Rezensionen - Einstellungsjahr 2011

Verfasser: Uwe Bekemann (sofern nicht jeweils ein anderer Verfasser genannt ist)

the Modern Benoni

Richard Palliser
the Modern Benoni
281 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-681-4
20,95 Euro




the Modern Benoni
Aus der neuen Serie "Chess Developments" von Everyman Chess ist das Werk "the Modern Benoni" erschienen. Autor ist der britische IM Richard Palliser, der für inzwischen zahlreiche Werke als (Mit-) Verfasser verantwortlich ist.

Bevor ich mich konkret auf diese Neuerscheinung konzentriere, möchte ich kurz auf die neue Serie "Chess Developments" als solche eingehen. In ihrer Intention und ihrer strategischen Ausrichtung erinnert sie mich an die Serie "The Cutting Edge" von Quality Chess. Soweit ich Bücher aus der vergleichbaren Serie kenne und Rückschlüsse aus dem hier besprochenen Werk ziehen darf, erkenne ich bei aller Ähnlichkeit zwei bedeutende Unterschiede, die da sind:

1. "Chess Developments" sehe ich als "akademische Vorlesung für den Praktiker", während ich "The Cutting Edge" als "beinahe an wissenschaftlichen Maßstäben orientierte Untersuchung und Darstellung für Praktiker mit akademischem Anspruch" einstufe.
2. "Chess Developments" möchte in einem gewissen Maße auch lehren, indem es mit - grafisch hervorgehobenen - Anmerkungen, Warnungen, Tipps und Hinweisen auf Schlüssel-Entwicklungen etc. arbeitet, während "The Cutting Edge" sich nüchterner gibt und nicht in einer ähnlichen Weise an den Leser herantritt.

Und natürlich darf man die behandelten Themen nicht vergessen; bisher zumindest gibt es dabei keine Kollision, die jeweils behandelten Eröffnungen sind in der anderen Serie noch nicht erschienen.
Unveränderte Verhältnisse vorausgesetzt können beide Serien auch dann miteinander leben, wenn sie sich mal identischen Themen widmen sollten. Dann stünden dem vertieft interessierten Leser sogar zwei Quellen zur Auswahl.

Nun aber zur Ausgabe "the Modern Benoni" aus "Chess Developments":
Das Werk enthält sechs Kapitel. Diese tragen in Übersetzung die folgenden Überschriften, die ich um die Initialzugfolgen ergänze:

1. Die moderne Hauptlinie [1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 e6 4.Sc3 exd5 5.cxd5 d6 6.e4 g6 7.Ld3 Lg7 8.h3 0-0 9.Sf3]
2. Die anti-moderne Hauptlinie [1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 e6 4.Sc3 exd5 5.cxd5 d6 6.e4 g6 7.Sf3 a6]
3. Der Taimanov-Angriff 8…Sfd7 9.a4 [1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 e6 4.Sc3 exd5 5.cxd5 d6 6.e4 g6 7.f4 Lg7 8.Lb5+ Sfd7 9.a4]
4. Der Taimanov-Angriff ohne 8…Sfd7 9.a4 [1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 e6 4.Sc3 exd5 5.cxd5 d6 6.e4 g6 7.f4 Lg7 8.Lb5+]
5. Fianchetto in der Hauptlinie: 9…a6 10.a4 Sbd7 11.Sd2 Te8 [1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 e6 4.Sc3 exd5 5.cxd5 d6 6.Sf3 g6 7.g3 Lg7 8.Lg2 0-0 9.0-0 a6 10.a4 Sbd7 11.Sd2 Te8]
6. Fianchetto-Variante: Frühe Abweichungen [1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 e6 4.Sc3 exd5 5.cxd5 d6 6.Sf3 g6 7.g3 Lg7 8.Lg2 0-0 9.0-0].

Die innere Ordnung geben Partien aus den jüngst vergangenen Jahren, die Palliser als theoretisch wichtig und instruktiv erkannt hat. Diese sind regelmäßig bis zum Ende kommentiert, was den Vorteil hat, die weitere Entwicklung des Eröffnungsthemas im Fortgang der Partie und mit unterstützender Begleitung verfolgen zu können, aber auch den Nachteil, dass einiges an Raum im Buch für Darstellungen abseits der Eröffnungsphase gebunden wird. Letztendlich ist das Urteil über diesen ganzheitlichen Ansatz eine Sache des Lesers. Der Schwerpunkt der Kommentierung und der Analysen liegt auf jeden Fall ganz klar auf der Eröffnung und dort auf den Schlüsselthemen. Hier geht die Betrachtung bisweilen sehr in die Tiefe, was nicht zuletzt auch den Fernschachspieler erfreuen wird.

Am Beispiel des 1. Kapitels möchte ich einmal konkret darstellen, wie sich das Werk dem Leser stellt:
- Zunächst wird die Initialzugfolge angegeben, die dann erreichte Ausgangsstellung wird mit einem Diagramm fixiert.
- Es schließt sich ein kurzer theoretischer Überblick an, der u.a. auch die Konzentration auf alternative Zugmöglichkeiten in Schlüsselstellungen richtet und diese bereits grob theoretisch bewertet.
- Anhand der ersten Partie wird der Schlüsselzug eingeführt und untersucht. Abweichungen von der Partiefortsetzung werden, sofern sie eine eigene Bedeutung haben, in Folgepartien erörtert, auf die in einem Partiekommentar verwiesen wird. Auch bei späteren Abweichungen von Zügen der aktuell betrachteten Partie geht Palliser so vor. Auf diese Weise kann sich der Leser je nach Zug zu bestimmten Partien seines Interesses bewegen.
- Die Gesamtheit der Partien eines Kapitels, in Kapitel 1 sind dies 11 an der Zahl, deckt die theoretische Betrachtung ab.
- Für die oben schon angesprochenen Hinweise, Warnungen etc. verwendet das Werk Symbole, z.B. Klemmbrett, Pfeil etc. Die damit gekennzeichneten Klarstellungen, Merksätze etc. werden zudem in Fettschrift ans Auge gebracht.

Die weiteren Buchkapitel sind wie das beschriebene 1. Kapitel aufgebaut.

Ein differenziertes und um Diagramme erweitertes Variantenverzeichnis sowie ein Partienverzeichnis nehmen die Schlussseiten ein. Zwei der insgesamt 45 vollständig abgebildeten Partien sind im Fernschach gespielt worden.

Ein Quellenverzeichnis gibt es nicht. Soweit ich dies anhand der in den Kommentaren angegebenen Referenzen beurteilen kann, ist "the Modern Benoni" aber so aktuell, wie man es von einem Werk dieser Art erwarten muss.

Eine Kleinigkeit aber habe ich doch zu meckern. In der Einführung auf Seite 3 geht Palliser auf andere Bücher zu Benoni ein. Dort spricht er aus der Reihe "Dangerous Weapons" einen Titel "The Benko and Benko" an. Richtig wäre "Benoni and Benkö". Wenn mir früh in einem Werk ein solcher Fehler auffällt, schaue ich in der Folge besonders genau hin, was die Sorgfalt der Ausführungen betrifft. Ich habe aber nichts dergleichen mehr bemerkt, das Werk ist aus meiner Sicht mit Sorgfalt verfasst.

Es ist in Englisch geschrieben, Schulenglisch reicht zum ausreichenden Verstehen aus.

Fazit: Ein empfehlenswertes Buch, das auf weitere gute Werke aus der neuen Serie "Chess Developments" hoffen lässt.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Advanced Chess Tactics

Lev Psakhis
Advanced Chess Tactics
365 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-04-0
25,99 Euro




Advanced Chess Tactics
Hinter dem Buchtitel "Advanced Chess Tactis" lässt sich vor dem ersten interessierten Blick ins Innere ein klassisches Mittelspiellehrbuch vermuten, in dem systematisch einzelne fortgeschrittene Methoden der Schachtaktik dargestellt werden. Lev Psakhis, Autor des in diesen Tagen bei Quality Chess erschienenen Werkes, folgt aber einem anderen Ansatz. Er widmet sich den insgesamt acht behandelten Themen mit einem ganzheitlichen Anspruch, nämlich anhand von vollständigen Partien und aus diesen heraus. Dieser rote Faden hat einerseits unmittelbar mit seinen Themen selbst zu tun, andererseits kann er so auch den Werdegang einer Partie bis zu den jeweiligen Schlüsselsituationen darstellen wie auch die Folgen im weiteren Fortgang, betrachtet durch die Brille des aktuellen Themas.
Wie spezialisiert die Gegenstände seiner Betrachtung sind, zeigt ein Blick in das Inhaltsverzeichnis. Die Kapitel 1 bis 8 tragen die folgenden, den Inhalt schon verratenden Überschriften (in Übersetzung):

1. In der Benoni-Verteidigung angreifen
2. Angreifen mit hängenden Bauern
3. Stellungen mit einem isolierten d-Bauern: Den König mit Figuren angreifen
4. Stellungen mit einem isolierten d-Bauern: Mit dem h-Bauern angreifen
5. Stellungen mit einem isolierten d-Bauern: Gegen den c-Bauern
6. Angriff im sizilianischen Labyrinth
7. Angriff in den Caro-Kann-Katakomben
8. In seltenen und Nicht-Standard-Eröffnungen angreifen.

Am Beispiel des ersten Kapitels: Mittels fünf intensiv analysierten und kommentierten Partien taucht Psakhis in die Tiefe der Benoni-Verteidigung ein. Dabei kommt es ihm darauf an, dem System angepasst aktives Spiel und Angriff zu erreichen. Dies übrigens ist eine allgemeine Leitidee von ihm, die sich so durch das ganze Werk zieht. Lieber auf aktives Spiel und Angriff spielen und dann vielleicht doch nach Kampf und einigen Zügen verlieren als zur Passivität verurteilt langsam einzugehen, auch wenn man sich dabei etwas länger über Wasser halten könnte.
Weiter am Beispiel des ersten Kapitels: Es interessiert Psakhis nicht, wie ein Spieler allgemein auf aktive Dynamik setzen kann, sondern wie er dies ganz speziell in Benoni machen kann. Auch zeigt er nicht auf, wie der Leser in eigenen Partien nach bestimmten Mustern vorgehen kann, um ihm quasi eine Schablone zu geben. Er vermittelt seine Ansätze ganz konkret für die gerade ins Visier geratene Partie mit ihren Besonderheiten. Ich denke, dass der schon geübte Leser ein gesundes Gefühl für die Behandlung dieser Arten von Stellungen bekommt, seine Fähigkeiten in Stellungsgewässern dieser Art allgemein zunehmen, auch wenn Psakhis immer wieder mal etwas konkreter gewisse Regelmäßigkeiten aufzeigt, vor allem ausgerichtet an typischen Bauernformationen.
Die Analysen können sich schon mal über mehrere Seiten erstrecken, sie sind dementsprechend bisweilen sehr anspruchsvoll.
Überhaupt setzt Psakhis die Schwelle der Spielstärke, über die ein Leser verfügen sollte, um bestmöglich von seinem Werk profitieren zu können, recht hoch an. Seine Zielleserschaft siedelt er bei ELO 2000 bis 2600 an. Beim Schreiben des Buches hatte er einen imaginären IM vor Augen, der seine schon guten Fähigkeiten ehrgeizig und gezielt weiter verbessern möchte. Auch weniger starke Spieler sollen profitieren können, wie er meint, doch dürften diese m.E. eher von einem klassischen und sich allgemeinen taktischen Methoden widmenden Werk profitieren.

Das Kapitel 1 wird wie auch alle Nachfolger von einer kurzen Diagrammübersicht eingeleitet. Diese enthält mehrere Einzeldiagramme, die aus den im Anschluss behandelten Partien stammen. Der Leser soll sich ihnen zunächst kurz und unter kleiner Anleitung widmen; ob er mit seinen Überlegungen richtig liegt, erfährt er dann später aus den Partiekommentaren.

Das letzte Kapitel enthält 57 Übungen und deren Lösungen.

"Advanced Chess Tactis" ist in einem erfrischenden Stil geschrieben. Psakhis streut immer wieder mal ein paar unterhaltsame Zeilen ein, gibt ein paar Infos zu dem einen oder anderen Spieler und mehr. Aufgehübscht ist das Werk zudem durch einige Fotos in schwarz-weiß, die den Autor und andere Spieler zeigen.

Am Ende des Werkes finden sich ein Partien- und ein Spielerverzeichnis.

"Advanced Chess Tactis" ist in Englisch geschrieben. Eine ganze Reihe von Vokabeln war mir nicht geläufig, sodass ich nachschlagen musste. Insgesamt aber dürfte Schulenglisch für ein ordentliches Verstehen ausreichen.

Noch ein kleiner Hinweis auf eine Aufforderung, die Psakhis an seine Leser richtet: Er empfiehlt ihnen, ein klassisches Schachbrett zu nutzen, um mit "Advanced Chess Tactis" zu arbeiten.

Fazit: Eine Empfehlung für den fortgeschrittenen Spieler, besonders dabei für den, der sich in den genannten Schwerpunkteröffnungen wiederfindet.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Chess Evolution September 2011

Arkadij Naiditsch (Verantwortlicher Bearbeiter)
Chess Evolution September 2011
365 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-06-4
32,99 Euro




Chess Evolution September 2011
Chess Evolution, Ausgabe September 2011 - zunächst einmal zu der Frage, was sich überhaupt hinter dem Titel "Chess Evolution" verbirgt. Der Name steht für ein noch junges Periodikum, dessen Ausgaben im Zweitmonatsrhythmus erscheinen. Es fügt sich also in die aus Informator, NIC Jahrbuch usw. gebildete Reihe, hebt sich aber deutlich von diesen ab. "Chess Evolution" enthält vor allem aktuelle Partien, in der Ausgabe September 2011 50 an der Zahl, die intensiv von der Eröffnung bis zum letzten Zug kommentiert werden. Das Team der Kommentatoren, aus dem sich jeweils einer für eine Partie als Bearbeiter verantwortlich zeigt, besteht aus Top-Großmeistern, u.a. Arkadij Naiditsch.
Die Auswahl der Partien erfolgt nach deren Relevanz für die moderne Eröffnungstheorie. Die Kommentierung ist textbasiert, die Analysen gehen sehr weit in die Tiefe, zu ausgewählten Stellungen können sie auch schon mal bis in Endspielgefilde reichen.
Der Rückentext weist darauf hin, dass die Analysen großmeisterliches Format haben und zudem mittels leistungsstarker Computer überprüft worden sind. Jede Ausgabe soll rund 400 Stunden Forschung in Sachen Schach auf sich vereinigen.

Die Ausgabe September 2011 widmet sich einigen Neuerungen aus der Praxis. Sie werden regelmäßig an der Verzweigungsstelle fundiert untersucht, die Analysen der weiteren Partie korrespondieren natürlich mit dieser neuen Wahl, ohne aber weiter einen Betrachtungsschwerpunkt darauf zu legen. Die Kommentierung setzt in der Regel schon ganz früh in der Partie ein, was das besondere Augenmerk auf die Eröffnungsphase unterstreicht. Nach den Kopfdaten werden die Partien zunächst mit einem Steckbrief vorgestellt, der die markanten Aspekte anspricht und Schlüsselzüge hervorhebt.
Der Schwerpunkt der Ausgabe liegt eindeutig im Eröffnungsbereich ECO D (24 Partien), die weiteren Partien sind recht gleichmäßig verteilt (ECO A 6, ECO B 7, ECO C 5 und ECO E acht Partien).

Ausweislich der Ausgabe September 2011 (frühere Ausgaben habe ich noch nicht kennen gelernt) ist "Chess Evolution" in meinen Augen ein sehr anspruchsvolles Projekt, dessen Produkte durchaus als "schwere Kost" bezeichnet werden können. Mit einem Ladenpreis von fast 33 Euro, gezahlt allerdings für rund 350 Seiten Top-Theorie und -Analysen, ist die Ausgabe auch nicht billig. So richtet sich das Werk m.E. nicht in erster Linie an den einfachen Spieler, bei dem der Spaß am Schach die fast alleinige Motivation zum Spiel ausmacht, sondern an den ambitionierten, auf den gehobenen Erfolg hinarbeitenden Spieler. Dies gilt für den Fernschachspieler ebenso wie für den Kollegen vom Nahschach. Spitzenqualität zum gehobenen Preis für den Spieler, der so entwickelte Fähigkeiten hat, dass er damit etwas anfangen kann, und der auf dem Weg zum Erfolg nicht ein Angebot liegen lassen möchte, das den feinen Unterschied zum Potenzial des Gegners ausmachen kann.

Zum Inhalt der Ausgabe September 2011 zählen weiterhin die Darstellung und Erörterung bemerkenswerter aktueller Turmendspiele (Bearbeiter: GM Landa) und 12 Schachaufgaben, die anhand von Diagrammen gestellt werden (Bearbeiter: GM Aagaard).

"Chess Evolution, Ausgabe September 2011" ist die erste Ausgabe, die in Zusammenarbeit mit Quality Chess erschienen ist, die also auch das Erscheinungsbild der Quality Chess-Produkte sowie deren gewohnt gute Verarbeitung zeigt. Die Buchsprache ist Englisch.

Ein Leckerli gibt es für die Abonnenten: Wer ein Halbjahresabo bucht, kann je Ausgabe eine spezifische Frage an das Team richten, Jahresabonnenten deren sogar drei, dies in den Sprachen der Autoren, also auch in Deutsch. Dieser individuelle Service verspricht einen gleichsam individuellen Gewinn, wenn er mit Köpfchen genutzt wird.

Fazit: "Chess Evolution, Ausgabe September 2011" ist ein hochqualifiziertes Werk für insbesondere den bereits starken Spieler und dem entsprechend eine klare Kaufempfehlung.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Grünfeld-Indische Verteidigung Band Eins / Band Zwei

Boris Awruch
Grünfeld-Indische Verteidigung Band Eins / Grünfeld-Indische Verteidigung Band Zwei
Bd. 1: 362 Seiten, gebunden / Bd. 2: 270 Seiten, gebunden
Bd. 1: ISBN: 978-3-942383-71-4 / Bd. 2: ISBN: 978-3-942383-72-1
je 24,99 Euro

Grünfeld-Indische Verteidigung Band Eins / Band Zwei
Neu und in Übersetzung aus dem Englischen auf dem Markt sind die beiden Bände "Grünfeld-Indische Verteidigung Band Eins " und "(…) Band Zwei" aus der "Großmeister-Repertoire"-Serie von Quality Chess. Autor beider Bände ist Boris Awruch, der sich bereits hohe Anerkennung mit seinen beiden ersten Büchern aus dieser Serie erworben hat. Von der Schachöffentlichkeit ausgezeichnet aufgenommen worden sind schon die beiden englischen Erstausgaben und schon heute lässt sich risikolos prognostizieren, dass sie auch in Deutsch (übrigens die Bände 8 und 9 insgesamt aus dieser Serie) ein Renner werden dürften.
Beide deutschsprachigen Bände werden von der Firma Niggemann aus Heiden vertrieben.

Es ist ein klarer Gewinn für die deutschen Schachspieler, dass diese Spitzenprodukte auch in der eigenen Sprache auf den Markt kommen, ohne dass dies mit einer nennenswerten zeitlichen Verzögerung verbunden wäre. Dies gilt nicht nur für diejenigen, die keine oder nur geringe englische Sprachkenntnisse haben. Die Konzentration auf die Inhalte zum Schach ist in der Muttersprache eben doch ungestörter möglich.

"Grünfeld-Indische Verteidigung Band Eins " und "(…) Band Zwei" stellen ein Repertoire für Schwarz zur Grünfeldindischen Verteidigung (auch Grünfeld-Verteidigung genannt) zusammen, das den Nachziehenden qualifiziert gegen alle weißen Fortsetzungen wappnet, sofern diese zumindest mit einer gewissen Aussicht gespielt werden können. Die Bücher sind somit aus der Sicht von Schwarz geschrieben, sind aber natürlich in gleicher Weise auch für Weiß von Nutzen.
Die Inhalte beider Bände sind sehr gut voneinander abgegrenzt. Während Band 2 alles zu den Eingangszügen 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.cxd5 Sxd5 enthält, behandelt Band 1 alles andere nach 1.d4 Sf6 2.c4 g6. Mit einer gewissen Spitzfindigkeit kann man also grundsätzlich sagen, dass sich der Spieler mit Weiß zum Kauf nur eines Bandes entschließen kann, denn die große Weichenstellung zum Fortgang liegt bei ihm. Ob dies für ihn Sinn macht, muss jeder Spieler für sich entscheiden.
Der Spieler mit Schwarz braucht auf jeden Fall beide Bände, wenn sein Repertoire auf alle brauchbaren weißen Fortsetzungen vorbereitet sein soll.

Hinsichtlich ihrer inhaltlichen Qualität sind beide Bände nicht voneinander zu unterscheiden. Awruch versteht es einmal mehr meisterhaft, den Leser quasi an die Hand zu nehmen, um ihn die Eröffnungen in allen ihren Abzweigungen verstehen zu lassen. Pläne, Hintergründe, taktische Finessen usw. - er zeigt alles auf, sodass man als Leser quasi ein Gefühl für die Stellungen entwickelt.

Die Analysen der Nebenvarianten gehen zum Teil sehr tief, was besonders auch für den Fernschachspieler ein Plus ist. Vieles von dem, was Awruch darstellt, entstammt seinen eigenen Analysen und praktischen Erfahrungen. Awruch schreibt über das, was er in seiner GM-Praxis selbst spielt.
Ich habe nicht gezählt, wie oft ein "N" eine Neuerung anzeigt, aber es kommt sehr oft vor, in den Haupt- und in den Nebenvarianten.
Der Rückentext beider Bände verspricht, dass sie auch kritisch mit bisher empfohlenen Linien umgehen. Anhaltspunkte hierfür finden sich hierzu u.a. im Zusammenhang mit Neuerungen.

Der Aufbau beider Bände ist typisch für die "Großmeister-Repertoire"-Serie, es sind "klassische" Eröffnungsbücher. Das Gerüst der Werke wird somit nicht von Partien gebildet, diese Aufgabe übernehmen von Awruch ermittelte Hauptvarianten. Da aber fast alles schon einmal gespielt worden ist, sind die Hauptvarianten in der Regel Partiefragmente. Eigentlich liegt ein Vorteil dieser klassischen Gestaltung eines Eröffnungsbuches darin, dass sich eher seltener eine sub-optimale Zugwahl in einer Referenzpartie in eine Hauptvariante stehlen kann. Dies aber konnte Awruch leider nicht immer vermeiden. So findet sich beispielsweise auf Seite 310 des ersten Bandes ein Zug 15.Db1?!", also nach dem Autor ein zweifelhafter Zug. Er gibt aber keine Verbesserung anstelle dieser Wahl an, die Weiß in einer Partie Deltschev-Karr, Marseille 2010, getroffen hat.

Beide Bände enthalten "Theorie pur", also keine vollständigen Partien als Gruß aus der Praxis. Der Leser erhält insgesamt mehr als 600 Seiten Theorie, versehen mit dem roten Faden der Repertoireempfehlungen.

