um Diagramme zu den Hauptlinien bereichert.
Die Kommentierung der Partien ist anspruchsvoll. Wenn Sweschnikow es als erforderlich ansieht, Analysen bis in eine besondere Tiefe zu führen, dann macht er es auch. Dies sehe ich für dieses Buch als angemessen an, denn schon vom behandelten System her dürfte es sich eher an den fortgeschrittenen Spieler wenden und dies dürfen dann auch die Analysen widerspiegeln. Er richtet ein besonderes Augenmerk auf strategische Aspekte. Diese gelingt es ihm so nachvollziehbar darzustellen, dass man als Leser das Gefühl bekommt, quasi Schritt für Schritt vertrauter mit dem System zu werden und es mehr und mehr zu beherrschen bzw. zu verinnerlichen. Für den Fernschachspieler ist dies geradezu ideal, denn er kann das Werk die Partie begleitend einsetzen und so besonders intensiv und unmittelbar die Theorie in die eigene Praxis umsetzen oder eben auch Varianten auf der Basis des Studiums gezielt vermeiden.
Ich empfinde es als angenehm, dass die Ausführungen in den Partien auch immer wieder mal kurze erzählerische Passagen enthalten, die das ohnehin unterhaltsame Werk noch etwas "alltagstauglicher" machen.
In einer die theoretischen Inhalte abschließenden Zusammenfassung weist Sweschnikow darauf hin, dass Weiß mit dem frühen f4 nicht den Anspruch verbinden kann, einen großen Vorteil herauszuarbeiten. Er stellt aber zugleich fest, dass Schwarz sehr energisch und akkurat spielen muss, um nicht in eine schlechtere Stellung zu kommen.
Auch für den Nachziehenden hält er Empfehlungen zur besten Erwiderung sowie zur Einleitung eines komplizierten Spiels mit Chancen für beide Seiten bereit. So ist "The Grand Prix Attack" ein Buch für Weiß und für Schwarz, für beide Seiten mit interessanten, vielversprechenden und oft auch neuen Ideen gespickt.
Die Bibliografie weist die wichtigsten Bücher und die großen Partiendatenbanken sowohl von Chessbase als auch Chess Assistant als Quellen aus.
Redaktionell abgeschlossen wird das Werk von einem Partien- und einem Spielerverzeichnis.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind durchschnittlich. Einige verwendete Begriffe waren mir fremd, nach einem kurzen Nachschlagen war das Verständnisproblem aus der Welt.
Noch eine kurze Nachbemerkung: Ich habe mich immer gefragt, woher der Grand-Prix-Angriff seinen Namen hat, war aber nie so interessiert, dass ich eine Antwort gesucht habe. Beim Studium des vorliegenden fesselnden Werkes zur Vorbereitung der Rezension hat sich dies nun endlich geändert. Die Spielweise ist nach den Wochenendturnieren benannt, die in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts in England durchgeführt wurden und in denen der Angriff eine beliebte Spielweise gewesen sein soll.
Fazit: "The Grand Prix Attack" ist ein exzellentes Buch. Ich empfehle es dem Spieler, der die Spezialwaffe des frühen f4 gegen den Sizilianer erlernen im Sinne von gründlich verstehen möchte sowie in gleicher Weise dem Spieler, der sich mit Schwarz gerade eben gegen dieses weiße Vorgehen wappnen möchte. Ein zusätzliches Motiv für den Kauf und dabei mit Blick auch auf die noch zukünftigen Projekte Sweschnikows ist der Aufbau eines Repertoires, das in dessen Augen im systematischen Sinn "rund" ist. Dass "rund" durchaus ein wenig auch abseits der Modeideen liegen kann, ist "Sweschnikow-typisch".
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Vassily Ivanchuk - 100 Selected Games
Nikolay Kalinichenko
Vassily Ivanchuk - 100 Selected Games
317 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-427-1
28,95 Euro
Vassily Ivanchuk - 100 Selected Games
"Vassily Ivanchuk - 100 Selected Games" lässt schon anhand des Titels sehr konkret auf seinen Inhalt schließen. Dieses 2013 bei New In Chess erschienene Werk ist von Nikolay Kalinichenko geschrieben worden, seines Zeichens Fernschach-GM und aktuell mit einer ELO-Zahl von 2550 in der Weltrangliste verzeichnet.
Der wesentliche Inhalt des Buches sind 100 ausgewählte Partien von Vassily Ivanchuk, der für sein ideenreiches und mutiges Spiel bekannt ist. Diese Partien sind vier Kapiteln zugeordnet, die sich der Karriere Ivanchuks in den Intervallen 1985 bis 1993, 1994 bis 2001, 2002 bis 2007 und 2008 bis 2012 anlehnen.
Die Partien sind sehr unterhaltsam kommentiert, Texte und Analysen halten einander in etwa die Waage. Eine Besonderheit liegt darin, dass Kalinichenko jede Eröffnung, die erstmals im Werk in einer Partie auftaucht, kurz charakterisiert. Diese Einführung ist immer auch für den Neuling im Schach verständlich, für ihn wird sie auch ohne Ausnahme interessant sein. Der meisterliche Spieler wird in der Regel Bekanntes lesen und die Einführung als Teil der Unterhaltung wahrnehmen können.
Einen inhaltlichen Unterschied in der Kommentierung, der darauf zurückgehen könnte, dass der Autor Fernschachspieler ist, habe ich nicht feststellen können. "Vassily Ivanchuk - 100 Selected Games" ist einfach ein sehr unterhaltsames Werk, das von einem kompetenten Autor geschrieben worden ist. So sind die Partien schon aufgrund des Genius Ivanchuks bestes Schachkino. Der "Film des Tages" ist darüber hinaus vom "Regisseur" Nikolay Kalinichenko meisterlich geschaffen worden, indem er Highlights in Ivanchuks Karriere vortrefflich in Szene setzt.
In einem Werk wie diesem darf eigentlich auch kein Porträtkapitel fehlen. "Vassily Ivanchuk - 100 Selected Games" wird deshalb auch von einem solchen Kapitel eingeleitet, betitelt ist es mit "Vassily Ivanchuk, a Portrait". In ihm steht, was man gewöhnlich in einem Porträt erwartet, also einiges zur Person des Porträtierten und Beispiele aus seinem Schaffen. Ivanchuks Karriere ist außergewöhnlich, das Porträt bringt sie dem Leser informativ und unterhaltsam aufbereitet näher.
Den Abschluss des Werkes bilden eine Auflistung der wichtigsten Turnierfolge Ivanchuks, die Grafik seiner ELO-Entwicklung, ein Partienverzeichnis, ein Eröffnungsverzeichnis mit ECO-Codes und ein Spielerverzeichnis.
Die Buchsprache ist Englisch. Mit Fremdsprachkenntnissen auf Schulniveau kommt man mit dem Werk aber bestens zurecht.
Fazit: "Vassily Ivanchuk - 100 Selected Games" ist ein vor allem sehr unterhaltsames Werk. Ich kann es dem Spieler beinahe unabhängig von einer Aussage zu seiner Spielstärke empfehlen. Darüber hinaus ist das Buch eine Einladung an den Leser, mittels des Studiums der Ivanchuk-Partien an seiner eigenen Spielstärke zu feilen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Strategic Play
Jacob Aagaard
Strategic Play
304 Seiten, gebunden
ISBN: 978-1-907982-29-3
29,99 Euro
Strategic Play
"Strategic Play" ist der dritte Band aus der Serie "Grandmaster Preparation" von Quality Chess. Mit dieser Serie und damit auch diesem Band richtet sich der Autor Jacob Aagaard an den fortgeschrittenen, den ehrgeizigen Spieler.
In seinem Vorwort denkt er darüber nach, ob der Buchtitel sauber gewählt ist. Inhaltlich treffender könnte nach seiner Einschätzung und sinngemäß übersetzt "Komplexe Stellungen" sein.
Der Leser wird schnell feststellen, dass "Strategic Play" ein sehr anspruchsvolles Buch ist und eine bereits entwickelte Spielstärke voraussetzt. Bringt er diese mit und ist er bereit, mit dem Buch konzentriert und diszipliniert zu arbeiten, wird es ihn zu einem besseren Spieler machen. Es ist ein Lehr- und Trainingsbuch zugleich.
Um zunächst allgemein zu umschreiben, welchen Aspekten des Schachspiels sich Aagaard hier widmet, ist ein Blick auf dessen Philosophie der Partie hilfreich. Für ihn ist diese eine Kette von immer wieder zu lösenden Schachaufgaben. Dem Spieler stellen sich dabei Entscheidungsbedarfe in vier Stufen. Diese klassifiziert er wie folgt (in sinngemäßer Übersetzung):
1. Entscheidungen in Situationen, in denen man weiß, was zu tun ist. Hier ordnet er beispielsweise das Zurückschlagen einer Figur und erzwungene Züge ein.
2. Einfache Entscheidungen. Hierbei geht es um Entscheidungen von geringer Tragweite, beispielsweise um die Frage, ob eine Figur mit dem Springer oder dem Läufer zurückgeschlagen werden soll, wenn es offenkundig keine besonderen Präferenzen gibt.
3. Kritische Momente. Der nächste Zug kann über Sieg, Remis oder Niederlage entscheiden.
4. Komplexe Entscheidungen. Hier lassen sich die Probleme nicht abschließend berechnen oder positionell einschätzen. Die Folgen der jetzt zu treffenden Entscheidung liegen auch jenseits des Rechenhorizontes der Engines.
"Strategic Play" befasst sich mit Stellungen, die der Ziffer 4 der vorstehenden Aufstellung zuzuordnen sind. In Unterscheidung zum "positionellen Problem", das aus der aktuellen Stellung erwächst, geht es Aagaard um das "strategische Spiel", also das planvolle Verfolgen eines weit voraus liegenden Ziels.
Mit seinem Werk will Aagaard die Fähigkeiten des Lesers vor allem hinsichtlich eines Erkennens bestimmter Stellungsmuster, der Berechnung und der Analyse schulen. Hierzu hat er fünf Kapitel integriert, die sich dem Vorwort von Surya Shekhar Ganguly und seinem eigenen anschließen. Deren Überschriften sind (sinngemäß übersetzt):
- Felder,
- Figuren,
- Prophylaxe,
- Dynamik und
- "Kampf gegen die Flut" (es ist mir nicht gelungen, eine im Sinn adäquate deutsche Übersetzung zu finden. In diesem Kapitel geht es um Inhalte, die nirgendwo sonst richtig zugeordnet werden können, das Kapitel ist also so etwas wie ein "Sammelbecken".).
Aagaard eröffnet das Thema eines Kapitels anhand von Partien und Fragmenten. Dem schließen sich jeweils Seiten mit zahlreichen Diagrammen an, die den Leser auffordern, selbst die Rolle des Spielers zu übernehmen und wie in der eigenen praktischen Partie den "richtigen" nächsten Zug zu finden. Im Anschluss an die Diagramme folgt die intensive Besprechung, anhand der der Leser überprüfen kann, ob er jeweils richtig gelegen hat, inklusive natürlich der Begründung. Alle Stellungen sind Partien der Meisterpraxis entnommen. So erfolgt die Besprechung in der Form quasi einer Partieanalyse ab dem durch die ausgehende Diagrammstellung bestimmten Zeitpunkt.
Aagaard kommentiert sehr intensiv, Textkommentare stehen dabei eindeutig im Vordergrund. Ihm liegt offensichtlich viel daran, das generelle Verständnis des Lesers zu fördern, ihn von den Besprechungen in den Einzelsituationen allgemein zugunsten seiner Spielstärke profitieren zu lassen.
Anders als die Inhalte möchte ich die Anforderungen durch die Fremdsprache Englisch als durchschnittlich bezeichnen. Der Leser mit Englischkenntnissen auf Schulniveau sollte kaum auf Probleme stoßen, die nicht mit einem unterstützenden Wörterbuch zu lösen wären. Redewendungen, die mich wie oben die Überschrift zum 5. Kapitel überfordert haben, sind mir nicht weiter aufgefallen.
Den inhaltlichen Abschluss des Werkes übernimmt ein Namensverzeichnis.
Der Rezension lag "Strategic Play" in einer anspruchsvoll gebundenen Fassung zugrunde. Mit dem Werk bekommt also auch der Buchliebhaber "richtig etwas in die Hand".
Fazit: Ein sehr qualifiziertes und anspruchsvolles Werk, das ich dem Spieler empfehlen kann, der die Anfangsgründe des Schachspiels bereits deutlich hinter sich gelassen hat. Auch für ihn, den gehobenen Vereinsspieler also, wird es überwiegend eine Herausforderung sein. Als Früchte der Arbeit locken ihn bessere Fertigkeiten im Umgang mit komplexen Stellungen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Das Schachturnier London 1851
Dr. Mario Ziegler
Das Schachturnier London 1851
555 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-944158-00-6
44,80 Euro
Das Schachturnier London 1851
Hin und wieder kommt es vor, dass man als Rezensent ein Buch in die Hand bekommt, das einem buchstäblich die Sprache verschlägt. Dies ist mir mit "Das Schachturnier London 1851" von Dr. Mario Ziegler passiert. Schon die Anbahnung der Rezension war außergewöhnlich. Der Verlag ChessCoach GbR, St. Ingbert, fragte bei mir nach, ob ich bereit sei, das Werk zu besprechen. Erst nach meiner positiven Rückmeldung wurde mir ein Exemplar übermittelt. Als es mir zugegangen war, erkannte ich die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens, denn ein Buch wie "Das Schachturnier London 1851" gibt man nicht ohne Bestätigung, dass es auf bereiten Boden trifft, kostenlos aus der Hand. Und damit bin ich wieder bei meinen einleitenden Sätzen.
"Das Schachturnier London 1851" ist ein Monumentalwerk mit Alleinstellungscharakter. Es offeriert dem Leser aus den verschiedensten Quellen gesammelte Informationen, die ihrerseits nicht alle so ohne Weiteres verfügbar sind, zum Teil aber auch unmittelbar das Ergebnis der geistigen Arbeit des Autors, Ergebnis eigener Recherchen, Analysen, Betrachtungen und Schlussfolgerungen sind. Rund 550 Buchseiten sind an sich schon ein Beleg dafür, dass hier ein Schwergewicht auf den Markt gekommen ist, was nicht physikalisch gemeint ist.
Aber womit kann man über ein einziges Schachturnier, das zudem vor über 150 Jahren ausgetragen worden ist, ein Buch füllen, das dann auch noch packend geschrieben ist und den Leser nicht mit langweiligen Details in Anspruch nimmt? Werfen wir zur Klärung dieser Frage mal einen Blick auf die wesentlichen Inhalte.
Man vergisst allzu leicht, dass die Welt vor rund 150 Jahren völlig anders aussah als heute, politisch, weltanschaulich, gesellschaftlich, aus der Warte der Wissenschaft etc. Das Schachspiel als solches und auch die Organisation von Wettkampfveranstaltungen sind davon nicht zu lösen. Was bedeutete es für die damalige Zeit, ein internationales Turnier wie jenes 1851 in London auszutragen, was bedeutete dies auch für die Teilnehmer? Dem Schachspiel mangelte es noch an einer Vereinheitlichung der Regeln, das Turnier in London war ein Meilenstein zur Ausräumung dieses Defizits. Europa sah politisch sehr viel anders aus als heute; Armut und Reichtum, Mann oder Frau und weitere Umstände, die den Menschen in die Wiege gelegt waren, bestimmten viel mehr als heute das Leben und die eigenen Möglichkeiten, diese Faktoren beschnitten oder förderten die eigenen Potenziale. Unter diesen Maßgaben lässt sich schon eher ermessen, mit welchem Ehrgeiz, welchem Enthusiasmus und Aufwand es verbunden gewesen sein muss, ein Turnier mit dem Ziel auszutragen, den weltbesten Schachspieler zu ermitteln.
Nachdem er seine Quellen beschrieben hat, zeichnet Dr. Ziegler, soweit es für das Werk relevant ist, ein Bild von "Europa um 1850". Auf wenigen Seiten gelingt es ihm, den Leser historisch einzuführen und so vorzubereiten, dass er die auf das Schachspiel bezogenen Aspekte besser einordnen kann. Dem schließt sich der Abschnitt "Die Vorbereitung des Turniers" an, dessen Inhalte ein wenig auch Bindeglied zwischen der allgemeinen geschichtlichen Betrachtung und der Fokussierung auf das Turnier "London 1851" sind. Die politischen Verhältnisse und die Lebensumstände der Menschen spielen auch hier eine wichtige Rolle. Wer sich noch heute von den Geschichtsbüchern aus der Schulzeit abgeschreckt fühlt, kann hier aufatmen. Mit diesen haben die Ausführungen Dr. Zieglers nichts gemein, er lehrt oder doziert nicht, er informiert und unterhält zugleich.
Über die "Chronologie dies Turniers" führt der Weg durch das Werk zum Abschnitt "Die Teilnehmer". In alphabetischer Reihenfolge und mit Adolf Anderssen beginnend ist jedem Teilnehmer ein Porträt gewidmet. Zu manchen Spielern fällt es länger aus, bisweilen aber müssen auch wenige Zeilen genügen, wenn nicht viel über den Betreffenden bekannt geworden oder überliefert ist. Besonders viel Stoff gibt es über Howard Staunton zu lesen, der aufgrund seiner Persönlichkeit, wie sie sich heute darstellt, sicher auch der schillerndste Schachspieler der damaligen Zeit war. Die Porträts aller Spieler waren für mich in der Vorbereitung dieser Rezension so fesselnd, dass ich das Buch fast nicht aus der Hand legen mochte. Einiges war mir, wenn auch nur bruchstückhaft, bekannt, das meiste aber komplett neu. Mit den Porträts öffnet Dr. Ziegler ein Fenster, das den Blick natürlich besonders auf die Spieler, aber auch auf viel Zeitgenössisches frei macht. Absolut empfehlenswert!
Den Hauptteil des Werkes machen die damals gespielten Partien aus. Eingebettet in den "Turnierverlauf" werden sie Runde für Runde abgebildet. Die Runden musste Dr. Ziegler teilweise rekonstruieren, was ihm widerspruchsfrei gelungen ist.
Die Partien sind nicht etwa unkommentiert oder auf damalige Anmerkungen reduziert abgebildet, sie sind durch den Jungbrunnen gegangen. Dr. Ziegler hat alle Partien unter dem Einsatz von Rybka (Version 3) und Houdini (Version 1.5a) nach heutigen Maßstäben analysiert und entsprechend modern kommentiert. Er ist selbst ein erfahrener Spieler und anerkannter Trainer sowie Autor verschiedener Schachbücher. Unter seiner Lupe kommen in den historischen Partien beeindruckende Glanzlichter zum Vorschein, aber auch fatale Fehler. Überlieferte Kommentierungselemente sind teilweise erhalten geblieben, die Urheber und Fundstellen werden in Fußnoten angegeben.
Wie auch Herbert Bastian, der Präsident des Deutschen Schachbundes, in seinem Vorwort anmerkt, ist die Analyse historischer Partien unter Einsatz moderner Engines ein sehr interessanter Ansatz. Nun könnte man fragen, welchen Wert diese neu und modern analysierten und kommentierten Partien für den Leser haben sollen. Diese Skepsis ließe sich ergänzen um den Hinweis, dass sich das Schachspiel entwickelt hat und heute anders als früher gespielt wird.
Ich denke, dass die allermeisten Klubspieler auch heute noch viel lernen können von beispielsweise einem Adolf Anderssen, der das Turnier London 1851 gewann und uns allen durch seine "unsterbliche Partie" bekannt ist, und die allermeisten würden von ihm auch heute noch in der Partie aufs Kreuz gelegt.
Der Partienteil von "Das Schachturnier London 1851" ist ein Schmuckstück und gehört in die Hand jedes passionierten Schachspielers!
Das Werk schließt mit einem Abschnitt "Nach dem Turnier", der sich u.a. mit einer Herausforderung Stauntons an Anderssen und den Reaktionen der Schachwelt auf die Veranstaltung befasst, mit einer "Bewertung des Turniers" als Fazit, einer Eröffnungsübersicht, Statistiken und Verzeichnissen sowie ein paar Zeilen über den Autor.
"Das Schachturnier London 1851" geizt nicht mit Fußnoten, im Gegenteil. Diese geben dem Buch optisch einen wissenschaftlichen Anstrich, der ihm sicherlich auch gebührt. Dr. Ziegler arbeitet sehr genau und transparent, er bezeichnet im Einzelnen seine Quellen, gibt vertiefende Infos und bildet übersetzte Texte in ihrer Originalfassung und damit ursprünglichen Sprache ab.
In den Fußnoten habe ich Zeichen gefunden, die ich zunächst als Hinweis auf Zeichensatzfehler interpretierte. So findet man Kreuze, Kreuze mit zwei Querstrichen, das Paragrafenzeichen und mehr an Stellen, wo man Ziffern erwartet. Wie ich vom Autor auf Anfrage erfuhr, handelt es sich aber in Quellen verwendete Originalsymbole. Dr. Ziegler hat somit aus Gründen der Authentizität und wissenschaftlich exakt an diesen Stellen auf die heute gebräuchlichen Ziffern verzichtet und sich der damaligen Zeichen bedient.
Wie der vorstehenden Passage zu entnehmen ist, habe ich mich mit verschiedenen Fragen an den Autor gewendet, um meine Rezension mit Angaben abrunden zu können, die ich hinsichtlich des Gesamtwerkes für wichtig halte und anderweitig nicht erlangen konnte. Im Folgenden fließen die hierüber gewonnenen Kenntnisse ein.
Wie kommt man auf die (grundlegende) Idee, in die Recherche zum Schachturnier 1851 einzutreten und ein Buch darüber zu schreiben und wie viel Zeit von der Recherche bis zur Fertigstellung des Manuskriptes mag für ein solches Monumentalwerk ins Land ziehen? Bei Dr. Ziegler war es die Suche als Schachtrainer nach Schulungsstoff für seine Schüler, der diese nicht überfordert, die ihn im Jahr 2010 auf die Idee für das Werk brachte. Dabei richtete er seinen Blick auf "klassisches Material", weil er überzeugt ist, dass die Werke moderner Großmeister die Lernenden völlig überfordern. Als er dann merkte, dass ihm als Historiker die seltene Gelegenheit winkte, Neuland zu betreten, nahmen die Dinge ihren Lauf.
Worin sieht der Autor eines solchen Werkes den größten Wert seiner Arbeit (historische Sicherung, Ausräumung von Fehlern in der "Geschichtsschreibung", Bindeglied der Schachfertigkeiten damals und heute etc.)?
"Das Schachturnier London 1851" leistet einen wichtigen Beitrag auf dem Gebiet der Grundlagenarbeit, indem es den rekonstruierten authentischen Verlauf der Partien zeigt. Daran mangelte es bis dahin, in den verbreiteten Datenbanken hat Dr. Ziegler mehrere Fehler entdeckt.
Das Werk ist weiterhin der Versuch, als Bindeglied die Schachfertigkeiten damals und heute in eine Beziehung zu setzen, Unterschiede plausibel zu machen. Der Autor folgt dabei der Linie, auf der Basis der Partieverläufe im Turnier London 1851 die Leistungen der damaligen Weltspitze zu bewerten, indem er sie in den Kontext der "Theorie" um die Mitte des 19. Jahrhunderts stellt. Hier sieht er noch viel Bedarf auf weitere Forschungen, denn bei dem Schritt, die Leistungen der Spieler in den Kontext der damaligen Theorie zu setzen, müsste der seinerzeitige Theoriestand noch anhand der damaligen Publikationen ermittelt werden. So wäre es "eine sehr wichtige Aufgabe, z.B. Partien aus der (Deutschen) Schachzeitung, dem Chess Players Chronicle, der Régénce usw. elektronisch zu erfassen, um künftige schachhistorische Arbeiten auf eine vernünftige Quellengrundlage zu stellen." Auch wenn dieser Aufwand bisher von niemandem geleistet worden ist, liefert "Das Schachturnier London 1851" wichtige erste Ansätze zur Lösung der Problematik und kann auch als Aufschlag für weitere Arbeiten verstanden werden.
Es gibt Dinge, die dem Autor zum Werk zu sagen wichtig sind, ohne dass sie ausdrücklich im Werk stehen. Danach geht "Das Schachturnier London 1851" der Frage nach, inwieweit das Turnier einen Einfluss auf das Schachleben in Europa hatte, auch wenn es tieferer Analysen bedarf, um eine detaillierte Betrachtung zu erlauben. Auch die Vereinnahmung des Ereignisses in der nationalen Wahrnehmung in Deutschland und England wäre eine umfassendere Untersuchung wert. Nach der Aussage Dr. Zieglers wurde ihm bei der Arbeit an dem Buch zum ersten Mal klar, wie sehr die Erforschung der Schachgeschichte noch in den Kinderschuhen steckt und wie verzerrt unser Bild vom Schach im 19. Jahrhundert (und vermutlich noch mehr in der Zeit davor) ist.
"Das Schachturnier London 1851" ist mindestens ein erster und damit wichtiger und großer Schritt auf dem Weg, die Schachgeschichte, und dies im Kontext zum staatlichen und gesellschaftlichen Umfeld, zu erhellen. Es ist das Werk, auf dem zukünftige Arbeiten zum Thema fußen können, auf das zukünftige Forscher bauen können.
Fazit: "Das Schachturnier London 1851" ist in meinen Augen nicht nur ein exzellentes, sondern auch ein ungemein wichtiges Werk. Es befasst sich mit den Wurzeln unserer Art, Schach zu spielen, und stellt eine Brücke von damals nach heute dar. Das Werk ist Geschichtsschreibung, Wissenschaft und natürlich Schachpublikation auf höchstem Niveau. Der Preis von 44,80 Euro ist völlig angemessen.
"Das Schachturnier London 1851" ist zudem Anwärter, jedem Schachspieler als Geschenk eine große Freude zu machen. Und wer sich das Buch nicht selbst kaufen möchte, kann es sich ebenfalls schenken lassen.
Ich wünsche dem Werk, dass es die gerechte Anerkennung durch die Schachwelt bekommen und den Erfolg ernten möge, der ihm zweifelsohne gebührt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma ChessCoach GbR (www.verlag-chesscoach.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Dreev vs. the Benoni
Alexey Dreev
Dreev vs. the Benoni
268 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-92-0
24,95 Euro
Dreev vs. the Benoni
Der Buchtitel "Dreev vs. the Benoni" ist in seiner Art ungewöhnlich für ein Repertoirebuch, scheint er doch eher das Vorliegen einer Partiensammlung oder etwas aus der Richtung einer Biografie anzudeuten. Dieses im bulgarischen Chess Stars-Verlag erschienene Werk aus der Feder eben von Alexey Dreev ist aber genau das, die Zusammenstellung eines Repertoires für Weiß gegen den schwarzen Benoni-Aufbau. Der Autor, als Spieler, Kenner der Eröffnungstheorie und Autor hoch geschätzt, folgt dabei dem roten Faden, dass der Nachziehende nicht viele Wahlmöglichkeiten in seinen Zügen haben soll und ihm ein aktives Gegenspiel möglichst verwehrt wird. Dreev erklärt, dass er alle beachtenswerten schwarzen Alternativen berücksichtigt und in zahlreichen Fällen vielversprechende Neuerungen vorschlägt.
Treffender hätte der Buchtitel "… vs. the Modern Benoni" lauten können, denn im Kern geht es um das über 1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 e6 4.Sc3 exd5 5.cxd5 d6 eingeleitete System. Alt-Benoni, auch als Tschechisches Benoni bezeichnet und über die Folge 1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 e5 eingeleitet, behandelt Dreev nur in einem Mindestmaß und zur Abrundung des Repertoires, weil er das System als zu passiv und Weiß eine lange Initiative einräumend ansieht. Ohne inhaltlich widersprechen zu können, sei aber der Hinweis erlaubt, dass sich "Dreev vs. the Benoni" an Weiß richtet und er den Nachziehenden nicht daran hindern kann, sein Spiel eher positionell und passiv anzulegen. Dreevs Vorgehen ist nachvollziehbar, seine Begründung aber vielleicht nicht so ganz.
Das Werk gliedert sich in drei Teile. Zunächst werden verschiedene Zugfolgen untersucht, über die Weiß am besten zur angestrebten Ausgangsstellung kommt. Im zweiten Teil behandelt Dreev die Theorie nach deren Erreichen und im dritten geht es um Alt-Benoni/Tschechisches Benoni sowie die Zugfolge 1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 d6 4.Sc3 g6, deren Namen Dreev mit Hromadka-System angibt, der mir aber so nicht geläufig ist.
"Dreev vs. the Benoni" ist klassisch als Eröffnungsbuch aufgebaut. Als Hauptlinien eingestufte Varianten bilden das Rückgrat jedes Kapitels, Nebenlinien in der Form von Partiefragmenten und Analysen zweigen entsprechend ab. Vollständige Partien sind nicht abgebildet, Dreev vermittelt dem Käufer somit rund 260 Seiten "Theorie pur". Sie erstreckt sich über insgesamt 16 Kapitel, von denen drei auf den ersten, elf auf den zweiten und weitere zwei auf den dritten Teil entfallen.
Das Inhaltsverzeichnis führt die Eingangszugfolgen der Kapitel auf, es hat das folgende Gesicht.
1) 2...e6 3.Sf3 c5 4.d5 d6; 4...exd5 5.cxd5 b5; 5...d6 6.Sc3 ohne 6...g6 und 6...a6
2) 2...e6 3.Sf3 c5 4.d5 exd5 5.cxd5 d6 6.Sc3 g6; 6...a6
3) 2...c5 3.d5 e6 4.Sc3 exd5 5.cxd5 Ld6
4) seltene Züge; 9...b6; 9...Ld7; 9...Sa6
5) 9...Te8 10.0-0 c4 11.Lxc4
6) 9...Te8 10.0-0 c4 11.Lc2
7) 9...a6 10.a4 h6; 10...Dc7; 10...Sh5; 10...Sfd7; 10...Te8
8) 9...a6 10.a4 Sbd7
9) 9...b5 10.Lxb5 Sxe4 11.Sxe4 Da5+ 12.Sfd2 Dxb5 13.Sxd6 Da6 14.S2c4 Td8
10) 9...b5 10.Lxb5 Sxe4 11.Sxe4 Da5+ 12.Sfd2 Dxb5 13.Sxd6 Da6 14.S2c4 Sd7 15.0-0 Se5
11) 9...b5 10.Lxb5 Sxe4 11.Sxe4 Da5+ 12.Sfd2 Dxb5 13.Sxd6 Da6 14.S2c4 Sd7 15.0-0 Sb6
12) 9...b5 10.Sxb5 Sxe4
13) 9...b5 10.Sxb5 Te8 11.Sd2
14) 9...b5 10.Sxb5 Te8 11.0-0
15) 3...e5 4.Sc3 d6 5.e4 Le7; 5...Sbd7
16) 3...e5 4.Sc3 d6 5.e4 g6; 3...d6 4.Sc3 g6 5.e4 Lg7 6.Ld3 0-0.
Im Material nach Dreevs Schwerpunktsetzung habe ich keine Lücken feststellen können. Ein Benoni-Kenner bin ich nicht, aber der Vergleich mit anderen Veröffentlichungen lässt keinerlei fehlende Hauptlinien offenbar werden. Nicht nur insoweit sondern auch hinsichtlich der abgebildeten Neuerungen stimmt Dreevs oben schon zitierte Erklärung. Dabei fällt auf - und dies mehr als in vielen vergleichbaren Werken -, dass "Dreev vs. the Benoni" sehr viele Analysen enthält, die offenkundig vom Autor selbst entwickelt worden sind. Von den Hauptvarianten abweichende Linien sind also oft Analysen und nicht nur Fragmente von Partien. Handelt es sich aber doch um solche, stammen sie zumeist aus dem Spitzenschach und wurden in unserer Zeit gespielt. Der Theoriestand lässt sich eindeutig als aktuell bezeichnen, auch wenn es kein Quellenverzeichnis gibt, das Anhaltspunkte geben könnte.
Dreev lässt den Leser, von nicht allzu bedeutenden Nebenlinien abgesehen, nicht im Unklaren, warum er eine Zugempfehlung ausspricht oder eine Warnung gibt. So sind schlichte Aussagen wie "Weiß steht etwas besser" eher selten anzutreffen.
Auffällig ist, dass kein Material aus dem Fernschach referenziert wird. Ich müsste die Stellen trotz Suchens schon übersehen haben, wenn es doch wenige Hinweise geben sollte.
Das Stichwortverzeichnis auf den letzten Seiten des Buches ist erfreulich detailliert und erlaubt ein komfortables Navigieren über alle Inhalte hinweg.
Die Buchsprache ist Englisch, die Manuskriptsprache dürfte Russisch gewesen sein. Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse sind nicht hoch, mit Kenntnissen auf Schulniveau kommt der Leser gut aus.
Fazit: "Dreev vs. the Benoni" ist ein sehr gutes Repertoirebuch, geschrieben aus der Sicht von Weiß und konzentriert auf Modernes Benoni. Unter diesem Hinweis ist es eine klare Kaufempfehlung und dies auch für den Fernschachspieler, der mit möglichst einer einzigen Buchquelle in die eigene Partie gehen möchte.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Kramnik - move by move
Cyrus Lakdawala
Kramnik - move by move
408 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-991-4
25,95 Euro
Kramnik - move by move
Mit "Kramnik - move by move" legt Cyrus Lakdawala bereits sein siebtes Werk aus der inzwischen sehr bekannten und etablierten "move by move"-Serie von Everyman Chess vor. Deren Markenzeichen ist eine Besonderheit in der Kommentierung. Es werden Fragen bzw. Aufgaben in hoher Zahl eingestreut, die vom Leser zu beantworten oder zu lösen sind. In der Simulation eines Lehrer-Schüler-Gespräches werden sie dem "virtuellen Schachlehrer" in den Mund gelegt. Der Idee der Serie folgend gibt sich Lakdawala mit jedem Einwurf eine Steilvorlage für die eigene Kommentierung - seine Fragen und die von ihm gestellten Aufgaben greift er jeweils sofort im Anschluss in seiner Kommentierung auf.
Basis aller Erörterungen sind 59 von Kramnik gespielte Partien, die Lakdawala auf dessen bekannte besondere Stärken untersucht. Dementsprechend hat er diese Beispiele sechs Kapiteln mit den, in sinngemäßer Übersetzung, folgenden Überschriften zugeordnet:
- Kramniks Angriffsführung
- Kramnik in der Verteidigung
- Nutzung der dynamischen Elemente
- Ungleichgewichte herausarbeiten
- Vorteile ausbauen
- Kramniks Endspielführung.
Die jeweils spezifisch betrachtete Fähigkeit wird schon aus der Kapitelüberschrift deutlich.
Im Kern handelt es sich bei "Kramnik - move by move" um eine Kramnik-Partiensammlung, wobei eine Kategorisierung nach seinen Stärken vorgenommen worden ist und die Kommentierung sich besonders auf genau diese richtet. Dementsprechend dürfte auch bereits die Auswahl der Beispiele von diesen Schwerpunkten beherrscht worden sein.
Hinter der Buchserie und auch diesem Band steckt die Überlegung, dass der Leser quasi unter Anleitung lernt, maßgeblich beeinflusst von der Spielstärke des Ex-Weltmeisters und den Hinweisen etc. des Autors. Die fortdauernde Einbeziehung des Lesers durch die an ihn gerichteten Fragen und Aufgaben werden dabei auch ein "learning by doing" unterstützen.
"Kramnik - move by move" ist aber nicht schlicht als Lehrbuch besonderer Art interessant, sondern auch als Sammlung qualifiziert und unterhaltsam kommentierter Partien auf Weltniveau. Es kommt auch der Leser zu seinem Gewinn, für den das Nachspielen von Partien feinste Freizeitunterhaltung ist.
"Kramnik - move by move" ist dem Standard von Everyman Chess entsprechend auch als eBook erhältlich, was die Nutzung des Werkes am Bildschirm ermöglicht.
Die Buchsprache ist Englisch, der verwendete Wortschatz ist durchaus als breit einzustufen. Mit einem Wörterbuch zur Hand sollte das Buch aber mit Fremdsprachkenntnissen auf Schulniveau ohne große Probleme genutzt werden können.
Fazit: Ein empfehlenswertes Buch mit 408 Seiten zum Thema, das dem lernwilligen Leser qualifiziertes Schulungsmaterial vermittelt und dem Freund kommentierter Partien Unterhaltung für zahlreiche Abende am Schachbrett.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Soviet Middlegame Technique
Peter Romanovsky
Soviet Middlegame Technique
416 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-48-4
23,99 Euro
Soviet Middlegame Technique
Für mich umgeben neu aufgelegte Klassiker unter den Büchern eine ganz besondere Aura. Voraussetzung ist natürlich, dass die Neuauflage einerseits den historischen Glanz bewahrt und andererseits modernen Qualitätsansprüchen gerecht wird. Für Schachbücher gilt dies nicht minder als bei Werken aus anderem Genre. Wenn diese Bücher dann noch aus dem Raum der früheren Sowjetunion kommen, im Westen deshalb kaum bekannt bzw. nicht verfügbar waren, wird die Auflage des Klassikers der Neuauflage eines Werkes sehr ähnlich. Diesen Büchern misst man leicht eine hohe Bedeutung innerhalb der sowjetischen Schachschule bei, die eine Jahrzehnte lange Vormachtstellung der Spielerinnen und Spieler aus der Sowjetunion erreicht hat.
"Soviet Middlegame Technique" von Peter Romanovsky ist eine Neuauflage aus dem Hause Quality Chess, die ich mit einer eher bibliophilen Erwartung denn mit dem Glauben in die Hand genommen habe, dass es sich als Lehrbuch zum Schachspiel in die Reihe der besten modernen seiner Art katapultieren könnte. Trotz einer viele Jahre währenden Freude an Schachbüchern war mir von der Existenz des Ursprungswerkes in russischer Sprache nichts bekannt. Dies aber ist nicht allein auf den früheren eisernen Vorhang zurückzuführen, sondern auch auf die Besonderheit, dass "Soviet Middlegame Technique" - soweit es die englischsprachige Literatur betrifft - ein aus zwei einzelnen Büchern zusammengefasstes Werk, somit quasi ein Sammelband ist.
Peter Romanovsky war Meister der Sowjetunion, also ein Spieler mit hoher Reputation. Schon im Jahre 1929 veröffentlichte er eine ursprüngliche Version seines Mittelspielführers. In 1942 schloss er die Arbeit zur Aktualisierung und Verbesserung seines Werkes ab, sein Manuskript ging aber im 2. Weltkrieg unter. Er erschaffte es deshalb neu, in 1960 schloss er seine Arbeit ab. Im englischen Sprachraum wurde es in zwei Einzelbänden veröffentlicht, einem zur Planung und einem zur Kombination.
In der Neuausgabe von Quality Chess findet der Leser zwei Teile, die jeweils einem früheren Band entsprechen. In ihnen stellt Romanovsky Mittelspieltheorie vor, die dem erfahrenen Spieler wohlbekannt ist, aber anders aufbereitet und dargestellt. Beispiele aus der Praxis sind solche von den alten Meistern Steinitz, Capablanca, Aljechin und vielen weiteren. Auch diese Partien und Fragmente kennt man aus anderen Veröffentlichungen. So liegt der Reiz von "Soviet Middlegame Technique" kaum im Neuen selbst, sondern in der Zusammenstellung, der Aufbereitung und der Wertung. Der Teil des Buches, der sich mit der Planung befasst, geht beispielsweise auf Basiskonzepte, schwache Punkte und offene Linien ein, während jener zur Kombination zunächst klärt, was eine solche überhaupt ist, bevor er über Ideen und Techniken etc. zur Denkweise des Spielers während der Partie kommt.
In einer anderen Rezension habe ich den Hinweis gelesen, dass eine heutige Engineüberprüfung von Varianten und Analysen im Werk wohl zahlreiche Ungenauigkeiten und Fehler aufzeigen dürfte. Dem wird sicher zuzustimmen sein, aber dies gilt für alle historischen Lehrbücher. Darauf möchte ich deshalb auch nicht den Schwerpunkt setzen, denn nicht die Unfehlbarkeit konkreter Analyseketten ist Thema des Werkes, sondern die Darstellung von Methoden, Techniken etc. Diese behalten ihren Wert, selbst wenn ihre konkrete Anwendung im Zuge der Berechnung den einen oder anderen Fehler enthält.
"Soviet Middlegame Technique" ist auch in unserer Zeit ein Lehrbuch, das wie auch die Bücher von Tarrasch, Nimzowitsch, Spielmann und einigen anderen den Spieler zu einer Hebung der Spielstärke führen wird.
"Soviet Middlegame Technique" ist nett geschrieben, es vermag somit durchaus auch zu unterhalten. Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse sind moderat, sie dürften mit "Englisch auf Schulniveau" bewältigt werden können. Die technische Verarbeitungsqualität ist wie bei allen Büchern von Quality Chess hoch.
So ist es erfreulich, dass mit dem vorgestellten Werk ein weiterer Klassiker auf dem Schachsektor den Wiedereintritt in den Markt geschafft hat.