Die Übersetzung ist gut gelungen, ich kann die Werke nicht von original in Deutsch verfassten Büchern unterscheiden. Die Orientierung im Theoriedschungel wird von mustergültigen Variantenverzeichnissen jeweils am Ende unterstützt.

Fazit: "Grünfeld-Indische Verteidigung Band Eins " und "(…) Band Zwei" sind ausgezeichnete Repertoirebücher und als solche beide eine klare Kaufempfehlung.


Die Rezensionsexemplare wurden freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

beating unusual chess defences: 1 e4

Andrew Greet
beating unusual chess defences: 1 e4
304 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-621-0
20,95 Euro




beating unusual chess defences: 1 e4
"beating unusual chess defences: 1 e4" von Andrew Greet, jüngst erschienen bei Everyman Chess, offeriert dem Leser ein Repertoire gegen 1.e4 außerhalb der "großen Vier" 1…e5, Sizilianisch, Caro-Kann und Französisch. Der Schwerpunkt ist auf Skandinavisch, Moderne Verteidigung, Pirc, Philidor und Aljechin-Verteidigung gelegt. "Weitere Verteidigungen" teilen sich ein abschließendes Kapitel. Da die genannten Eröffnungen nach meinem Verständnis nicht als "ungewöhnlich" anzusehen sind, halte ich den Buchtitel für doch etwas unglücklich gewählt, denn gemeinhin wird "ungewöhnlich" auch mit "exotisch" und "selten gespielt" gleichgesetzt, was für die Schwerpunkteröffnungen des Buches sicher nicht zutrifft.

Greet, IM von den Britischen Inseln und Autor inzwischen mehrerer Bücher, folgt einem einheitlichen roten Faden über die behandelten Eröffnungen hinweg. Seine Empfehlungen richtet er prinzipiell daran aus, dass sich Weiß möglichst Raum im Zentrum sichert und die Initiative in der Hand hält.

"beating unusual chess defences: 1 e4" ist aus der Perspektive von Weiß geschrieben und soll den Anziehenden in die Lage versetzen, sich gegen die Eventualitäten der Wahl des Schwarzen zu wappnen. Dementsprechend legt sich Greet hinsichtlich seiner Empfehlungen weißer Züge regelmäßig fest, während er die aus seiner Sicht vertretbaren schwarzen Möglichkeiten nebeneinander darstellt. Dieses für Bücher dieses Genres typische Vorgehen macht Sinn, denn die eigene Zugwahl hat Weiß natürlich in der Hand und kann so einer klaren Empfehlung Greets folgen, während im Gegenzug Schwarz bestimmt, worauf Weiß mit seinem nächsten Zug zu reagieren hat.

Es stellt sich die Frage, inwieweit ein rundes Repertoire für so etablierte und in der Theorie weit entwickelte Eröffnungen wie Skandinavisch und "Schwestern" in einem einzelnen Werk, hier auf rund 300 Seiten, erreicht werden kann.
Ich möchte an dieser Stelle zwischen Nahschach und Fernschach unterscheiden. Für das Nahschach ist der Aufwand, der für ein in der Partie präsentes Repertoire zu betreiben ist, ein bedeutender Faktor. Hinzu kommen die Merkfähigkeit und auch die Fähigkeit, sich erarbeitetes Eröffnungswissen in der Partie reproduzieren zu können. Hier halte ich "beating unusual chess defences: 1 e4" für ein sehr gelungenes Werk, das den Leser unter Begrenzung seines Aufwandes gut auf die Anwendung der jeweiligen Eröffnung in der eigenen Partie vorbereitet. Sofern Greet auf Züge nach schwarzer Wahl nicht konkret mit Varianten eingeht, gibt er dem Leser die Methode an die Hand, unter der er sein Spiel fortsetzen kann. So findet sich ein solches Beispiel auf Seite 62, auf der er nach der Zugfolge 1.e4 d5 2.exd5 Sf6 3.Sf3 Sxd5 4.d4 die schwarzen Entgegnungen 4…e6 und 4…c6 als ziemlich passiv deklariert und Weiß ein vorteilhaftes Spiel über 5.c4 gefolgt von Sc3, Le2 usw. verspricht. Ich denke, dass Greet den Clubspieler auf diese Weise die jeweilige Eröffnung gut spielen lässt.

Aus der Warte des Fernschachspielers sehe ich den Wert von "beating unusual chess defences: 1 e4" etwas anders. Die komfortable Situation, dass der Spieler Literatur während der Partie einsetzen kann, er somit nicht den Aufwand zum Erarbeiten und Einprägen der Theorie treiben muss, relativiert den eben für den Nahschachspieler beschriebenen Vorteil. Diese komfortable Situation gilt aber auch für den Gegner, sodass dieser mit einer besseren oder breiteren Ausstattung an Literatur durchaus einen Vorteil auf seine Seite ziehen kann. Wenn also nach der oben exemplarisch behandelten Zugfolge Weiß das Spiel nach dem von Greet empfohlenen Prinzip fortsetzt, so handelt er dabei gegen einen Gegner, der beispielsweise über eine Monografie, auch zu 4…e6 und 4…c6, qualifiziertes Material in der Hand hält. Während Weiß dem von Ziel zu Ziel eilenden Hasen vergleichbar von Zug zu Zug "rennt", vermeldet Schwarz als Igel sein "ich bin schon da" und präsentiert den von der Theorie empfohlenen Zug. Ich denke deshalb, dass "beating unusual chess defences: 1 e4" zwar auch für den Fernschachspieler einen klaren Wert hat, der sich aber anders als jener für den Nahschachspieler darstellt. Der Wert liegt in einer guten Gliederung des Materials, die es Weiß erlaubt, sich mit Struktur im System zu bewegen und dabei weitere Quellen wie beispielsweise seine gut sortierte Datenbank zu nutzen. Dies alles geschieht auf der Höhe der Theorie, soweit Greet diese aufgenommen hat.
"beating unusual chess defences: 1 e4" gibt Weiß den roten Faden an die Hand, den besten Zug auf alle schwarzen Entgegnungen aus allen Hilfsmitteln zu suchen, aus der Literatur und den Partiendatenbanken.

"beating unusual chess defences: 1 e4" arbeitet mit Partien aus der Praxis, an denen Greet das Repertoire darstellt, also nicht mit Variantenbäumen. Es sind auch mehrere Fernschachpartien dabei. Die eine oder andere Partie ist für meinen Geschmack etwas zu lang für die vollständige Abbildung, weil sie eben Platz in Anspruch nimmt für Belange, die im späteren Stadium kaum noch etwas mit der Eröffnung zu tun haben. Hier hätte ich mir bisweilen eine Kürzung gewünscht.

Greet erklärt vorbildlich, wie in bestimmten Situationen gespielt werden sollte, warum die eine oder andere Sache so und nicht anders zu beurteilen ist usw. Er gibt sich große Mühe, den Leser die Systeme verstehen zu lassen. Varianten werden knapp dosiert eingesetzt und so auf das Wesentliche beschränkt.

Ein Variantenverzeichnis und ein Partienverzeichnis schließen das Werk ab. Es ist in Englisch geschrieben, für den mit Schulenglisch ausgestatteten Leser aber gut zu verstehen.

Fazit: Ein empfehlenswertes Werk, wobei sich die Kaufempfehlung für den Nahschachspieler und für den Fernschachspieler unterschiedlich begründet.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Petroff: an Expert Repertoire for Black

Konstantin Sakaev
The Petroff: an Expert Repertoire for Black
292 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-84-5
25,95 Euro




The Petroff: an Expert Repertoire for Black
Konstantin Sakaev, russischer GM mit zahlreichen, auch sehr hochrangigen Turniererfolgen sowie Coach und Sekundant von Elitespielern wie Kramnik, Klalifman und Alexeev hat mit "The Petroff: an Expert Repertoire für Black" ein Repertoirebuch aus der Perspektive von Schwarz vorgelegt. Das Werk ist jüngst im bulgarischen Verlag Chess Stars erschienen. Die Orientierung an der Perspektive des Nachziehenden zeigt sich vor allem auch darin, dass die Varianten, die Weiß wählen kann und dabei nicht eindeutig minderwertig sind, im Werk behandelt werden, die Vorschläge für Schwarz sich aber auf die Empfehlungen des Autors konzentrieren, im Kern eben auf das Repertoire. Aber auch für den Anziehenden sind die Inhalte gedacht, er profitiert beinahe gleichermaßen davon. Die Hürde für die Einschätzung der Spielbarkeit weißer Zugmöglichkeiten wurde niedrig genug gelegt, damit solche mit Bedeutung, also in der Praxis durchaus anzutreffende Abspiele, auch wirklich im Buch vertreten sind. So wird beispielsweise auch das Cochrane-Gambit behandelt, das nur bei nicht optimalem Spiel für Schwarz gefährlich werden kann, aber eben seine Präsenz in der Praxis behauptet.

"The Petroff: an Expert Repertoire für Black" ist in vier Abschnitte unterteilt, die insgesamt 29 Kapitel beherbergen. Diese vier Abschnitte sind thematisch wie folgt kategorisiert:

Teil 1: Alle weißen Antworten nach 1.e4 e5 ohne 2. Sf3
(mit der Wiener Partie, dem Königsgambit, dem Läuferspiel und unregelmäßigen Eröffnungen)

Teil 2: Alle weißen Antworten nach 1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 ohne 3.d4 und Sxe5
(mit dem Dreispringerspiel, dem Belgrader Gambit, dem schottischen Vierspringerspiel, der Glek-Variante (3.Sc3 Sc6 4.g3) sowie dem Vierspringerspiel)

Teil 3: Russische Verteidigung mit 1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.d4

Teil 4: Russische Verteidigung mit 1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.Sxe5.

Wie man sieht, bietet Sakaev ein Komplettrepertoire an, das den Nachziehenden auch dann gut rüsten kann, wenn Weiß nach 1.e4 e5 der Russischen Verteidigung aus dem Weg geht.

Aufgebaut ist das Werk wie eine Monografie, die innere Ordnung wird durch vorgegebene Zugfolgen und nicht durch praktische Partien hergestellt. Solche gibt es allerdings auch, aber in einem eigenen Bereich des Werkes, sie schließen es ab. Insgesamt sind 20 kommentierte Partien enthalten, die der Top-Meisterpraxis der vergangenen Jahre entstammen.

Eine hervorzuhebende Stärke des Werkes ist die Art und Weise, wie Sakaev den Stoff an den Leser bringt. Er erklärt und begründet durchgängig das, was er macht oder empfiehlt bzw. verwirft. Er geht auf strategische wie taktische Dinge ein und dies mit einer Souveränität, die seine Experteneigenschaft für die Russische Verteidigung fühlbar macht. So erscheint die Darstellung wie aus einem Guss, als Leser fühlt man sich immer im Bilde, was warum gerade gespielt wird, was schlecht wäre usw. In diesem Punkt halte ich "The Petroff: an Expert Repertoire für Black" für vorbildlich geschrieben.

Jedes Kapitel wird von einer Zusammenfassung abgeschlossen, deren Studium ich dem Leser schon für den Beginn des Befassens mit einem Kapitel empfehlen möchte. Die an dieser Stelle komprimierten Aussagen können das Verständnis des Originalstoffs unterstützen.

Den Fernschachspieler wird auch interessieren, inwieweit er Varianten vorfindet. Für meinen Geschmack hat Sakaev ein sehr gutes Maß hierzu gefunden. Wichtige Abweichungen sind abgebildet, besonders auch in der ganz frühen Partiephase. Zusammen mit einer gut sortierten Partiendatenbank sehe ich in "The Petroff: an Expert Repertoire für Black" ein gutes Werkzeug für den Fernschachspieler, um bestmöglich in die eigene Partie zu kommen.

Aufgefallen ist mir, dass Sakaev in respektabler Anzahl Neuerungen vorschlägt, in der Regel zur Verbesserung des Spiels des Nachziehenden. Hier dürfte auch für den Russisch-Kenner unter den Lesern noch das eine oder andere dabei sein.

Ein Variantenverzeichnis fehlt im Buch, allerdings ist dies in diesem Fall nicht als Manko anzusehen. Dies begründet sich damit, dass das an Zugfolgen orientierte Inhaltsverzeichnis diesen Job gut übernehmen kann.

"The Petroff: an Expert Repertoire für Black" ist in Englisch geschrieben, wobei es, vermutlich aus dem Russischen, übersetzt worden ist. Es ist sprachlich gelungen, ich jedenfalls habe dem Werk nicht angemerkt, dass das Manuskript nicht in Englisch verfasst worden ist. Die Inhalte sind mit schulenglischen Sprachkenntnissen gut aufzunehmen.

Wenn ich bei einem ersten Blick in ein Buch Hinweise auf das Wirken des Fehlerteufels finde, schaue ich mir die Sache genauer an. Bei "The Petroff: an Expert Repertoire für Black" war dies zunächst der Fall; in der Einleitung zum Teil 1 auf Seite 9 fand ich das Läufersymbol anstelle eines Buchstabens in einem Wort. Dieser nicht so gute erste Eindruck zur Sprach- und Schriftkorrektheit bestätigte sich im Werk dann aber nicht. Von wenigen verzeihlichen Fehlern abgesehen, z.B. ein doppelt geschriebenes Wort auf Seite 89, habe ich nichts Kritikwürdiges gefunden. Auch in diesem Punkt ist das Werk also ohne Fehl und Tadel, die sprachliche Akkuratesse unterstützt das Vertrauen in die inhaltlichen Ausführungen.

Fazit: "The Petroff: an Expert Repertoire für Black" ist ein sehr gelungenes Repertoirebuch zur Russischen Verteidigung und damit eine klare Kaufempfehlung.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Koltanowski Phoenix Attack

David Rudel
Koltanowski Phoenix Attack
259 Seiten, kartoniert
ISBN: 1-888710-56-X
17,99 Euro




Koltanowski Phoenix Attack
Ein echtes eröffnungstheoretisches Spezialwerk steht hinter dem Buchtitel "Koltanowski Phoenix Attack" des US-Amerikaners David Rudel. Die Untertitel "The Future of the c3-Colle", auf Deutsch "Die Zukunft des Colle-Systems mit c3" sowie "putting the Fire back into a classic chess opening", übersetzt "das Feuer in eine klassische Schacheröffnung zurückbringen", zeigen an, worum es dem Autor in diesem Werk geht. Rudel, in der Schachwelt bekannt durch seine früheren Bücher "Zuke ´Em" und "The Moment of Zuke", die sich auch bereits mit dem System seiner Leidenschaft beschäftigt haben, außerhalb der Schachwelt auch als Mathematiker, Physiker und Autor unterschiedlicher fachlicher Werke bekannt, stellt einen Angriff für das Colle-System vor, in dem er die Zukunft mehr oder weniger des gesamten Systems sieht.

"Koltanowski Phoenix Attack" ist ein klassisches Theoriewerk, eine Monografie, die sich mit der Zugfolge 1.d4 Sf6 2.Sf3 d5 3.e3 e6 4.Sbd2 c5 5.c3 Sc6 6.Ld3 Ld6 7.0-0 0-0 8.dxc5 Lxc5 und nun 9.b4 befasst. Der Schlüsselzug ist eben genau dieser Bauernvorstoß im 9. Zug, den Rudel mit einem Ausrufezeichen versieht.

Ich habe keine Ahnung, ob der von Rudel mit "Koltanowski-Phönix-Angriff" betitelte Versuch einer Revitalisierung des Colle-Systems sich im Fernschach als vielversprechend erweisen kann, aber eines steht für mich fest: Wenn man nahezu perfekt auf die Anwendung des Systems vorbereitet sein will, wenn man dessen Ideen, Eigenheiten, Klippen etc. wirklich kennen lernen und verstehen will, dann ist "Koltanowski Phoenix Attack" genau der richtige Schlüssel hierzu.
Meinen Mangel an eigener Erfahrung mit dem System habe ich dadurch auszugleichen versucht, indem ich Kontakt mit David Rudel aufgenommen habe. Der Austausch mit ihm war sehr aufschlussreich und lässt mich die Leserinnen und Leser ermuntern, das System einmal auszuprobieren. An späterer Stelle dieser Rezension komme ich hierauf zurück.

Rudel hat das Colle-System Jahre lang selbst gespielt, vor allem aber studiert. Seine neue Empfehlung 9.b4! ist nicht von ihm aus der Taufe gehoben worden, sie stammt ursprünglich von Edgar Colle selbst. Dieser hat den Zug 1924 in einer Partie gegen Euwe gespielt. Die Fortsetzung geriet dann allerdings in Vergessenheit, die Anhänger des Systems konzentrierten sich bis heute auf die Alternative 9.e4, die jedoch aktuell überwiegend als zweifelhaft angesehen wird, denn sie verspricht keinen Vorteil gegen den die besten Züge spielenden Gegner. 9.b4 füllt genau jenes Vakuum, das 9.e4 als Konsequenz folgt, nämlich jenes der Aktivität am Damenflügel. Wer ein schönes praktisches Beispiel aus der neuen Zeit sucht, wird in der Partie Miltner - Appel aus der Bundesligasaison 2004/05 fündig. Der Theoriezug ist durchaus ein Kind der Praxis und nicht etwa allein ein Produkt der Theorie.

Rudel untersucht und erläutert das System in vorbildlicher Weise. Seine Ausführungen sind textlich dominiert, die Abbildung von Varianten ist auf das reduziert, was zum Verstehen und als Leitzugfolgen erforderlich ist. Dies dürfte sowohl Programm als auch Folge dessen sein, dass die Praxis hier gerade nicht mit einer Materialfülle dienen kann.

Das Buch ist in fünf Abschnitte eingeteilt, die dann in Kapitel untergliedert sind. In Übersetzung sind die zentralen Inhalte:

Abschnitt 1: Grundlegendes zuerst

(mit allgemeinen und einführenden Inhalten)

Abschnitt 2: Ein einfaches Mini-Repertoire
Kapitel 3: Die scharfe Variante
Kapitel 4: Anleitung zur Grundstrategie: Schwarz vermeidet die scharfe Variante
Kapitel 5: Einfache Eröffnungslinien: Schwarz vermeidet die scharfe Variante

Abschnitt 3: Zusätzliche Waffen
Kapitel 6: Ein spezielles Abspiel gegen 10…e5 11.e4 Lg4
Kapitel 7: Ein spezielles Abspiel gegen 10…Dc7 11.b5 Sa5
Kapitel 8: Ein spezielles Abspiel gegen 10…Dc7 11.b5 Se5 12.Sxe5 Lxe5
Kapitel 9: Ein spezielles Abspiel gegen 10…De7

Abschnitt 4: Grundlegende Analysen (Referenz)
Kapitel 10: Die Hauptlinie mit 11…Lg4
Kapitel 11: Die Hauptlinie mit 11…dxe4 12.Sxe4 Sxe4 13.Lxe4 Lxd6
Kapitel 12: Die Hauptlinie: Andere Antworten auf 11.e4
Kapitel 13. 10…Sg4
Kapitel 14: 10…Dc7
Kapitel 15: 10…De7
Kapitel 16: 10…b6
Kapitel 17: 9…Le7

Abschnitt 5: Praxis

(mit Aufgabenstellungen für den Leser und deren Lösungen)

Die Sprache ist erfrischend und schon wie im 2009 von mir besprochenen Werk "The Moment of Zuke" tritt Rudel teilweise in einen Dialog mit dem Leser ein. Ihm als besonders wichtig erscheinende Aussagen, aber auch Fragen an den Leser, setzt er textlich ab, in Fettschrift.
Wenn wir schon beim Schriftbild sind: Es mutet beinahe so an, als verfolge Rudel in gewisser Weise auch das Ziel einer Barrierefreiheit. Die Schriftzeichen sind außerordentlich groß gewählt, sodass derjenige, der seine Sehkraft noch einigermaßen beisammen hat, seine Brille getrost im Regal, auf dem Nachtschränkchen oder sonst wo vergessen kann. Mit einer kleineren, dem Standard entsprechenden Schrift hätte die Seitenzahl des Buches bestimmt um etwa die Hälfte reduziert werden können. Die hohe Zahl von 259 Seiten relativiert sich dementsprechend beträchtlich, der Studienaufwand für das neue System damit auch.

Rudel ist ein klarer Enthusiast seines Systems, ohne es etwa aber zu verherrlichen. Er ist an der Wahrheit interessiert, wobei sein beruflicher Hintergrund des Mathematikers wohl auch eine Rolle spielen dürfte.
Unter www.zukertort.com bietet er zusätzliche Infos an, unter www.zuke-dukes.com/forum kann man den Dialog mit anderen zum System pflegen.


Nun aber noch zu meinem Austausch mit dem Autor, insbesondere zur Frage des Einsatzes des Systems im Fernschach: Ich arbeite die wichtigsten Aussagen in sinngemäßer Übersetzung ein.
Rudel: "Auf Houdini und Rybka habe ich beim Schreiben an meinem Werk intensiv zurückgegriffen. Es gibt Autoren, die Züge, die ihr Eröffnungssystem widerlegen könnten, in der Annahme ignorieren, dass sie von niemandem gefunden werden (oder eben von diesen niemand viel dazu zu sagen haben dürfte). So etwas habe ich vermieden. Es war gerade mein Hauptanliegen zum Schreiben des Buches "Zuke ´Em", auf die wirklichen Probleme von Weiß einzugehen. Ich verspreche, dass ich von keinen Schwachstellen in meinen Analysen weiß, sodass die Fernschachspieler darauf vertrauen können, nicht plötzlich wegen einer von einem Computer gefundenen Widerlegung in Schwierigkeiten zu geraten. Dies dürfte sogar komfortabel für die Fernschachspieler sein.

Noch etwas, ein die schwarzen Steine führender Spieler, der Houdini und Rybka nutzt, wird sogar früh mit einer Herausforderung konfrontiert werden. Beide Engines schlagen Schwarz vor, die in den Kapiteln 16 and 17 [10...b6 und 9...Le7] analysierten Züge zu spielen, gerade diese aber werden von menschlichen Spielern, auch sehr starken unter ihnen, vermieden. So ist Schwarz vor die schwierige Entscheidung gestellt, ob er den Engineempfehlungen folgen soll, ruhige, passive Züge in der Hoffnung zu spielen, dass Weiß ihn nicht langsam überwinden kann. Oder sollte er doch lieber etwas aggressiver, eher "menschlich" spielen?

Wenn Schwarz den Engines vertraut und die Linien nach 10...b6 oder 9...Le7 spielt, sollte Weiß über mein Buch bestens vorbereitet sein. Man beachte die spezifische Ergänzung im Kapitel 16 [Seite 193], die man als gerade für die Fernschachspieler geeignete Linie sehen kann. Kapitel 17 deckt recht viel ab, sodass Fernschachspieler zwei alternativen Ideen für Weiß folgen können.

Auch wenn Schwarz voll auf seine Engines vertrauen sollte, sollte Weiß mit einem leichten Endspielvorteil verbleiben, entweder über die bessere zentrale Bauernstellung oder Vorteile hinsichtlich der Besetzung von Linien und Reihen mit seinen Türmen. Dies wird Schwarz vor Probleme stellen, auch unter dem Aspekt, dass Engines auch heute noch recht schlecht das Endspiel führen.