Fazit: "Soviet Middlegame Technique" ist ein interessantes und schulendes Werk. Ich empfehle es dem am Lernen interessierten Leser ebenso wie dem Sammler. Mit ihm bekommt man etwas ins Regal, wofür man in früheren Zeiten viel Aufwand betrieben hätte, um es zu erlangen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The World Champions I Knew
Genna Sosonko
The World Champions I Knew
238 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-418-9
24,95 Euro
The World Champions I Knew
"The World Champions I Knew", 2013 bei New In Chess erschienen, ist eine Sammlung von Essays von Genna Sosonko, die früher schon in verschiedenen anderen Publikationen ihre Erstveröffentlichung gefunden haben. In insgesamt neun Texten schreibt er über die sieben früheren Schachweltmeister Capablanca, Aljechin, Euwe, Botwinnik, Smyslov, Tal und Petrosjan. Die fünf letztgenannten Meister kannte Sosonko persönlich, teilweise verbanden ihn enge Beziehungen mit ihnen. Dementsprechend erfährt der Leser vieles, was er bisher nirgends zu lesen bekam, die früheren Veröffentlichungen dieser Texte einmal ausgenommen. Mit einem großen Anteil kommen auch sehr persönliche Dinge, z.B. Erinnerungen an Gespräche, an das Licht der interessierten Schachöffentlichkeit, ohne aber dass das Werk an irgendeiner Stelle ein voyeuristisches Gefühl hinterlassen könnte. Meine Aussage kann ich auf mindestens ein Drittel des gesamten Buches beziehen, denn diesen Anteil habe ich zur Vorbereitung dieser Rezension daraus gelesen. Auch gilt sie für alle Texte, denn keiner ist meiner Betrachtung entkommen, die kürzeren habe ich zudem vollständig gelesen.
In den Essays geht es um Schach, Turniere, Begebenheiten darum herum, Meinungen und ganz viel um Dinge, die dem Leser ein Bild vom Menschen vermitteln, der hinter dem steht, was uns als Schachweltmeister ein Begriff ist.
Langeweile habe ich an keiner Stelle empfunden und so werde ich meine Lektüre fortsetzen, auch ohne die Zweckbestimmung der Verwendung in der Rezension.
Allein die Reminiszenz an Michail Tal mit dem Titel "A Name as a Gunshot", sinngemäß also "Ein Name wie ein Gewehrschuss", hätte ich mir etwas kürzer vorstellen können. Allerdings ist es auch genau dieser Text, der mir - neben jenem zu Smyslov ("Death, Where Is The Sting?", sinngemäß übersetzt "Tod, wo ist dein Stachel?") - am meisten das Gefühl vermittelt hat, Zeuge ganz persönlicher Momente zu werden.
Weiter eingehen möchte ich auf den Beitrag über Max Euwe ("The Professor", eine Übersetzung erübrigt sich). Mein Bild von ihm hat sich durch Sosonkos Werk erweitert. Dessen großes Lebenswerk als Spieler, als Funktionär bis hin zum FIDE-Präsidenten und als Mensch wird ausgezeichnet beleuchtet. Vorgänge, die schon ihre Markierung in der Schachgeschichte hinterlassen haben, beispielsweise die beinahe endlosen Streitereien um mit Bobby Fischer auf der Funktionärsbühne, bekommen eine zusätzliche Note. Scharfsinn und politisches Geschick, ein unbeugsames Festhalten an fundamentalen Grundsätzen und ein hohes Maß an Menschlichkeit im Verhalten zählen zu den Wesenszügen, die Sosonko sehr gut herauszuarbeiten versteht.
"The World Champions I Knew" ist in Englisch verfasst, mehrfach in direkter Übersetzung aus dem Russischen und einmal über den Umweg Holländisch. Der verwendete Wortschatz ist immens breit. Auch stellen sprachenspezifische Redewendungen nicht selten besondere Anforderungen an den fremdsprachigen Leser. So kann ich sagen, dass mich das Werk bemerkenswert gefordert hat. Der Leser sollte über gute Sprachkenntnisse verfügen oder aber die Geduld mitbringen, sich vermutlich zäh und recht mühsam mit einem oft benötigten Wörterbuch durch die Texte zu bewegen.
Fazit: Eine interessante Sammlung von Essays für den auch schachhistorisch interessierten Leser mit guten Fremdsprachkenntnissen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Grandmaster Repertoire - The Modern Benoni
Marian Petrov
Grandmaster Repertoire - The Modern Benoni
304 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-59-0
24,99 Euro
Grandmaster Repertoire - The Modern Benoni
Die Moderne Benoni-Verteidigung, die außerhalb von Zugumstellungen über die Folge 1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 e6 auf dem Brett entsteht, ist der Gegenstand des 12. Bandes aus der Grandmaster-Repertoire-Serie von Quality Chess. Sein Verfasser Marian Petrov, GM aus Bulgarien, greift selbst seit rd. 10 Jahren in seinen Partien auf die Verteidigung zurück. Er verfügt damit über viel Erfahrung zum System und einige Neuerungen, von denen es insgesamt bemerkenswert viele im Werk gibt, dürften auch seiner Vorbereitung und Analyse als Turnierspieler entstammen. "The Modern Benoni", wie der Titel korrekt in der Buchsprache Englisch lautet, ist eine Neuerscheinung aus 2013.
Ich habe inzwischen etliche Rezensionen über Bücher aus der Grandmaster Repertoire-Serie geschrieben und nehme jeden neuen Band gerne in die Hand, weil immer auch die Hoffnung und die Erwartung mitschwingen, dass dieser die hohe Qualität seiner Vorgänger bestätigen möge. "The Modern Benoni" hält, was es als Glied der herausragenden Eröffnungsreihe verspricht.
Im Vergleich zu anderen Bänden sind mir hier zwei erwähnenswerte Unterschiede aufgefallen. So ist "The Modern Benoni" ein Repertoirebuch für Schwarz, es dürfte aber mehr als andere Werke dieses Genres auch sehr gut für den mit weiß spielenden Gegner geeignet sein. Gewöhnlich ist es so, dass sich der Autor eines Repertoirebuches, der sich einer der beiden Seiten zuwendet, gewöhnlich auf eine bestimmte Zugmöglichkeit festlegt, wenn sich in einer Stellung mehrere Alternativen ergeben. Ausnahmen gibt es eher dann für Situationen, in denen sich gleich gute Züge anbieten. Petrov aber handelt nach dem Prinzip, den Leser entscheiden zu lassen, in welche Abzweigung er sich begeben möchte. Regelmäßig empfiehlt er zwar eine bestimmte Fortsetzung, gibt dann aber auch andere zur Wahl an, z.B. wenn diese ein interessantes Spiel versprechen oder einem in einer bestimmten Weise veranlagten Spieler eher entsprechen. Ich denke, dass dieses Vorgehen die Möglichkeiten eines Autors gut nutzt, der ein Repertoirebuch über eine Eröffnung wie die Moderne Benoni-Verteidigung schreibt, deren Theoriebreite mehr Spielraum für ein solches Vorgehen als viele andere Systeme lässt.
Weiter im Vergleich mit anderen Bänden aus der Serie lässt sich feststellen, dass Petrov weniger über Hintergründe etc. von einzelnen Zügen oder Zugfolgen erklärt und auch die Gründe, warum er eine Stellung in der einen oder anderen Richtung bewertet, zumeist nicht angibt. Da die Benoni-Verteidigung weniger eine Eröffnung für den Anfänger am Brett ist, dürfte der entsprechend fortgeschrittene Spieler zumeist selbst die Einschätzung Petrovs hinterfragen und bewerten können.
Varianten und Partiefragmente, die mit einem Schachzeichen zur Stellungsbewertung oder mit einem kurzen verbalen Statement enden, nehmen nach meiner Einschätzung einen breiteren Raum als in den meisten Vorgängerbänden der Serie ein.
Der Rückentext verspricht Hunderte von Neuerungen. Ich habe sie nicht gezählt, kann aber - wie vorne kurz schon angedeutet - bestätigen, dass viele Züge mit dem "magischen N" gekennzeichnet sind. Diese Neuerungen durchziehen die sowohl von Petrov als solche geadelten Hauptlinien als auch die Nebenwege.
Wie alle Bänder der Grandmaster Repertoire-Serie ist "The Modern Benoni" klassisch als Eröffnungsbuch aufgebaut. Es unterscheidet in Haupt- und Nebenvarianten, wobei es sich bei den Hauptlinien sowohl um Analysewege als auch um Partiefragmente aus der Praxis handeln kann.
Beispielpartien enthält das Werk nicht, es bietet dem Leser "Theorie pur" an.
Das Material ist in insgesamt 21 Kapitel untergliedert. Diese wiederum teilen sich auf drei übergeordnete Abschnitte auf, "f4 systems", "e4 systems" und "Lines without e4". In der bewährten Weise der Buchserie wird ein Abspiel zu Beginn des Kapitels mit seiner Variantenübersicht kurz eingeleitet, wobei Schlüsselstellungen mittels Diagramm und Verweis auf den späteren Darstellungsort hervorgehoben werden. Wesentliche allgemeine Gedanken zur Variante sind zu Beginn der theoretischen Behandlung zu finden, sofern Petrov diese als geboten ansieht. Eine kurze wertende Zusammenfassung schließt das Kapitel ab.
Petrov bedient sich der dezimalen Gliederungsform, wobei er die Ziffern nicht durch Punkte trennt. In seltenen Fällen kann sie bis in die sechste Stelle führen und damit akademische Ausmaße annehmen, was unterstreichen mag, in welche Tiefe der Autor seine Darstellungen treibt, wenn es denn die betreffende Variante hergibt.
Das für die Serie bekannt qualifizierte Variantenverzeichnis am Ende des Werkes gibt dem Leser Übersicht über alle Kapitel und Inhalte und erlaubt ihm die komfortabele Navigation.
Das Quellenverzeichnis enthält die wichtigsten Theoriewerke zum Thema, es bestätigt auch die Nutzung der aktuellen Literatur.
Im Werk werden auch zahlreiche Fernschachpartien referenziert, die zumeist mit "e-mail" bezeichnet werden. Dies ist aber eher "elektronisch" zu verstehen, da ich auch Serverpartien darunter identifizieren konnte. Auch Beispiele deutscher Spieler sind zu finden. Ich kann nicht zuordnen, aus welcher Quelle diese Partien stammen dürften. So nehme ich an, dass Petrov auch Partiendatenbanken genutzt hat, die nicht ins Quellenverzeichnis aufgenommen worden sind.
Die Englisch-Fremdsprachkenntnisse des Lesers sollten zumindest ein gutes Schulniveau aufweisen, um das Werk ausreichend gut verstehen zu können.
Fazit: Von mir gibt es eine ganz klare Kaufempfehlung für das Werk!
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
the dark knight system
James Schuyler
the dark knight system
224 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-995-2
19,95 Euro
the dark knight system
Mit "the dark knight system" stellt der Autor James Schuyler, FIDE-Meister aus den USA, ein Komplettrepertoire für Schwarz auf der Basis von 1…Sc6 vor. Unabhängig davon, was Weiß seinem Gegenüber im 1. Zug präsentiert: "the dark knight system" gibt dem Leser das Material an die Hand, das ihm die aussichtsreichsten Wege aufzeigen soll, mit 1…Sc6 zu antworten.
Eine frühe Entwicklung des Damespringers ist alles andere als ungewöhnlich, sie kommt in vielen Eröffnungen vor. Allein der Aufzug als Standardwaffe und dies idealtypisch im ersten Zug ist etwas Besonderes. So lässt sich auch feststellen, dass das Spiel oft in bekannte Eröffnungen übergeht. In diesem Wissen kann Schwarz ergänzend zu 1…Sc6 greifen, um bestimmten Eröffnungen bzw. Varianten aus dem Weg zu gehen, um über Zugumstellungen in angestrebte Gewässer zu gelangen. Schuyler hat in seinem Buch, das 2013 bei Everyman Chess erschienen ist, insgesamt 100 kommentierte Partien aufgenommen. Sie ergänzen seine theoretischen Ausführungen und veranschaulichen die praktische Behandlung der von ihm gezeigten Stellungsbilder. 52 dieser Partien führen nicht über 1…Sc6, sondern werden erst durch Zugumstellungen mit einer nachgehenden Entwicklung des Damespringers für das Werk relevant.
Wie gut oder wie kritisch ist 1…Sc6 denn nun in einer wertenden Betrachtung? Das lässt sich in einer Rezension über "the dark knight system" nicht beantworten. Beispiele für alternative Einschätzungen:
- Auf 1.e4 führt 1…Sc6 in die Nimzowitsch-Verteidigung, in der Weiß eine klare Option auf vorteilhaftes Spiel erhält. Schuyler berücksichtigt allerdings an verschiedenen Stellen neue Wege für Schwarz, die auch neue Chancen beinhalten. So schlägt er auf 1.e4 Sc6 2.d4 e5 3.dxe5 Sxe5 4.f4 Sc6 5.Lc4 den Zug 5...Sf6 vor, gesehen in der Partie Shytaj-Godena, Italien 2008.
- Auf 1.Sc3 kann 1…Sc6 nicht schlecht sein und wird als vollwertige Alternative Beachtung finden können.
- Wenn über 1…Sc6 unter Zugumstellung für Schwarz gute Stellungen erreicht werden, die sonst über einen späteren Aufzug des Damespringers auf das Brett kommen, kann 1…Sc6 bei Betrachtung dieses Mehrzügers keine Achillesverse sein.
Schuyler spielt 1…Sc6 aus allen Lagen. Der Leser muss ihm insoweit aber nicht folgen und diesen Zug unabhängig vom weißen Anzug wählen. Erscheint ihm der Springerzug auf eine bestimmte weiße Eröffnung als suspekt, z.B. auf 1.e4, dann verzichtet er eben darauf und hält ihn als Pfeil auf andere weiße Züge im Köcher. Er kann sich problemlos selektiv die Teile des Werkes zu Eigen machen, in denen er 1…Sc6 vertraut. Er bestimmt also den Nutzen jedes Teiles des Werkes für sich selbst.
Schuyler stützt seine Empfehlungen allein auf Linien, die er mit der Engine überprüft hat (Houdini). So ist gesichert, dass er in allen Fällen den Computer auf seiner Seite hat. Auch ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass er für Weiß und für Schwarz Züge berücksichtigt, die auch der Gegner in der praktischen Partie des Lesers spielen wird, sofern sich dieser ähnlich vorbereitet oder verhält (besonders auch im Fernschach). Schuyler erklärt, dass die besten Züge in den Varianten nach 1…Sc6 oft bisher in der Praxis nicht gespielt worden sind. Wenn er recht hat und für manche Varianten ein eher kritisches statistisches Bild zur Erfolgsaussicht zu Buche steht, muss dies nicht bedeutend sein. Es wäre dann nach seiner Lesart die Folge der oft suboptimalen Zugwahl von Schwarz in der Praxis.
Schuyler hat sein Werk klassisch als Eröffnungsbuch aufgebaut. Die theoretischen Ausführungen folgen Hauptvarianten, die damit auch die Darstellung der Abweichungen gliedern. Den drei Teilen (Section One: 1.d4 Sc6, Section Two: 1.e4 Sc6, Section Three: Others) mit insgesamt 10 Kapiteln schließt sich der Partienteil mit den schon erwähnten 100 Beispielpartien an.
Ein ausführliches Variantenverzeichnis und ein Partienverzeichnis nehmen die letzten Seiten für sich in Anspruch.
Die Buchsprache ist Englisch. Der Leser sollte über gesicherte Fremdsprachkenntnisse verfügen, um ohne große Probleme den Ausführungen folgen zu können.
Fazit: Ich gebe eine Kaufempfehlung für "the dark knight system" ab. Auf welchen weißen Anfangszug der Nachziehende mit 1…Sc6 antworten möchte, ist ihm selbst überlassen. So kann er sich auf die Inhalte konzentrieren, in denen er dem "Systemzug" vertraut.
Außerhalb von Normalschach und Fernschach und insbesondere für das Blitzschach wird der Leser alle Inhalte des Werkes für sich nutzen können. Dies gilt mindestens bis zum Clubniveau.
Nach oben ist der Fantasie keine Grenzen gesetzt und wird maßgeblich auch von der Spielstärke des Lesers beeinflusst.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Fighting Chess - move by move
Colin Crouch
Fighting Chess - move by move
296 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-993-8
23,75 Euro
Fighting Chess - move by move
In "Fighting Chess" aus der Serie "move by move" von Everyman Chess geht der Autor IM Colin Crouch in erster Linie der Frage nach, was das Spiel der weltbesten Schachspieler von anderen mit der Folge unterscheidet, dass sie fast nie verlieren bzw. mehr Siege als andere Akteure im Spitzenschach einfahren. Er widmet sein Interesse somit den Fähigkeiten der Top-Großmeister, die jene der Konkurrenz übertreffen.
Nach seiner Erkenntnis machen die Spieler der Weltelite kaum Fehler, und dies selbst dann, wenn sich eine Partie hochverwickelt auf des Messers Schneide befindet. Wenn sich Crouch mit dieser Feststellung begnügen würde, wäre dies für ein Werk wie "Fighting Chess" ein bisschen wenig. Macht er aber auch nicht. Er geht weiter in die Tiefe, indem er prüft, welche Fähigkeiten es konkret sind, über die die Spitzenspieler verfügen und das Beste aus jeder Stellung herausholen lassen. Seine Ergebnisse breitet er vor dem Leser aus, um ihn zur Förderung der eigenen Spielstärke von den Fähigkeiten der Weltbesten profitieren zu lassen.
Crouch hat 27 im Jahr 2012 im Spitzenschach gespielte Partien zur Grundlage des Buches gemacht (WM-Finale, Zürich und Tal-Memorial in Moskau). Für die meisten Leser dürfte "Fighting Chess" eine Sammlung von Partien sein, die sehr ausführlich und unter Beachtung des Prüfinteresses, unter dem das Buch steht, kommentiert worden sind. Auch wenn das Werk in der "move by move"-Reihe erschienen ist und somit grundsätzlich der Linie eines Gespräches zwischen einem Schachlehrer und seinem Schüler folgt, ist dies in diesem Fall nicht wirklich prägend. Das Stilmittel wird zwar eingesetzt, aber nicht in der sonst für Bücher dieser Serie gewohnten Intensität. Ich sehe mich eher an Werke erinnert, die nach dem Prinzip "der Leser ist am Zug" geschrieben worden sind. Die Kommentierung der Partien wird nämlich durch textlich hervorgehobene Fragestellungen unterbrochen, die sich eben an den Leser richten. Die sogleich fortgesetzte Kommentierung gibt die Antwort, bevor sie dann wieder auf neue Aspekte eingeht. Kritisch betrachtet könnten die meisten Fragestellungen auch fehlen, ohne dass der Leser in der Kommentierung einen Bruch feststellen würde. Er wird somit - eben nach dem og. Prinzip - in die Zugpflicht genommen und muss sich zunächst selbst Gedanken zu dem machen, was der Autor dann gleich darauf thematisieren wird.
Ich möchte deshalb als Zwischenfazit feststellen, dass "Fighting Chess" für mich in erster Linie eine Sammlung sehr qualifizierter Partien ist, allesamt im Spitzenschach gespielt und höchst aktuell. Die Kommentierung legt einen Schwerpunkt auf die Frage, worin in den jeweiligen Entscheidungen der Spitzenspieler in den Partiesituationen besondere Fähigkeiten zum Tragen kommen.
Den Käufer erwartet keine einem wissenschaftlichen Gutachten ähnliche Darstellung, auch wenn Crouch einem gewissermaßen analytischen Interesse folgen mag. Das Werk ist im Gegenteil auch unterhaltsam gestaltet, wozu nicht zuletzt eher narrative Textpassagen beitragen.
So möchte ich ein zweites Zwischenfazit ziehen und "Fighting Chess" als unterhaltsame Darstellung der angewandten Schachstrategie und -taktik bezeichnen.
Die Buchsprache ist Englisch. Der Leser sollte nach meiner Einschätzung über recht gesicherte Fremdsprachkenntnisse verfügen, wenn er denn alles gut verstehen möchte.
Fazit: "Fighting Chess" ist ein eher untypisches Buch aus der "move by move"-Reihe von Everyman Chess. Ich empfehle es in erster Linie demjenigen zum Kauf, der seine Freude an qualifiziert kommentierten Partien hat und begleitend hinsichtlich seiner strategischen und taktischen Fähigkeiten profitieren möchte.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Mastering Complex Endgames
Daniel Naroditsky
Mastering Complex Endgames
304 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-405-9
28,95 Euro
Mastering Complex Endgames
Schaut man auf die Rückseite des Buches "Mastering Complex Endgames" kommt man zunächst auf den Gedanken, der Autor habe dort ein Foto seines Sohnes eingesetzt. Wenige Augenblicke später und um die Infos aus ein paar Zeilen des Rückentextes schlauer weiß man es besser. Das Bild zeigt den Autor selbst. Daniel Naroditsky wandelt erst seit 1995 auf der Welt. Und "Mastering Complex Endgames" ist nicht sein Erstlingswerk, sondern die Nummer 2 in einer hoffentlich langen Autorenkarriere. Der U12-Weltmeister von 2007 ist inzwischen IM und bastelt an der Komplettierung seiner GM-Normen.
Dass gute Schachbücher keine Frage des Alters ihrer Verfasser sind, demonstriert Naroditsky mit "Mastering Complex Endgames" auf beeindruckende Weise.
Wie der Titel dieses in 2012 bei New In Chess erschienenen Werkes treffend aussagt, geht es in diesem darum, komplexe Endspiele zu beherrschen. Aber was sind komplexe Endspiele? Naroditsky definiert sie gleich am Anfang seiner Ausführungen als - in sinngemäßer Übersetzung - "Stellungen, in denen keine der beiden Seiten allein aufgrund erlernter Endspieltheorie und allgemeinen Regeln weiterkommt, um die richtigen Ideen zu finden". Gewöhnlich befindet sich noch "recht viel Holz" auf dem Brett. Wenn man Grenzlinien ziehen möchte, so beginnen komplexe Endspiele irgendwo in einem Bereich des Übergangs vom Mittelspiel zum Endspiel, wo die "Endspieltechnik" noch nicht greift, die Partie aber den Charakter des Mittelspiels aber doch schon erkennbar verloren hat. Ein kleiner Hinweis besonders an den Fernschachspieler: Eine Schnittmenge aus komplexen Endspielen und Inhalten der Tablebases gibt es nicht.
"Mastering Complex Endgames" beinhaltet sechs Kapitel mit den folgenden Überschriften, wiederum sinngemäß übersetzt:
Kapitel 1: Was sind komplexe Endspiele?
Kapitel 2: Turmendspiele
Kapitel 3: Turm und Leichtfigur/en gegen Turm und Leichtfigur/en
Kapitel 4: Damenendspiele
Kapitel 5: Dame und Leichtfigur/en gegen Dame und Leichtfigur/en
Kapitel 6: Zusammenfassung.
Die Kapitel von 2 bis 5 enthalten weitere Gliederungen entsprechend verschiedener Materialkonstellationen. Das 6. Kapitel erfüllt auch den Zweck einer Rekapitulation der Inhalte zur Vertiefung im Gedächtnis. Hier werden die Schwerpunktthemen der Kapitel zuvor, "Schwächen, Freibauern, passive gegen aktive Verteidigung, tiefe Berechnung, Königsaktivität", noch einmal aufgegriffen und durchgegangen.
Beim Betrachten der Kapitelüberschriften kann sich der Eindruck ergeben, "Mastering Complex Endgames" füge sich schlicht in die Reihe der zahlreichen Endspielbücher ein, die der Markt hergibt. Dieser trügt jedoch. Ich möchte dieses Werk mit dem Fernlicht beim Auto vergleichen, das dem Fahrer einen Teil der vor ihm liegenden Strecke ausleuchtet, den das Abblendlicht noch nicht erreicht.
Für die Arbeit mit diesem Buch habe ich mir viel Zeit gelassen. Erwartet oder geplant hatte ich dies nicht, es war einfach die Folge der Erfahrungen, die ich von Beginn an mit ihm gemacht habe. Es ist sehr erfrischend geschrieben, sodass es Spaß macht, sich mit ihm zu beschäftigen. Hinzu kommt das Gespür für einen Mehrwert für die eigene Spielstärke, den es vermittelt. Naroditsky stellt für die Ausgangsstellung einer Betrachtung die jeweiligen Stellungsmerkmale fest und leitet daraus den Plan für das weitere Vorgehen ab. Oft zeigt er daneben auf, wie man die Stellung auch verderben könnte. Die Analysen sowohl der Ausgangsstellungen als auch der sich anschließenden Phasen sind so gut nachvollziehbar, dass dieses Vorgehen fast schon einfach wirkt. "Mastering Complex Endgames" hat das Zeug dazu, den Leser dieses systematische Vorgehen in Fleisch und Blut übergehen zu lassen.
Es ist auch eine Folge des schon angesprochenen frischen Stils, dass das Werk nie schulmeisterlich wirkt oder sein Autor wie ein "abgehobener" Dozent.
Im Wesentlichen sucht Naroditsky den Erfolg in komplexen Endspielen über eine Orientierung auf die Werte, die ich oben zum Kapitel 6 angeführt habe, von "Schwächen" bis "Königsaktivität". "Mastering Complex Endgames" kann getrost auch als Buch zur angewandten Schachstrategie und -taktik bezeichnet werden.
Naroditsky formuliert Regeln, die aber nicht wie dogmatische Richtsätze daherkommen, sondern dem Leser eher als Hilfsmittel zur Planung dienen sollen. Sie können streng am Schachspiel orientiert sein, aber beispielsweise auch psychologische Aspekte erfassen. Drei sinngemäß übersetzte Beispiele sollen meine Einschätzung veranschaulichen:
Seite 89: "In einer Stellung, in der alle Ihre Steine optimal platziert sind und der gegnerische König schlecht verteidigt steht, suchen Sie nach schnellen Wegen auf Angriff."
Seite 101: "Immer dann, wenn Sie sich auf dem Gewinnweg befinden, aber nicht auf den finalen Schlag kommen, suchen Sie nach Möglichkeiten, die Stellung zu öffnen und den gegnerischen König anzugreifen."
Seite 205 (gemünzt vor allem auf eine für einen Spieler nachteilige Stellung): "Je mehr Widerstand Sie zeigen, desto mehr wird dies den Gegner irritieren. Ein irritierter Gegner kann selbst die einfachsten Gewinnwege auslassen, Ihre Chancen auf ein Remis erhöhend." Und ergänzend hierzu: "Denken Sie nicht, ´meine Stellung ist total verloren, ich könnte eigentlich aufgeben, möchte aber 25 Züge schaffen´, sondern ´wie kann ich mich so teuer wie möglich verkaufen´."
Der Schwerpunkt der Kommentierung liegt auf textlichen Ausführungen. Analysen in der Form von Zugfolgen beschränken sich auf das Notwendigste. Ich halte dies für eine richtige Entscheidung angesichts des systematischen Ansatzes, unter dem das Werk steht.
Ein Namensverzeichnis nimmt die abschließenden Seiten ein. Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind moderat.
Fazit: "Mastering Complex Endgames" ist ein gelungenes Buch zur Endspielführung in der Partiephase, die der "Phase der Technik" vorangeht. Für den aufstrebenden Spieler ist es ein unterhaltsames und vor allem auf "learning by doing" angelegtes Lehrbuch, für den fortgeschrittenen Spieler ein ausgezeichnetes Trainingsbuch.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Perfect Pirc-Modern
Viktor Moskalenko
The Perfect Pirc-Modern
255 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-402-8
24,95 Euro
The Perfect Pirc-Modern
Ein interessanter und nachvollziehbarer systematischer Ansatz steckt hinter dem Buch "The Perfect Pirc-Modern" von Viktor Moskalenko, im laufenden Jahr 2013 erschienen bei New In Chess (NIC). Das Werk vereinigt die detaillierte Darstellung wichtiger Linien aus der Pirc-Verteidigung (auch Pirc-Ufimzew-Verteidigung oder Jugoslawische Verteidigung genannt) und der Modernen Verteidigung. "Pirc-Modern" aus dem Titel zeigt dementsprechend an, dass es um beide Eröffnungssysteme geht, nicht also etwa um irgendeine moderne Variante in der Pirc-Verteidigung.
Beide behandelten Systeme sind eng miteinander verwandt, beim Menschen würde man vermutlich von Zwillingen sprechen. Auch geht die Partie oft von dem einen in das andere System über, was die gemeinsame Behandlung in einem einzigen Buch besonders sinnvoll macht.
Sehr gut gelöst ist auch die Darstellung der "verwandtschaftlichen" Nähe beider Systeme innerhalb der einzelnen Buchkapitel. Soweit erforderlich werden beide zu Beginn jeweils nebeneinandergestellt. Dabei werden die Initialzugfolgen aufgeführt und um das Ausgangsdiagramm der im Folgenden behandelten Theorie ergänzt. Dies funktioniert deshalb ausgezeichnet, weil Moskalenko seine Ausführungen nach bestimmten Charakteristika der verschiedenen Zweige definiert und ordnet. Ich möchte den Leserinnen und Lesern am Beispiel des Kapitels 4 veranschaulichen, was sie sich hierunter vorstellen können:
Im Kapitel 4 geht es darum, dass Weiß 4.Le3 spielt, was zu spezifischen Konsequenzen für den Eröffnungsverlauf führt. In Pirc kommt es zur Ausgangszugfolge 1.e4 d6 2.d4 Sf6 3.Sc3 g6 4.Le3 und in der Modernen Verteidigung zu 1.e4 d6 2.d4 g6 3.Sc3 Lg7 4.Le3. Während sich auf der Seite des Anziehenden ein jeweils identisches Stellungsbild ergibt, unterscheidet sich die Position von Schwarz durch …Sf6/…Lg7. Die schon genannten beiden Diagramme visualisieren den Unterschied, sodass der Leser ihn sich nicht allein aus seiner Vorstellung erschließen muss, was noch weniger geübte Spieler als Service empfinden werden.
Dieser Einführung schließt sich in der Form einer Aufzählung die Definition bzw. Hervorhebung der aus 4.Le3 resultierenden Charakteristika an. Es werden dabei sowohl die Gemeinsamkeiten beider Systeme behandelt als auch Unterschiede. Zu den berücksichtigten Aspekten zählen insbesondere Ideen und Pläne, konkrete Bauernzüge und deren konkrete Bedeutung, auch in der entstandenen Bauernkonfiguration, strategische Aspekte und auch Übergänge zwischen den Systemen bzw. in andere Eröffnungen. Zugleich wird dabei auf sich anschließende Partien verwiesen, in denen der jeweilige Punkt der Aufzählung vertieft behandelt wird. Die Behandlung der Theorie erfolgt somit auf der Basis von Partien, die der Meisterpraxis entnommen sind.
Ein kleiner Nachteil des systematischen Ansatzes der integrativen Behandlung beider Eröffnungssysteme liegt allerdings darin, dass die zwischen ihnen liegende Grenzlinie verwischt wird. So sollte sich der Leser, der sich weitere Spezialliteratur zu einer Buchvariante beschaffen möchte, genau vergewissern, ob er sie zu Pirc oder zur Modernen Verteidigung erhält. Dieses Problemchen dürfte aber in den Griff zu bekommen sein.
In der Zahl sind es insgesamt 37 Partien, die ich als "Hauptträger" der Theoriedarstellung bezeichnen möchte. Aufgrund der vorne schon angesprochenen Verweise in der Aufzählung der Charakteristika des Abspiels ist die Navigation einfach. Auch innerhalb und zwischen den Partien, z.B. bei Zugumstellungen, ist der Wechsel von einem Zug zu einer anderswo behandelten Fortsetzung einfach möglich, Moskalenko macht hierzu generell jeweils sehr hilfreiche Angaben.
Die Kommentierung unterwirft sich natürlich dem Interesse, Theoriekenntnisse zu vermitteln, sie ist deshalb auch nicht auf Unterhaltung getrimmt. Trotzdem ist die Arbeit mit dem Werk auch hinsichtlich der Sprache angenehm, weil es trotz der Konzentration auf Aspekte der Eröffnungsbewertung auf abwechslungsreiche Formulierungen achtet.
Den Büchern aus der "Dangerous Weapons"-Serie von Everyman Chess ähnlich baut auch "The Perfect Pirc-Modern" auf eine besondere Hervorhebung von Zügen und Varianten. So gibt es beispielsweise Abspiele, die als besondere Waffe geeignet sind, einen trickreichen Einsatz - vielleicht als Übergang in ein anderes System - erlauben oder aber eine Position, in der es noch Bedarf auf weitere Untersuchungen gibt. Diese Passagen sind mit einem kleinen Symbol gekennzeichnet, z.B. einer Schusswaffe, und mit einer dunklen Textbox hinterlegt.
Optisch gefällt mir diese Lösung besser als jene von Everyman Chess, weil sie zurückhaltender gestaltet ist und das Seitenbild nicht so prägt.
Der Stoff ist acht Kapiteln zugeordnet, und zwar:
Kapitel 1: The Austrian Attack: Introduction
Kapitel 2: The Austrian Attack: 5…c5
Kapitel 3: The Austrian Attack: 5…0-0
Kapitel 4: The Flexible Move 4.Le3
Kapitel 5: The Dynamic Bishop Attack 4.Lg5
Kapitel 6: White´s Fianchetto: 4.g3 Kapitel 7: The Classical 4.Sf3
Kapitel 8: Amadeus - Miscellaneous Ideas [Anmerkung: Hier geht es um frühe Abweichungen].
Als Mitautor des ebenfalls 2013 auf den Markt gekommenen Buches "1.e4 gewinnt!" ist mein Auge als Rezensent des Werkes "The Perfect Pirc-Modern" einerseits etwas gerichtet, andererseits aber zufälligerweise auch partiell besonders geschult. Beide Bücher lassen sich nicht wirklich vergleichen, weil sie unterschiedlichen Genres zuzuordnen sind. Während "The Perfect Pirc-Modern" eine tiefschürfende Darstellung der Theorie ausgewählter Bereiche der Pirc-Verteidigung und der Modernen Verteidigung vornimmt, stellt "1.e4 gewinnt!" ein Komplettrepertoire für Weiß auf der Basis von 1.e4 zusammen. So gibt es nur eine kleine inhaltliche Schnittmenge, da dieses Repertoire sich auch gegen die Pirc-Verteidigung und die Moderne Verteidigung richtet, unter Konzentration auf streng ausgewählte Linien. Soweit mir hier also der Zufall des fast gleichzeitigen Erscheinens dazu verhilft, kann ich Moskalenkos Darstellungen mit aktueller eigener Kenntnis überprüfen und bewerten. Und im Ergebnis kann ich auch insoweit nur Positives berichten. Moskalenko ist up to date, trifft nachvollziehbare Empfehlungen, vernachlässigt keine Linien ohne Hinwendung zu ebenfalls spielbaren Alternativen, lässt keine Züge aus, die ein "Muss" sein sollten und bereichert die Theorie innerhalb der oben skizzierten "Schnittmenge" um mindestens eine Neuerung. Im Einzelnen:
Nach 1.e4 d6 2.d4 Sf6 3.Sc3 g6 4.f4 Lg7 5.e5 dxe5 6.fxe5 setzt Moskalenko mit 6…Sfd7 7.Sf3 c5 fort, während Konikowski/Bekemann auf 6…Sd5 7.Sf3 etc. setzen.
Nach 1.e4 d6 2.d4 Sf6 3.Sc3 g6 4.f4 Lg7 5.e5 Sfd7 6.Sf3 0-0 7.h4 c5 8.h5 cxd4 9.hxg6 dxc3 10.gxf7+ Txf7 11.Lc4 e6 12.Sg5 cxb2 13.Lxb2 Da5+ 14.Ke2 präsentiert Moskalenko mit 14…Sf8 eine Neuerung, während Konikowski/Bekemann mit 14…d5 fortsetzen. Moskalenko bewertet diesen Zug mit "!?" und meint, das er das beste Konzept sei, um die Position zu schließen.
Auf 1.e4 d6 2.d4 Sf6 3.Sc3 g6 4.f4 Lg7 5.e5 dxe5 6.dxe5 Dxd1 7.Kxd1 Sg4 spielen Konikowski/Bekemann in erster Linie 8.Ke1, Moskalenko berücksichtigt 8.Sd5, das aber auch von Konikowski/Bekemann genannt und mit "!?" bewertet wird.
In der Linie 1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.f4 d6 4.Sc3 Sf6 5.Sf3 0-0 6.Ld3! stützen sich Konikowski/Bekemann auf die Fortsetzung 6…Sh5. Moskalenko widmet seine Ausführungen alternativen Möglichkeiten.
Während sich Konikowski/Bekemann im Gewässer der oben aufgeführten Linien vor allem auf die von ihnen favorisierten Züge und Folgen konzentrieren, zeichnet Moskalenko ein sehr detailliertes Bild der Theorie.
"The Perfect Pirc-Modern" ist nicht nur eine Darstellung der Theorie zu beiden Themaeröffnungen, sondern auch eine Anleitung, wie man sie spielt, auf welche Gesetzmäßigkeiten der Leser also achten und wie er darauf reagieren sollte. Das Werk ist kein Repertoirebuch, konzentriert sich aber auf bestimmte und entsprechend ausgewählte Linien. Diese erörtert es aus der Sicht von Weiß wie auch von Schwarz. So kann das Werk für die Zusammenstellung eines Repertoires auf der Basis der zwei behandelten Systeme von beiden Seiten genutzt werden.
Der Rückentext verspricht zahlreiche Neuerungen, die sich dann im Buch auch tatsächlich finden lassen.
Ein anspruchsvolles Varianten- und ein umfangreiches Namensverzeichnis schließen das Werk redaktionell ab.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an den deutschsprachigen Leser sollten aber problemlos zu meistern sein, wenn dessen Englischkenntnisse mindestens Schulniveau erreichen.
Fazit: Ich halte "The Perfect Pirc-Modern" für ein ausgezeichnetes Buch. Vom Konzept bis zur redaktionellen Umsetzung passt alles. Es vermittelt einen detaillierten und aktuellen Überblick über die Pirc-Verteidigung und die Moderne Verteidigung im Rahmen der getroffenen inhaltlichen Auswahl, an etlichen Stellen schreibt es die Theorie mittels Neuerungen fort. Ganz besonders kann ich das Werk dem schon recht spielstarken Leser empfehlen, aber auch der Spieler "ein Stückchen jenseits der Anfangsgründe" wird einen guten Fang damit machen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Stress of Chess
Walter Browne
The Stress of Chess
463 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-382-3
29,95 Euro
The Stress of Chess
Der Titel "The Stress of Chess" und sein Untertitel "…and its Infinite Finesse" der Autobiografie von Walter Browne sind in gewisser Weise ein Spiegelbild dessen, was Schach für ihn ist. Auf der einen Seite ist es mit einem zermürbenden, Spuren hinterlassenden Kämpfen und Ringen verbunden, auf der anderen aber von feinsinnigem und unendlichem Gehalt. Hierzu passt auch sein Motto: "Im Wettkampf bist du ein Gewinner, unabhängig vom Ergebnis."
Browne, als irischstämmiger Australier geboren, zählt zu den besten nordamerikanischen Spielern aller Zeiten. Er hat in großer Zahl Turniere gewonnen bzw. auf den ersten Plätzen abgeschlossen, gilt als großer Kenner der Eröffnungstheorie, besonders zum Königsinder und zur Najdorf-Variante in der Sizilianischen Verteidigung, und ist für sein erfrischendes, kompromissloses, risiko- und ideenreiches Schach bekannt.
Kernstück seiner Autobiografie sind 101 kommentierte Partien, die er als seine Besten ausgewählt hat. Sie decken den Zeitraum von 1963 bis 2006 ab, machen somit den Blick auf fast seine ganze Karriere frei. Die Kommentierung fußt auf einer gesunden Mischung aus Text und Varianten.
Jeder Partie sind zu Beginn ein paar einführende Informationen gewidmet, die ganz spezifisch auf die Umstände, unter denen sie gespielt worden ist, den Gegner, die Turniersituation etc. eingehen, wie sie in dieser Weise nur oder am besten von einem Insider gegeben werden können. Im Anschluss konzentriert er sich auf das Partiegeschehen selbst, auf seine darauf bezogenen Anmerkungen und die Analysen. Auf der Basis von fünf Partien, die ich mir in der Vorbereitung der Rezension genau angeschaut habe, kann ich dem Leser ankündigen, dass es ihm im Partienteil nie langweilig werden wird.
Das zweite Standbein des Werkes sind Brownes umfangreiche Textausführungen über alles, was mit seiner Karriere zu tun hat. Nur spärlich geht er auf persönliche Dinge wie Stationen in seinem Leben, Familie usw. ein. Dies kommt demjenigen Leser entgegen, der eher an berichtsähnlichen Beschreibungen interessiert ist, also auf einen dokumentatorischen Wert des Buches setzt. Browne schreibt, was natürlich ist, sehr aus der Warte des einbezogenen und von Abläufen betroffenen Spielers, also nicht mit der Nüchternheit eines externen Betrachters. Er achtet dabei nicht auf sprachliche Finesse, ihm geht es um die möglichst detaillierte Schilderung der Geschehnisse. Dabei erwähnt er auch Einzelheiten, die mich veranlasst haben, mehrfach in Gedanken meinen Hut vor seinem Erinnerungsvermögen zu ziehen. Beim Lesen hatte ich auch den Eindruck, dass Browne beim Schreiben die Geschehnisse im Guten noch einmal erlebt und im Schlechten noch einmal erlitten hat. Sein Schreibstil bestätigt nicht, dass er einen inneren Abstand zu den teilweise bereits weit zurückliegenden Abläufen gefunden hat.
Ein paar Passagen waren mir persönlich zu minutiös, sodass es schwer war, die Konzentration zu halten.