Die Stellung auf Seite 192 ist ein gutes Beispiel dafür, wovon ich spreche, vielleicht auch dafür, auf eine wie gute Stellung Schwarz im Spiel gegen den Koltanowski-Phönix-Angriff hoffen darf."
Soweit David Rudel im Rahmen unseres Austausches. Seine Ausführungen erwecken in mir zusätzliches Vertrauen in das von ihm behandelte System.


Ich habe "Koltanowski Phoenix Attack" eingangs als klassisches Eröffnungswerk eingestuft. Alles andere als klassisch aber ist das Erscheinungsbild. Es hat den Eindruck, als sähe Rudel seine weitere Aufgabe darin, das Schachbuch als solches aus einem Image des verstaubten, des langweiligen Studienobjektes zu zerren. Das bunte Cover visualisiert den Untertitel, nach dem wieder Feuer ins System gebracht werden soll …

Das Werk ist in Englisch verfasst, der Wortschatz ist anspruchsvoll. Wer den Umgang mit englischsprachiger Schachliteratur gewohnt ist oder aber über zumindest allgemein ordentliche Sprachkenntnisse verfügt, sollte aber keine ernsthaften Probleme mit dem Verstehen haben. Weniger gebräuchliche Begriffe können nachgeschlagen oder online ermittelt werden, daran sollte die Verwendung des Buches nicht scheitern.

Fazit: Ein ausgezeichnetes Werk, dessen Kauf ich uneingeschränkt empfehlen kann!


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Lessons with a Grandmaster

Boris Gulko & Dr. Joel R. Sneed
Lessons with a Grandmaster
298 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-668-5
19,95 Euro




Lessons with a Grandmaster
Die Vorbereitung meiner Rezension zu "Lessons with a Grandmaster" von Boris Gulko und Dr. Joel R. Sneed hat mir viel mehr Vergnügen als "Arbeit" gemacht. Es ist ein höchst kurzweiliges Werk, auch wenn es nicht zuvorderst der Unterhaltung dient. "Lessons with a Grandmaster" soll in erster Linie die Spielstärke des Lesers heben, der dabei nicht in einer passiven Rolle bleiben soll, und dies auf der Basis eines interessanten und überzeugenden Konzeptes.

Stellen Sie sich doch bitte einmal vor, Sie fänden einen Großmeister, der sich mit Ihnen an ein Schachbrett setzt und ganz viel Zeit mitgebracht hat. Weiterhin mitgebracht hat er 25 von ihm selbst gespielte Partien. Diese geht er mit Ihnen vom ersten bis zum letzten Zug durch. Er zeigt Ihnen nicht nur, welche Analysen er während der Partie und bei der sich anschließenden Arbeit daran gefunden hat, welche Züge stark sind oder stark gewesen wären, welche Fehler in der einen oder anderen Situation drohten, sondern lässt allgemeine Regeln einfließen, erzählt von den Gründen für seine Eröffnungswahl, ausgerichtet am Gegner, am Turnierstand usw., geht auf psychologische Aspekte ein und so fort. Mitunter überschreitet er dabei auch schon mal die Schwelle zu einer kurzen Plauderei. Sie aber sind nicht einfach nur sein aufmerksamer, aber passiver, Zuhörer, Sie sind gleichsam Akteur. Der Großmeister lässt Sie Züge vorschlagen, um dann darauf einzugehen, er lässt Sie Statements zur Stellung abgeben, möchte den besten weiteren Plan für die Partie von Ihnen wissen und so fort. Sie erhalten sogleich das Feedback auf Ihre Analysen, Überlegungen etc., verbunden mit dem Versuch, einen Mehrwert für Sie zugunsten Ihrer zukünftigen Spielstärke zu erzielen. Ihr Privattrainer versucht passgenau das zum Gegenstand der Behandlung zu machen, was Ihnen genau hier helfen kann. Fortwährend stellt er Ihnen zudem Aufgaben mit fünf Schwierigkeitsgraden von einfach bis sehr anspruchsvoll. Diese sollen Sie in seinem Beisein und unter seiner Anleitung lösen.
Das, was Sie sich als Situation vorstellen sollten, ist im Kern "Lessons with a Grandmaster". Der GM aus unserem Gedankenspiel ist Boris Gulko, der profitierende Amateur ist DR. Joel R. Sneed, ein Psychologie-Professor und begeisterter Schachspieler (mit einer offenkundig bereits erheblichen Spielstärke).
Nun könnte man annehmen, dass "Lessons with a Grandmaster" als ein besonderes Trainingserlebnis eher für Dr. Sneed gut sein könnte und für einen anderen nichts brächte, diesen Rückschluss aber halte ich für abwegig. Dr. Sneed ist Stellvertreter für uns alle, er stellt die typischen Fragen, ihm unterlaufen typische Fehleinschätzungen usw. Nicht selten habe ich bemerkt, dass er mir aus dem Munde gesprochen hat.

Den größten Profit macht der Leser m.E. hinsichtlich der Schachstrategie, von der Partieplanung bis hin zu ganz konkreten Einzelproblemstellungen. Eingebettet in eine lebendige Partie wirken diese Aspekte geradezu natürlich. Auch der Einsatz psychologischer Elemente, das Schulen psychologischer Überlegungen, steht auf dem "Lehrplan".

Ich möchte drei aussagekräftige Beispiele anführen, die einen Eindruck vermitteln, wie und wie unterschiedlich in ihrer Art die "schulenden" Aussagen aussehen können:

1. Aus den frühen Anmerkungen gleich der ersten Buchpartie, gespielt gegen Radjabov, Malmö 2001 (Auszug, in Übersetzung): "Dies ist ein interessanter psychologischer Moment. Er war jung und ich erfahren, und generell haben erfahrene Spieler Vorteile in ruhigen Stellungen und in Endspielen, wo eben die Erfahrung eine wichtigere Rolle spielt als das Berechnen konkreter Varianten (worin junge Spieler im Vorteil sind). Erfahrung heißt …"
2. Aus den Anmerkungen zum 19. Zug von Schwarz in Gulko - Smyslov, Leningrad 1977 (Auszug, in Übersetzung): Mit seinen vorhergehenden Zügen hat Weiß Schwächen auf den weißen Feldern d5 und b5 geschaffen. So muss es, Nimzowitsch entsprechend, sein Plan sein, diese Felder zu blockieren. Die Blockade dieser Felder wird die gesamte schwarze Stellung paralysieren. Unter allen Zügen, die Sie in Betracht gezogen haben, erfüllt nur einer den Zweck …"
3. Aus Gulko - Karpov, Dos Hermanas 1994, Anmerkung zum 36. Zug von Schwarz (Auszug, in Übersetzung): "In einer strategisch gewonnenen Partie hat man die richtige taktische Lösung zu finden und immer Ausschau nach Kombinationen zu halten. …"

"Lessons with a Grandmaster" bietet auf fast 300 Seiten "angewandte Schachtheorie", ist unterhaltsam und fordert zum begleitenden Lösen von Schachübungen auf. Es ist in Englisch geschrieben, aber mit gesicherten Schulsprachkenntnissen gut verständlich. Der verwendete Wortschatz hat mich einige Male gezwungen, die deutsche Bedeutung nachzuschlagen.

Fazit: "Lessons with a Grandmaster" ist das etwas andere Schachbuch, es ist praxisorientiert, hat ein klares Potenzial zum Heben der Spielstärke des Clubspielers und ist zugleich auch unterhaltsam.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

the Slav - move by move

Cyrus Lakdawala
the Slav - move by move
414 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-678-4
20,95 Euro




the Slav - move by move
Mit "the Slav, move by move" hat Everyman Chess ein neues Werk in einer Serie auf den Markt gebracht, in der Eröffnungen zwar im Selbststudium, aber quasi wie in Betreuung eines Trainers erlernt werden können. Mit Cyrus Lakdawala hat ein Schachlehrer mit einer mehr als 30jährigen Erfahrung dieses Element der Serie erarbeitet. Es geht um die Slawische Verteidigung, die nach 1.d4 d5 2.c4 c6 auf dem Brett erscheint; Semi-slawische Strukturen werden nicht behandelt.
Getragen wird die Serie von dem Gedanken, in einem Frage-und-Antwort-Format, also im Stil einer Lehrstunde zwischen Lehrer und Studierendem, quasi interaktiv zusätzliches Wissen zu vermitteln und Verständnis aufzubauen bzw. zu vertiefen. Dies darf man sich allerdings nicht wie in einem Quiz vorstellen, in dem ein Moderator Frage um Frage stellt und der Kandidat sein Wissen mehr oder weniger gut unter Beweis stellt. In "the Slav, move by move" sind die Fragen bzw. Aufgabenstellungen in die anhand von Partien aus der Praxis umgesetzte theoretische Darstellung eingebettet. Der Leser hat also ein dem Üblichen entsprechendes Lehrbuch vor sich, in dem im Verlauf der Partien Fragen und Aufgaben gestellt werden. Diese entwickeln sich mit Fortgang des Werkes von einfach bis anspruchsvoll, von allgemein bis spezifisch, je nach dem erreichten Stand der "Schulung". Ich möchte dies an zwei Beispielen demonstrieren:
In der 2. Partie des Werkes fragt der Autor, warum Schwarz nach 1.d4 d5 2.c4 c6 nicht einen Bauern auf c4 gewinnen kann. Diese Frage macht allenfalls einem blutigen Anfänger ernsthafte Schwierigkeiten. In derselben Partie liegt die Aufgabenstellung vor dem 32. Zug aber darin, den weißen Gewinnweg zu finden, übrigens in einer Matchpartie zwischen Topalov und Kramnik aus 2008. Hier geht es auch für den fortgeschrittenen Spieler schon etwas "ans Eingemachte".
Wie man an diesen Beispielen zusätzlich sieht, verteilen sich die Fragen und Aufgaben über die gesamte Partie, beschränken sich also nicht auf die Eröffnungsphase. Insofern erweitert sich der Charakter des Werkes auch in Richtung eines Trainingsbuches zu Strategie und Taktik nach dem Prinzip "Sie sind am Zug", aber alles auf die Slawische Verteidigung und die daraus entstehenden Stellungsstrukturen konzentriert.

Lakdawala lehrt die Slawische Verteidigung auf klassische Weise, ergänzt um die schon besprochenen Fragen und Aufgabenstellungen. Er erklärt die Verteidigung, die einzelnen spezifischen Abspiele von Grund auf. Hierbei macht er den Leser darauf aufmerksam, welche Ideen Varianten zugrunde liegen, wie geeignete Pläne aussehen, strategische Stärken und Schwächen, taktische Wendungen. Er vermittelt dabei einen roten Faden, der dem Lernenden beim Verstehen der Eröffnung hilft und auch ein Hilfsmittel ist, während der Partie jeweils planvoll oder zumindest mit einem bewusst gemachten Grund vorzugehen. In dieser allgemeinen Anleitung, im Bemühen, den Leser die Slawische Verteidigung in ihren Facetten wirklich verstehen zu lassen, sehe ich die ganz besondere Stärke des Werkes.

"the Slav, move by move" ist kein Buch, das der Fernschachspieler in die Hand nehmen kann, um darin "vorgekaut" die konkreten Züge für seine eigene Partie abzulesen. Diesen Anspruch könnte das Werk nicht erfüllen, denn dazu ist seine Materialbreite nicht ausreichend. Es ist ein typisches Basiswerk, das "Sinn in die Züge bringt". Den konkreten Zug für die konkrete Stellung bietet beispielsweise die Enzyklopädie an oder die Partiendatenbank. "the Slav, move by move" gibt dem Spieler den Hintergrund, warum der Zug gut oder schlecht ist und wie am Ende der bekannten Pfade eigenständig weitergespielt werden kann.

Die Kerninhalte verteilen sich auf die folgenden Kapitel:

1. Die Hauptlinie in der Holländischen Variante
2. 6.Se5
3. 6. Sh4
4. Das Geller-Gambit
5. Abweichungen im 5. Zug
6. 4.-e3-Linien,und 3.Sc3 dxc4
7. Alternativen im 4. Zug
8. Die Slawische Abtauschvariante
9. Slawisch gegen Reti und den Königsindischen Angriff.

Die Bibliografie enthält das Who-is-Who" aus der Gegenwart und der Vergangenheit. Keine besondere Erwähnung allerdings findet das Fernschachspiel, weder in Form einer Buchpartie noch in den genannten Quellen. Dies dürfte hier allerdings kein Manko sein.

Ein qualifiziertes Variantenverzeichnis und ein Partienverzeichnis schließen das Werk ab.

Fazit: Ein empfehlenswertes Lehrbuch zur Slawischen Verteidigung für den Spieler, der diese Eröffnung von der Pike an erlernen und theoretisch durchdringen möchte.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

play the Benko gambit

Nicolai V. Pedersen
play the Benko gambit
208 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-634-0
19,95 Euro




play the Benko gambit
Zu den Gambits mit guter Reputation zählt die einleitende Zugfolge 1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 b5, bekannt unter den Namen Wolga-Benkö-Gambit, Wolga-Gambit und auch Benkö-Gambit. Die letztgenannte Namensvariante hat sich IM Nicolai V. Pedersen aus Dänemark für sein Buch "play the Benko gambit" zu eigen gemacht, das zu den jüngsten Neuerscheinungen bei Everyman Chess zählt. Er ehrt damit auch die besonderen Verdienste des amerikanischen GM Paul Benkö um dieses schwarze Gambit.

Auf insgesamt 208 Seiten widmet sich Pedersen dem Gambit mit dem Ziel, dem Spieler sowohl eine oft präzise Anleitung an die Hand zu geben, wie man diese Eröffnung spielt, als auch ein entsprechendes Grundrepertoire anzubieten. Unter dem besonderen Blickwinkel des Fernschachspielers beurteile ich die Qualitäten des Buches hinsichtlich der genannten Ziele summarisch wie folgt:
1. Die Anleitung zum Spielen des Gambits ist sehr gut gelungen. Pedersen gibt sich große Mühe, dem Leser aufzuzeigen, worum es jeweils im Großen geht und wie die damit verbundenen Ziele im Kleinen verfolgt und erreicht werden können. Er erklärt sehr intensiv und geht dabei auf die Abhängigkeiten vom weißen Spielaufbau ein. Mit dieser Anleitung im Kopf müsste der Spieler immer einen klaren roten Faden für sein Spiel haben, das Gambit wirklich verstehen können.
2. Das Repertoire ist rund und beinhaltet auch die Möglichkeit, dass Weiß dem Gambit aus dem Weg geht. Pedersen hat einige Neuerungen gefunden, von denen er allerdings den größten Teil Computeranalysen zuweist (einen entsprechenden Hinweis zur Klassischen Variante gibt er auf Seite 34).

Wie oft bei Repertoirebüchern sollte sich der Fernschachspieler m. E. nicht allein auf das Buch stützen. Insbesondere die Breite des Materials sollte ergänzend über eine gut sortierte Partiendatenbank erweitert werden. In Kombination damit halte ich "play the Benko gambit" für ein mächtiges Hilfsmittel nicht zuletzt auch im Fernschach.

Die auf die verschiedenen Abspiele konzentrierten Inhalte des Werkes sind wie folgt gegliedert (in Übersetzung):

Das angenommene Benkö-Gambit
1. Die Fianchetto-Variante
2. Die Klassische Variante
3. Das ruhige 5. e3

Das abgelehnte Bekö-Gambit
4. Die Variante mit 5. f3
5. Weiß spielt b5-b6
6. Andere Möglichkeiten für Weiß

Anti-Benkö-Varianten
7. Das Kasparow-Gambit
8. Die Topalov-Variante.

Davor erstreckt sich die allgemeine Einführung über rund 6,5 Seiten. Sie widmet sich den übergeordneten Aspekten wie typischen Ideen und Schlüsselvorgehen, Formationen, Standardzügen etc. Sie führt den lernwilligen Leser gut in wichtige Eigenheiten ein, macht ihn frühzeitig darauf aufmerksam.

Die einzelnen Folgekapitel werden ebenfalls mit einem theoretischen Überblick eingeleitet, während sich die detaillierte Behandlung der Theorie an praktischen Partien orientiert. Die Textkommentare werden maßvoll von Varianten begleitet.
Jeder Partie schließt sich eine Partiezusammenfassung an, die die wichtigsten aus ihr abzuleitenden Erkenntnisse für den Leser komprimiert.
Die Kapitel selbst werden am Ende ebenfalls noch einmal entsprechend zusammengefasst, hier dann aber über alle ihre Inhalte hinweg.

Die Partien sind modern, sie entstammen überwiegend der Praxis der vergangenen 20 Jahre. Sie werden am Ende des Buches in einem Partienverzeichnis zusammengestellt. Diesem voran findet der Leser ein ordentliches Variantenverzeichnis, das sich hinsichtlich der Ausgangsstellungen auch Diagrammen bedient.

Das in Englisch geschriebene Werk ist gut verständlich, auch für den durchschnittlichen Fremdsprachler.

Fazit: "play the Benko gambit" ist ein gelungenes Werk und somit eine Empfehlung für alle Gambitfreunde sowie für die Weißspieler, die den Benkö-Gambit-Anhängern selbst ein Bein stellen wollen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Four Knights Game

Andrey Obodchuk
The Four Knights Game
238 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-372-4
19,95 Euro




The Four Knights Game
Das Vierspringerspiel (VSpS) gilt als Solide, sehr zum Remisausgang neigende Eröffnung. An dieser Grundeinschätzung rüttelt auch "The Four Knights Game" des russischen IM Andrey Obodchuk nicht. In seinem Nachwort räumt der Autor des 2011 bei New In Chess erschienenen Werkes ein, dass die Themaeröffnung Weiß keinen Vorteil verspricht. Wenn aber beide Spieler auf Krawall gebürstet sind, dem scharfen Kampf also nicht aus dem Wege gehen, sieht er das VSpS als Garanten für Abenteuer auf dem Brett und für Adrenalinschübe in der Partie.

"The Four Knights Game" ist ein Repertoirebuch, das zunächst nicht als solches geplant war. Eigentlich hatte Obodchuk nur ein Skript für seine Schüler verfassen wollen. Der Entschluss, ein richtiges Buch daraus zu machen, erwuchs erst aus seiner Feststellung, dass viel zusammengekommen war.

Es ist dem Buch nicht anzumerken, dass der Autor nicht von vornherein einem genau festgelegten Konzept gefolgt ist. Es erscheint innerlich stimmig und aus einem Guss.
Etliche Analysen stammen aus der "Entwicklungswerkstatt" des Autors, sie dürften deshalb für die Öffentlichkeit noch weitgehend neu sein.

"The Four Knights Game" beinhaltet sieben Kapitel mit den folgenden Themen:

Kap. 1: Das Dreispringerspiel
Kap. 2: Vierspringerspiel - Schwarz vermeidet die Hauptlinie im 4. Zug
Kap. 3: Die Symmetrievariante mit 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Sc3 Sf6 4.Lb5 Lb4
Kap. 4: Das Metger-System
Kap. 5: Das Rubinstein-System
Kap. 6: 5.Lc4 im Rubinstein-System
Kap. 7: Das Belgrader Gambit.

Das Kapitel 1 stellt den Weißspieler darauf ein, dass sein Gegner das VSpS vermeiden kann. Hier geht Obodchuk besonders auf 1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.Sc3 sowie auf 2…Sc6 3.Sc3 ein. Das Russische Dreispringerspiel steht im Vordergrund der Betrachtungen. Das Metger-System in Kapitel 4 ist nach dem Deutschen Johannes Metger benannt, der im 19. Jahrhundert das Manöver …De7, …Sd8 und …Se6 favorisierte.
Das im 5. Kapitel behandelte Rubinstein-System beginnt mit den Initialzügen 1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.Sc3 Sc6 4.Lb5 und nun 4…Sd4.

Ich denke, dass "The Four Knights Game" kein Buch für den Anfänger ist, der das VSpS in sein Repertoire aufnehmen möchte; dies gilt für mich zumindest dann, wenn er dabei ausschließlich auf dieses Werk zurückgreifen würde. Obodchuk setzt viel an Schachverständnis voraus, er erklärt wenig zu Plänen und allgemeinen schachlichen Zusammenhängen. Seine Erläuterungen sind sehr taktisch geprägt, was allerdings nicht heißt, dass er auch die übergeordneten strategischen Aspekte außen vor lässt.

In meinen Augen ist "The Four Knights Game" besonders für den fortgeschrittenen Spieler geeignet, der Hunger auf Varianten, auf Neues, auf für eine Überraschung geeignete Pfade verspürt. Er dürfte mit dem Buch einen guten Griff machen, besonders wenn ihm eine gut sortierte Datenbank als weiteres Standbein zur Verfügung steht.

Wie ist der Wert des Werkes für den Fernschachspieler einzuschätzen? Diese schwer zu beantwortende Frage ist untrennbar mit jener nach der Eignung des VSpS für den Fernschacheinsatz selbst verbunden. Ich kann natürlich keine objektiven Ansprüchen genügende Antwort geben, merke aber an, dass es zahlreiche Eröffnungen gibt, die auch nicht mehr als das VSpS versprechen und trotzdem oder aber auch genau deshalb gespielt werden.
Im Buch vollständig abgebildet sind zwei kommentierte Fernpartien. Eine davon wurde in Deutschland gespielt, auf die Analysen des Weißspielers greift der Autor verstärkt zurück.

Ein Quellenverzeichnis, ein qualifiziertes Variantenverzeichnis, ein Partien- und ein Spielerverzeichnis schließen das Werk ab.

Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse entsprechen dem Üblichen.

Fazit: Mit der Ergänzung um die Details im Text ist "The Four Knights Game" ein zu empfehlendes Werk.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Karpov´s Strategic Wins 1 & 2

Tibor Károlyi
Karpov´s Strategic Wins 1 & 2
458, 576 Seiten, kartoniert (auch als Hardcover erhältlich)
ISBN: 978-1-906552-41-1, ISBN 978-1-906552-42-8
24,99 Euro, 24,99.

Karpov´s Strategic Wins 1 & 2
"Karpov´s Strategic Wins 1" und "…2" ist ein neues doppelbändiges Werk aus dem Verlag Quality Chess, in dem sich der Autor Tibor Károlyi intensiv mit der Karriere des zwölften Schachweltmeisters Anatoly Karpov auseinandersetzt. Erst im Verbund entfalten beide Bände ihren vollen Wert, sodass sich eine Gesamtrezension anbietet.

Band 1, 1961-1985, The Making of a Champion
Károlyi beginnt seine Betrachtung mit dem Jahr 1961, für das er die ersten Partien Karpovs in seiner Datenbank gefunden hat. Zu diesem Zeitpunkt war der 1951 geborene spätere Weltmeister demnach etwa zehn Jahre alt. Mit diesem Einstieg gibt Károlyi die Organisation für sein komplettes Werk vor, denn bis zum zuletzt betrachteten Jahr 2010 (Band 2) widmet er in der Folge jedem Jahr ein eigenes Kapitel.