Partien und Texte sind vier großen Teilen des Werkes zugeordnet. Diese sind:
Kapitel 1: Early Development, 1953-1969
Kapitel 2: Elite Tournaments and Simul Tours, 1970-1978
Kapitel 3: International Success and Semi-retirement, 1979-1989
Kapitel 4: Blitz, Opens and Poker, 1990-2011.
Einige Abbildungen, zumeist Fotos, ergänzen die Inhalte. Sie sind nicht über das Werk verstreut, sondern werden jeweils gesammelt gezeigt.
Ein Spielerindex und ein Partienverzeichnis schließen die Inhalte ab. Das Spielerverzeichnis enthält alle namentlichen Erwähnungen, nicht nur die an den 101 Partien beteiligten Spieler. Das Partienverzeichnis kennzeichnet die jeweils zum Tragen gekommenen Eröffnungen sowohl nach NIC-Code als auch nach ECO. Da "The Stress of Chess" bei New In Chess erschienen ist, wird auch die zusätzliche Angabe des NIC-Codes verständlich.
Noch ein Wort zur Sprache: "The Stress of Chess" ist in Englisch geschrieben. Der fremdsprachige Leser sollte schon recht sattelfest in seinen Kenntnissen sein, wenn er denn alles gut aufnehmen möchte. Spezifische Redewendungen wie auch der umfangreiche Wortschatz stellen Anforderungen, die höher als für die meisten Schachbücher bekannt sind.
Fazit: "The Stress of Chess" ist eine Biografie, die nicht in jedes Raster passt. Gerade dies aber macht auch einen besonderen Charme aus. Die 101 abgebildeten Partien haben einen hohen Unterhaltungswert, der am Lernen interessierte Leser wird ebenfalls seinen Profit daraus ziehen können. Sie sind Beispiele für ein ideenreiches und kompromissloses Schach.
Die autobiografischen Texte widmen sich weniger Walter Browne als Mensch denn als Spieler. Seine Beziehung zum Pokerspiel kommt fast noch deutlicher zum Ausdruck als seine familiären Belange.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Open Spanish
Victor Mikhalevski
The Open Spanish
382 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-44-6
24,99 Euro
The Open Spanish
"The Open Spanish" von GM Victor Mikhalevski aus der "Grandmaster Repertoire"-Serie von Quality Chess ist ein Repertoirebuch für Schwarz für die offene Spanische Partie, konzentriert sich also auf die Eingangszugfolge 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 und dann 5.0-0. Es deckt aber auch alle wichtigen Abweichungen für Weiß im 5. Zug ab, was den Autor zurecht zu dem Hinweis veranlasst, dass sein Werk ein Repertoirebuch für die gesamte og. Zugfolge bis 4…Sf6 ist.
"The Open Spanish" berücksichtigt grundsätzlich alle vollwertigen Linien für Weiß, eben weil es gerade Schwarz für die eigene Partie und alle zu beachtenden Eventualitäten rüsten soll. Es ist natürlich auch für Weiß im Rahmen des behandelten Materials vollständig nutzbar. Nur kann der Anziehende nicht erwarten, dass er alle "seriösen" schwarzen Zugalternativen antrifft, auch nicht in den Hauptlinien. Wie jedes Repertoirebuch konzentriert sich "The Open Spanish" auf Vorschläge, hier eben für den Nachziehenden. Der Autor nimmt nur die Alternativen auf, denen er nach allein seinem Urteil den Vorzug gegenüber anderen Möglichkeiten gibt, die gleichermaßen gut sein können. Hier spielt also in einem ganz besonderen Maße auch Subjektivität bei der Auswahl eine Rolle.
Schon die Tatsache, dass "The Open Spanish" in der Serie "Grandmaster Repertoire" erschienen ist, schraubt die Erwartung an das Werk nach oben. Dieser Anspruch wird von diesem auch erfüllt, es reiht sich nahtlos in die Serie ein. Zwei Aspekte sind mir aufgefallen:
1. Mikhalevski erklärt weniger intensiv die Gründe für seine Vorschläge und geht auch weniger auf strategische Aspekte von Linien ein, als man es in anderen Werken der Serie schon gesehen hat. Allerdings ist dies kein alle Inhalte erfassendes Urteil. So gibt es auch Passagen, in denen er den Standard beispielsweise von Awruch in seinen Werken erreicht. Ich möchte meine Feststellung auch nicht als Manko gewertet wissen, sondern lediglich als Hinweis darauf, dass der Leser dieses Buches passagenweise mehr auf eigenes Verständnis setzen muss als vielleicht aus anderen Werken der Reihe gewohnt.
2. Mikhalevski führt in einer sehr hohen Zahl Neuerungen ein, auch in den Hauptlinien. Damit bestätigt er eine entsprechende Ankündigung des Rückentextes. Insoweit werden in den Repertoireempfehlungen ganz sicher auch Spieler Neuerungen finden, die schon sehr gut mit den Buchvarianten vertraut sind.
In einigen Fällen habe ich Neuerungen erkannt, die sich mehr als Übergänge in bekannte Abspiele erweisen, also eher eine Zugumstellung abschließen. In ihnen sehe ich eine "Neuerung 1b", die meisten Neuerungen, die ich mir zum Zwecke der Prüfung angeschaut habe, fallen aber in die Gattung "1a", sind also tatsächlich echte Neuerungen. Ob sie auch "1a" spielbar sind, dürfen dann die Leser erforschen und bestätigen.
"The Open Spanish" enthält 19 Kapitel, die den drei folgenden Teilen des Buches zugeordnet sind:
A. Seitenlinien (1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6) - Kapitel 1-6
B. 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 - Kapitel 7-9
C. Hauptlinien (1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Sxe4 6.d4 b5 7.Lb3 d5 8.dxe5 Le6) - Kapitel 10-19.
Die Kapitel sind identisch aufgebaut. Zunächst wird das jeweilige Thema definiert, wobei die Startzugfolge wie auch die sich anschließenden Hauptalternativen angegeben werden. Diese Eingangsübersicht des Kapitels, die um Diagramme ergänzt wird, kann zugleich auch wie eine "Unter-Inhaltsübersicht" genutzt werden, da auch die Seitenzahlen der folgenden Behandlung der Alternativen angegeben werden.
Dem schließt sich der eigentliche Körper an, die Darstellung der Theorieinhalte. Der Aufbau des Werkes ist klassisch, es folgt also einem System von Haupt- und Nebenvarianten und orientiert sich nicht an vollständig abgebildeten Partien aus der Praxis, denen der Leser sonst durch Sprung von Partie zu Partie folgen müsste. Wie für die Grandmaster Repertoire-Serie typisch werden im Werk keine vollständigen Partien abgebildet.
Es darf nicht verwundern, dass bei der Darstellung der Theorie in der Spanischen Partie eine besondere Breite des Materials gebändigt werden muss. Dies gilt nicht weniger, wenn wie hier "nur" ein ausgewählter Bereich der Eröffnung thematisiert wird. Das Werk ist aber ausgezeichnet gegliedert, sodass die Variantenfülle gut beherrscht wird. Die Bezifferung der Subvarianten kann dann schon mal ein leicht akademisches Aussehen entwickeln, aber dies ist eine natürliche und damit ganz normale Folge.
Die Buchsprache ist Englisch. Im Bereich der Darstellung der Theorie ist es besonders wichtig, dass das Werk auch vom Fremdsprachler gut aufgenommen werden kann. Hier sehe ich für den Leser, der über Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau und vielleicht auch noch ein Wörterbuch verfügt, keine Probleme.
Die Kapitel werden mittels einer kurzen Zusammenfassung abgeschlossen, die sich aber regelmäßig auf ein sehr generalisierendes Fazit beschränkt.
Die Bibliografie bestätigt nicht, dass alle wichtigen Neuerscheinungen der letzten Jahre auf dem Buchsektor für das Werk berücksichtigt worden sind. Ich kann aber bestätigen, dass "The Open Spanish" theoretisch auf dem aktuellen Stand ist. Die aufgeführten Periodika sowie die elektronischen und die Internetquellen dürften nicht unmaßgeblich dazu beigetragen haben.
Mit Mikhalevski hat das Werk übrigens einen Autor, der als großer Kenner seines Eröffnungsthemas gilt, von Quality Chess auch unmittelbar gefragt worden ist, ob er das Werk schreiben will, und der die Eröffnung seit Kindeszeiten auch selbst spielt.
Abgeschlossen wird "The Open Spanish" durch ein erfreulich detailliertes Variantenverzeichnis, das als "Kompass" quer durch das Werk ausgezeichnete Dienste leisten kann.
Noch ein "Opportunitätsgedanke" zum Abschluss: Wenn man die Bücher wie dieses aus der Grandmaster Repertoire-Serie von Quality Chess sieht, dann drängt sich der Gedanke auf, dass man sie als ambitionierter Spieler einfach nicht ignorieren kann. Trifft man auf einen Gegner, der - besonders im Fernschach - mit diesen Büchern ausgestattet ist, während man selbst nicht über sie verfügt, dann gewährt man ihm von Beginn an eine Option auf Vorteil. Oder ist das selbst gebratene Steak so gut wie jenes vom Meisterkoch und ist die Beilage genauso schmackhaft wie jene aus dessen Hand?
Fazit: "The Open Spanish" ist erneut ein Sterne-Menü aus allerbester Küche. Ich kann das Werk einfach nur zum Kauf empfehlen, besonders dem Spieler mit Schwarz, wenn er der Spanischen Partie nicht generell in seinen Partien ausweicht.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
New In Chess - Yearbook 105
Genna Sosonko (Editor)
New In Chess - Yearbook 105
246 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-395-3
29,95 Euro
New In Chess - Yearbook 105
Müsste ich als Rezensent des "Yearbook 105" von New In Chess (NIC) aus dem Reigen der darin abgebildeten Eröffnungsartikel, "Surveys" genannt, Kandidaten für so etwas wie eine Oscar-Auszeichnung benennen, kämen für mich gleich mehrere hierfür in Betracht. In der Kategorie "Wiederentdeckung einer alten Variante mit Neuerungen im frühen Eröffnungsstadium" würde ich den Beitrag "A Host of Novelties in the Reversed Dragon" von Vladimir Georgiev und Petar Arnaudov in den Wettbewerb schicken. Sie widmen sich der Fortsetzung 6.e3 in der Englischen Eröffnung, ECO A22, nach den Eingangszügen 1.c4 e5 2.Sc3 Sf6 3.g3 d5 4.cxd5 Sxd5 5.Lg2 Sb6. Der Zug 6.e3, seit 1936 bekannt und eher mit einem Mauerblümchendasein geschlagen, wurde in unseren Tagen mit Erfolg auf der Großmeisterbühne gespielt, u.a. von Nakamura. In einer kurzen theoretischen Erörterung und dann anhand mehrerer, im NIC-Stil kommentierter Partien zeigen die Autoren auf, welche bisher nicht bekannten Potenziale dieser Zug hat.
In der Kategorie "Aggressives Vorgehen gegen bekannte gegnerische Angriffsmotive" nominiere ich "A Complicated New Line against the Panov" von Peter Lukacs und Laszlo Hazai, unterstützt von Krisztian Szabo. Der Panov-Angriff, ECO B13, gegen die von Schwarz gewählte Caro-Kann-Verteidigung, verspricht dem Anziehenden Initiative und Angriffschancen, dies verbunden mit der Gefahr für Schwarz, sich lange mit einer eher passiven Rolle begnügen zu müssen. Nach 1.e4 c6 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4.c4 Sf6 5.Sc3 Sc6 6. Lg5 werfen die Autoren die Erwiderung 6…Se4 in den Ring. So wie es auch der Titel aussagt, lenkt Schwarz die Partie damit in komplizierte Gewässer, die der Gegner auch dann, wenn er theoretisch gut präpariert ist, so nicht oder nicht in gleicher Tiefe auf der Rechnung haben dürfte. Auf jeden Fall drängt ihn die schwarze Anrempelung aus der bequemsten Theoriezone, er muss sehr genau spielen.
In der Kategorie "Theoretisch auf des Messers Schneide" schicke ich "A New Main Line - Part 1" von Andreas Tzermiadinos ins Rennen und schiele dabei auch darauf, dass der Autor mit dem Titel seines Beitrags noch mehr zum Thema ankündigt. Tzerdiadinos ist auch der Verfasser des vor wenigen Jahren erschienenen Werkes "How to Beat the French Defense". Darin gab er Weiß Empfehlungen u.a. auch in der Tarrasch-Variante der Französischen Verteidigung. John Watson veröffentlichte neue Ideen dazu und Tzermiadinos teilte zudem das Los der Autoren von Eröffnungsliteratur, selbst in der Partie von den eigenen Empfehlungen abweichend spielen zu müssen, um dem Gegner keine Steilvorlage gegen das eigene Spiel zu liefern. In der Konsequenz widmet er sich dem Zug 12.g3 nach 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 Sf6 4.e5 Sfd7 5.Ld3 c5 6.c3 Sc6 7.Se2 cxd4 8.cxd4 f6 9.exf6 Sxf6 10.Sf3 Ld6 11.0-0 Dc7 (ECO C06). Dieser erste Teil seiner Arbeit behandelt 13…Ld7 und dann 14.Tc1!, der noch folgende 2. Teil wird dann auf 13…Sg4!? eingehen.
Meine Oscar-Nominierungen sind natürlich rein subjektiv. Die Leserinnen und Leser werden ganz andere und voneinander abweichende Präferenzen setzen, natürlich auch je nach Relevanz der Artikel im "Yearbook 105" für das eigene Repertoire.
Auf jeden Fall gibt es wie immer genügend Auswahl an ausgezeichneten Theoriebeiträgen, es sind 27 an der Zahl. Spanisch und Grünfeldindisch werden mit je vier Beiträgen am häufigsten behandelt, Caro-Kann und Slawisch kommen drei Mal vor. Die restlichen Artikel decken die Breite der Eröffnungslandschaft ab. Völlige Exoten sind nicht vertreten, aber auch seltene Gäste auf der Turnierbühne wie etwa das Mittelgambit - und nicht unbedingt selten, aber auch nicht oft anzutreffen - Bogoljubow-Indisch sind im Werk vertreten.
Stattlich gefüllt ist auch wieder das Forum, also die Plattform für die Variantendiskussionen zwischen den Lesern. In "Benjamin´s Opening Tales" stellt Joel Benjamin fest, dass der Zug Lg5 wieder häufiger als weiße Fortsetzung gegen den Najdorf-Sizilianer gewählt wird.
Alexey Kuzmin, der übrigens fast als Doppelgänger des früheren Fußball-Nationaltorwarts Oliver Kahn durchgehen könnte, steuert in "Kuzmin´s Harvest" kommentierte Partien in seinem mit "Grand Slam in America and Europe (Opening Episodes)" betitelten Beitrag bei.
Eine Buchvorschau und vier Rezensionen, auf die ich aber nicht näher eingehen möchte, komplettieren die redaktionellen Inhalte des "Yearbook 105".
In der Gesamtschau lässt sich feststellen, dass das "Yearbook 105" sehr vielseitig ist, besonders auch in den "Surveys", seinem Kernstück also.
Noch ein Blick aus der Warte des Fernschachspielers: In der eigenen Partie habe ich immer Respekt vor der Möglichkeit, dass der Gegner eine theoretische Wunderwaffe auf das Brett bringen könnte, von der ich noch nie etwas gehört habe. Ich will nicht behaupten, dass das "Yearbook 105" solch eine Wunderwaffe enthält, sehr wohl aber ein Arsenal an aktuellen und noch nicht allzu breit bekannten Eröffnungsideen, und dies regelmäßig nicht nur in abgebildeten Partien, sondern auch zumindest kurz theoretisch aufbereitet.
Fazit: Das "Yearbook 105" ist - wie alle Bücher aus dieser Reihe - Pflichtlektüre für den ambitionierten (Fernschach-) Spieler, der insbesondere Eröffnungsideen für sich sucht, auf der Höhe der Theorie bleiben und sich auch gegen gegnerische Überraschungen wappnen möchte.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The French Winawer - move by move
Steve Giddins
The French Winawer - move by move
287 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-992-1
22,95 Euro
The French Winawer - move by move
Mit "The French Winawer - move by move", geschrieben vom Fide-Meister und bekanntem Autor Steve Giddins, setzt Everyman Chess seine viel beachtete und gelobte Serie der move by move-Bücher fort. Deren besonderes Kennzeichen liegt darin, dass der behandelte Stoff, zumeist Eröffnungssysteme und -varianten, nicht "platt" wie in einem Lesebuch präsentiert wird, sondern in der Simulation eines Gespräches zwischen einem Schachlehrer und seinem Schüler. Der Leser wird somit Zeuge einer Präsenz-Lehrveranstaltung, die so nie stattgefunden hat, aber jederzeit so ablaufen könnte. Regelmäßig werden dem virtuellen Schüler Fragen in den Mund gelegt, die der Lehrer beantwortet. Es kann jedoch auch umgekehrt sein, wonach der Lehrer eine Verständnisfrage stellt. Grundsätzlich ist es für den Lernwert des Buches unerheblich, aus welcher Richtung eine Problematik aufgeworfen wird.
Der Lernwert des Buches verbindet sich mit der Intention, warum es geschrieben worden ist. Es soll den Leser die Winawer-Variante, teilweise auch als Nimzowitsch-Winawer-Variante bezeichnet, erlernen lassen, wobei es um das grundlegende und umfassende Verständnis geht, im Gegensatz zum Büffeln von Zugfolgen. Der Leser soll behandelte Zugfolgen in der eigenen Partie nicht einfach reproduzieren können, er soll die Eröffnung mit Sinn und Verstand spielen können. So vorbereitet wird der Spieler sicher am besten für die Praxis vorbereitet, was insbesondere auch für den Fall gilt, dass der Gegner das Spiel auf abweichende Pfade führt.
Das Konzept der Buchreihe und auch speziell dieses Werk schätze ich so ein, dass vor allem der sich noch entwickelnde Spieler davon profitieren kann. Es ist so grundlegend gestaltet, dass der schon meisterliche Spieler die meisten Erklärungen selbst finden würde bzw. schon kennen wird.
Ich habe mich bei der Vorbereitung der Rezension inhaltlich auf die drei folgenden Aspekte konzentriert:
1. Ist das Material, sind also vor allem die behandelten Zugfolgen auf der Höhe der Theorie?
2. Sind die Fragestellungen und Erklärungen ausreichend und inhaltlich geeignet, um den beabsichtigten Lernwert des Buches zu erreichen?
3. Ist es angenehm, mit dem Buch zu arbeiten, animiert es zum ehrgeizigen Arbeiten?
Zu 1. (Aktualität des abgebildeten Theoriestandes):
In gewisser Weise ist "The French Winawer - move by move" auch ein Repertoirebuch, auch wenn es natürlich nicht exakt diesem Genre zugerechnet werden kann. Wenn man aber bedenkt, dass der aufstrebende Spieler sein Repertoire erst noch finden muss und er über dieses Werk spezifisch in ein ganz bestimmtes System eingeführt wird, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass dieses System dann auch "sein System" für zumindest eine gewisse Zeit sein wird.
Unter diesem Aspekt ist es wichtig, dass der Stoff hinsichtlich der behandelten bzw. auch empfohlenen Zugfolgen so qualifiziert sein muss, wie dies von einem echten Repertoirebuch zu erwarten ist.
Nach den einleitenden Zügen 1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sc3 Lb4 und dann 4. e5 gilt für Schwarz der sofortige Aufzug des c-Bauern mit 4…c5 als beste Antwort. Ein erster Blick in das Variantenverzeichnis am Ende des Werkes vermittelt den Eindruck, dass diese Alternative nicht behandelt wird, denn der Zug 4…c5 wird dort nicht aufgeführt. Hier liegt aber eine Ungenauigkeit bzw. ein Fehler im Verzeichnis vor, denn der weitaus größte Anteil der Betrachtungen ist 4…c5 und seinen Folgen gewidmet. So wie an dieser wichtigen Weichenstellung trifft das Werk auch in den späteren Hauptalternativen die richtigen Entscheidungen zur Bestimmung der Hauptvarianten und damit zur Festlegung des jeweiligen Schwerpunktes der Betrachtungen. Zu beachtende Abweichungen werden - soweit man es von einem Buch dieser Art erwarten kann - ebenfalls behandelt.
Das Material ist auf der Höhe der Zeit, der Leser bekommt ein aktuelles Grundrepertoire zur Winawer-Variante an die Hand.
Das Werk ist unabhängig davon zu nutzen, ob man sich für die Variante aus der Sicht von Weiß oder von Schwarz interessiert, grundsätzlich zumindest.
Zu 2. (Qualität der Fragestellungen und Erklärungen):
In diesem Punkt sehe ich "The French Winawer - move by move" als Beispiel gebend gut an. Gibbins legt erkennbar größten Wert darauf, den Leser erkennen zu lassen, was warum passiert. Das Material wird anhand von 25 Partien aus der Meisterpraxis behandelt, die dem oben beschriebenen Prinzip des Lehrer-Schüler-Gespräches folgend kommentiert worden sind. Die am intensivsten behandelte Partiephase ist erwartungsgemäß die Eröffnung, aber auch Mittelspiel und Endspiel werden noch ausreichend mit Anmerkungen etc. begleitet.