Ich denke, dass der Autor mehrere Ziele mit "Karpov´s Strategic Wins" verfolgt hat. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf analysierten Partien, von denen Band 1 76 enthält. Deren Wert für den Nachspielenden steigt mit dem Fortschreiten der betrachteten Jahre, denn der ganz junge Karpov konnte natürlicherweise sein Spiel noch nicht so perfekt vortragen, wie es ihm später gelang.
Die größten Leistungen in der Partie fielen aber nicht etwa in die Zeit, während er die Weltmeisterkrone trug, sondern in die Jahre danach (hierzu mehr in der Besprechung des zweiten Bandes).

Károlyi betätigt sich auch als Geschichtsschreiber. Markante Daten werden sowohl als Einleitung zu jedem Kapitel aufgeführt als auch am Rande der Partien zum Thema gemacht. Den Abschluss eines Kapitels bildet eine Zusammenfassung der Erfolge des Jahres, ganz überwiegend auch mit einer - grafisch unterstützten - Erfolgsstatistik.

Nicht zuletzt will Károlyi unterhalten, einerseits natürlich über die tatsächlich ausgezeichnet kommentierten Partien und andererseits mit gestaltenden Textelementen. Mal ist es ein Interview, das er einstreut, mal die Aussage einer anderen Persönlichkeit zu Karpov als Spieler und Mensch und dann wieder eine Episode aus dem Turniergeschehen. "Karpov´s Strategic Wins" ist wie ein sehr unterhaltsamer und zugleich lehrreicher Dokumentarfilm in zwei Folgen. Károlyi hat viel "ausgegraben" und hervorragend in Szene gesetzt.

Noch ein Wort zur Kommentierung: Diese konzentriert sich auf textliche Beschreibungen und reduziert sich hinsichtlich der Analyse von Varianten auf das Wichtigste.
Károlyi arbeitet die Besonderheiten im Spiel Karpovs heraus. Den Wert der Partien für den nachspielenden Leser möchte ich mit einem Buchtitel verdeutlichen. Auf Seite 123 verweist Károlyi auf "Learn from the Legends" von Mihail Marin. Genau das ist es!

Band 2, 1986-2010, The Prime Years
Wie der Titel des zweiten Bandes schon besagt, sieht Károlyi die Jahre nach dem Verlust des WM-Titels als Karpovs beste an. Dessen Spiel wird besser denn je und sein Erfolg als Turnierspieler erreicht höchstes Niveau. Interessant und nachvollziehbar ist die Begründung, die Károlyi hierfür sieht. Danach hatte Karpov bis zum Erscheinen von Kasparow über lange Zeit hinweg keinen Konkurrenten an der Weltspitze, der ihn zwang, seine Fähigkeiten unter höchstem Einsatz auszubauen. Demnach blieb Karpov unterhalb des Limits seiner Fähigkeiten, da sein Einsatz zum Erfolg reichte. Mit dem Auftreten von Kasparow änderte sich die Situation grundlegend, Karpov musste schwer an sich arbeiten. Den Erfolg erntete er im Turnierspiel, nicht über den Rückgewinn des verlorenen WM-Titels.
"Formal inhaltlich" und im Aufbau entspricht Band 2, mit 67 Partien bestückt, dem ersten. Es fällt nur auf, dass die Kommentierung breiter wird. Tendenziell geben die Partien für den Leser noch mehr her als jene im Band 1.


Beide Bände werden von verschiedenen Verzeichnissen abgeschlossen, zu den Partien, Spielern etc., aber auch strategischen bzw. taktischen Motiven, soweit diese in den aufgenommenen Partien Bedeutung erlangt haben (z.B. "Isolierter Bauer"). Diese Angaben finden sich unter der Überschrift "Classification".

Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse überfordern den mit gesicherten Englischkenntnissen ausgestatteten Leser nicht, bisweilen wird er ein Wörterbuch benötigen.

Die Rezension beider Bände erfolgt auf der Basis von Paperback-Ausgaben, also Bücher mit einem flexiblen Umschlag. Ich bin von dem doppelbändigen Gesamtwerk so überzeugt, dass nach meiner Einschätzung zumindest für den Sammler auch die Hardcover-Ausgaben in Betracht kommen sollten.

"Karpov´s Strategic Wins" ist hinsichtlich beider Bände ein mit Fleiß und Anspruch auf Qualität geschaffenes Werk, das Anatoly Karpov ein erlebbares Denkmal setzt. Es ist eine Bereicherung für jede Schachbuchsammlung und natürlich in besonderer Weise auch die Veranschaulichung eines besonders erfolgreichen Spielstils, des Stils des (Ex-) Weltmeisters.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Informator Band 110

Matanovic u.a.
Informator Band 110
328 Seiten, kartoniert
ISSN: 0351-1375
28 Euro.




Informator Band 110
Der Schachinformator 110 wartet im Partienteil mit 321 aktuellen Partien auf, von denen eine im Fernschach gespielt worden ist. Für den Fernschachspieler ist dieser Teil jeweils die wichtigste Informationsquelle im Werk, zumal die abgebildeten hochklassigen Partien auch eine Fülle von Neuerungen beinhalten. Insoweit rechtfertigt die 110te Ausgabe der Reihe den gleichen Erwartungsanspruch des Käufers wie seine Vorgänger.

Aber auch die Rubrik "Latest chess trends from grandmaster´s point of view" ist allgemein bedeutsam. Sie enthält Abhandlungen zur Eröffnungstheorie, in Band 110 finden sich insgesamt acht Beiträge, von denen sich vier Sizilianischen Varianten widmen.

Endspiele, Studien, Turniernachrichten etc., somit die gewohnten Rubriken, runden auch den Informator 110 inhaltlich ab.

Dem Leser, der noch keinen Informator in der Hand gehalten hat, sei gesagt, dass alle schachlichen Inhalte im nach der Reihe bekannten "Informator-Stil" verfasst sind. Indem die Partien etc. vollständig in der algebraischen Notation mit Verwendung von Symbolen für alles, was kommentiert werden soll, dargestellt werden, kann der Informator (fast vollständig) sprachunabhängig verwendet werden. Die Bedeutung aller Symbole wird vorne im Werk mehrsprachig erklärt, auch in Deutsch.
Soweit wenige textliche Inhalte Eingang in den Informator finden (erwähnenswert beispielsweise auch im og. Theorieteil), so sind sie in Englisch gehalten.

Die Mitarbeiter, deren Zahl so hoch ist, dass man für einen Betriebsausflug glatt zwei Reisebusse ordern müsste, sind allesamt Vertreter des "Who-is-who" im Schach.

Für viele erfahrene Spieler ist der Informator nach wie vor eine unverzichtbare Informationsquelle, vor allem um eröffnungstheoretisch auf der Höhe zu bleiben. So behauptet sich diese Reihe auch heute noch gegenüber der Konkurrenz, auch jener aus der elektronischen Sparte.

Der Informator 110 bietet die gewohnten Inhalte in der gewohnten Form und Qualität.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Centre-Stage and Behind the Scenes

Yuri Awerbach
Centre-Stage and Behind the Scenes
268 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-364-9
28,90 Euro.




Centre-Stage and Behind the Scenes
Wenn ein ganz Großer des Schachs seine Memoiren veröffentlicht, dann ist auch die Erwartung des Lesers groß. In "Centre-Stage and Behind the Scenes" von Yuri Awerbach, in etwa zu übersetzen mit "Mitten auf der Bühne und hinter den Kulissen" werden diese hohen Erwartungen auch tatsächlich erfüllt.

Auf mehr als 250 Seiten gibt Awerbach Einblick in Dinge, die er in seinem langen Leben als Spieler, Trainer, Sekundant, Schriftsteller, Privatmann, Freund und Funktionär erlebt hat. Als Zeitzeuge ist es ihm möglich, auf manche bekannte Episode ein neues Schlaglicht aus einem anderen Winkel zu werfen, aber auch vieles neu in die Öffentlichkeit zu geben, was den meisten Lesern, wenn nicht gar allen, bisher unbekannt gewesen sein dürfte. Die von ihm erzählten Episoden lassen sich vor allem in folgende Kategorien einordnen:
1. Höchstpersönliche Dinge und Erfahrungen, Dinge aus dem "ganz normalen Leben",
2. Erlebnisse des Turniergeschehens und an dessen Rand,
3. Andere Spieler, Freundschaften und Feindschaften, persönliche Erlebnisse,
4. Schach im System der UdSSR, Politik und Schach,
5. Funktionäre mit Licht und Schatten, Erfolg und Schaden.

Zur Vorbereitung dieser Rezension habe ich das Buch vollständig gelesen. Es fällt mir schwer, inhaltlich ins Detail zu gehen, da eine Menge von Erzählungen eine Aufnahme verdient hätte, eine Rezension aber nur minimal Platz bietet. So beschränke ich meine Auswahl auf eine Schilderung Awerbachs aus dem höchstpersönlichen, dem privaten Bereich, die auch einen Einblick in das tägliche Leben in der ehemaligen Sowjetunion gibt, sowie auf einen breit bekannten Vorfall im Duell zweier Spieler auf dem Weg zur WM-Krone.

Awerbach lebte in jungen Jahren in zwar üblichen, aber viel zu engen räumlichen Verhältnissen. Seine Arbeit, insbesondere auch jene an seinen Büchern, verrichtete er überwiegend nachts am Küchentisch, wenn die anderen Familienmitglieder schliefen. Auf seinen Antrag auf eine größere Wohnung hatte er sein Anliegen vor einem Komitee aus der arbeitenden Klasse zu begründen. Deren Mitglieder erwarteten ihn allesamt im Overall, er erschien schon für einen sich anschließenden Turnierauftritt vorbereitet im "besseren Zwirn". Als vermeintlich nicht der "richtigen" Klasse angehörend wurde sein Antrag feindselig abgelehnt. Über "Vitamin B", eine Beziehung also, erhielt er bald darauf eine neue Gelegenheit für Antrag und Vorsprache. Er traf auf denselben Sprecher, erschien aber als "wichtiger Sportler der Sowjetunion" und in der "passenden" Kleidung (er hatte seine Lektion gelernt). Nach der zuvorkommenden Befragung wurde ihm und seiner Familie nun problemlos der größere Wohnraum zugesprochen.

Für ein Match "Petrosjan gegen Kortschnoi" ist ein Fußgerangel und Treten unter dem Tisch schachgeschichtlich bekannt. Was es damit auf sich hatte, was Hintergrund des Ganzen war, welche Konsequenzen es auslöste usw. beschreibt Awerbach ausführlich und anschaulich in seinem Werk. Vielleicht ist manches ein wenig davon gefärbt, dass ihn und Petrosjan eine enge Beziehung verband. Auf jeden Fall aber wird das, was der Leser von diesen Vorgängen schon weiß, um einiges aus dem Umfeld erweitert. Wer noch nichts von diesem Vorfall gehört hat, das fragliche Match nicht zuordnen kann - "Centre-Stage and Behind the Scenes" macht das Fenster zur Geschichte weit auf.

Wer einen inneren Einblick und mit den Augen eines Zeitzeugen in Vorgänge der (Schach-) Geschichte vor allem des vergangenen Jahrhunderts sucht, Unterhaltsames und Informatives miteinander verbinden möchte, der findet mit "Centre-Stage and Behind the Scenes" ein exzellentes Werk vor. Es ist ein "reines Lesebuch" und enthält keine Partien etc., wohl aber ein Namensverzeichnis am Ende. Dieses bezieht sich auf die in den Schilderungen vorkommenden Personen.

"Centre-Stage and Behind the Scenes" ist in Englisch verfasst. Nach meinem Empfinden stellt es durchaus Ansprüche an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers.

Fazit: Eine Empfehlung zur Schachlektüre!


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Fighting the French: A new Concept

Denis Yevseev
Fighting the French: A new Concept
384 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-83-8
27,95 Euro.




Fighting the French: A new Concept
Ein hochinteressantes Werk hat GM Denis Yevseev mit "Fighting the French: A new Concept", 2011 erschienen im bulgarischen Chess Stars-Verlag, vorgelegt. Anders als in einer gewöhnlichen Monografie stellt er ein System, einen Aufbau für Weiß vor, den der Anziehende gegen fast alle Varianten der schwarzen Französischen Verteidigung spielen kann bzw. können soll. Zum weißen Vorgehen: Nach 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 postiert der Spieler seine Figuren nach dem Schema Sgf3, Ld3, c3 und 0-0. Zum Konzept zählt der Abtausch im Zentrum mit dem Entstehen eines isolierten Damenbauern.
Strukturen dieser Art kommen über verschiedene Eröffnungen auf das Brett, insbesondere im Nimzo-Inder, in Caro-Kann (Panov-Angriff), im angenommenen Damengambit und im Alapin-Sizilianer. Dies dürfte das Werk reizvoll auch für denjenigen Spieler machen, der diese "Schwestervarianten" im Repertoire hat.

Yevseev macht selbst darauf aufmerksam, dass dem Verständnis der Strukturen mit einem isolierten Damenbauern eine hohe Bedeutung zukommt, um in "seinem" System erfolgreich auftreten zu können. So ist es nur logisch, dass er den dritten von insgesamt drei Teilen in seinem Werk praktisch der Mittelspielbehandlung widmet. Seine Ausführungen hier halte ich auch für allgemein wertvoll, sie können auch dem Freund der og. Schwestervarianten gute Dienste leisten.
Insgesamt hält das Werk die folgenden Inhalte für den Leser bereit:

Teil 1. Rubinstein-Variante: 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 dxe4 4.Sxe4
Teil 2. Andere schwarze Erwiderungen: 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2
Teil 3. Der isolierte Damenbauer
i1) 3... Sf6 4.Ld3 c5 5.c3 Sc6 6.Sgf3 cxd4 7.cxd4 dxe4 8.Sxe4 Le7 9.0-0 0-0
i2) 3... Sf6 4.Ld3 c5 5.c3 Sc6 6.Sgf3 cxd4 7.cxd4 dxe4 8.Sxe4 Lb4+ 9.Sc3 0-0 10.0-0 b6 11.a3 Le7 12.Te1 Lb7 13.Lc2
i3) 3... c5 4.c3 cxd4 5.cxd4 dxe4 6.Sxe4 Lb4+ 7.Sc3 Sf6 8.Ld3 0-0 9.Sf3 b6 10.0-0 Lb7 11.Te1
i4) 3...a6 4.Sgf3 c5 5.c3 Sc6 6.Ld3 cxd4 7.cxd4 dxe4 8.Sxe4 Lb4+ 9.Sc3 Sf6 10.0-0 0-0 11.a3 Le7
i5) 3...a6 4.Sgf3 c5 5.c3 Sc6 6.Ld3 cxd4 7.cxd4 dxe4 8.Sxe4 Le7 9.0-0 Sf6
i6) 3...a6 4.Sgf3 c5 5.c3 cxd4 6.cxd4 dxe4 7.Sxe4 Sd7 8.Ld3 Sgf6 9.0-0 Le7
i7) 3...c5 4.c3 Sc6 5.Sgf3 cxd4 6.cxd4 dxe4 7.Sxe4 Lb4+ 9.Sc3 Sge7 10.Ld3 Sd5.

Der formelle Aufbau von "Fighting the French: A new Concept" ist für Chess Stars-Bücher typisch. Die einzelnen Kapitel in den Teilen 1 und 2 werden mit dem Abschnitt "Quick Repertoire" eingeführt. Hier gibt der Autor einen theoretischen Überblick über die Themavariante, wobei er sich auf grundlegende Aspekte beschränkt. Dem folgt der Abschnitt "Step by Step", der dann jeweils die tiefe eröffnungstheoretische Behandlung enthält. Partien im Abschnitt "Complete Games" runden die theoretischen Ausführungen ab und veranschaulichen den Praxiseinsatz.

Hinsichtlich seiner strategischen und taktischen Hinweise, im Kern damit der Schulung des Lesers in "seinem" System, möchte ich Yevseev in die Reihe der besten Autoren einordnen, die ich kenne. Er will und tut alles dafür, dass der Leser nicht Varianten auswendig lernt, um diese dann (hoffentlich) in der eigenen Partie wieder abspulen zu können. Er will das Verständnis des Lesers erreichen, damit dieser weiß, was er tut, in seiner Partie ganz bewusst zu einem qualifizierten Plan findet und sich ebenso bewusst für oder gegen einen Zug entscheidet. Das Prinzip ist beispielsweise: "Der Zug xy ist nicht etwa nur deshalb gut, weil Yevseev ihn in seinem Buch empfiehlt, sondern weil er dem Ziel yz dient, dieses oder jenes erreicht" usw.

Der schon kurz herausgestellte dritte Teil ist quasi lehrbuchhaft ein Leitfaden für die Praxis, ein "Do-It-Yourself"-Buch zur Behandlung von Mittelspielstellungen mit einem isolierten Damenbauern. Die Schlüsselpositionen werden über die oben zum Inhalt aufgeführten Zugfolgen erreicht und dann auf Herz und Nieren untersucht.

Das Konzept des Werkes setzt den Grundstein dafür, dass "Fighting the French: A new Concept" eine absolut runde Sache ist. Die inhaltliche Umsetzung nutzt diese Chance und macht das Werk zu einem bemerkenswerten Beispiel seiner Art.

Noch etwas aus der Sicht des Fernschachspielers: Die Analysen gehen teilweise bis in eine beträchtliche Tiefe. Dies macht einen zusätzlichen Wert des Werkes für den Einsatz in der eigenen Partie aus.
In Kombination mit einer gut sortierten Partiendatenbank ist "Fighting the French: A new Concept" zweifellos ein qualifiziertes Hilfsmittel für den praktischen Fernschacheinsatz.

Hätte es der Verlag verstanden, für den Einband des Buches einen angemessen dicken Karton zu verwenden, gäbe es eigentlich überhaupt nichts zu kritisieren (von unbedeutenden Fehlerchen abgesehen, beispielsweise die Bezeichnung des Abschnitts i3 im dritten Teil des Werkes). Der Karton aber ist zu dünn, er gibt dem Werk zu wenig Halt.

"Fighting the French: A new Concept" ist in Englisch geschrieben, aber mit einfachem Schulenglisch gut zu bewältigen. Es verzichtet auf ein Quellenverzeichnis und ein Partien-/Spielerverzeichnis, bietet dem Leser aber ein hinreichendes Variantenverzeichnis an.

Fazit: Sofern dies aus meinen Ausführungen nicht ohnehin schon deutlich geworden sein sollte: "Fighting the French: A new Concept" ist für mich eine klare Kaufempfehlung.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

No Passion For Chess Fashion

Alexander Raetsky und Maxim Chetverik
No Passion For Chess Fashion
234 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-936277-26-1
21,95 Euro.




No Passion For Chess Fashion
Der Sinn des Buchtitels "No Passion For Chess Fashion" wird erst deutlich, wenn man einen intensiveren Blick in dieses Werk aus der Feder von Alexander Raetsky und Maxim Chetverik geworfen hat. Flapsig und sinngemäß übersetzt heißt es so viel wie "Mit Modevarianten der Eröffnungstheorie nichts am Hut". So wird das Konzept der Autoren des jüngst bei Mongoose Press erschienenen Werkes deutlich: Sie haben Eröffnungslinien in selten gespielten Systemen oder seltene Linien in gängigen Systemen gesucht, in denen sie, auch gestützt auf neue und bisher unveröffentlichte Analysen, gute Chancen für den Anwender sehen. Der Mehrwert für den Leser ergibt sich für sie besonders hinsichtlich der folgenden, teilweise alternativen Aspekte:
- Mit den vorgestellten Varianten geht der Spieler viel Theorie aus dem Weg.
- Manche der Varianten sind üblichen Wegen gleichwertig.
- Weitere Varianten eignen sich auf jeden Fall für den Einsatz im Rapid- und im Blitzschach.

Nach der Prüfung des Materials und durch die Brille des Fernschachspielers komme ich zu dem folgenden Urteil:
- Mehrere Varianten würde ich tatsächlich auch im allgemeinen Wettkampf-Fernschach einsetzen. Sie versprechen mit den Buchanalysen im Rücken ein gutes Spiel auf Pfaden, für die ein Gegner nicht besser präpariert ist als man selbst.
- Mehrere Systeme versprechen Fernschachpartien, in denen in einem hohen Maße eigene Ideen und kreatives Spiel gefordert werden, die deshalb Spaß am Fernschach versprechen. Da es aber eher im Zweifel steht, ob sie in etwa Ausgleich eröffnen (aus der Sicht von Schwarz) oder sogar eine Chance auf Vorteil bieten (Weiß), sind sie eher etwas für Thematurniere, freie Partien oder Turniere, die man aus Experimentierfreude spielt.
- Die eine oder andere Eröffnung ist richtig für den Einsatz im Rapid-Fernschach.
- Für Fernschachspieler "im Nahschacheinsatz" kombinieren sich die von Raetsky und Chetverik ins Auge gefassten Möglichkeiten mit jenen im Fernschachspiel.

Als Hilfe für die Prüfung, ob vom Leser bevorzugte Systeme oder ihn interessierende Abspiele im Buch bedient werden, stelle ich folgend die Inhalte mitsamt den jeweiligen Initialzugfolgen zusammen:

1. Königsgambit (Fischer-Verteidigung): 1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Sf3 d6 4.d4 g5 5.h4 g4 6.Sg1 f5
2. Russische Verteidigung: 1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.d4 Sxe4 4.dxe5 Lc5
3. Spanische Partie (Alapin-Verteidigung): 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Lb4
4. Skandinavische Verteidigung: 1.e4 d5 2.exd5 Sf6 3.d4 Sxd5 4.c4 Sb4
5. Aljechin-Verteidigung: 1.e4 Sf6 2.e5 Sd5 3.d4 d6 4.c4 Sb6 5.f4 g5
6. Französische Verteidigung: 1.e4 e6 2.d4 d5 3.e5 c5 4.Dg4
7. St. George-Verteidigung: 1.e4 a6
8. Sizilianische Verteidigung (Cobra-System): 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e6 6.Sdb5 Lc5
9. Albins Gegengambit: 1.d4 d5 2.c4 e5
10. Tschigorin-Verteidigung: 1.d4 d5 2.Sf3 Sc6 3.g3 Lg4 4.Lg2 Dd7
11. Englische Eröffnung: 1.c4 e5 2.Sc3 Lb4 3.Sd5 La5.

Die 11 Kapitel sind allesamt identisch aufgebaut. Zunächst gibt es eine kurze textliche Einführung, der sich eine knappe theoretische Betrachtung der Anfangszüge anschließt. Das eigentliche Material wird dann in Partien aus der Praxis behandelt, die vollständig oder zumindest bis zu dem Stadium abgebildet werden, wo sie die engste Beziehung zur Eröffnung verlieren.
Die Kommentierung ist sehr qualifiziert, sie bedient gleichermaßen die strategischen wie die taktischen Aspekte. Zu einem erheblichen Anteil entstammen die Analysen "der Werkstatt" der Autoren, sie dürften in diesen Fällen deshalb schwerlich anderen Ortes zu finden sein. Eine wertende Zusammenfassung schließt jedes Kapitel ab. Es lohnt sich ein früher Blick hier hinein, da die Autoren weder Schönfärberei noch Schwarzmalerei betreiben und ihre Aussagen aus der Vogelperspektive bei der Einschätzung des jeweiligen Systems helfen können, bevor man sich intensiv damit befasst hat.