Der Schwerpunkt liegt auf den Texterklärungen, Varianten werden eher untergeordnet dargestellt. Es gibt auch Passagen, in denen Varianten mehr Raum einnehmen, generell aber lässt sich - auf das ganze Buch bezogen - eine Dominanz der Textbeiträge feststellen. An der Intention des Werkes orientiert halte ich dies auch für ein klares Qualitätsmerkmal.
Der konzentriert mit "The French Winawer - move by move" arbeitende Leser wird sich nicht dagegen wehren können, die Winawer-Variante tatsächlich zu verstehen.
Zu 3. (Animation zur konzentrierten Arbeit):
Gibbins schreibt unterhaltsam. Er bemüht sich dabei um eine verständliche, eine einfache Darstellung, die das Lesen unterstützt. So denke ich schon, dass der Leser bei der Stange bleiben wird und das einmal angefangene Buch auch bis zum Ende durcharbeitet, einen genügenden Ehrgeiz vorausgesetzt.
Mich persönlich stören die in einigen Fragestellungen zu findenden Ausrufe oder Redewendungen, die für ein persönlich geführtes Gespräch typisch sein mögen, hier aber auf mich eher gekünstelt wirken (Beispiele, ggf. in Übersetzung: "Eh", Hmm" und "Warte eine Minute"). Dies ist aber eine ganz persönliche Empfindung, der mit dem Werk arbeitende Leser mag dies ganz anders sehen.
"The French Winawer - move by move" ist in Englisch geschrieben, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse sind aber nicht allzu hoch.
Das Werk ist auch als eBook erhältlich.
Das Stichwortverzeichnis, am Ende des Buches platziert, ist - abgesehen vom oben schon kurz beschriebenen Fehler zu 4… c5 - hilfreich und auch ausreichend detailliert.
Fazit: "The French Winawer - move by move" ist ein empfehlenswertes Werk besonders für den noch aufstrebenden Spieler. Es bietet beste Voraussetzungen für das Erlernen der Winawer-Variante im Sinne eines tiefen und fundierten Verstehens seiner maßgeblichen Ideen. Mit einem Preis von 22,95 Euro ist es auch ganz sicher nicht zu teuer bezahlt.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Modern French
Dejan Antic und Branimir Maksimovic
The Modern French
365 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-399-1
28,95 Euro
The Modern French
Mit "The Modern French" von Dejan Antic und Branimir Maksimovic, 2012 erschienen bei New In Chess, wird Schwarz ein Komplettrepertoire an die Hand gegeben, das sowohl innovativ als auch verlässlich sein soll. Alle Linien sollen strategisch gesund sein und eine genügende Schärfe haben.
Nach dem Rückentext darf der Leser auch neue Konzepte und etliche Neuerungen in den Zugempfehlungen erwarten, auch in den Hauptlinien.
Ich bin mit einer gehobenen Erwartungshaltung an die Prüfung des Werkes gegangen, natürlich auch schon vom Rückentext beeinflusst. Und ich kann sagen, dass ich nicht enttäuscht worden bin. Der Leistung der Autoren kann ich nur Respekt zollen.
Für meine Bewertung habe ich vor allem die folgenden Kriterien herangezogen: Qualität der Erläuterungen und somit auch der Anleitung des Lesers, inhaltliche Qualität der Repertoireempfehlungen sowie Detaillierungsgrad. Der letztgenannte Aspekt ist besonders auch für den Fernschachspieler wichtig.
Qualität der Erläuterungen / Anleitung des Lesers: Ich denke, dass ein Autor die Arbeit nicht viel besser machen kann als die Verfasser dieses Werkes. Ein Kapitel beginnt mit allgemeinen Ausführungen zu Schlüsselmerkmalen, zur Strategie, zur Beliebtheit der Variante u.ä. Auch der Einfluss des gegnerischen Ehrgeizes und sein Naturell können zur Sprache kommen, wie etwa zur Abtauschvariante. Hier erwähnen die Autoren die Probleme des Schwarzspielers, wenn der Gegner konsequent auf ein Remis spielt. Der Nachziehende kann selbst dann, wenn sein Gegner erheblich schwächer ist, schwer zu ringen haben, um in Vorteil zu kommen.
Die sich anschließende theoretische Erörterung ist klassisch nach Varianten aufgezogen. Eine zentrale Linie bildet den roten Faden, an dem orientiert auch die Nebenvarianten behandelt werden. Die Erläuterungspraxis der Autoren möchte ich als vorbildlich bezeichnen. Pläne, die Beschreibung strategischer Eckpunkte, Hinweise zu taktischen Aspekten etc. sind Standard. So bleibt der Leser kaum einmal im Unklaren, warum so und nicht anders gespielt werden sollte, natürlich nach der Einschätzung der Autoren. Der Leser wird bei der Einarbeitung in das Repertoire geradezu an die Hand genommen. Ich möchte deshalb auch gerade für den aufstrebenden Spieler annehmen, dass er mit "The Modern French" sehr gut bedient ist. Neben einem Komplettrepertoire für Schwarz erhält er zugleich auch gewissermaßen ein Lehrbuch für angewandte Schachstrategie und -taktik.
Hinzuweisen ist noch auf einige Textpassagen, die kursiv geschrieben und mit "Important", "wichtig" also, überschrieben worden sind. Hier erfährt der Leser Einzelheiten, die er wie Regeln beachten sollte.
Abgeschlossen wird ein Kapitel von einer Zusammenfassung. Diese ist überwiegend sehr ausführlich gehalten und unterstützt die vorhergehenden Ausführungen durch ein Komprimieren auf ihre Kernaussagen.
Aktualität und inhaltliche Qualität der Repertoireempfehlungen:
"The Modern French" ist aktuell, zeigt also den Stand der Theorie gut auf. Die Autoren schlagen auch tatsächlich etliche Neuerungen vor, auch in Hauptlinien. Insoweit ist das Werk auch geeignet, die Theorie fortzuschreiben.
Die Bibliografie enthält nicht alle wichtigen Neuerscheinungen zur Französischen Verteidigung der letzten Jahre. Als Quelle angegeben sind aber u.a. alle NIC-Jahrbücher bis zur Nr. 102 (die neueste Ausgabe ist die Nr. 105). Die Auswertung dieser Quelle gibt eine hohe Sicherheit, dass die neuesten Entwicklungen aus Praxis und Theorie berücksichtigt worden sind.
Im geringen Maße werden auch Fernschachpartien referenziert.
Detaillierungsgrad:
Rund 350 Buchseiten geben schon mal ein Versprechen zur Detaillierung ab, selbst in einem Buch zu einem Schwergewicht unter den Eröffnungen. Und dieses Versprechen hält "The Modern French" auch. Das Werk hat "Fernschachqualität". Die Berücksichtigung von Varianten und die Tiefe, in die sie geführt werden, sind beachtlich. Als Nachziehender wird man die eigene Partie sehr gut mit diesem Buch im Rücken führen können.
Nichts zu tun mit der Detaillierung hat die Beschränkung der Theoriedarstellungen auf die Empfehlungen der Autoren. "The Modern French" ist kein Monolog und zeichnet somit kein vollständiges Bild von der Französischen Verteidigung. Für die Zusammenstellung des Repertoires haben die Autoren Schwarz den Hut aufgesetzt. Dies bedeutet, dass die vollwertigen Züge von Weiß, mit denen der Nachziehende also rechnen muss, berücksichtigt worden sind, die schwarzen Alternativen aber nur insoweit, als sie von den Autoren empfohlen werden. Es ist somit nicht gesichert, dass man als Schwarzer im Werk jede eigene Lieblingsvariante findet. Demjenigen, für den es wichtig ist, ob bestimmte Abspiele in "The Modern French" behandelt werden, empfehle ich einen Blick in die online an verschiedenen Stellen im Internet angebotenen Variantenangaben.
"The Modern French" enthält sechs Kapitel, und zwar in folgender Ordnung:
- Königsindischer Angriff
- Abrauschvariante
- Vorstoßvariante
- Tarrasch-Variante
- Steinitz-Variante
- McCutcheon-Variante.
Das Variantenverzeichnis am Ende des Buches ist ansprechend detailliert und um Diagramme bereichert.
Am Ende findet der Leser auch ein Spielerverzeichnis, das alle Namen derjenigen enthält, die hinsichtlich der verwendeten Partiefragmenten mit am Brett gesessen haben.
Vollständige Partien enthält "The Modern French" nicht.
Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind niedrig.
Fazit: "The Modern French" ist ein sehr gelungenes Repertoirebuch zur Französischen Verteidigung, geschrieben für Schwarz. Es erklärt gut und enthält viel Neues. Ich kann es mit dem allerbesten Gewissen zum Kauf empfehlen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Modern Chess Preparation
Vladimir Tukmakov
Modern Chess Preparation
286 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-377-9
23,95 Euro
Modern Chess Preparation
In "Modern Chess Preparation" widmet sich GM Vladimir Tukmakov, früherer Meister der Ukraine und erfahrener Schachtrainer, der Vorbereitung des Spielers auf Turnier, Partie und Gegner. Zwei Kernaussagen des Rückentextes dieses in 2012 bei New In Chess erschienenen Werkes zeigen die Intention und die verfolgte Stoßrichtung recht plakativ auf.
1. Das Siegen startet mit der Planung vor der Partie.
2. Das wichtigste Ziel der modernen Vorbereitung (…) ist es, eine spielbare Stellung zu erreichen, die man besser als der Gegner versteht.
Der Titel des Werkes vermittelt den Eindruck, als leite es im Sinne eines Lehrwerkes den Leser zur qualifizierten Vorbereitung im Schach an. Der sinngemäß ins Deutsche übersetzte Untertitel "Im Informationszeitalter auf den Gegner vorbereitet sein" verstärkt dieses Bild.
Ich verstehe "Modern Chess Preparation" eher als etwas, was ich mit "moderne Geschichtsschreibung zur Vorbereitung im Schach" bezeichnen möchte. Tukmakov gibt eindeutig auch etliche Hinweise, wie eine moderne Vorbereitung unter Nutzung des Computers aussieht, diese aber muss sich der Leser für einen eigenen Einsatz erst noch selbst erschließen.
Das Werk enthält drei Kapitel, zu übersetzen mit …
1. Die Evolution der Vorbereitung
2. Die Computer-Ära
3. Entscheidende Partien.
Diese enthalten allesamt in erster Linie kommentierte Partien, wobei sich die Kommentierung sowohl den üblichen Partieaspekten widmet wie auch jenen zur Vorbereitung. Dabei schreibt Tukmakov recht interessant, sodass "Modern Chess Preparation" auch einen Unterhaltungswert hat.
Behandelt werden klassische bis moderne Partien, das erste Kapitel, das den Untertitel "Study the classics" trägt, enthält naturgemäß ausschließlich ältere Partien.
Tukmakov befasst sich an einigen Stellen auch ganz konkret mit dem Einsatz und dem Einfluss des Computers. Einerseits ist er ziemlich reserviert eingestellt, indem er dem Leser vor allen Dingen Analysen, etwa der eigenen Partien, ohne Computereinsatz empfiehlt. Andererseits hat er einige Schlussfolgerungen gezogen bzw. wertet er einige Beobachtungen in einer Weise, die diskutabel ist. So meint er beispielsweise, dass der Computereinsatz die Planung im Schach kurzschrittiger gemacht hat. Diese Aussage deute ich so, dass die Taktik im Vordergrund steht und die Strategie an Wert oder Einfluss verloren hat. Ich bin mir nicht sicher, ob er damit richtig liegt, zumal gerade auch im Fernschach die lange Sicht bedeutungsvoll ist. Und diese hat besonders mit Strategie zu tun. Ich denke auch, dass hier ein Blick zurück auf eines der beiden oben schon genannten Leitmotive angebracht ist. Danach soll eine Stellung erreicht werden, die spielbar ist und den Spieler gegenüber dem Gegner bevorteilt. Dies kann m.E. nur auf eine lange Sicht ausgelegt werden.
"Modern Chess Preparation" ist in Englisch verfasst, der Leser kommt mit Fremdsprachkenntnissen auf Schulniveau aus.
Erwähnenswert ist noch das durch zahlreiche Spielerbilder aufgelockerte Erscheinungsbild des Werkes.
Fazit: "Modern Chess Preparation" ist dem Spieler zu empfehlen, der mit einem eher beschreibenden Werk Unterhaltung sucht. Die Fertigkeiten im eigenen Spiel wird vor allem der Leser steigern können, der es versteht, die darin angebotenen Hinweise für sich zu selektieren und zu konkretisieren.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Dangerous Weapons: The Ruy Lopez
John Emms, Tony Kosten, John Cox
Dangerous Weapons: The Ruy Lopez
299 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-691-3
21,95 Euro
Dangerous Weapons: The Ruy Lopez
Der Untertitel von "Dangerous Weapons: The Ruy Lopez" ist "Dazzle Your Opponents!". "Dazzle" ist zu übersetzen mit "blenden, verblüffen, verwirren". Das neue Werk aus der Feder des Autorentrios John Emms, Tony Kosten und John Cox verfolgt den Zweck, sowohl Weiß als auch Schwarz auf dem Gebiet der Spanischen Partie ("Ruy Lopez") Varianten an die Hand zu geben, die zugleich als gefährliche Waffe ein aussichtsreiches Spiel versprechen und den Gegner verblüffen können. Sie vermeiden dabei die ausanalysierten und bestens bekannten Linien in den Weiten dieser Eröffnung, eben um dem vorbereiteten Spieler einen Vorteil gegenüber seinem womöglich verblüfften Gegner zu verschaffen.
"Dangerous Weapons: The Ruy Lopez" enthält insgesamt 12 Kapitel, für jedes von ihnen zeichnet sich einer der Autoren allein verantwortlich.
Die Initialzugfolgen jeder "gefährlichen Waffe" - jeweils dargestellt bis zur thematischen Diagrammstellung in jedem Kapitel - sind …
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sge7
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.0-0 Lc5
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.0-0 Lc5 5.c3
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.0-0 Sxe4 5.d4 Sd6 6.La4
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.d3
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Lc5 4.0-0 Sd4 5.b4
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.Lxc6 dxc6 5.0-0 Lg4 6.h3 Lh5
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.d3
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.d3 b5 6.Lb3 Le7 7.g4
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 0-0 8.a4 Sa5
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6 8.c3 0-0 9.h3 a5
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6 8.c3 0-0 9.h3 Sa5 10.Lc2 c5 11.d4 exd4.
Die Titel der 12 Kapitel enthalten nur teilweise die gebräuchlichen Namen des jeweils behandelten Abspiels, weshalb ich sie an dieser Stelle fehlen lasse. Bei Interesse empfehle ich einen Blick in das vielerorts online veröffentlichte Inhaltsverzeichnis des Werkes.
In den einzelnen Kapiteln wird die jeweilige Variante zunächst kurz textlich eingeführt und dann an einer oder auch an mehreren kommentierten Partien aus der Meisterpraxis auf das Wesentliche konzentriert theoretisch behandelt. Die intensive theoretische Erörterung folgt im Abschnitt "Looking a Little Deeper". Abgeschlossen wird das Kapitel mit einer kurzen Zusammenfassung, die sich zumeist auf eine Aussage zur Erfolgsaussicht des Kerngedankens der Variante beschränkt.
Die "Dangerous Weapons"-Serie von Everyman Chess, in der auch das vorliegende Werk erschienen ist, arbeitet mit Symbolen, die den Leser optisch deutlich auf Schlüsselsituationen oder -züge aufmerksam machen sollen. Das Bildchen einer Kanone zeigt Stellen an, die eine Zugfolge zu einer gefährlichen Waffe machen. Ein Blitz warnt vor einer unmittelbaren Gefahr, ein aufgeschlagenes Buch kennzeichnet eine trickreiche Überleitung in eine andere Eröffnung und zwei Würfel stehen für eine Variante, die nach der Einschätzung der Autoren bzw. des Autors des jeweiligen Kapitels eher für Blitzpartien u.ä. geeignet ist.
Inhaltlich habe ich mir, stellvertretend für alle, das 6. Kapitel genauer angeschaut, das mit "An Evans Gambit in the Lopez" überschrieben ist.
Zur Zugfolge "1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Lc5 4.0-0 Sd4 5.b4" habe ich insgesamt 42 Partien in meiner Datenbank gefunden. Das Gambit wird von Weiß gespielt, also ist auch besonders die Erfolgsquote des Anziehenden interessant dabei. Diese weist insgesamt ein Ergebnis von 58,3% aus. Eine Konzentration auf Partien von sehr guten Spielern (Rating von 2400 aufwärts) und auf die vergangenen Jahre 2010 bis 2012 bringt kein verwertbares Ergebnis. Es liegen insgesamt nur 12 Partien unter Beteiligung von Weißspielern mit Elo 2400 aufwärts vor. Vier dieser Partien wurden in diesem Jahrtausend gespielt, zwei davon gewann Weiß und zwei gingen mit einem Remis aus. Diese Zahlen deuten an, dass die Themaeröffnung tatsächlich sowohl ein selten genutzter Pfad ist und die Einschätzung, eine gefährliche Waffe zu sein, bestätigen könnte.
Das ausgewählte Kapitel wurde von John Emms geschrieben, der für die theoretische Einführung eine von ihm selbst in 2012 gespielte Ligapartie ausgewählt hat. Er stellt somit eine Variante vor, der er selbst in einer aktuellen Partie vertraut hat. Er hat diese Partie auch gewonnen, wenn auch nach einem deutlichen Fehler seines Gegners in drückender Zeitnot. An dieser Partiestelle hatte es sein Kontrahent in der Hand, in Vorteil zu kommen. Allerdings hat auch Emms selbst in dieser Partie an verschiedenen Stellen nicht optimal fortgesetzt.
Ich sehe es als vorteilhaft für das ganze Kapitel an, dass sein Autor die behandelte Variante selbst in der jüngsten Praxis erlebt und auch durchlitten hat, um diese im Anschluss dann über die Analyse dieser eigenen Partie auf ihre Höhen und Tiefen insgesamt besser einschätzen zu können.
Im Abschnitt "Looking a Little Deeper" möchte ich "Dangerous Weapons: The Ruy Lopez" das Prädikat "fernschachtauglich" verleihen. Die Analysen und Partiefragmente aus der Praxis, auch aus dem Fernschachspiel, geben genügend detailliert das Rüstzeug an die Hand, um die eigene Partie begleitend zu gutem Spiel zu verhelfen.
Nach 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Lc5 4.0-0 Sd4 5.b4 berücksichtigt Emms für Schwarz die drei Fortsetzungen 5…Lxb4, 5…Lb6 und 5…Sxf3+, während er 5…Sxb5 als zweifelhaft ansieht und nicht näher betrachtet. In der genannten eigenen Partie wurde Emms von seinem Gegner 5…Sxf3+ präsentiert, was er aus der Sicht des Anziehenden als am erfreulichsten einschätzt. In allen drei Abspielen entlässt er den Leser mit Abschluss der jeweiligen Hauptvariante mit Aussicht auf Vorteil für Weiß aus den Betrachtungen. Auf dem Weg dahin sieht er für Schwarz keine Möglichkeiten, die Linie zwingend zu verbessern. Über alle drei Hauptvarianten habe ich Houdini 3 laufen lassen. Klare Verbesserungen hat auch der Engineeinsatz nicht aufgezeigt.
Nach meiner Einschätzung sind die Empfehlungen von Emms in diesem Kapitel es wert, für den Einsatz in der eigenen (Fernschach-) Partie ins Kalkül gezogen zu werden. Eine ähnliche Qualität in den weiteren Buchkapiteln vorausgesetzt, enthält "Dangerous Weapons: The Ruy Lopez" einige interessante Ideen für innovative Erweiterungen des eigenen Repertoires.
Für mich ist es interessant und auch erstaunlich, dass auch in einer so präsenten und in große Tiefen analysierten Eröffnung wie der Spanischen Partie immer wieder neue interessante Nebenpfade gefunden oder zumindest ausgegraben und neu untersucht und bewertet werden und dann auch noch mit Aussicht auf das Brett gebracht werden können.
Ein qualifiziertes Variantenverzeichnis sowie ein Partienverzeichnis schließen das Werk ab.
Die Buchsprache ist Englisch. Doch auch wenn alle drei Autoren in ihrer Muttersprache geschrieben haben, ist es ihnen gelungen, das Anforderungsniveau für den fremdsprachigen Leser niedrig zu halten.
Fazit: "Dangerous Weapons: The Ruy Lopez" ist ein interessantes Werk für Weiß und für Schwarz. Es widmet sich Spezialvarianten auf dem Gebiet der Spanischen Partie, die - wenn nicht sogar eindeutig spielbar - schwer zu widerlegen sein werden. In Duellen, in denen man auf Vorteil auch durch ein Überraschen des Gegners hoffen darf, können die Erfolgsaussichten des innovativen Spielers nur weiter steigen.