Der Untertitel des Werkes bedeutet sinngemäß übersetzt "Scharfe/bissige Varianten für Ihr neues Repertoire". Ich denke, dass dieser Anspruch an die Varianten, ein aggressives Potenzial zu haben, erfüllt wird. Regelmäßig entsteht früh ein sehr asymmetrisches Spiel. Besonders als Ergänzung des eigenen Repertoires können sie auch als Spezialwaffe eingesetzt werden.

Das Werk ist in Englisch geschrieben, mit einem ordentlichen Schulenglisch und einem Wörterbuch zur Hand sollte es aber keine unüberwindlichen sprachlichen Barrieren geben.

Verzeichnisse irgendwelcher Art, z.B. zu den Quellen, Partien und als Variantenübersicht enthält das Werk nicht. Letzteres hätte vielleicht zur St. George-Verteidigung geholfen, ansonsten habe ich es nicht vermisst.
Auch wenn "No Passion For Chess Fashion" keine zusammengefassten Infos zum Theoriestand gibt, wird deutlich, dass es auf der Höhe der Zeit ist. Nur am Rande: Dabei ist es erstaunlich, was sich beispielsweise zur St. George-Verteidigung alles so ergeben hat, seit Michael Basman seinen Klassiker "The New St. George" auf den Markt gebracht hat (1993).

"No Passion For Chess Fashion" kann ich mit gutem Gewissen zum Kauf empfehlen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Mastering Chess Strategy

Johan Hellsten
Mastering Chess Strategy
489 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-185744-648-7
21,95 Euro.




Mastering Chess Strategy
In "Mastering Chess Strategy", Everyman Chess 2010, widmet sich der Autor Johan Hellsten den grundlegenden Belangen der Schachstrategie. Das Werk ist für den Einsatz als Trainingsgrundlage sowohl im Selbststudium als auch durch einen Trainer in der Schulungspraxis konzipiert und profitiert dabei von der entsprechenden praktischen Erfahrung des Autors. Johan Hellsten ist nich nur ein erfolgreicher Großmeister und Autor, er ist auch ein erfahrener Schachtrainer. Wie er selbst im Werk voranstellt, basiert es auf seiner Trainertätigkeit in Chile und Ecuador. Sein mit "Mastering Chess Strategy" verfolgtes Ziel definiert er damit, dem Leser zu helfen, seine strategischen Fähigkeiten zu verbessern, ohne dass er dabei wissenschaftliche oder historische Absichten verfolgt.

Das Werk ist grundlegend. Dementsprechend sehe ich im Zentrum des Adressatenkreises einerseits den noch aufstrebenden, am Lernen interessierten Spieler, andererseits aber auch denjenigen, der nach dem Prinzip "back to the roots" im eigenen Spiel vielleicht etwas zu kurz kommende strategische Aspekte wieder mehr ins eigene Blickfeld rücken, sich leicht verschüttete Fähigkeiten wieder verfügbar machen will. Hier denke ich besonders auch an denjenigen Fernschachspieler, der über den Engineeinsatz ein sehr taktisch geprägtes Spielgefühl entwickelt und das Verfolgen eigener strategischer Ziele aus den Augen verloren hat. Bekanntlich ist die Engine nicht in der Lage, eine Strategie in der Partie zu entwickeln. Diese Aufgabe obliegt allein dem Fernschachspieler. Versteht er sich darauf nicht, verliert sein Spiel einen wichtigen roten Faden, ohne den der systematische Partieerfolg nicht möglich ist. Der Erfolg wird dann generell klar darunter leiden.

"Mastering Chess Strategy" setzt an dieser Stelle an. Von Grund auf wird die Schachstrategie behandelt, Hellsten beginnt mit "Grundlegende Konzepte der Strategie" (in Übersetzung).
Sein konzeptionelles Vorgehen lässt sich, wenn auch vielleicht etwas hoch gegriffen, mit der Organisation der Olympischen Spiele vergleichen. Der Besucher betritt das Olympiagelände und sucht dann die Veranstaltungsstätte auf, an der die ihn heute interessierende Disziplin ausgeübt wird. Einen gravierenden Unterschied zur Olympiade gibt es allerdings: In "Mastering Chess Strategy" kann der Zuschauer nicht nur mitmachen, er soll es sogar. Zu etwas mehr als einem Drittel enthält das Werk praktische Übungen und die Lösungen dazu.

Die "Strategie-Olympiade" wird an sechs "Kampfstätten" ausgeübt. Diese sind (in sinngemäßer Übersetzung): Grundlegende Konzepte der Strategie, Verbesserung der Wirkung der Figuren, Abtäusche, Bauernführung, Prophylaxe und Verschiedenes. Dem schließt sich das große Areal des Übungsgeländes an, "Exercises" genannt.
Die einzelnen, in den "Kampfstätten" ausgeübten Disziplinen sind beispielsweise mit den Namen der jeweils in die Betrachtung genommenen Figur betitelt (so in "Verbesserung der Wirkung der Figuren") oder zeigen an, welche Absicht mit einer Disziplin verfolgt wird (z.B. "Raum gewinnen" oder "Bauernmehrheiten" in der "Arena" "Bauernführung").

In den Exercises hat sich der Leser an insgesamt 382 Übungen den Herausforderungen des im Theorieteil Gelehrten zu stellen. Der Lösungsteil schließt sich unmittelbar an. Der Schwierigkeitsgrad der Übungen differiert, passt aber in der Tendenz zu dem eingangs von mir skizzierten Adressatenkreis.

Noch einmal zurück zu den theoretischen Darstellungen zur Strategie: Die Beispiele, insgesamt 240 an der Zahl, entstammen durchgehend der Turnierpraxis und werden regelmäßig mit einem Diagramm eingeleitet. Nach jeweils einer knappen Einführung zum Thema geht Hellsten immer gleich in medias res. Die Anlehnung an Praxisbeispiele führt zwangsläufig dazu, dass die Ausführungen von der beispielhaften Partiesituation geprägt sind, die allerdings natürlich ganz gezielt von Hellsten für seinen Zweck ausgewählt worden ist. Er versteht es gut, aus diesen beispielhaften Situationen die Regel zu ziehen, die dem Leser einen allgemeinen Mehrwert verschafft. "Strukturen erlernen und in der selbst gespielten Partie wiedererkennen, um dann die in der konkreten Partiesituation richtige strategische Entscheidung zu treffen" ist nach meiner Wahrnehmung der von Hellsten gewählte Stil. Dies bedeutet für sein Werk die Darstellungsrichtung "vom Detail zum Ganzen", um dem Spieler in dessen eigener Partie zu helfen, "vom erlernten Ganzen auf das Detail" gehen zu können.
Seine Kommentare beschränkt Hellsten auf das Wesentliche. Analysen, insbesondere weiter in die Tiefe gehende, bringt er nur selten an.

Für den genannten Adressatenkreis ist "Mastering Chess Strategy" ein empfehlenswertes Buch, das zweifellos zu einer Hebung der eigenen strategischen Fähigkeiten führen wird, wenn der Leser konzentriert und diszipliniert damit arbeitet.
Es ist in Englisch geschrieben, stellt aber keine besonderen Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse.
"Mastering Chess Strategy" ist ein gelungenes Werk.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

modern chess: move by move

Colin Crouch
modern chess: move by move
240 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-185744-599-2
19,95 Euro.




modern chess: move by move
Haben Sie schon etwas für die langen Abende in der kalten Jahreszeit, etwas sowohl Unterhaltsames als auch Schulendes zum Thema Schach? Wie wäre es mit "modern chess: move by move" aus der Feder von Colin Crouch, erschienen bei Everymanchess? Die langen Abende kommen bestimmt!

Crouch hat sich die Aufgabe gestellt, anhand von 33 sehr intensiv und souverän kommentierten Meisterpartien alles zu behandeln, was das Schachspiel an großen Herausforderungen beherbergt. Von der Eröffnungswahl und -vorbereitung, Turniertaktik, Angriff und Verteidigung usw. bis hin zur Rolle des Computers in der heutigen Welt des Schachs nimmt er die Themen auf, die den aufstrebenden wie auch den gestandenen Spieler etwas angehen. "modern chess: move by move" ist nicht eine Partiensammlung üblicher Prägung, das Buch soll, wie schon der Titel verspricht, Zug um Zug einen Mehrwert für den Spieler bringen.

Auffällig ist der Ansatz, tatsächlich schon beim Zug Nr. 1 mit Erläuterungen, Hintergrundinformationen etc. anzufangen. Welche Aspekte muss der Spieler bereits beachten, wenn er beispielsweise zu 1.e4 greift, welche Folgen können eintreten usw.? Dort, wo der Spieler mit der Begründung "ist doch alles Theorie!" normalerweise locker über die Partie hinweg geht, setzt Crouch bereits an. Dies macht das Werk auch zu einem Angebot für den noch nicht allzu spielstarken Leser; es vermittelt ihm die Schachpartie und damit auch die thematischen Belange unter einem ganzheitlichen Ansatz.

Ich tue mich normalerweise schwer, ein Buch einem Spielerkreis zuzuordnen, der sich an einer Wertungszahl orientiert. Hier aber ist es leichter, einen Adressatenkreis zu definieren. "modern chess: move by move" sehe ich für alle Leistungsgrade unter den Spielern als geeignet an. Jenseits der Fernschach-Wertungszahl (FWZ) von ca. 2000 bis 2100 dürfte sich der Wert für den Spieler in der Regel nach dem Ende der Eröffnungsphase entfalten, unterhalb dieses Levels von Anfang an. Allerdings gibt es für den noch aufstrebenden Spieler ab dem Mittelspiel regelmäßig "richtig schwere Kost". In intensivem Studium aber wird er sie mit der Hilfe von Crouch gut für sich nutzen können, er wird ganz sicher sehr davon profitieren.

Mehr als 400 lehrreiche und unterhaltsame Seiten "Dokumentarfilm" sind der geeignete Stoff, um auch über den längsten Winter zu kommen! Vier Tage Zeit, um sich jeweils mit einer Partie intensiv zu beschäftigen, um (nach-) spielend und bestens unterhalten zu lernen.

"modern chess: move by move" endet mit einem Eröffnungs- und einem Partienverzeichnis. Es ist in Englisch geschrieben und stellt durchaus gewisse sprachliche Anforderungen, die aber mit einem Wörterbuch zur Hand vom Leser mit schul-fremdsprachlichen Kenntnissen gemeistert werden können.

Nur eine kleine Sache muss ich negativ anmerken: Der Karton für den Einband hätte etwas stärker sein dürfen.

"modern chess: move by move" ist ein gut gelungenes, unterhaltsames und als ganzheitlich angelegtes Mittel zum Selbststudium konzipiertes Werk, es ist eine Empfehlung.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Invisible Chess Moves

Emmanuel Neiman, Yochanan Afek
Invisible Chess Moves
240 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-368-7
19,95 Euro.




Invisible Chess Moves
Wer kennt sie nicht, diese im Nachhinein nur schwer erklärlichen Fälle von Schachblindheit? Es gibt Züge, die auf der Hand liegen, und doch von den Kontrahenten übersehen werden, und dies auf allen Ebenen der Spielstärke. In "Invisible Chess Moves", übersetzt "Unsichtbare Schachzüge", gehen die Autoren Emmanuel Neiman und Yochanan Afek diesem Phänomen nach. Dabei begnügen sie sich nicht etwa mit Beispielen, sie versuchen das Problem auch bis hin zu den Ursachen zu ergründen, um daraus die Lehren für eine Steigerung der Spielstärke zu ziehen. Auch wenn es ihnen letztendlich nicht gelingt, mit quasi wissenschaftlicher Präzision das Phänomen bis in dessen Details aufzuklären, so leisten sie aber auf jeden Fall einen bemerkenswerten Beitrag, der den Horizont des Lesers erweitern und seine Spielstärke heben wird.

"Invisible Chess Moves" ist jüngst bei New In Chess in Übersetzung des französischen Mutterwerkes "Les coups invisibles aux échecs" erschienen, das aus dem Jahre 2009 stammt. Die Originalausgabe ist sehr positiv von der Öffentlichkeit aufgenommen worden, den gleichen Erfolg prognostiziere ich auch der englischsprachigen Ausgabe.

In der weiteren Folge dieser Rezension werde ich, anders als das besprochene Werk selbst, nicht mehr von unsichtbaren, sondern von "schwer zu sehenden/findenden" Zügen sprechen, weil dies eher unserem Sprachgebrauch entspricht und sich besser an anderen Aussagen in der Schachliteratur anlehnt.

Die Autoren unterscheiden in "objektiv" und in "subjektiv" schwer zu findende Züge. Dem entsprechend haben sie das Buch in zwei Teile gegliedert, die ihrerseits jeweils zwei Kapitel mit etlichen Abschnitten enthalten.
Ich verzichte darauf, das vollständige Inhaltsverzeichnis hier abzubilden, weil ich sonst zu einigen Positionen aus Gründen der Verständlichkeit Erklärungen anfügen müsste. Wer dennoch vorab einen Blick hinein werfen möchte, wird im Onlinehandel, beispielsweise beim Geber des Rezensionsexemplars, fündig. Um Ihnen aber eine gute Einschätzung zu ermöglichen, welcher Natur die "schwer zu findenden Züge" sind, gebe ich Ihnen Beispiele.
Es sind schwer zu finden …
a. Objektiv allgemein: stille Züge, Zwischenzüge etc.
b. Objektiv und aus geometrischen Gründen: horizontale Züge/Seitenwechsel, rückwärts gerichtete Züge
c. Subjektiv und aus positionellen Gründen: unerwartete Abtäusche, in eine ungewöhnliche Position einer Figur führende Züge etc.
d. Subjektiv und aus psychologischen Gründen: Verteidigungszüge nach vorn, Angriffszüge nach hinten etc.

Anhand von Beispielen wird das jeweilige Thema veranschaulicht und untersucht. Übungen im Verlauf der Kapitel und ein umfangreicher Test am Ende des Werkes geben dem Leser die Möglichkeit, sich selbst geordnet an schwer zu findenden Zügen zu versuchen und so gezielt die kennen gelernten Merkmale in die eigenen Gedanken zu übernehmen. Intensiv ausgeführt dürften diese Übungen ganz klar einen Lernerfolg bringen, denn das, was man ein Mal oder besser sogar öfter auch selbst macht, "bleibt hängen".
Ich habe ein Beispiel im Buch gefunden, das mir besonders gut gefällt. Um Ihnen jede Hilfestellung zu verwehren, lasse ich es offen, warum der gesuchte Zug schwer zu finden ist.
Die folgende Diagrammstellung entstammt einer praktischen Partie.


Diagrammstellung

Zur Aufgabenstellung schreiben die Autoren (in Übersetzung): "Weiß verlor diese Partie. Es hätte gereicht, einen einzigen Zug zu finden, um zu gewinnen. Sehen Sie, welchen?"
Und wie ist es mit Ihnen? Erkennen Sie den Weg zum superschnellen Gewinn für Weiß? Und falls ja, hätten Sie diesen Zug wohl auch auf sich allein gestellt in einer Nahschachpartie gefunden?

"Invisible Chess Moves" ist ein Buch, das eine gewisse Alleinstellung genießt. Es ist eine Kaufempfehlung, und dies für jeden, ohne einer Zuordnung zu einem bestimmten Leistungsniveau der Spieler.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

New In Chess Yearbook 99

Editor: Genna Sosonko
New In Chess Yearbook 99
246 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-356-4
26,95 Euro.




New In Chess Yearbook 99
Das NIC-Jahrbuch 99 (New In Chess Yearbook 99) wartet im Vergleich mit seinen Vorgängern mit einer Neuerung auf, die auf den Wegfall von "Sosonko´s Corner" nach dessen Aufgabe der hier geleisteten Arbeit folgt. In "Benjamin´s Openings Takes" kommt Joel Benjamin ab dieser Ausgabe zu Wort. Was genau den Leser in dieser Rubrik erwartet, wird sich natürlich erst noch zeigen müssen. Diesmal stellt Benjamin die theoretische Neuerung vor, die sein Allzeit-Favorit ist. Es ist der Zug 10…d5!! Nach 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6 8.c3 0-0 9.h3 Sa5 10.Lc2 …, gefunden vom polnischen GM Grzegorz Gajewski im Jahre 2007. Die Beurteilung einer Neuerung als besonders macht Benjamin besonders auch an der Frage fest, warum niemand zuvor auf die Idee gekommen ist, eine besagte Neuerung zu spielen. Im vorliegenden Fall haben kleine Heerscharen die Stellung nach 10.Lc2 erreicht, aber an 10…d5!! sind alle vorbei marschiert. Anhand mehrerer untersuchter Partien befasst sich Benjamin, der als GM, anerkannter Theoretiker und Autor den Lesern des Jahrbuchs sicher nicht mehr vorgestellt werden muss, weiter mit der Bedeutung der Neuerung Gajewskis, bevor er seinen Beitrag mit zwei weiteren Beispielen zum angenommenen Damengambit bzw. zur Sizilianischen Verteidigung abschließt.

Von den insgesamt 34 Beiträgen verschiedener Autoren zu Eröffnungsfragen, Surveys genannt, ist mir besonders ein Werk von Pavel Skatchkov und Dmitry Frolyanov ins Auge gesprungen. Halb stellen sie zu einer Linie der Steinitz-Variante in der Französischen Verteidigung die Frage "Chess by Correspondence - Ahead of the Time!?", im Kern also danach, ob Fernschach der Zeit voraus ist, halb stellen sie gerade diesen Vorsprung des Fernschachs fest. Sie behandeln dabei die Variante mit 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.e5 Sfd7 5.f4 c5 6.Sf3 Sc6 7.Le3 Db6 8.Sa4 Da5 9.c3 cxd4 10.b4 Sxb4 11.cxb4 Lxb4 12.Ld2 Lxd2 13.Sxd2 0-0, die in 2010 vermehrt Eingang in das Turniergeschehen im Nahschach fand, im Fernschach aber bereits in den Jahren 2006-2008 populär wurde.

Für Fernschachspieler selbst steht es außer Zweifel, dass die Bedeutung ihrer Variante des Schachspiels erheblich ist und vom Nahschach regelmäßig unterschätzt wird. Dieser Beitrag im NIC-Jahrbuch 99 bestätigt und unterstreicht die hohe theoretische Bedeutung des Fernschachs.

In anderen Surveys sind ebenfalls etliche Beispiele aus dem Fernschach zu finden. Beispielhaft für alle ist eine Partie des deutschen Fernschach-Weltmeisters Ulrich Stephan zu nennen, die auf Seite 162 in einem Beitrag zur Slawischen Verteidigung referenziert wird.

Die Liste aller im Band zu findenden Surveys sieht in Kurzform wie folgt aus:

Sizilianisch: Najdorf 7…Sc6
Sizilianisch: Najdorf 6.Le3
Sizilianisch: Najdorf 7.g4
Sizilianisch: Scheveningen 7./8.a4
Sizilianisch: Geschlossen 3.f4
Sizilianisch: Grand-Prix-Angriff 2./3.f4
Französisch: Steinitz 5.f4
Französisch: Guimard 3…Sc6
Caro-Kann: Vorstoß 4.Sc3
Caro-Kann: Klassisch 4…Sd7
Skandinavisch: 3.Sf3
Skandinavisch: Hauptvariante 3…Dd6
Aljechin: Vier-Bauern-Angriff 6…Sc6
Russisch: Nimzowitsch 5.Sc3
Spanisch: Berliner Verteidigung 4.d3
Spanisch: Tschigorin 11…Sd7
Schottisch: Mieses-Variante 8…La6
Abgelehntes Damengambit: Abtauschvariante 6…Lf5
Slawisch: Krause-Variante 11…g5
Slawisch: 5.g3
Slawisch: Botwinnik-Variante 19.Lf4
Slawisch: Chebanenko-Variante 5.Dc2
Katalanisch: Offene Variante 6…dxc4
Nimzoindisch: Klassisch 4…0-0
Nimzoindisch: Ragosin-Variante 5.Da4
Bogoindisch: 4.Sbd2
Damenindisch: Nimzowitsch-Variante 5.Da4
Grünfeldindisch: Russische Variante 7…a6
Königsindisch: Klassische Hauptvariante 9.a4
Königsindisch: Frühe Abweichungen 6.h3
Benoni: Benkö-Wolga-Gambit 5.f3
Damenbauerneröffnung: Richter-Veresov-Angriff 3…Sbd7
Holländisch: Stonewall 4…d5
Englisch: Symmetrievariante 4.g3

Weitere Inhalte des vorliegenden Bandes sind die Standardelemente jeder Ausgabe, eingangs das "Forum" zur Diskussion von Neuerungen der Schachtheorie allgemein oder Beiträgen aus früheren Jahrbüchern. Vier Rezensionen zu aktuellen Werken der Eröffnungsliteratur schließen den Band ab.

Wie jeder Band ist auch die Ausgabe 99 des NIC-Jahrbuches das geborene Hilfsmittel, um eröffnungstheoretisch auf Stand zu kommen oder zu bleiben.
Wir dürfen gespannt sein, was der Jubiläumsband Nr. 100 bringen wird!


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Attacking Chess, The King´s Indian Volume 2

David Vigorito
Attacking Chess, The King´s Indian Volume 2
368 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-664-7
19,95 Euro.




Attacking Chess, The King´s Indian Volume 2
Aus der Serie "Attacking Chess" hat das britische Verlagshaus Everyman Chess jüngst das neueste Werk des US-amerikanischen IM David Vigorito auf den Markt gebracht, "The King´s Indian Volume 2". Während Vigorito in Band 1 ein Repertoire für Schwarz in der Königsindischen Verteidigung vorgestellt hat, das auf der klassischen Variante und dem Sämisch-System basierte, widmet er sich im vorliegenden Band nunmehr besonders dem Fianchetto-System, dem Vierbauernangriff und dem Awerbach-System. Weiterhin deckt das Werk einige selten gespielte Varianten ab, ohne aber "in jedem Ort die Dorfkneipe aufzusuchen" (hierzu später mehr).

Vigorito besticht durch seine gründlichen Darstellungen der strategischen Kerngedanken, der Ideen und Pläne, die der Spieler wissen muss, wenn er sich ein System wirklich zu Eigen machen will. Er scheut sich nicht, ganz konkret und damit "festnagelbar" zu sagen, warum er eine Fortsetzung für gut hält oder eben nicht. Wenn er meint, dass eine Seite besser steht, weil der Bauer auf xy eine wichtige Rolle spielt, mehrfach gedeckt ist und den Einfluss auf das Feld yz sichert, dann schreibt er es auch ganz genau so. So findet der Leser nur selten unbegründete Aussagen zur Stellungsbeurteilung, die er als vielleicht noch etwas schwächerer Spieler nicht nachvollziehen kann und bei ihm Zweifel und Unverständnis auslösen.

Es fällt weiter auf, dass Vigorito intensiv auch auf das Pferd Fernschach gesetzt hat. Viele Fragmente stammen aus Fernpartien. Vielleicht ist auch dies einer der Schlüssel für die schon erwähnte Gründlichkeit, denn gerade in Fernpartien geht es nicht ohne; besonders im Spitzenfernschach werde alle Züge mit allen Hilfsmitteln, nicht zuletzt auch Engines, auf Herz und Nieren geprüft, bevor sie ausgeführt werden. So findet sich auf Seite 197 ein Beispiel des Seriensiegers im Fernschach-Weltpokal, Reinhard Moll, auf Seite 299 ein Partieende des BdF-Geschäftsführers und Verdienten Internationalen Meisters (SIM) Hans-Jürgen Isigkeit. Und auf den Seiten 221 bis 223 kommt gleich mehrfach der künftige Fernschach-GM Herbert Bellmann zu Wort, bei dessen Analysen Vigorito Anleihe nimmt.
Zu einem großen Teil vermitteln die Fernschach-Quellen schon auch deshalb Verlässlichkeit, weil die Beispiele von bekannten Spielern stammen und in hochrangigen Turnieren gespielt worden sind. Für die Fernschachpartien werden als Quelle jeweils leider nur "correspondence" und die Jahresbezeichnung angegeben. So war mir die Ermittlung der Quellturniere nur in Stichproben möglich.

Vigorito hat mit "The King´s Indian Volume 2" auch eine bemerkenswerte Fleißarbeit abgeliefert. Dies wird nicht nur aus der Bibliografie deutlich, sondern auch aus der Breite der genannten, tatsächlich im Werk verwendeten Referenzen. Seine Empfehlungen basieren offenkundig auch auf einem breiten Spektrum dessen, was er an Material gesichtet und intensiv bewertet hat.

"The King´s Indian Volume 2" hat fünf Teile mit folgenden Inhalten:

Teil 1: Fianchetto-System
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sf3 Lg7 4.g3 0-0 5.Lg2 d6 6.0-0 Sc6

1. Jugoslawische Variante: 7.Sc3 a6 8.d5 Sa5
2. Panno-Variante: 7.Sc3 a6 8.h3 Tb8 9.e4
3. Panno-Variante: 7.Sc3 a6 8.h3 und anders
4. Panno-Variante: 7.Sc3 a6 8.h3
5. Panno-Variante: Andere 8. weiße Züge

Teil 2: Der Vierbauernangriff
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.f4 0-0 6.Sf3 c5

6. Vierbauernangriff, Hauptlinie: 6…c5 7.d5 e6 8.Le2 exd5 9.cxd5
7. Vierbauernangriff: Andere Linien

Teil 3: Die Awerbach-Variante 5.Le2 0-0 6.Lg5

8.Awerbach-Variante: 6…c5 7.d5 h6
9. Awerbach-Variante: Andere Linien

Teil 4: Linien mit h3

10. Makagonov-Variante: 5.Sf3 0-0 6.h3
11. Andere Linien mit h3: 5.h3 0-0 6.Le3 und 6.Lg5

Teil 5: Andere Linien

12. Seirawan-Variante: 5.Ld3
13. Ungarische Variante: 5.Sge2
14. Smyslov-Variante: 4.Sf3 Lg7 5.Lg5
15. Sonstiges

Wie jedes Repertoirebuch konzentriert sich auch "The King´s Indian Volume 2" auf die Linien, die dem Autor als relevant erscheinen. Dies führt zwangsläufig dazu, dass bestimmte andere Bereiche unabgedeckt bleiben. Vigorito macht selbst darauf aufmerksam, dass er die "Anti-Königsinder" nicht behandelt. Wer hierzu Stoff sucht, wird in "The King´s Indian Volume 2" nicht fündig. Der Autor empfiehlt dem Leser für diesen Fall das Ausweichen auf "Fighting the Anti-King´s Indians" von Yelena Dembo, was ich aufgrund eigener Erkenntnis unterstreichen kann. Wer also als Schwarzer für alle Fälle weißer Entgegnungen gerüstet sein will und deshalb auch die "Anti-Königsinder" braucht, sollte eine entsprechende Ergänzung zu "The King´s Indian Volume 2" ins Auge fassen.
Wenn wir schon bei sinnvollen Ergänzungen zum Werk sind, könnte der Leser zusätzlich auch insbesondere von Victor Bologan, The King´s Indian, A Complete Black Repertoire (Chess Start 2009), Krysztof Panczyk & Jacek Ilczuk, the classical King´s Indian uncovered (Everyman Chess 2009) und Jerzy Konikowski und Marek Soszynski, The Fearsome Four Pawns Attack (Russell Enterprises) profitieren.

Ich möchte die Rezension nicht beenden, ohne auch noch etwas zur Einführung gesagt zu haben. Gerade diese nämlich ist so, wie ich sie mir für ein Repertoirebuch vorstelle. Schon hier findet der Leser generalisierende Aussagen zu den im Werk behandelten Systemen. Diese Hintergrundinformationen sind nicht allein "nice to have", sie helfen dem noch nicht mit dem Königsinder verwachsenen Spieler bei der Grobauswahl der anzusteuernden Systeme. Zugleich gibt der Autor etwas zu den Gründen für seine Schwerpunktsetzungen preis.

"The King´s Indian Volume 2" ist in Englisch geschrieben, aber auch für den Fremdsprachler ohne große Probleme gut zu nutzen. Es endet mit einem Variantenverzeichnis, das auch Diagramme zur einfachen Orientierung als Service für den Leser bereit hält.

Fazit: "The King´s Indian Volume 2" ist ein sehr gutes Werk, dessen Kauf ich nur empfehlen kann.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Complete Hedgehog Volume 2

Sergey Shipov
The Complete Hedgehog Volume 2
584 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-936277223
24,95 Euro.




The Complete Hedgehog Volume 2
Das Igelsystem, "der Igel", ist nicht etwa eine Eröffnung, die durch eine eindeutige und spezifische Zugfolge auf das Brett kommt, sondern ein universelles System für Schwarz, um mit einem bestimmten eigenen Aufbau auf unterschiedliche weiße Eröffnungswege zu reagieren. Mit "The Complete Hedgehog, Volume 2"setzt der russische GM Sergey Shipov seine mit Band 1 aufgenommene Arbeit nahtlos fort. Während er sich im ersten Band dem "englischen Igel" (Aufbau des Weißen mit Lg2) widmete, geht es ihm diesmal um den Igel nach 1.e4 und 1.d4. Schon Band 1, bei Mongoose Press erschienen, so wie natürlich auch das jetzt zu besprechende Werk, war als sehr überzeugend zu bewerten. Band 2 ist nicht minder ein echtes Glanzlicht, Shipovs Arbeit kann nur als exzellent bezeichnet werden.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, ein Buch über eine Eröffnung zu schreiben. Beispielsweise kann man versuchen, ein möglichst breites Bild der Varianten zu zeichnen, die Analysen dabei sehr ins Detail zu führen. Shipov aber geht einen Weg, den ich für ein System wie den Igel für den besseren halte. Er definiert Szenarien, in die sich das Spiel bewegen kann, um daran dann seine theoretischen Betrachtungen festzumachen. Auf diese Weise sind drei große Teile im Buch entstanden, die ihrerseits - weiter nach dem Prinzip der Szenarien - tiefere Untergliederungen finden. So lassen sich die Buchinhalte in folgende Situationen untergliedern (in Übersetzung):

Teil 1
Der Igel mit einem Bauern auf f3

Abschnitt 1: Die zentralen Ideen für Schwarz
Kapitel 1.1: Die Hauptideen dieser Struktur. Der (frei übersetzt) grundlegende Aufbau für Schwarz. Zentrumsöffnung mit dem Vorstoß …d6-d5.
Kapitel 1.2: Das Sämisch-Manöver: Überführung des Läufers nach c7.
Kapitel 1.3: Fischers Plan: Angriff über den Bauern g7.
Kapitel 1.4: Ljubojevics Plan: Ablenkung bzw. Umleitung über den Bauern h7.

Abschnitt 2
Aktive Pläne für Weiß
Kapitel 2.1: Ein früher Angriff über den Bauern a2 - eine Abwandlung des klassischen Plans.
Kapitel 2.2: Druck auf den Bauern d6 über den Abtausch auf e5.
Kapitel 2.3: Weißer Bauernsturm am Königsflügel.
Kapitel 2.4: Weiß rochiert zum Damenflügel. Angriff auf dem Königsflügel.

Teil 2
Der Igel mit einem Bauern auf der Diagonale b1-h7

Kapitel 1: Quellen/Grundlagen und grundsätzliche Ideen. Der Läufer auf b2.
Kapitel 2: Die Wanderungen des Läufers c1. Variationen in den weißen Strukturen.

Teil 3
Der damenindische Igel. Gegensätzliche Rochaden.

Was die Erklärungen, Erläuterungen, Anleitungen und das Mitnehmen des Lesers betrifft, zählt "The Complete Hedgehog, Volume 2" zum Besten, was ich je als Theoriewerk dieses Fachs in der Hand gehalten habe. So behaupte ich einfach, dass der verständige Leser, der dieses Werk konzentriert durcharbeitet, bis in die entlegendsten Winkel seines Gehirns fit ist, um dieses System perfekt zu beherrschen. Strategisch wie taktisch ist "The Complete Hedgehog, Volume 2" ein mustergültiges Werk.

Nicht glücklich damit würde aber wohl der Spieler, der ein Theoriewerk erwartet, in dem er über feste Varianten, ein entsprechendes Verzeichnis etc. "den besten Zug in einer gegebenen Stellung" vorzufinden erwartet. Dies kann dieses Buch nicht leisten; es ist ein Buch zum Verstehen, weniger ein "Variantenlexikon".
Für den Fernschachspieler ergeben sich hieraus besondere Möglichkeiten während seiner praktischen Partie, wozu er neben "The Complete Hedgehog, Volume 2" auch eine gut sortierte Datenbank braucht. Über die Frage, welches Stellungsszenario (siehe oben) vorliegt oder er erreichen möchte, geht er über die Auswertung der Datenbank ins Buch, um sich das Knowhow für dessen Behandlung zu verschaffen. Auch der umgekehrte Weg ist möglich, indem die Ergebnisstatistik und die Referenzpartien zunächst ermittelt werden, um dann ein gewünschtes Szenario anzusteuern oder eben das angezeigte Vorgehen im gegebenen Szenario zu erfahren.

Wer das Igelsystem gegen 1.e4 oder 1.d4 als Schwarzer einsetzen möchte, kommt an diesem Werk nicht vorbei. Das Gleiche gilt für den Anziehenden, der den schwarzen Igel aus seiner eingerollten Haltung zwingen und ihm die Stachel stutzen will. Fast 600 Seiten vorbildlich aufbereitete und dazu sogar unterhaltsam präsentierte Theorie sind der Gegenwert, den der Käufer erhält.
Unterhaltsam ist "The Complete Hedgehog, Volume 2" nicht zuletzt wegen seines lockeren Schreibstils, der gelegentlich eingestreuten Geschichtchen, des Dialogs des Autors mit seinem unbekannten Leser und mehr.

Das in Englisch verfasste Werk stellt nach meiner Einschätzung etwas höhere Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers, als dies von den meisten Büchern gewohnt ist. Ein "Dictionary" aber dürfte über die größten Klippen hinweg helfen.

"The Complete Hedgehog, Volume 2" ist ein ausgezeichnetes Werk!


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Wojo´s Weapons Volume 2

Jonathan Hilton, Dean Ippolito
Wojo´s Weapons Volume 2
320 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-9362772-3-0
24,95 Euro.




Wojo´s Weapons Volume 2
Ein Königreich für ein solides, Erfolg versprechendes Eröffnungsrepertoire! Und dieses sollte möglichst erprobt und mit wenig Aufwand zu erlangen sein!
Es gibt mehrere alternative Wege zum Ziel eines qualifizierten Repertoires, einen davon bedient "Wojo´s Weapons Volume 2", geschrieben vom Autorenduo Jonathan Hilton und Dean Ippolito, 2011 erschienen bei Mongoose Press. Die beiden Verfasser, Ippolito ist IM und Hilton ist NM der USA, stellen ein Repertoire zusammen, das sie aus den Partien von GM Aleksander Woitkiewicz ("Wojo") isolieren. Dieser hat mit hohen Erfolgsraten, vor allem hohen Siegquoten seine Favoriten auf Club- und Meisterebene gespielt.

Der vorliegende Band 2 widmet sich Woitkiewiczs Repertoire gegen die Königsindische Verteidigung. Er läuft ausschließlich über die Zugfolge 1.Sf3 Sf6 2.c4 g6 3.g3 Lg7 4.Lg2 0-0 5.d4 d6 6.0-0.
Das Werk ist in drei Teile gegliedert, die insgesamt 14 Kapitel beherbergen. Die Teile unterscheiden sich nach dem jeweils behandelten System, die Kapitel nach Szenarien im Spiel. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis veranschaulicht diese Beschreibung. Es sieht wie folgt aus (in Übersetzung):

Teil 1: Das klassische königsindische Fianchetto mit …Sbd7
Kapitel 1: Die Züricher Verteidigung (1953) - Schwarz spielt …Sbd7, …e7-e5xd4, und …a7-a5
Kapitel 2: Der weiße Vorstoß d4-d5
Kapitel 3: Die Gallagher-Variante
Kapitel 4: Der schwarze Angriff mit …b7-b5
Kapitel 5: Alles zusammengepackt

Teil 2: Das moderne königsindische Fianchetto: Schwarz entwickelt sich mit …Sb8-c6
Kapitel 6: Dem schwarzen …e7-e5 mit dem frühen c4-c5 begegnen
Kapitel 7: Dem schwarzen …e7-e5 mit 9.e4 begegnen
Kapitel 8: Die Panno-Variante mit 8.b3
Kapitel 9: Die Simagin- und Spassky-Varianten

Teil 3: Andere Systeme von Schwarz
Kapitel 10: Anti-Jugoslawisch mit 6…c5 7.dxc5 dxc5 8.Se5!?
Kapitel 11: Die Damenentwicklung des Schwarzen mit 6…c6 und 7…Da5 (Kavalek-System)
Kapitel 12. Schwarz kontrolliert e4 mit 6…c6 und 7…Lf5 (Larsen-System)
Kapitel 13: Andere schwarze Versuche mit …c7-c6: 7…a6 und 7…Db6
Kapitel 14: Verschiedene/seltene Versuche seitens Schwarz.

In 78 breit kommentierten Partien bestätigen die Autoren die Aussage des Rückentextes, wonach sie jeweils die Schlüsselideen erläutern und zeigen, wie das schwarze Gegenspiel eingeschränkt und Weiß einen Eröffnungsvorteil davontragen kann. Die Kommentierung ist sehr textlich geprägt, was ich als positive Aussage verstanden sehen möchte. Ansammlungen von Bandwurmanalysen sucht der Leser vergeblich, die Autoren haben sich auf die wirklich wichtigen Wege konzentriert.

Fast im "Sportschau-Stil" der Zusammenfassung von Fußballspielen offerieren Ippolito und Hilton nach jeder Partie einen Blick zurück und stellen dabei die aus ihrer Sicht wesentlichen Aspekte noch einmal heraus.
Ähnlich gehen sie zum Ende eines Kapitels vor, diesmal aber natürlich bezogen auf die insgesamt darin behandelten Knackpunkte.
Gut gefällt mir eine Auflistung hilfreicher Hinweise am Ende des 1. Teils. Eine solche komprimierte Zusammenstellung hätte auch die beiden anderen Teile weiter aufgewertet, zumindest auch Teil 2.

Ein gut aufgefächertes Variantenverzeichnis und ein Spielerverzeichnis schließen das Werk ab.

Die Buchsprache ist Englisch, Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau dürften aber ausreichen, um "Wojo´s Weapons Volume 2" gut nutzen zu können.

"Wojo´s Weapons Volume 2" ist ein "Globalisierungserzeugnis"! Zwei Amerikaner haben es geschrieben, ein amerikanischer Verlag hat es auf den Markt gebracht, das Layout ist in Bulgarien entstanden, die Druckerei steht in China, deutsche (Fern-) Schachspieler werden ihren Nutzen daraus ziehen können …

Mit seinem auf einen kleinen Ausschnitt des Eröffnungsspektrums konzentrierten Inhalt ist "Wojo´s Weapons Volume 2" ein kleiner Teich mit vielen gesunden Goldfischen! Es ist ein sehr gut gelungenes Buch!


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Chess Lessons

Vladimir Popov
Chess Lessons
256 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-906552-82-4
27,99 Euro.




Chess Lessons
Einem konzeptionell interessanten Ansatz folgt der geachtete russische Trainer Vladimir Popov in seinem Werk "Chess Lessons", erschienen 2011 bei Quality Chess. Um die eigene Spielstärke zu verbessern, gilt es, die Zahl der Fehler zu verringern. Indem man sich mit den Fehlern anderer Spieler wie auch den einem selbst unterlaufenen beschäftigt, wirkt man darauf hin, sie so späterhin zu vermeiden.

Popov hat in hohem Maße dazu beigetragen, dass die von ihm von frühen Kindesbeinen an betreuten Schwestern Nadezhda und Tatiana Kosintseva zur Riege der weltbesten Spielerinnen aufsteigen konnten. Viele der von ihm aufgegriffenen Fehler aus der Praxis stammen von den beiden genannten Spielerinnen auf ihrem Weg nach oben. Inakkurate Züge werden eher selten von Großmeistern gemacht, so ist es eine "zähe" Angelegenheit, in ihren Partien verwendbare Beispiele zu finden. Und dem Fehler ist es egal, ob er aus einer Großmeister- oder eine Nachwuchspartie stammt - er ist jeweils gleichermaßen gut als Lehr- und Lerngegenstand geeignet.
In 21 Kapiteln behandelt Popov die Themen. Sie sind wie folgt aufgebaut: Zunächst wird das Thema vorgestellt und anhand von Partiefragmenten auf der Basis eines Ausgangsdiagramms erörtert. Hierüber werden Regeln formuliert, Schlüsse gezogen und sonstige Hinweise für das praktische Spiel gegeben. Verglichen mit dem Betrieb in einer allgemeinbildenden Schule findet in diesem Teil der Kapitel der Unterricht statt. Ihm folgt ein Teil mit dem Leser gestellten Aufgaben gerade zu dem behandelten Thema, quasi als Klassenarbeit. Die Lösungen werden gleich im Anschluss gegeben, wie die Ausgabe einer benoteten Arbeit.

Die einzelnen Kapitel tragen folgende aussagekräftige Überschriften, hier in der Buchsprache Englisch belassen:

Kapitel 1: Errors Due to Lack of Knowledge
Kapitel 2: Evaluating the Position
Kapitel 3: Planning
Kapitel 4: Piece Play
Kapitel 5: Pawn Play
Kapitel 6: Co-ordination of Pieces and Pawns
Kapitel 7: Arranging and Altering the Pawn Structure
Kapitel 8: Exchanging
Kapitel 9: Transition to the Endgame
Kapitel 10: Asymmetrical Exchanges
Kapitel 11: Prophylaxis
Kapitel 12: Monitoring Counter-Threats
Kapitel 13: Too Much Calculation
Kapitel 14: Calculation Neglected or Cut Short
Kapitel 15: Spotting Aggressive Sorties
Kapitel 16: Detecting Ideas
Kapitel 17: Blow and Counter-Blow
Kapitel 18: Obvious Moves and Reflex Answers
Kapitel 19: Deep Calculation
Kapitel 20: Enterprise
Kapitel 21: Hard Work Pays Off!

Es ist schwer einzuschätzen, für wen dieses ganz sicher sehr gute Buch besonders eine Hilfe ist. Auf jeden Fall zählen die noch aufstrebenden Spieler dazu, wobei ich keine FWZ-, DWZ oder ELO-Grenze angeben möchte. Als Trainingsbuch geeignet ist es aber ganz klar auch für "den Spieler weiter oben".
Trainingsmaterial in großer Fülle enthält das Werk natürlich auch für den Schachtrainer, eine Struktur der Handreichung wird gleich mitgeliefert.

Ein kleines Schmankerl am Rande: Ganz zu Anfang jedes Kapitels findet der Leser eine Diagrammstellung aus klassischen Partien der Meisterpraxis. Diese enthält immer einen Fehler. Ganz am Ende des Werkes erhält der Leser auch die Lösungen für diese Beispiele. Dabeibleiben ist alles, wenn man auch diese kleinen Schachrätsel lösen und die Korrektheit der eigenen Analysen mit der angebotenen Lösung vergleichen möchte.

"Chess Lessons" ist ein empfehlenswertes Werk, besonders für die genannten Spieler- und Trainerkreise.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

the Scotch game

Yelena Dembo & Richard Palliser
the Scotch game
381 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-632-6
21,95 Euro.




the Scotch game
Das Autorenduo Yelena Dembo und Richard Palliser hat mit "the Scotch game" eine umfassende Darstellung der Hauptlinien in der Schottischen Partie geschaffen. Das Werk ist jüngst bei Everyman Chess erschienen und enthält auf 381 Seiten eine "geballte Ladung Schottisch". Behandelt wird die klassische Form der Schottischen Partie, die nach den einleitenden Zügen 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.d4 exd4 4.Sxd4 auf dem Brett entsteht. Das sogenannte Schottische Gambit nach 4.Lc4 ist nicht Gegenstand der Erörterungen.

Insgesamt 12 Kapitel enthalten den theoretischen Stoff. Aufgebaut ist "the Scotch game" als klassisches Theoriewerk mit einer Variantenstruktur als Gerüst. Die Erörterung folgt also nicht in der Praxis geführten Partien, sondern den von den Autoren als solche ermittelten und isolierten Hauptlinien. Vollständige Partien enthält das Werk nicht, auch nicht zur Illustration der Eröffnung im Praxiseinsatz. Da ohnehin schon fast 400 Seiten erreicht werden, hätten zusätzliche Partien auch kaum noch Platz gefunden. So kann der Käufer sicher sein, dass er mit "the Scotch game" 100 Prozent und damit Theorie pur und keine Wiederholungen über Praxisbeispiele erwirbt.

Dembo und Palliser haben die schon erwähnten Kapitel wie folgt herausgearbeitet und überschrieben (in Übersetzung):

1. Hauptlinie: 8…La6 ohne 9.b3
2. Hauptlinie: 8…La6 9.b3
3. Hauptlinie: 8…Sb6 ohne 9.Sc3
4. Hauptlinie: 8…Sb6 9.Sc3
5. Hauptlinie: Frühe Abweichungen
6. Variante mit 4…Lc5: 5.Sxc6 Df6 6.Dd2
7. Variante mit 4…Lc5: 5.Sxc6 Df6 6.Df3
8. Variante mit 4…Lc5: 5.Le3 ohne 5…Df6 6.c3 Sge7 7.Lc4
9. Variante mit 4…Lc5: 5.Le3 Df6 6.c3 Sge7 7.Lc4
10. Variante mit 4…Lc5: Frühe Alternativen
11. Das Schach auf b4
12. Sonstige Abweichungen

Bereits über das Inhaltsverzeichnis ist eine gute Orientierung im Buch möglich; die Hauptlinien sind so gut voneinander abgegrenzt, dass gesuchte Muster gezielt aufgesucht werden können. Ein noch differenzierteres Vorgehen erlaubt das 3,5-seitige Variantenverzeichnis am Ende des Werkes. Hier ist mir ein kleiner Fehler aufgefallen, den ich so in noch keinem Buch gesehen habe. Die Eingangszugfolge wird mit 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 angegeben statt mit 3…exd4. In der Sache ist dieser unscheinbare Fehler in der Form eines falsch angegebenen dritten Zuges ohne große Bedeutung, zumal 3…cxd4 überhaupt nicht möglich ist. Wenn aber an einer herausgehobenen Stelle ein solcher Fehler auffällt, stellt sich auch schon mal die Frage, ob dies als Zeichen einer vielleicht etwas oberflächlichen Bearbeitung zu sehen ist. Hierfür habe ich jedoch trotz meines sensibilisierten Auges keinen weiteren Anhaltspunkt gefunden. Das Werk ist mit Akkuratesse geschaffen worden.