Ich kann "Dangerous Weapons: The Ruy Lopez" zum Kauf empfehlen.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Russian Endgame Handbook
Ilya Rabinovich
The Russian Endgame Handbook
523 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-936277-39-1
22,99 Euro
The Russian Endgame Handbook
Ich möchte meine Rezension über "The Russian Endgame Handbook" von Ilya Rabinovich mit dem Zitat eines aus Sovietzeiten stammenden Scherzes aus dem Rückentext beginnen. Dort heißt es: "Westliche Amateure spielen die Eröffnung wie ein Großmeister, das Mittelspiel wie ein Experte und das Endspiel wie ein Anfänger." Das vorliegende Werk legte wohl eine der Grundlagen dafür, dass die Spieler der Soviet-Schule die Partie ohne zu zögern ins Endspiel überführten, wenn sich eine Gelegenheit bot, ganz im Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten in dieser letzten aller Partiephasen.
"The Russian Endgame Handbook" ist ebenso wenig eine absolute Neuerscheinung in der Bücherbranche wie Ilya Rabinovich ein aktueller Spieler und Autor ist. Das Werk erschien in seiner Urausgabe in russischer Sprache im Jahre 1927. Die nunmehr ins Englische übersetzte Fassung stammt aus dem Jahre 1938, die aber aufbereitet und um zusätzliche Diagramme erweitert worden ist.
Ursprünglich sollte das Werk dem Gruppentraining dienen, ich sehe aber keinen Grund, warum es nicht auch dem einzelnen und autodidaktisch vorgehenden Spieler eine qualifizierte Lern- und Übungsgrundlage sein sollte. Es ist so verfasst, dass es quasi bei den Grundlagen und somit den einfachsten Stellungen des Endspiels beginnt und denjenigen, der es vollständig durcharbeitet, mit gehobenen Endspielkenntnissen entlässt.
Geschrieben ist es in einer sehr erläuternden Weise, sodass, zumindest durchschnittliche Kenntnisse der englischen Sprache vorausgesetzt, gute Perspektiven für das Verstehen auf der Seite des Lesers geschaffen sind. Dass dieses Werk die fachliche Eignung, das Endspiel wie in einem Kurs zu lehren, in sich trägt, dürfte über seinen Erfolg in russischer Sprache bewiesen sein.
Sein Autor, Ilya Rabinovich, lebte übrigens von 1891 bis 1942, sodass ihm kein langes Leben vergönnt war. Als Turnierspieler war er auch im Westen bekannt.
Es ist sicher müßig zu erwähnen, dass man in einem Werk, das 1938 erschienen und nunmehr mehr oder weniger "nur" übersetzt worden ist, Beispiele nur aus der damaligen Zeit findet. So sind auch die Namen der referenzierten Schachgrößen zumeist jene, die wir in den Endspielbüchern finden, die schon seit eh und je im Westen zu haben sind.
Der Rückentext macht darauf aufmerksam, dass "The Russian Endgame Handbook" auch solche Endspiele behandelt, die zumeist in Büchern ausgespart werden/worden sind, beispielsweise Turm gegen Bauern, Turm gegen Leichtfigur, Dame gegen Turm.
Zu meinen Favoriten zählt das achte von insgesamt 17 Kapiteln. Hier geht es um den Ausbau eines Vorteils in Endspielen mit vielen Steinen auf dem Brett. Hier zeigt Rabinovich auf, wie ein Endspiel systematisch und in Anwendung einprägbarer Methoden in partieähnlichen Situationen erfolgreich geführt werden kann.
"The Russian Endgame Handbook" breitet nicht nur alle Facetten des Endspiels vor dem Leser aus, es fordert ihn auch. In insgesamt 312 über die Kapitel hinweg verteilten Übungen, zu denen er am Ende des Buches die Lösungen findet, muss der Leser selbst aktiv werden.
In einer andere Rezension habe ich gelesen, dass der mit dem Werk arbeitende Spieler daran denken sollte, die Stellungsbeurteilungen im Werk anhand der Tablebases zu überprüfen, soweit diese bereits für im Buch abgebildete Stellungen bekannt sind, da nicht auszuschließen sei, dass historisches Material Falscheinschätzungen unterliege. Ich habe diesen Gedanken aufgegriffen und mir wahllos zehn Diagrammpositionen herausgesucht und wie vorgeschlagen überprüft (es handelt sich um die Diagramme mit den Nummern 35, 116, 191, 213, 289, 290, 300, 351, 397 und 402). Eine Bewertung ist nach den Tablebases falsch, und zwar jene zum Diagramm 290.
Auch wenn es weitere unzutreffende Bewertungen geben sollte: Deren Zahl dürfte nach dieser Stichprobe relativ gering sein. Zudem ist mit einer unzutreffenden Stellungsbewertung nicht zugleich auch gesagt, dass die vermittelte Methode zur Behandlung der jeweiligen Endspielstellung auch unzutreffend ist.
Fazit: Mit "The Russian Endgame Handbook" erhält der Käufer ein inhaltlich historisches Werk, das ihm auf 523 Seiten einen kompletten Kurs zur Endspielbehandlung vermittelt. Es kann als Kurs für die Schulung von Gruppen ebenso wie zum Einzelstudium genutzt werden. Es ist möglich, dass ein paar Stellungseinschätzungen nicht zutreffen, was der Autor damals aber nicht wie heutige Autoren durch Nutzung der Tablebases feststellen konnte. Dies ist dann dem historischen Ursprung geschuldet.
Der Kauf eines solchen Klassikers mag bei manchem Spieler auch etwas Erhebendes sein, bekommt er doch etwas in die Hand, was Generationen von Spielern auf der damals anderen Seite des Eisernen Vorhangs mitgeprägt hat.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Powerful Catalan
Victor Bologan
The Powerful Catalan
252 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-401-1
26,95 Euro
The Powerful Catalan
"The Powerful Catalan" von Victor Bologan ist der Titel eines Repertoirebuches, das von New In Chess in das Rennen um Käufer um den "Katalanisch-Cup" geschickt worden ist. Zur Katalanischen Eröffnung (1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. g3 d5) ist einiges in den vergangenen Jahren neu auf den Schachbuchmarkt gekommen. So stellt sich die Frage, welche Stärken dieses neue Werk ambitionieren können, sich in die Reihe der schon länger um die Käufergunst miteinander wetteifernden Theoriewerke zu katapultieren.
"The Powerful Catalan" verfolgt das Ziel, dem Weißspieler ein Repertoire auf dem Sektor der Katalanischen Eröffnung an die Hand zu geben, das sich auf das Wesentliche konzentriert. Das Repertoire ist "rund", der Nachziehende kann seinen Kontrahenten also nicht so ohne Weiteres aus dessen Eröffnungsfenster drängen, ohne aber die Details zu suchen. Wenn Schwarz das Spiel aus behandelten Linien bringt, bleibt es doch im Fahrwasser von Katalanisch. Mir ist dabei keine Abzweigung aufgefallen, mit der Schwarz die Partie in eine Hauptlinie bringen könnte, die im Buch fehlt.
So ist das Werk aus meiner Sicht ideal für diejenigen, die quasi ein Allroundrepertoire zur Themaeröffnung suchen oder einen roten Faden brauchen, um sich in der Fülle des vorhandenen Theorie- und Partienmaterials auf Hauptwege konzentrieren zu können. Dabei habe ich den Eindruck, dass Bologan die Funktion als Wegweiser bewusst im Auge behalten hat, zumal er dem Leser, der an mehr Details im Material interessiert ist, "Großmeister-Repertoire 1.d4 Band Eins" von Boris Awruch empfiehlt. Dies deutet auch eine weitere sinnvolle Nutzung an, in der ein Leser sich mittels "The Powerful Catalan" ein gutes Basiswissen verschafft und bei Bedarf zusätzlich weitere Informationsquellen beizieht.
Das Material verteilt sich auf 18 Kapitel. Dargestellt wird es klassisch jeweils in Hauptvarianten als Rückgrat, die somit auch Ordnung in die Darstellung der Nebenvarianten bringen. Die Reihenfolge der Hauptvariante gliedert sich nach dem Prinzip "von selten gespielt bis Hauptlinie", sodass sich ein Leser durch das Werk bis zu den Hauptvarianten durcharbeitet. Die Hauptlinien also sind hinten im Buch zu finden.
In den einzelnen Kapiteln werden die Varianten nicht besonders eingeführt, es gibt also wenig an allgemeinen frühen Erläuterungen und Anmerkungen. Demgegenüber gibt es aber sehr ausführliche Zusammenfassungen am Ende jedes Kapitels. Darin zeigt Bologan nicht nur die wesentlichen Aspekte auf, sondern bringt auch seine persönlichen und wertenden Einschätzungen wie auch Tipps für die angezeigte generelle Behandlung einzelner Linien ein. Ich sehe diese Zusammenfassungen als sehr wertvoll insbesondere auch für denjenigen an, der sich vor der Arbeit mit einem Kapitel über dessen Wesen informieren möchte. Deshalb ist es eine Überlegung wert, anhand des Abschlusses eines Kapitels die Arbeit zu beginnen.
Innerhalb der Kapitel konzentriert sich Bologan auf die aus seiner Sicht wesentlichen Linien und Varianten. Einen entsprechenden Maßstab legt er auch für Analysen an. So gibt es in Hauptlinien auch Abschnitte, in denen auch schon mal fünf oder sechs Züge unkommentiert bleiben. Dies betrifft in erster Linie fortgeschrittene Hauptvarianten, kommt aber auch weiter vorne vor. Wer in solchen Passagen mehr wissen möchte, braucht zusätzlich ein mehr detailliertes Werk und/oder qualifiziertes Partienmaterial.
Bologan gibt zumeist den Grund für seine Stellungsbeurteilungen an, was der Nachvollziehbarkeit seiner Aussagen und dem Verständnis des theoretischen Materials klar dient. Soweit er Züge kommentiert, gilt diese Aussage ebenso. Er beschränkt sich also nicht auf die Abbildung von Zugketten aus Beispielpartien, um diese dann mit einer Beurteilung abzuschließen, sondern beleuchtet schon zahlreiche Züge auf dem jeweiligen Weg dorthin.
Vollständige Partien werden in "The Powerful Catalan" nicht abgebildet, ich persönlich vermisse sie allerdings auch nicht.
Ein Quellenverzeichnis enthält das Werk nicht. Es ist aber, und dies eindeutig, theoretisch auf der Höhe der Zeit.
Ein Namensverzeichnis weist am Ende die Spieler aus, aus deren Partien Fragmente Eingang in das Werk gefunden haben.
Dem Stil von "The Powerful Catalan" entsprechend beschränkt sich auch das Variantenverzeichnis auf das Wesentliche, es ähnelt dabei etwas dem Inhaltsverzeichnis, geht in der Zugfolge allerdings nicht vergleichbar weit. Für die schnelle Orientierung über die Inhalte hinweg reicht es aus.
Die Buchsprache ist Englisch, was aber kein Hindernis für diejenigen Interessenten sein sollte, die zumindest über Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau verfügen.
Fazit: "The Powerful Catalan" ist ein Repertoirebuch für Weiß, dessen Wert für den Käufer ich je nach dessen Potenzialen differenziere.
Für starke Spieler mit einer reichen Partiensammlung kann es schon alleine die Basis für den Aufbau eines qualifizierten eigenen Repertoires bilden. Diese Funktion nimmt es zwar auch für den noch aufstrebenden Spieler und den Fernschachspieler wahr, denen ich dann aber - ebenso wie Bologan selbst - empfehle, zusätzlich ein zweites detailliertes Werk zu nutzen, insbesondere "Großmeister-Repertoire 1.d4 Band Eins" von Boris Awruch.
"The Powerful Catalan" ist ein empfehlenswertes Werk, das zudem durch seine Konzentration auf das Wesentliche und seine Ordnung der Theoriefülle zugunsten eines Überblicks und eines effektiven Haindlings des vorhandenen Materials besticht.
Meine Kaufempfehlung richtet sich auch an den Spieler mit schwarz, der dabei berücksichtigen muss, dass ihm in seiner Partie von Weiß spielbare Varianten präsentiert werden können, die Bologan durch seine Konzentration auf bestimmte Abspiele für Weiß nicht aufgenommen hat.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
The Modern Defence - move by move
Cyrus Lakdawala
The Modern Defence - move by move
400 Seiten, gebunden
ISBN: 978-1-85744-986-0
23,95 Euro
The Modern Defence - move by move
Der amerikanische IM Cyrus Lakdawala scheint sich zu einem Spezialisten zu entwickeln, Bücher für die "move by move"- Reihe von Everyman Chess zu schreiben. Diese Serie zeichnet sich durch einen besonderen systematischen Ansatz aus, den ich weiter unten beschreiben werde, und Lakdawala hat inzwischen den bereits sechsten Titel beigetragen.
Sein Werk "The Modern Defence - move by move" widmet sich, wie man schon aus der wörtlichen Übersetzung erkennen kann, der Modernen Verteidigung, teilweise auch einfach "Verteidigung 1…g6" genannt. Diese Erwiderung lässt sich gegen fast jeden weißen Anzug spielen, dementsprechend breit ist auch das inhaltliche Spektrum des Buches angelegt.
Es enthält insgesamt 12 Kapitel. Diese decken, in der Reihenfolge des Inhaltsverzeichnisses, die folgenden Eingangszugfolgen ab:
1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sc3 d6 4.Le3 a6 5.Dd2 Sd7 6.f3
1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sc3 d6 4.Le3 a6 5.Sf3 b5
1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sc3 d6 4.f4 a6 5.Sf3 b5 6.Ld3 Sd7 7.Le3 Lb7 8.e5 Sh6
1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sc3 d6 4.Lg5
1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sf3 d6 4.Lc4
1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sc3 d6 4.g3 Sc6
1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sc3 d6 4.c3
1.e4 g6 2.d4 Lg7 Unregelmäßige Linien
1.d4 g6 2.c4 Lg7 3.e4 d6 4.Sc3 e5
1.d4 g6 2.c4 Lg7 3.Sf3 d6 4.Sc3 e5
1.d4 g6 Linien gegen Anti-Damenbauernspiele
1.c4 g6 2.Sc3 Lg7 3.g3 d6 4.Lg2 e5
Die Überschriften der einzelnen Kapitel lasse ich an dieser Stelle fehlen, da die für die einzelnen Abspiele verwendeten Namen nicht allesamt allgemein gebräuchlich sind.
Lakdawala behandelt den Stoff anhand von 55 Partien, die ganz überwiegend der modernen Meisterpraxis entstammen. Beispiele aus dem Fernschach sind nicht dabei. Zu Beginn eines Kapitels wird das behandelte System bzw. der im Folgenden besprochene Bereich über die Ausgangszugfolge und ein die Grundstellung abbildendes Diagramm eingeführt. Dem schließt sich ein kurzer erläuternder Text an. Diesem kommt regelmäßig keine tiefe Bedeutung zu. Er gibt eher einen Überblick über das, was kommt, bietet dem Leser die eine oder andere allgemeine Information an oder trifft eine grob skizzierte Aussage zur Ausrichtung des strategischen Plans. Die Quelle für Informationen über die Moderne Verteidigung sind mehr oder weniger allein die Partien des jeweiligen Kapitels.
Lakdawala schreibt unterhaltsam, ohne dabei zu überziehen. So bleibt die Seriosität eines Eröffnungsbuches durchgehend erhalten, ohne dass dessen Sprache steif und knochig klingt. Auch das Lesen im Werk ist dadurch angenehm, man nimmt es gerne zur Hand.
Es wird durchgehend deutlich, dass Lakdawala das Manuskript in seiner Muttersprache Englisch verfasst hat. Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind höher als zumeist in Werken, die erst ins Englische übersetzt worden sind. Schulenglisch mit einem Wörterbuch am Platz sollte aber auf jeden Fall ausreichen, um mit dem Buch weitgehend optimal arbeiten zu können.
Das Konzept der "move by move"-Bücher basiert auf der Idee, ein Gespräch zu simulieren, das ein Schachlehrer mit einem Schüler im Zuge der gemeinsamen Arbeit am Brett führt. "The Modern Defence - move by move" vermittelt somit die Situation, dass der Leser die Rolle des Schülers einnimmt und im Beisein sowie unter Anleitung des Lehrers sich der Theorie der Modernen Verteidigung widmet. Dem Leser werden dabei Schülerfragen und -anmerkungen in den Mund gelegt, die das Buch stellvertretend für einen Lehrer beantwortet.
Dieses Konzept hat es verdient, auch einmal aus einer besonderen Warte betrachtet zu werden, nämlich jener des modernen Computerzeitalters. Engines sind heute aus der Praxis des Schachspiels nicht mehr wegzudenken, sie sind starker Spielpartner, Trainingswerkzeug und Lernmedium in eins. Mit Blick auf die Arbeit zur Eröffnungstheorie birgt der Engineeinsatz aber eine Gefahr, die sich dadurch zeigt, dass deren Vorschlag schon allein deshalb als gut anerkannt und übernommen wird, weil er eben von der Engine stammt. Einerseits beißt sich die Katze bei dieser Computerhörigkeit aber in den Schwanz, andererseits führt ein solches Vorgehen zu einer Blockade des Erlernens einer Eröffnung im Sinne eines Verstehens. Deshalb findet man auch immer wieder mal den ernst zu nehmenden Ratschlag starker Spieler und Lehrer an den Lernenden, bei der rechnergestützten Arbeit mit der Eröffnungstheorie in einen ständigen Dialog mit sich selbst einzutreten. Der Lernende soll sich immer wieder die Frage nach dem Sinn eines Zuges stellen, nach Vor- und Nachteilen und ganz besonders auch nach den Plänen. Erst dann kann sich ein Zug vollständig in die Variante bzw. in das System einfügen, erst dann kann der Spieler die Eröffnung wirklich im Sinn des Verstehens erlernen.
Dieser geforderte Dialog mit sich selbst wird in der move-by-move-Serie mit dem Dialog zwischen Autor/Lehrer und Leser/Schüler ersetzt.
Voraussetzung dafür, dass das Lernziel unter dem Buchkonzept auch tatsächlich erreicht wird, sind die ausreichende Qualität und die gute Platzierung dieser Fragen und natürlich auch der sich anschließenden spezifischen Ausführungen darauf. Dies sehe ich in "The Modern Defence - move by move" als erreicht an. Ich habe bei der Vorbereitung dieser Rezension in den stichprobenartig untersuchten Passagen nur Fragen gefunden, die ich bei einem nach Verstehen strebenden Spielers auch vermuten würde, und natürlich auch die entsprechenden Antworten darauf. Auch diese Serie wird es nie erreichen können, dass jede Frage jedes beliebigen Lesers auch tatsächlich erwähnt und erörtert wird, darin liegt aber kein Defizit. Andernfalls müsste für nahezu jeden einzelnen Zug einer Seite das gesamte Drumherum geklärt werden, was weder realistisch noch - aus der Sicht aller Leser - wünschenswert wäre.
In ganz seltenen Fällen haben mich Dialogpassagen nicht überzeugt. So mögen Ausrufe in einer realen Lehrer- und Schülersituation, in einer Präsenzsituation somit, normal sein, in einem Buch aber wirken sie gekünstelt und deshalb verzichtbar.
Insgesamt aber hat Lakdawala das Konzept gut und inhaltlich qualifiziert umgesetzt. "The Modern Defence - move by move" nutzt die Möglichkeiten des systematischen Ansatzes "Verstehen durch Dialog" sehr gut aus.
Die Bibliografie enthält die wichtigsten aktuellen Werke zur Modernen Verteidigung und zwei (angehende) Klassiker. Das Partienmaterial scheint sich vor allem auf New In Chess als Quelle zu stützen, eine Ressource für Fernpartien ist nicht angegeben.
Als Analyseengine hat Lakdawala zumindest vorwiegend auf Houdini gesetzt.
Fazit: "The Modern Defence - move by move" ist ein empfehlenswertes Buch für denjenigen, der die Verteidigung mit 1…g6 erlernen, von Grund auf verstehen will. Meine Empfehlung richtet sich entsprechend an Spieler jeder Spielstärke, die mit dieser Motivation ein Buch zur Modernen Verteidigung suchen. Vor allem sehe ich den Adressatenkreis bis zum Clubniveau gesteckt.
Mit 23,95 Euro für exakt 400 Buchseiten ist das Werk für einen angemessenen Preis erhältlich.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
Schachkalender 2013
Arno Nickel (Herausgeber)
Schachkalender 2013
320 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-924833-64-0
14,80 Euro
Schachkalender 2013
Er läuft und läuft und läuft! Der geflügelte Spruch aus alter Zeit der Werbung für den VW Käfer gilt auch für den Schachkalender. Die Ausgabe 2013 deckt den nunmehr bereits 30. Jahrgang ab. Insofern sollte der VW-Werbespruch vielleicht etwas angepasst werden, denn der Schachkalender läuft nicht nur, er ist ein (Dauer-) Renner.