Von den Hauptlinien ausgehend enthält das Buch alle wichtigen Zweige, soweit ich dies einschätzen kann. Mir ist jedenfalls kein Abspiel aufgefallen, dessen Fehlen als Manko angesehen werden müsste.

Die Bibliografie ist kurz, sie enthält jedoch die wichtigsten Bücher und elektronischen Quellen. Bei den Buchautoren fällt zwei Mal der Name Kasparow auf, was aber nicht verwundern kann, weil gerade auch er als neuzeitlicher Protagonist der altehrwürdigen Schottischen Partie gilt.
Fernschach-Datenbanken sind nicht referenziert. So ist es vielleicht gerade hiermit zu erklären, dass nur ganz wenige Partiefragmente aus der Fernschachpraxis eingeflossen sind. Ein paar Beispiele aber gibt es doch. Mehrere bekannte Spieler des Deutschen Fernschachbundes haben es in das Buch geschafft, so etwa H. Repp (S. 78) und R. Maur, S. Zielinski, H. Namyslo, M. Plomp und D. Gutsche (alle S. 318).

"the Scotch game" ist ein komplettes Werk, das ich ohne jeden Vorbehalt zum Kauf empfehlen kann. Mit einem Preis von 21,95 Euro für rd. 380 Seiten geprüfte Theorie ist es günstig zu haben, der Preis ist allemal angemessen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The French

Simon Williams
The French
320 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-646-3
19,95 Euro.




The French
"The French" ist der aussagekräftige Titel eines neuen Buches aus der Serie "Attacking Chess" des englischen Verlagshauses Everyman Chess, wenn es denn opportun ist, ein Repertoirewerk mit dem Namen eines Eröffnungssystems zu betiteln. Autor von "The French" ist GM Simon Williams. Er will dem Führer der schwarzen Steine ein Komplettrepertoire an die Hand geben, mit dem er ambitioniert auf das gegnerische 1.e4 mit der Französischen Verteidigung antworten kann. Die aggressive Ausrichtung seiner Repertoirevorschläge deutet er bereits in der Einführung an, indem er bezweifelt, dass der Name "Verteidigung" für diese Eröffnung innerlich berechtigt ist. Er erklärt, dass er die aggressivsten, aufregendsten und gesündesten Varianten aufgenommen hat, die er zudem auch selbst spielt.

Das Repertoire fußt auf den folgenden Eckpfeilern:
- Vorstoßvariante (1.e4 e6 2.d4 d5 3.e5): Kapitel 1
- Abtauschvariante (1.e4 e6 2.d4 d5 3.exd5): Kapitel 2
- Winawer-Variante (1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Lb4): Kapitel 3 - 6
- Tarrasch-Variante (1e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2): Kapitel 7 - 9
- Königsindischer Angriff (1.e4 e6 2.d3): Kapitel 10
- Seltene Abweichungen: Kapitel 11.

Was mir gut gefällt, ist der Ansatz von Williams, den Leser die Eröffnung/Varianten verstehen zu lassen. Auch dies kündigt er bereits in der Einführung an. Hierzu eine freie Übersetzung einer kurzen Passage auf Seite 6: "Ich denke oft daran, dass die wichtigste Sache beim Erlernen einer Eröffnung das Verstehen der Hauptkonzepte hinter den Zügen beider Seiten ist. Anders als in anderen Büchern tauchen wir nicht mit dem Kopf voraus in die Varianten ein. Stattdessen werden wir mit der Betrachtung verschiedener Schlüsselkonzepte mit dem Ziel beginnen, die verschiedenen Pläne und Ziele für beide Seiten zu verstehen."

Williams beginnt mit einer globalen Einführung zur Französischen Verteidigung, die für den Anfänger unerlässlich ist, für den fortgeschrittenen Spieler aber entbehrlich wäre, die auch ihm natürlich nicht schadet. Zunächst aus der Sicht seines "Zielpublikums in der 1. Reihe", also mit den Augen des Schwarzspielers, dann auch aus der Sicht von Weiß führt der Autor in die wesentlichen Aspekte, Prinzipien und Ideen ein. Mit der Vorstoßvariante beginnend geht er dann "in medias res". Auch in den einzelnen Kapiteln bleibt er seinem Prinzip "Hilfe zum Erlernen durch Verstehen" treu, manchmal auf die bereits skizzierte Weise, dann aber auch wieder "formlos".

Die Basis der Betrachtungen sind Beispiel gebende Partien aus der Praxis, die vornehmlich in den vergangenen 10 Jahren gespielt worden sind, mitunter aber auch etwas älter sein können. Zwei Partien hat das Fernschach beigesteuert. Die Zahl der vollständig abgebildeten Partien beläuft sich auf insgesamt 59.

Williams arbeitet so gut wie überhaupt nicht mit langen Variantenketten. Dies heißt nicht, dass er generell auf Seitenlinien verzichtet, diese gehen eben nur recht zurückhaltend in die Tiefe. Auch "hält der Zug nicht an jedem Bahnhof". Für den Fernschachspieler, der mit neuer Repertoireliteratur in die praktische Partie gehen möchte, ist dies ein wichtiger Hinweis. "The French" gibt den Plan, hält den roten Faden, lenkt die Strategie und gibt die wichtigsten Züge vor - das Gedächtnis für das, was schon mal mit mehr oder weniger Erfolg gespielt worden ist, ist das Werk nicht. Dies verstehe ich nicht etwa als Nachteil. "The French" ist der Schlüssel, um mit der eigenen gut sortierten Partiendatenbank mit Klasse in die eigene Partie bis in das Mittelspiel hinein zu kommen. Die Partiendatenbank gibt die Statistik, das Buch sowohl den Grund für statistische Verteilungen als auch die Hilfe, wie nach dem letzten bekannten guten Zug auf eigenen Beinen die Partie fortgesetzt werden kann.

Der Leser kann nicht erwarten, dass er im Repertoire immer die gewöhnlichsten Züge vorfindet. Entscheidungen für die Aufnahme von Linien, die vom "Mainstream" abweichen, begründet Williams gewöhnlich. Zudem passt dieses Vorgehen zu seinen einleitenden Worten, wonach er sich auf die aggressivsten, spannendsten und gesündesten Abspiele konzentriert hat. Der Französisch-Experte dürfte sicher Linien vermissen, die er selbst aufgenommen hätte, die Williams aber aufgrund seiner Ausrichtung hat fehlen lassen. Aber auch der Experte bekommt dann einmal eine etwas andere Kost von guter Qualität vorgesetzt.

Ein Variantenverzeichnis und ein Partienverzeichnis schließen das Werk ab. Wie der Titel bereits ausweist, ist es in Englisch geschrieben, es stellt aber keine besonderen Ansprüche an die Fremdsprachkenntnisse.

"The French" ist ein gelungenes Werk, dass ich den Leserinnen und Lesern zum Kauf empfehlen kann.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

slay the Spanish!

Timothy Taylor
slay the Spanish!
288 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-637-1
20,95 Euro.




slay the Spanish!
Die reichhaltige Literatur zur Spanischen Partie hat interessanten Zuwachs bekommen. In "slay the Spanish", was frei und nur gedämpft martialisch übersetzt so viel wie "Die Spanische Partie erschlagen" heißt, stellt IM Timothy Taylor ein Repertoire für Schwarz eben gegen die weiße Eröffnungswahl mit 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 vor. Es fußt auf der Modernen Steinitz-Verteidigung, also auf der Fortsetzung 3…a6 4.La4 d6. Nur über die Abtausch-Variante mit 4.Lxc6 kann Weiß diese Entwicklung verhindern. Auch für diesen Fall gibt Taylor dem Leser Repertoireempfehlungen an die Hand.

Wie immer bei einem Repertoirebuch kann der Leser nicht die Darstellung der kompletten Theorie erwarten. Die Auswahl der aufgenommenen Linien folgt den subjektiven Einschätzungen und Vorlieben des Autors. Hierauf macht Taylor auch aufmerksam und weist darauf hin, dass sonst schon einzelne Varianten ein komplettes Buch füllen würden.

Der ausführlichen Vorstellung des Buchthemas in der Einleitung folgen insgesamt 11 Kapitel. Mit Ausnahme des Kapitels 1, das mir persönlich auch hätte fehlen dürfen, enthalten sie allesamt die Repertoireempfehlungen Taylors. Das Kapitel 1 wirft ein Schlaglicht auf den Einsatz der Spanischen Partie in der Praxis der bisherigen Weltmeister anhand von 18 vollständigen und ausführlich kommentierten Partien. Nicht immer kam dabei die Moderne Steinitz-Verteidigung zum Einsatz.

Aus meiner Sicht besonders interessant sind die beiden Kapitel 4 und 5. Im 4. Kapitel behandelt Taylor die Siesta-Variante, die über 5.c3 f5 auf das Brett kommt und in Gambitgewässer übergehen kann. Nach Taylor ist das System völlig korrekt.
Riskanter ist das im 5. Kapitel vorgestellt Gambit, das Taylor in Ermangelung eines offiziellen Namens auf Yandemirov-Gambit getauft hat. Dieser russische GM hat es in 38 bekannt gewordenen Partien eingesetzt und dabei ein sehr gutes Ergebnis von +10/=17/-11 erzielt, natürlich mit Schwarz. Dieses Gambit gibt sich nicht mit einem Bauernopfer ab, es wirft eine Figur in den Ring, und zwar über 5.0-0 Lg4 6.h3 h5. Von nun an geht es rund auf dem Brett! Ob das Gambit im herkömmlichen Fernschach bestehen kann, sei dahingestellt, im Rapid-Fernschach aber und besonders natürlich im Nahschach muss der Gegner es erst mal widerlegen, am Brett bzw. am Brett und unter Zeitdruck. Das Zeitpolster im herkömmlichen Fernschach gibt Weiß gute Möglichkeiten, alle Hilfsmittel einzusetzen und sich so auch Rückendeckung gegen dieses Gambit zu verschaffen. So dürfte sich der zu erwartende Überraschungseffekt, wenn Schwarz diese Rasierklinge auf das Brett legt, nicht ganz so groß ausfallen.

Die weiteren Inhalte sind, in Anlehnung an das Inhaltsverzeichnis:

2. Solid Line I: The Knight Defence (Anmerkung: nach 5.0-0 Ld7 6.c3 Sge7 7.d4 Sg6)
3. Solid Line II: The Bishop Defence (Anmerkung: mit Fianchettierung des Lf8)
6. Delayed Exchange Variation (Anmerkung: 5.Lxc6+ bxc6)
7. The Duras Variation (Anmerkung: 5.c4)
8. White Plays an Early d2-d4
9. Four Fishes (Anmerkung: Sc3, d3, De2 oder h3 im 5. Zug)
10. Ruy Exchange, Main Line with 4…dxc6
11. Ruy Exchange, Larsen´s Variation 4…bxc6

Taylor betrachtet das Material auf der Basis von 85 Partien, die somit zugleich die innere Ordnung der einzelnen Kapitel bestimmen. Zentrale Abweichungen werden auf Folgepartien "durchgereicht", eben wenn sie dort spezifisch thematisiert werden. Eine zusätzliche qualifizierte Stütze bei der Orientierung im Werk ist das Variantenverzeichnis an dessen Ende. Dort übrigens ist auch ein Verzeichnis der vollständigen Partien zu finden, von denen leider keine im Fernschach gespielt worden ist. Zwei Fernschach-Partiendatenbanken zählen aber zu den verwendeten Quellen, sie sind auch in der Bibliografie vermerkt.

Taylor gibt sich große Mühe, die Pläne, Züge, Ideen zu erläutern. Hierin sehe ich eine besondere Stärke des Werkes. So wird der Leser nicht einfach damit abgespeist, dass man in einer beispielhaften Stellung den Zug sowieso spielt, weil er eben am besten ist, sondern auch, warum er besser ist als andere. Er erfährt dabei oft auch, warum dieser Zug im Partiegefüge angebracht ist, welche Konsequenzen er für den Fortgang hat bzw. wohin es führt, wenn man ihn nicht spielt.
"slay the Spanish!" ist deshalb in meinen Augen sehr gut geeignet, den Leser die angebotenen Eröffnungswege verstehen zu lassen.

Durch die Brille des Fernschachspielers ist das Werk im Verbund mit einer gut sortierten Partiendatenbank ein mächtiges Hilfsmittel. "slay the Spanish!" liefert die grundlegenden Linien und die Erläuterungen, die Partiendatenbank die Varianten und die Statistik. Variantenketten offeriert das Buch nur ausnahmsweise.

"slay the Spanish!" ist in Englisch geschrieben, allerdings stellt es keine allzu großen Anforderungen an die Sprachkenntnisse des Lesers. Schulenglisch sollte größtenteils ausreichen.

"slay the Spanish!" ist ein gutes Buch, dessen Kauf ich empfehlen kann.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Unglaubliche Schachpartien

Martin Rieger
Unglaubliche Schachpartien
233 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-9813551-1-6
14,90 Euro.




Unglaubliche Schachpartien
"Unglaubliche Schachpartien", ChessMo Verlag 2011: Der Autor Martin Rieger hat sich einen Namen als Rezensent von Schachbüchern gemacht. Für dieses Werk hat er nun selbst zur Feder gegriffen. Herausgekommen ist ein unterhaltsames Werk, eine Symbiose zwischen Geschichtchen und Schachpartien, die Schach zu einem etwas anderen Freizeitvergnügen macht. Als ich die ersten Blicke hineingeworfen hatte, entstand das Bild vor meinen Augen, wie der Reisende im Zug oder der Erwerbstätige nach der Arbeit zu Hause in seiner Gartenhängematte das Buch zur Hand nimmt, liest und anhand der zahlreichen Diagramme und seiner Kraft der Vorstellung eine der Partien nachvollzieht. Und ich glaube auch, dass genau dies den größten Wert des Werkes ausmacht - Schach ohne Stress und Hektik, ohne Wettkampfdruck, einfach "nur" gute Unterhaltung.

Martin Rieger hat 60 Partien zusammengetragen, die allesamt unter irgendeiner Besonderheit stehen. Mal kann es ein besonderes Spielelement sein, vielleicht ein spektakuläres Opfer, ein anderes Mal eine besondere Begebenheit im Umfeld oder auch etwas ganz Anderes. Diese Partien sind in der Regel durchaus "Standardgut" in den Datensammlungen oder Büchern, was sie aber nicht weniger interessant macht. Und es gibt auch Neuland zu betreten. Dies gilt beispielsweise für "The Ukrain Immortal" auf Seite 11, gespielt 1931 zwischen Korchmar und Poliak. Der Hinweis vom Autor, wie er auf diese Partie gekommen ist, gibt auch einen kleinen Einblick in sein Vorgehen. So hat er auch Großmeister angeschrieben und um Auskunft gebeten, welche Partien nach deren Ansicht zu den besten der Schachgeschichte zählen. Die oben genannte Partie war ein solcher Vorschlag.
Die Überschrift "The Ukrain Immortal" sollte Sie nicht verwirren. Das Buch ist in Deutsch geschrieben, nur die Überschriften sind in Englisch. Ich habe keine Idee, warum dies so ist, denn aufgelöst wird diese Frage im Werk nicht.

Die Geschichtchen stehen natürlich grundsätzlich in einem Zusammenhang mit der jeweiligen Partie selbst. Rieger beweist aber seinen Humor, wenn er sich zur Partie "The Drunken Masters" zu Kung Fu-Techniken in 70er-Jahre-Filmen auslässt und sich dann die Frage stellt, was das mit der Partie zu tun hat. "Eigentlich gar nichts. Mir ist als Einleitung ehrlich gesagt nichts Besseres eingefallen." Eine Geschichte in der Geschichte!

Einmal zurück zu den Partien und der Darstellung im Buch: Wer die Schach-Zeitung liest, der kennt auch das Bild, das den Leser auf allen Seiten empfängt. "Unglaubliche Schachpartien" und die "Schach-Zeitung" haben dieselbe Mutter.

Wenn ich eingangs erwähnt habe, dass der Leser die Partien auch ohne jedes Brett nachspielen kann, so dürfte dies für die meisten von uns nur für den tatsächlichen Partieverlauf sowie wenige kurze Analysen gelten. Rieger verzichtet aber an manchen Stellen nicht auf lange Analysen bis hin zu "Bandwürmern" und streut auch andere Partieverläufe mit ein. Dabei entfernt sich der Leser so weit vom nächsten Diagramm, dass er ein reales Brett brauchen dürfte. Für die unterhaltsame Stunde reicht jedoch die pure Partie mit ihrem dazugehörigen Lesestoff aus.

Abschließend noch etwas exakt zum Buchtitel, zwei unglaubliche Schachpartien. Auf S. 89 ff. findet der Leser zunächst eine Partie Ortueta Sanz aus dem Jahre 1933, gespielt in Spanien, dazu dann eine Partie Tylkowski-Wojciechowski aus dem Jahre 1931, gespielt in Polen. In beiden Partien kommt es auf völlig unterschiedlichen Wegen zu fast identischen Endspielstellungen, in denen dann jeweils die beinahe völlig identische fantastische Endspielkombination gespielt wurde. Geht das oder ist Fälschung im Spiel? Das Buch kann gut unterhalten, dieses Rätsel aber auch nicht lösen.

"Unglaubliche Schachpartien" ist ein unterhaltsames Werk, "Schachkino für Zwischendurch".


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der ChessMo GmbH zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

1.d4 - Ratgeber gegen Unorthodoxe Verteidigungen

Valeri Bronznik
1.d4 - Ratgeber gegen Unorthodoxe Verteidigungen
237 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-931192-37-2
19,80 Euro.




1.d4 - Ratgeber gegen Unorthodoxe Verteidigungen
"1.d4 -Ratgeber gegen Unorthodoxe Verteidigungen", geschrieben von Valeri Bronznik, erschienen 2010 im Schachverlag Kania: Wie lässt sich der Charakter dieses Werkes schon ganz zu Anfang einer Rezension und möglichst anschaulich beschreiben? Vielleicht so: Stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten sich mit einem Fremden, mit dem Sie ein Geschäft abwickeln wollen, verabredet und müssten diesen nun mit Ihrem Pkw aufsuchen und dafür eine ordentliche Strecke fahren. Mit aktuellem Kartenmaterial, das Ihnen alle Fern- und Landstraßen zeigt, sowie einem Navi ausgerüstet machen Sie sich auf den Weg. Als Sie mit dem Fremden zusammentreffen, müssen sie noch ein Stückchen weiterfahren, er fährt mit dem eigenen Wagen voraus und Sie folgen. Sie bemerken, dass Sie auf einen Feldweg gelockt werden, der Sie immer weiter weg von der nächsten in Ihren Karten eingezeichneten Straße führt. Ihr Navi meldet "off road" und lässt Sie im Stich. Ihnen wird klar, dass Ihr Geschäftspartner es auf Ihre Geldbörse abgesehen hat und Sie völlig in die Irre führen will, um Ihnen abseits des bekannten Straßen- und Wegenetzes ans Leder zu gehen. Ein Königreich für eine Wanderkarte, die Ihnen auch jetzt noch den rechten Weg aus der Gefahr weist oder Sie auf bekannte Strecken zurück führt!

Was hat das mit "1.d4 -Ratgeber gegen Unorthodoxe Verteidigungen" zu tun? Alles! Dieses Werk ist jene Wanderkarte, die ein Verlaufen auf ungewohnten Pfaden, die Schwarz nach 1.d4 einschlägt, verhindert bzw. auf bekannte Eröffnungswege zurück führt! Wenn Sie sich nun noch von der Vorstellung lösen, die abwegigen Pfade müssten allesamt völlig in der Pampa liegen und so fast nie betreten werden, ist das Bild perfekt, denn unsere "Wanderkarte" enthält auch von den Ortskundigen durchaus zumindest ab und zu genutzte Strecken.

Nun aber zurück in die Welt der Schachliteratur und zu den in ihr gebräuchlichen Begriffe!
Valeri Bronznik verfolgt mit "1.d4 -Ratgeber gegen Unorthodoxe Verteidigungen" das Ziel, dem Weißen für den Fall, dass ihm der Nachziehende nach 1.d4 "unorthodox" antwortet, Eröffnungswege an die Hand zu geben, über die er dem Spiel des Gegners die Spitze abbrechen kann. Er erhebt dabei weder Anspruch auf Vollständigkeit, denn die Auswahl der weißen Möglichkeiten folgt seiner subjektiven Wertschätzung und es sind nicht alle schwarzen, außerhalb des Mainstreams liegenden Abweichungen enthalten, noch soll Schwarz immer mit einem weißen Vorteil für seinen Versuch bestraft werden. Wie heißt es hierzu im Rückentext: "Ziel ist es dabei nicht immer, die gegnerische Spezialwaffe zu widerlegen, sondern dem Kontrahenten den Schneid abzukaufen (…)" Und ergänzend eine Schlussbemerkung aus der Einführung: "In jedem Fall ist dieses Buch keine Eröffnungsbibel, sondern eher ein nach meinem Geschmack kreierter Wegweiser - wobei es natürlich oft auch andere Möglichkeiten gibt."

"1.d4 -Ratgeber gegen Unorthodoxe Verteidigungen" ist in drei Teile mit den Überschriften "Verschiedene 1… Züge", "Variationen im Damengambit" und "Indische Spezialitäten" organisiert, die insgesamt 19 Kapitel beinhalten. Die verwendeten Eröffnungsnamen sind nicht allesamt Standard bzw. dürften nicht jedem bekannt sein, was sich jeweils genau dahinter verbirgt. Die folgende Aufstellung lehnt sich an das Inhaltsverzeichnis des Werkes an, ergänzt aber die Initialzugfolge zum jeweiligen Eröffnungsthema.