Für diejenigen, die sich nichts unter einem Schachkalender vorstellen können: Dies ist ein kleines Büchlein, das mit seinen Maßen von jeweils rd. 15 cm L., 11 cm B. und knapp 2 cm dick in so gut wie jede Tasche passt, ein Taschenkalender also. Er ist sehr gut verarbeitet, Hardcover mit ordentlicher Bindung. Dieser Kalender, der speziell für den Schachspieler gemacht worden ist, soll diesen über das ganze Jahr hinweg begleiten. Mit der beschriebenen guten Verarbeitung wird er genau das auch schaffen, er wird bis zum nächsten Silvester durchhalten.
Was ein Taschenkalender ist, weiß jeder. Aber was macht einen Taschenkalender zu einem Schachkalender? Um diese Frage zu beantworten, muss man sich den Inhalten zuwenden, die ein gewöhnlicher Kalender nicht bietet, der Schachkalender aber.
Der Schachkalender 2013 umfasst insgesamt 320 Seiten. Sein Gerüst ist ein gewöhnlicher Kalender. Für jede Woche des Jahres steht eine Doppelseite zur Verfügung. Bei 52 Wochen im Jahr werden somit 104 Seiten von der Kalenderfunktion eingenommen. Hier kann man für jeden Tag seine eigenen Termine etc. eintragen. Schon vorhanden sind Geburts- und ggf. Sterbedaten gegenwärtiger und früherer Schachgrößen. Haben Sie beispielsweise am 7.11. einen Termin mit Tante Elfriede, so steht dieser dann unter dem Geburtsdatum von u.a. Aaron Nimzowitsch.
Jede Woche wird mit einer Kleinigkeit aus der Welt des Schachspiels abgeschlossen, die somit rechts unten auf der Doppelseite zu finden ist. Dies kann eine kurze Textinfo zu einem erwähnenswerten Aspekt sein, ein Foto, ein Diagramm mit einer kleinen Aufgabe, eine Kombination daraus und mehr. Immer aber beschäftigt sich der Nutzer mit seinem Hobby Schach, wenn er sich diesem kleinen Intermezzo widmet, findet etwas Zerstreuung in einer kleinen Flucht aus dem Alltagsstress.
Insgesamt 15 längere redaktionelle Beiträge machen den Kalender zur Lektüre und auch zu einer Nachspielecke. Nur beispielhaft erwähnen möchte ich "Des Kanzlers neue Kleider" von Michael Burghardt, der sich mit Schachvarianten und besonders dem Kanzlerschach beschäftigt, "Dr. Paul Tröger" von Robert Hübner und "Thrillerstrategien" von Johannes Fischer, ein kleiner Text zum Roman "The Chessman". Diese Beiträge geben den Anlass, den Schachkalender mal mit auf das Sofa zu nehmen, ihn in der Bahn zu lesen oder auch im Urlaub mal in die Hand zu nehmen.
Zahlreiche Fotos, diesmal auch in Farbe, soweit ein Farboriginal vorlag, machen den Kalender noch ein wenig interessanter.
Spielerranglisten, Turnier- und Bundesligatermine, Mannschaftsaufstellungen der Bundesligen, Adressen, Seiten für eigene Adresseintragungen und etwas Werbung komplettieren die Differenz zwischen den gut 100 Seiten für die Kalenderfunktion und den 320 Buchseiten insgesamt.
Der Schachkalender 2013 ist ein rundum gelungenes und zu den Vorjahren noch einmal verbessertes Werk (insbesondere hinsichtlich der Fotos). Aber einen kleinen Kritikpunkt muss ich dem Herausgeber Arno Nickel doch mit auf den Weg geben: Der Schachkalender dürfte durchaus etwas mehr zum Fernschach enthalten! Schon mit einem einzigen Beitrag, der sich auf zwei Seiten reduzieren dürfte, könnte der Leser darauf aufmerksam gemacht werden, dass es Fernschach gibt und Deutschland dessen Hochburg ist. Vielleicht ein Hinweis an den Herausgeber, der selbst den Großmeistertitel im Fernschach trägt, die Schachkalender der künftigen Jahre noch etwas besser zu machen!
Fazit: Der Schachkalender 2013 ist der gewohnt empfehlenswerte Begleiter durch das gerade begonnene (Schach-) Jahr.
Positional Play
Jacob Aagaard
Positional Play
312 Seiten, gebunden
ISBN: 978-1-907982-27-9
29,99 Euro
Positional Play
Zu den Büchern, die vor allem den schon starken Spieler noch stärker machen sollen, zählt die Neuerscheinung "Positional Play" aus der Serie "Grandmaster Preparation" von Quality Chess. Sein Autor Jacob Aagaard zielt mit ihm nicht allein darauf ab, das Positionsverständnis des Lesers zu verbessern, vielmehr will er in erster Linie dessen Urteilsvermögen und seine Entscheidungsfindung qualifizieren. Zwischen diesen Fähigkeiten liegt ein kleiner, aber bedeutender Unterschied - das Urteilsvermögen und die Entscheidungsfindung liegen näher an der Praxis.
Aagaard reduziert das wohlbekannte Prinzip, mit gezielten Fragen eine Stellung auf ihre wesentlichen Merkmale wie auch ihre Feinheiten zu untersuchen, auf deren Zahl von drei. Indem sich also ein Spieler in der Partie immer wieder drei spezifische Fragen stellt und natürlich - möglichst zutreffend - beantwortet, soll er die jeweilige Stellung beurteilen und die richtige Entscheidung treffen können. In sinngemäßer Übersetzung haben diese Fragen den folgenden Wortlaut:
1. Wo liegen die Schwächen in den Stellungen beider Seiten?
2. Welches ist die am schlechtesten postierte Figur?
3. Welcher Idee folgt der Gegner?
In drei Kapiteln geht Aagaard auf jeweils eine dieser Fragen ein, ein viertes Kapitel mit Übungen schließt sich an und das fünfte, zugleich auch das letzte Kapitel enthält die Lösungen darauf.
Wie schon kurz erwähnt, sehe ich in erster Linie den schon starken Spieler als Adressaten dieses Werkes. Aagaard sieht dies auch so, schreibt dazu aber etwas indifferent. So unterstellt er in der Einführung, dass der Leser, der dieses Buch in der Hand hält, schon über ein hohes Positionsverständnis verfügt, um bald darauf das Ziel auszugeben, die Performance auf Großmeisterniveau zu heben. Dann relativiert er seine Aussage aber damit, dass der Schwierigkeitsgrad im Buch nicht ausufernd hoch sei. Im Übungsteil (Kapitel 4) unterscheidet er in der Aufgabenstellung dann wieder zwischen Spielern ab 2200 und darunter.
Natürlich möchte ich dem noch nicht allzu starken Spieler den Kauf dieses - das Gesamturteil kurz mal vorweggenommen - herausragenden Werkes keinesfalls ausreden. Nur aber sollte er wissen, dass er sich eine sehr anspruchsvolle Aufgabe stellt. Kommt er mit dem Schwierigkeitsgrad zurecht, wird er jedoch vermutlich mit dem größten Leistungssprung belohnt werden.
Sich einfacher und schneller in die Materie einfinden werden sich starke und erfahrene Spieler. Für Sie ist "Positional Play" dann ein Werk zur Verfeinerung ihrer Fähigkeiten, zur Vertiefung und auch eine qualifizierte Trainingsmaterie. Dass sich starke Spieler schneller einfinden werden, sieht auch Aagaard so, wie seine unterschiedlichen zeitlichen Vorgaben zu den Übungen im Kapitel 4 zeigen.
Das 1. Kapitel trägt in Übersetzung die Überschrift "Schwächen". Es korrespondiert somit mit dem Fragewerkzeug "Wo liegen die Schwächen in den Stellungen beider Seiten?". Anhand von Beispielen aus der Meisterpraxis führt Aagaard den Leser ins Thema ein. Sehr gelungen ist sein Vorgehen, die Schwächen in einer Stellung nicht nur im Text zu beschreiben, sondern sie auch in Diagrammen zu visualisieren. Schwächen auf dem Brett kennzeichnet er mit einem Kreis, potenzielle Schwächen mit einem gestrichelten Kreis. Schlecht stehende Figuren hebt er durch ein diese rahmendes Quadrat hervor, ein gestricheltes Quadrat gilt einer Figur, die später Probleme bekommen kann. Letztlich veranschaulicht er mit Pfeilen die (gegnerischen) Ideen und mit gestrichelten Pfeilen potenzielle spätere Ideen. So erkennt der Leser auf den ersten Blick die Besonderheiten auf dem Brett, kann diese hinterfragen und Aagaards Ausführungen "bebildert" folgen.
Thematische Schwerpunkte dieses Kapitels sind "Bauern, Felder, Haken (damit sind - gewöhnlich vorgerückte - Bauern gemeint, die herausgefordert werden können), Königsstellung, Schwächen provozieren und Schwächen beseitigen".
Abschließend stellen sich dem Leser 24 Diagrammstellungen, die er unter dem Aspekt "Schwächen" beurteilen soll, um sich dann für eine Lösung zu entscheiden. Abgeschlossen wird das Kapitel mit den Lösungen, die nicht minder ausführlich besprochen und dargestellt werden wie die theoretischen Teile zuvor.
Das 2. Kapitel korrespondiert mit der Beurteilungsfrage "Welches ist die am schlechtesten postierte Figur?". Sein Aufbau entspricht jenem des Vorgängers. Thematische Schwerpunkte dieses Kapitels sind "bestgeeignete Felder, Felder für die Figuren schaffen, Abtäusche, Positionsopfer und ungedeckte Figuren". Auch dieses Kapitel wird von 24 Aufgabenstellungen und deren Lösungen abgeschlossen.
Mit dem erneut gleich aufgebauten 3. Kapitel wird die Einarbeitung des Lesers in die Themen fortgesetzt und beendet. Es trägt die Überschrift "Prophylaxe" und geht auf die Beurteilungsfrage "Welcher Idee folgt der Gegner?" zurück. Hier konzentriert Aagaard die Behandlung insbesondere auf die Themen "die Idee hinter dem letzten Zug, welches sind die kurzfristigen Ziele des Gegners, welches sind die lang ausgelegten Ziele des Gegners, prophylaktisches Denken in der Praxis".
Die Zahl von 24 abschließenden Aufgabenstellungen und Lösungen bleibt erhalten.
Mit dem 4. Kapitel stellt sich dem Leser sodann die eigentliche Herausforderung. Hier findet er insgesamt 150 Diagrammstellungen vor, die er beurteilen und zum weiteren Vorgehen lösen soll. Dabei muss er auf alles zurückgreifen, was er in den Kapiteln 1 bis 3 gelernt oder wieder ins Gedächtnis gerufen bekommen hat.
Diese Aufgaben haben es in sich. Aagaard gibt dem Spieler jenseits 2200 auf, eine Diagrammstellung in 10 Minuten zu bearbeiten. Dem Spieler darunter gewährt er 15 Minuten. Aber auch eine "Paketlösung" bietet er an, indem er dem Spieler über 2200 insgesamt 35 Minuten gibt, um sechs Aufgaben zu lösen, dem Spieler unter 2200 45 Minuten.
Ein einfacher Trainingsplan kann so aussehen, dass der Spieler in der Woche sechs Seiten (diese entsprechen 36 Übungen) löst, bei einem Ruhetag.
Das 5. Kapitel ist die Lösungseinheit zum vierten.
Der Leser, der dieses Werk, natürlich inklusive der Aufgaben und deren Lösungen, verständig durcharbeitet, wird dabei seine Spielstärke zweifellos heben bzw, als schon meisterlicher Spieler einen Trainingseffekt erzielen.
"Positional Play" erinnert mich ein wenig an eine Einladung an einen hoffnungsvollen Amateurfußballer zur Teilnahme am Training der Bundesligaprofis.
Das Werk ist inhaltlich hoch qualifiziert und stellt Ansprüche an den Leser.
Anspruchsvoll ist auch die Buchsprache Englisch. Der Leser sollte schon über deutlich mehr als Grundkenntnisse der englischen Sprache verfügen, wenn er denn alles gut verstehen möchte. Der verwendete Wortschatz ist weit und mir sind einige Wendungen aufgefallen, die sich nicht wörtlich übersetzen lassen, wenn der Sinn erhalten bleiben soll.
Die Verarbeitung des Buches ist sehr gut. Der Rezension lag eine Ausgabe als Hardcover und in gebundener Form vor, es ist aber auch kartoniert zu einem günstigeren Preis erhältlich.
Fazit: "Positional Play" ist eine Herausforderung an den ehrgeizigen Leser. Es ist zugleich eine anspruchsvolle und qualifizierte Einladung zur Verbesserung der Spielstärke bzw. zum effektiven Training. Zum Adressatenkreis zähle ich vor allem den schon spielstarken Leser. Spieler noch unterhalb der hohen Weihen müssen den erforderlichen Biss mitbringen, sich mit dem Werk anzustrengen.
Ein bemerkenswertes Buch!
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)
How I Beat Fischer´s Record
Judit Polgar
How I Beat Fischer´s Record
384 Seiten, gebunden
ISBN: 978-1-907982-19-4
24,99 Euro
How I Beat Fischer´s Record
Der Titel "How I Beat Fischer´s Record" steht für ein sehr interessantes Werk von Judit Polgar. Es ist der Einstieg in eine autobiografische Trilogie der besonderen Art; komplettiert wird die Serie mit den beiden Folgebänden "From GM to Top Ten" und "A game of Queens".
Es gibt mehrere sehr markante Gedanken, die zumindest dem langjährigen Schachanhänger kommen, wenn er den Namen Judit Polgar hört. Sie ist …
- die erfolgreichste der Polgar-Schwestern aus Ungarn,
- bekannt für ihren kämpferischen Stil, Schach zu spielen,
- in der Damen-Weltrangliste hat sie seit einer kleinen Ewigkeit quasi ein Abonnement auf Rang 1,
- die erste Frau, die an einem allgemeinen WM-Finale teilgenommen hat (2005 in San Luis),
- diejenige, die Bobby Fischer den Rekord abgenommen hat, als jüngster Mensch den GM-Titel erworben zu haben (1992 mit 15 Jahren, als sie den Titel nach Lebensalter um einen Monat früher als der legendäre US-Amerikaner errang).
Und genau der letztgenannte Punkt dieser Aufzählung führt zum Titel des vorliegenden Werkes und damit zur Eingrenzung der betrachteten Periode in der Karriere Judit Polgars. Im Zentrum der Betrachtung liegt ihr Schaffen bis 1991, als sie jüngster Großmeister (also geschlechtsunabhängig) aller Zeiten wurde.
Üblicherweise folgen Autobiografien dem chronologischen Werdegang der Person. Dies ist bei "How I Beat Fischer´s Record" anders, wenn man das Buch von der ersten bis zur letzten Seite durchgeht. Chronologisch ist das Werk nur innerhalb der verschiedenen Kapitel. In diesem Unterschied zu anderen autobiografischen Büchern liegt für den Leser ein zusätzlicher Wert des Buches. Polgar hat die Inhalte in der Art eines Handbuches zusammengestellt, worauf sie in ihrer Einleitung auch hinweist. Es soll damit insbesondere Anfängern und Amateuren helfen, ihr Spiel zu verbessern, aber auch Werkzeug für Eltern und Trainer sein. Bei allem herausgekommen ist der erste und sehr unterhaltsame wie auch informative Teil einer Autobiografie, der auch einen schulenden Wert entwickelt.
Ebenfalls in ihrer Einleitung zeigt Polgar auf, dass sie seit dem Anbeginn ihrer Praxis auch die Zeiten in den Partieaufzeichnungen vermerkt hat, die sowohl sie als auch ihr jeweiliger Gegner für die Züge aufgewendet hat. Hieraus zieht sie u.a. Rückschlüsse zur Psychologie, die dann auch tatsächlich in den Partiekommentierungen immer wieder zu finden sind.
Sie macht darauf aufmerksam, dass sie möglichst Material genutzt hat, das noch nicht veröffentlicht worden ist. Ich kann dies im Einzelnen nicht nachprüfen, habe in Stichproben aber tatsächlich mehrere Partien gefunden, die mir noch unbekannt waren. Weitere liegen mir ohne Kommentierung bzw. mit einer Fremdkommentierung vor.
Das Werk ist hinsichtlich der thematischen Inhalte in 15 Kapitel unterteilt, die - in sinngemäßer Übersetzung - die folgenden Überschriften tragen:
1. Tricks
2. Mattnetze
3. Damenfang
4. Zwischenzug
5. Geschichten mit einem unerwarteten Ende
6. Verbesserung der Stellung von Figuren
7. Bauernspiel
8. Herrschaft von / über Figuren
9. Entwicklungsvorsprung
10. Angriff gegen den unrochierten König
11. Die Kunst der Vereinfachung & Elemente der Endspieltechnik
12. Angriff ohne Damen
13. Entscheidende Partien
14. Denkwürdige Partien
15. Amsterdam 1989 OHRA-Turnier, Turniertagebuch.
Die Reihenfolge der Kapitel hat Polgar nach ihren Worten entsprechend der Komplexität der Themen bestimmt, von einfach bis schwer. Dabei hat sie die Warte des lernenden Spielers eingenommen. So begründet sich denn auch die schon erwähnte Abkehr von einer durchgehend chronologischen Ordnung der autobiografischen Aspekte.
Es gibt sowohl vollständige Partien als auch Partiefragmente, die über ein Ausgangsdiagramm aufgenommen werden. In der Art der Kommentierung macht dies keinen Unterschied, ausgenommen natürlich zur Frage, ob es jeweils auch Anmerkungen zur Eröffnung gibt.
Die Art und Weise der Kommentierung wirkt auf mich sehr überzeugend. Polgar legt den Schwerpunkt auf textliche Beschreibungen. Sie findet dabei aber zugleich auch ein ausgewogenes Verhältnis zum Anteil an Varianten. Soweit diese für den Verlauf einer Partie wichtig sind oder unter dem Aspekt, dass "How I Beat Fischer´s Record" auch ein Handbuch sein soll, angebracht erscheinen, werden sie auch dargestellt. Bandwurmanalysen fehlen aber vollständig, was ich als vorteilhaft ansehe.
Neben den strategischen und taktischen Besonderheiten in einer Partie werden gehäuft auch die psychologischen Belange beider Spielparteien angesprochen. Diese Passagen sind informativ, lehrreich und unterhaltsam zugleich. Sie wirken teilweise wie ein Blick in das bisher behütete Schatzkästchen Polgars.
Um die Kommentierungen wie auch die sonstigen Texte im Buch verstehen zu können, braucht der Leser Englischkenntnisse mindestens auf Schulniveau.
Wie es sich für ein grundsätzlich auch autobiografisch orientiertes Werk gehört, erfährt der Leser einiges aus dem Leben von Judit Polgar und ihrer Familie für das in diesem Band abgedeckte Zeitfenster. Zahlreiche Fotografien aus dem offenkundig persönlichen Bereich lockern die Inhalte auf und gewähren zusätzliche Einblicke. Diese beschränken sich nicht auf das Partie- und Turniergeschehen, auch rein private Motive sind in hoher Zahl zu finden. Unter dem Aspekt des Werdegangs der Autorin im Schach haben mich zwei Aufnahmen besonders interessiert. Auf dem einen Bild ist ein Schubladensystem abgebildet, wie man es mit Gewürz- oder den Tate-Emma-Läden von früher in Verbindung bringt. Es wurde im Training bzw. zur Arbeit mit der Theorie so genutzt, wie man dies heute mit elektronischen Datenbanken macht. Ein anderes Bild zeigt eine Trainingssituation mit dem Schachbrett vor einem großen Spiegel. Der Text beantwortet nicht die Frage, ob eine Trainingsmethode der Polgar-Schwestern auch darauf fußte, vor einem Spiegel zu hantieren und so immer auch die Warte der anderen Farbe vor Augen zu haben. Auf jeden Fall ist dies für mich ein interessanter Gedanke und die abgebildete Situation sieht für mich auch nach einer solchen Methode aus.
"How I Beat Fischer´s Record" ist ein sehr gut verarbeitetes Werk, das gleich auf den ersten Blick einen edlen Eindruck macht. Es wird ist Hardcover (mit weißer Grundfarbe) mit einer hochwertigen Bindung erhältlich.
Statistische Daten zur Karriere Judit Polgars, ein Verzeichnis der Spielernamen und ein Partienverzeichnis schließen "How I Beat Fischer´s Record" ab.
Fazit: "How I Beat Fischer´s Record" ist ein bemerkenswertes und uneingeschränkt empfehlenswertes Buch, Autobiografie und Handbuch zugleich. Als erster Teil einer Trilogie macht dieser Band Lust auf mehr.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)