Kapitel Eröffnung Zugfolge
  Teil 1 Verschiedene 1... Züge
1 Englund-Gambit und Verwandtes 1.d4 e5
2 Holländisches Benoni 1.d4 c5 2.d5 f5
3 Das Wusel 1.d4 c5 2.d5 Sf6 3.Sc3
4 Die Polnische Verteidigung 1.d4 b5
5 Die Owen-Verteidigung 1.d4 b6 2.e4  Lb7
6 1...Sc6 1.d4 Sc6
7 Die Keres-Verteidigung 1.d4 e6 2.c4 Lb4+
8 Die Englische Verteidigung 1.d4 e6 2.c4 b6
  Teil 2 Variationen im Damengambit
9 Die Marschall-Verteidigung 1.d4 d5 2.c4 Sf6
10 Die Österreichische Verteidigung 1.d4 d5 2.c4 c5
11 Die Baltische Verteidigung 1.d4 d5 2.c4 Lf5
12 Albins Gegengambit 1.d4 d5 2.c4 e5
13 Das Schara-Hennig-Gambit 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 c5 4.cxd5 cxd4
14 Der verzögerte Stonewall 1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 e6 4.Sc3 f5 / ...3.Sc3 e6 4.e3 f5 / 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sf3 c6 4.e3 f5
  Teil 3 Indische Spezialitäten
15 Snake-Benoni 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 c5 4.d5 exd5 5.cxd5 Ld6
16 Der Geier 1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 Se4
17 Das Fajarowicz-Gambit 1.d4 Sf6 2.c4 e5 3.dxe5 Se4
18 Das Budapester Gambit 1.d4 Sf6 2.c4 e5 3.dxe5 Sg4
19 Black Knight´s Tango 1.d4 Sf6 2.c4 Sc6



Nach der Arbeit mit diesem Werk drängt sich mir ein Tipp auf, den ich den Lesern geben möchte: Beginnen Sie, wenn Sie sich ein Kapitel vornehmen, mit dem Fazit! Bronznik ist es m.E. außerordentlich gut gelungen, dort nicht nur die Kernaussagen zur behandelten Eröffnung in den Fokus zu stellen, sondern auch seine wichtigsten Ratschläge auf den Punkt zu bringen. Wenn er eine Eröffnung für inkorrekt hält, dann sagt er es in aller Klarheit hier. Wie Weiß am besten vorgeht, erfährt der Leser zwar auch in der theoretischen Erörterung zuvor, konzentriert aber noch einmal im Fazit. Auch bei Eröffnungen, die er als vollwertige Spielweise für Schwarz ansieht, nutzt Bronzki das Fazit, um komprimiert die zentralen strategischen und taktischen Ratschläge für das weiße Vorgehen zu geben. So kann dessen Länge, so wie etwa zum "verzögerten Stonewall" in Kapitel 14, auch schon mal 1,5 Seiten beanspruchen und sehr detailliert sein, während es sich in anderen Fällen, beispielsweise zum Englund-Gambit in Kapitel 1, auf gerade mal 15 Halbzeilen beschränkt.

Unabhängig davon, ob Bronznik den schwarzen Eröffnungsweg für korrekt, spielbar, gerade noch spielbar oder inkorrekt hält - immer erhält der Leser sehr detailliert eine Anleitung, wie er als Anziehender agieren kann (oder aus der Sicht des Autors agieren sollte).
Anleitung ist besonders allerdings die ausführliche theoretische Erörterung selbst im jeweiligen Kapitel. Jedes seiner Art beginnt mit einer kurzen Einführung zur gerade behandelten schwarzen Eröffnungsweise, woran sich die gründliche Erörterung anschließt. Bronznik versteht es ungemein gut, den Leser mittels ausführlicher und verständlicher Erörterungen mitzunehmen. Es geht ihm darum, dass der Leser versteht und mit dem gewonnenen Verständnis für eine Eröffnung in der eigenen Partie dem Wesen der Stellung entsprechend seine eigenen guten Züge findet. Dabei hilft er ihm auf´s Pferd, indem er regelmäßig die nach seiner Einschätzung besten Zugalternativen konkret benennt, die dann Weiß in die aussichtsreiche Grundstellung bringen sollen.

Bronznik bringt oft das ein, was er unter Einsatz seines eigenen Gehirnschmalzes erkannt hat. So wartet er mit einigen Neuerungen auf. Dies gilt für konkrete Zugvorschläge und Spielweisen wie auch für abstrakte Einschätzungen.
Ein paar Zitate, die mich - unter Berücksichtigung dessen, was er dann konkret vorschlägt - beeindruckt haben, da sie , stellvertretend auch für andere, zeigen, wie intensiv Bronznik gearbeitet hat und wie er selbst zu dem steht, was er dem Leser vermittelt:
- Seite 14: "Mir blieb nichts anderes übrig, als selbst die Analyse fortzusetzen. Im Endeffekt bin ich zu dem Schluss gekommen, (…)".
- Seite 17: "Ehlvest meinte, der Hauptnachteil des schwarzen Konzeptes sei, dass er (…). Ich bestreite diese Erklärung keineswegs, trotzdem scheint sie mir etwas schwammig zu sein. (…) Ich habe mir darüber Gedanken gemacht und bin zu folgendem Schluss gekommen: (…)".
- Seite 36: "Damit war ich nicht völlig zufrieden und habe mich entschieden, Ihnen in der Hauptpartie eine Möglichkeit zu präsentieren, (…)".
- Seite 173: Ehrlich gesagt, bin ich an dieser Stelle in Verlegenheit geraten. Einerseits schreibe ich das Buch für Weißspieler und bin sozusagen verpflichtet, etwas zu empfehlen, wonach der Anziehende zumindest die leicht besseren Chancen erhält, andererseits aber finde ich, dass gerade gegen diesen weißen Aufbau (…). … und auch die Empfehlungen für Weiß von dem bärenstarken GM Boris Avrukh (…) haben mich nicht wirklich überzeugt. Nach langer Analyse kam ich zu dem Schluss, dass (…)".

"1.d4 -Ratgeber gegen Unorthodoxe Verteidigungen" ist insgesamt sehr übersichtlich aufgebaut, was auch für jedes einzelne Kapitel gilt. Ein Literaturverzeichnis, ein Spielerverzeichnis und ein Eröffnungs- und Variantenindex schließen das Werk ab.

Die Verarbeitung des Buches ist hervorragend. Es wird erfreulicherweise als Hardcover und mit anspruchsvoller Bindung ausgeliefert.

"1.d4 -Ratgeber gegen Unorthodoxe Verteidigungen" ist ein ehrliches, ein überzeugendes Werk, das ich Ihnen ans Herz legen möchte. Als Weißer erfahren Sie, wie Sie Schwarz einen Strich durch die Rechnung machen können, wenn er Ihnen nach 1.d4 "unorthodox kommt". Als Schwarzer erfahren Sie, wovon Sie die Finger lassen sollten, zumindest im Fernschach. Und wie Sie Weiß vielleicht doch mal überraschen und ihm alles abverlangen können, wenn Sie in des Gegners Schrecksekunde Ihre bessere Vorbereitung in die Waagschale werfen können.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachverlag Kania (www.kaniaverlag.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

New In Chess Yearbook 98

Editor: Genna Sosonko
New In Chess Yearbook 98
246 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-337-3
26,95 Euro.




New In Chess Yearbook 98
New In Chess (NIC) Yearbook (Jahrbuch) 98: Der 98. Band dieses zu den wichtigsten seiner Art überhaupt zählenden Periodikums ist jüngst in die Bücherregale gelangt.

Zunächst einmal ein paar Vorbemerkungen: Den allermeisten aus der Reihe der erfahrenen Spieler ist das NIC Yearbook ein Begriff. Nicht wenige von ihnen beziehen die jeweils vier Ausgaben im Jahr sogar mit Lieferung nach Hause. Für diese kann eine Rezension, die mit einem Band zugleich auch das Periodikum vorstellt, nur wenig bieten. Dementsprechend ziele ich mit dieser Besprechung in erster Linie auf diejenigen ab, die wenig von den NIC-Jahrbüchern wissen, ohne aber diejenigen, die diese Reihe kennen, aber nicht im Dauerbezug erhalten, ganz zu vernachlässigen.
Genug der Vorreden, ran ans Werk!

Der 98. Band des NIC-Yearbooks unterscheidet sich von seinen letzten 50 Vorgängern dadurch, dass Genna Sosonko seine Kolumne "Sosonko´s Corner" aufgegeben hat. 50 Mal und somit 12,5 Jahre lang hat er seine Sicht von den Dingen, insbesondere in Richtung der Eröffnung im Schach, mit Tiefsinn, unterhaltsam, aktuell und mit einem enormen Erfahrungsschatz im Rücken an die Leserschaft gebracht. Er bleibt der Reihe jedoch als Editor erhalten, was der Leser aber eben nur noch indirekt wahrnehmen wird.
Ein kleiner Verlust ist dieser Rücktritt und damit der Wegfall des langjährigen Fixums schon, aber vielleicht findet New In Chess irgendwann einen Nachfolger, der bereit und in der Lage ist, in die großen Fußstapfen von Sosonko zu treten.

Das Wichtigste der Jahrbücher sind aber natürlich die einzelnen Eröffnungsartikel, "Surveys" genannt. Und was diese anbetrifft, ist es zu keiner Änderung gekommen. 31 Surveys sind im Buch zu finden, zumeist behandeln sie Varianten aus den großen Standardsystemen wie Sizilianisch (3 Mal), Slawisch (3 Mal), Damen- und Grünfeldindisch (ebenfalls je 3 Mal), aber auch seltene Gäste auf dem Turnierparkett (beispielsweise das Königsfianchetto und das Budapester Gambit).
Dem alten Hasen muss ich nicht erzählen, wie die Surveys aufgebaut sind. Dem, der noch kein NIC-Yearbook in der Hand gehalten hat, sei aber ein kurzer Abriss gegeben. Die Surveys in den Bänden des Yearbooks widmen sich jeweils nadelstichartig ganz bestimmten Eröffnungsfragen, -ideen, -problemen etc. quer über die Eröffnungslandschaft hinweg. Die Beiträge werden von verschiedenen Autoren geliefert und folgen einem immer ähnlichen Aufbau. So wird das jeweilige Thema kurz vorgestellt und dann zumeist knapp, manchmal auch etwas ausführlicher hinsichtlich seiner grundlegenden Aspekte erörtert. Dieser Einführung folgen zur Vertiefung Partien aus der Praxis, die regelmäßig nicht-deskriptiv kommentiert worden sind.
Bei den Themen handelt es sich nicht immer um Neuerungen aus der Turnierpraxis oder der Analyseküche, sondern auch um neue Ansichten zu alten Problemstellungen, um strittige Bewertungen von Zügen oder Abspielen und manches mehr. Mit dem NIC-Yearbook hält der Spieler ein Hilfsmittel in der Hand, das ihn dabei unterstützt, aktuell zu bleiben, sowohl hinsichtlich theoretischer Neuerungen als auch der Einschätzung altbekannter Eröffnungsfragen.

Das Yearbook zählt seit vielen Jahren zu den wichtigsten Quellen des ambitionierten Spielers, um eröffnungstheoretisch auf der Höhe zu bleiben und auch sein Eröffnungsspiel zu qualifizieren. Dahinter steht ein großer Erfolg, den man sich erst einmal erarbeitet haben will. Dieser Erfolg kann getrost als ein wichtiger Indikator für die Qualität des NIC-Yearbooks als Periodikum gewertet werden.

Wie gewöhnlich kommen auch im vorliegenden Band 98 zu Beginn im "Forum" Leser zu Wort, besonders um auf Beiträge aus früheren Bänden einzugehen. Wie für ein Forum typisch findet der Leser immer und so auch aktuell wieder ein buntes Gemisch an Themen vor. Mal werden kritische Aspekte zu früheren Beiträgen angemerkt, dann werden Aussagen erhärtet, ein anderes Mal werden (eigene) Beispiele ergänzend eingebracht.

Die letzten Seiten des Buches nehmen, auch schon traditionell, Rezensionen ein, vier an der Zahl.

Demjenigen, der den Kauf des NIC-Yearbook 98 davon abhängig machen möchte, ob sein persönliches Eröffnungsrepertoire von den Inhalten berührt wird, findet die für die Einschätzung erforderlichen Angaben u.a. unter www.schachversand.de oder unmittelbar beim Verlag.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Experts on the Anti-Sicilian

Verschiedene (GM / IM)
Experts on the Anti-Sicilian
440 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-906552-80-0
24,99 Euro.




Experts on the Anti-Sicilian
Was spielt der Anziehende, wenn er nach 1.e4 auf 1…c5 trifft und er dem Gegner einen Strich durch dessen mutmaßliche Rechnung machen will? Er wählt eine Variante, die den Schwarzen aus seinen Najdorf-, Drachen-, Sveschnikov- und sonstigen Träumen reißt, in gängigen Varianten ein Heimspiel zu haben. Er präsentiert ihm einen Anti-Sizilianer, auch in der Hoffnung, dass er seinen Widerpart auf ein ihm unbekanntes Terrain führen kann. Wohl dem Führer der schwarzen Steine, der dann ein Experte in anti-sizilianischen Gewässern ist und quasi mit einem Anti-Anti-Sizilianer aufwarten kann!

Quality Chess hat ein sehr interessantes Werk mit dem Titel "Experts on the Anti-Sicilian" auf den Markt gebracht, in dem mehrere Autoren, im von ihnen jeweils behandelten Thema allesamt "Theorie-Boliden", zu Worte kommen. Als Herausgeber sind Jacob Aagaard und John Shaw ausgewiesen.

Um Ihnen einen ersten guten Zugang zum Buch zu ermöglichen, stelle ich nachfolgend in Anlehnung an das Inhaltsverzeichnis die behandelten Eröffnungszweige mit den Namen der Autoren und die jeweilige Zahl der Seiten dar, die ein Beitrag umfasst.

Kap. Autor Thema Seiten
1 Boris Avruch 3...e6 versus the Grand Prix Attack 14
2 Jacob Aagaard A Classical Repertoire against 2.c3 49
3 Tiger Hillarp Persson Beating 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 with 3...d6 32
4 Tiger Hillarp Persson Beating 2.Sf3 d6 3.Lb5+ wth 3...Sd7! 18
5 Andrew Greet Moscow Variation with 5.c4 32
6 Christian Bauer 2.Sf3 d6 3.Lc4 42
7 Christian Bauer 2.Sf3 d6 3.c3 Sf6 4.h3 ...g6-lines 19
8 Christian Bauer 2.Sf3 d6 3.c3 Sf6 4.h3 Sc6 13
9 Christian Bauer 2.Sf3 d6 3.c3 Sf6 4.h3 - Rare Lines 20
10 Christian Bauer King´s Indian Attack 30
11 Christian Bauer 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.e5 d4 33
12 Milos Pavlovic A 10-minute repertoire against the Closed Sicilian 8
13 Matthieu Cornette Tiviakov Grand Prix 12
14 Matthieu Cornette 3.Sd4 - Early Deviations 11
15 Matthieu Cornette 4.Lc4 g6 15
16 Matthieu Cornette 4.Lc4 e6 5.Sf3 - Minor Lines 9
17 Matthieu Cornette 4.Lc4 e6 5.Sf3 - 5...Sf6 6.0-0 13
18 Matthieu Cornette 4.Lc4 e6 5.Sge2 - 5...Dc7 2
19 Matthieu Cornette 4.Lc4 e6 5.Sge2 - 5...Sf6 6.0-0 a6 7.a4 10
20 Matthieu Cornette 4.Lc4 e6 5.Sge2 - 5...Sf6 6.0-0 a6 7.d3 13
21 Colin McNab Beating 2.a3 with 2...g6 4
22 Colin McNab Beating 2.f4 with 2...d5 11
23 Colin McNab Beating 5.f3 with 5...e5 8
24 John Shaw 2.d3 - A Black Repertoire 7
25 Peter Heine Nielsen Beating 2.b3 with 2...g6 9



Bis auf Andrew Greet, dessen Titel "nur" IM ist, haben alle Autoren längst den GM-Titel erworben. Und der Beitrag von Greet zählt zu jenen, die mir besonders gut gefallen, denn er versteht es ganz besonders, den Leser "seine" Eröffnung lernen zu lassen, ihre Ideen etc. verinnerlichen zu lassen.

Der grundsätzliche Aufbau ist bei allen Artikeln gleich. Nur die "innere Ordnung zweiten Ranges", also die weitere Unterteilung, weicht schon mal ab, was aber angesichts der sehr unterschiedlichen Themen und der damit unterschiedlichen Theoriefülle und -verzweigung nicht überraschen kann.
Die Beiträge werden eingeführt mit einer Variantenübersicht, der dann die theoretischen Darstellungen folgen, bevor eine Kapitelzusammenfassung ("Conclusion") oder eine Zusammenfassung über mehrere zusammenhängende Kapitel hinweg ("Overall Conclusion") den Abschluss bildet.
Wer die Bücher aus der Reihe "Grandmaster Repertoire" des Verlages kennt, kann sich in Anlehnung an die darin erschienenen Bände ein gutes Bild von "Experts on the Anti-Sicilian" machen.

Der Käufer sollte keine umfassende theoretische Behandlung des jeweiligen Themas erwarten, denn diesem Anspruch würde das in meinen Augen sehr gelungene Werk nicht entsprechen können. Es folgt den Prinzipien eines Repertoirebuches, geschrieben insbesondere aus der Perspektive von Schwarz, ebenso gut einzusetzen aber auch von Weiß.

"Experts on the Anti-Sicilian" verdient eine besondere Anmerkung: Es gibt inzwischen etliche Eröffnungswerke, die sich mit "Anti-Sizilianern" und viel versprechenden Spielweisen gegen sie beschäftigen, hier aber erhält der Käufer gleich einen ganzen Korb von ihnen in einem einzigen Werk. Wer sich mit "Experts on the Anti-Sicilian" ausrüstet, ist zunächst einmal sehr gut ausgestattet. Hervorzuheben ist weiter, dass in diesem Werk sehr starke Spieler ihre Analysen, Bewertungen etc. darstellen, nicht selten auch Neuerungen anbieten. So erhält der Leser, was etwas abseits aller Hauptlinien nicht selbstverständlich ist, gewissermaßen ein "Großmeister-Repertoire", auch wenn das besprochene Werk nicht in dieser Reihe erschienen ist.

Auch durch die besondere Brille des Fernschachspielers ist "Experts on the Anti-Sicilian" eine klare Bereicherung. Dies gilt selbst für die besonders kurzen Artikel, die ein Schlaglicht auf Spezialfälle in der Theorielandschaft werfen. Nur versteht es sich von selbst, dass besonders diese im Fernschach mit Vorsicht einzusetzen sind, weil ein Überraschungseffekt im Vergleich zum Nahschach eine eher kümmerliche Wirkung hätte. Im Fernschach hat der "überraschte" Gegner alle Zeit der Welt, alle Hilfsmittel zu nutzen, um seine Riposte zu finden. Da sollte man schon eine sichere Basis haben, z.B. auch mit einer gut sortierten Datenbank, um das praktische Spiel zu unterfüttern. Im Nahschach muss der Gegner seine Antworten in den Spezialvarianten unter Zeitdruck am Brett finden. Hier können die Spezialvarianten wie ein kräftiges Sommergewitter über den Gegner kommen.
Die enge Fixierung in den besonders kurzen Artikeln kann der Leser in ähnlicher Weise nutzen wie die Beiträge in den NIC-Jahrbüchern oder den Werken aus der "SOS"-Reihe.

"Experts on the Anti-Sicilian" enthält weder eine Bibliografie noch ein Variantenverzeichnis, das alle Buchinhalte auf einen Blick zur Übersicht anbietet. Beides lässt sich mit dem besonderen Charakter eines "Samplers" erklären, den das Buch zeigt.

"Experts on the Anti-Sicilian" ist in meinen Augen für den Schwarzspieler mit Sizilianisch im Repertoire, der sich breit und tief zugleich vorbereiten möchte, ohne gleich etliche verschiedene Werke kaufen zu müssen, ein "Muss", für den Weißspieler eine Quelle mit Ideen und Wissen, die ihm helfen kann, wenn er sich zu einem Abweichen von offenen Linien der Sizilianischen Verteidigung entschließt.

Fazit: "Experts on the Anti-Sicilian" ist ein sehr gelungenes und deshalb empfehlenswertes Werk.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Rossolimo Sicilian

Victor Bologan
The Rossolimo Sicilian
238 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-345-8
22,95 Euro.




The Rossolimo Sicilian
Ein interessantes Werk zur Sizilianisch-Familie ist bei New In Chess erschienen. Es trägt den Titel "The Rossolimo Sicilian", hat Victor Bologan als Autor und beschäftigt sich mit der Sizilianischen Verteidigung nach 1.e4 c5 2.Sf3 Sf6 3.Lb5.
Der Name "Rossolimo-Variante" ist etabliert, aber nicht unbedingt durchgehend gebräuchlich. Er geht zurück auf Nicholas Rossolimo aus der heutigen Ukraine, der zwar im vergangenen Jahrhundert nie in die absolute Weltspitze vordringen konnte, aber ein starker Spieler war und sich eben des Systems in bemerkenswerter Weise bediente. Auch wenn, wie erwähnt, der Name "Rossolimo-Variante" nicht zwingend als Standard gelten kann, ist der Buchtitel gut gewählt, denn er ist allemal um ein Vielfaches besser als "Sizilianisch mit 2...Sc6 3.Lb5".

Das System galt früher als wenig ambitioniert für Weiß, wenn es mit anderen Möglichkeiten des Anziehenden verglichen wurde. So ist es auch zu erklären, dass man über seine Wahl einem Großteil der Sizilianisch-Theorie aus dem Weg gehen kann. Zur Rossolimo-Variante gibt es vergleichsweise noch nicht allzu viel. In diesem Areal des Sizilianischen Meeres gibt es noch zahlreiche Strände, auf die bisher noch kein Mensch einen Fuß gesetzt hat.

Bologan hat mit "The Rossolimo Sicilian" keine umfassende theoretische Abhandlung zum Thema abgeliefert, sondern ein Repertoire zusammengestellt, dass nach meiner Einschätzung "rund" ist. So lässt der Leser Teile der Theorie abseits liegen, erspart sich damit allerdings zugleich Zeit und Mühe beim Umgang damit. Die Betrachtung und die Auswahl der behandelten Linien sind "weiß geprägt", allerdings ist das Werk für den Nachziehenden in gleicher Weise wie für den weißen Widerpart verwendbar. Die Konzentration auf bestimmte Abspiele und die Weichenstellung aus der Perspektive von Weiß wird beispielsweise darin deutlich, dass Bologan nach 3…d6 die Fortsetzungen 4.Lxc6 und 4.0-0 behandelt, die Alternative 4.d4 aber weglässt.
An dieser Stelle ein kleiner Hinweis: In einer anderen Neuerscheinung mit dem Titel "Experts on the Anti-Sicilian", Quality Chess 2011, Kapitel 3 (das Werk beinhaltet Beiträge mehrerer Autoren) geht Tiger Hillarp Persson genau auf das im Bologan-Werk fehlende 4.d4 ein. Die beiden Werke ergänzen sich sehr gut.

Zurück zu "The Rossolimo Sicilian":
Bologan hat die Theorie in 14 Kapitel verpackt, dem ein fünfzehntes mit vom Leser zu lösenden Aufgaben und anschließenden Lösungen folgt. Die Kapitel tragen folgende Überschriften und behandeln …

Kap. 1: Secondary Moves
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5

Kap. 2: Black Plays 3…Sf6
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6

Kap. 3: White Exchanges after 3…d6
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 d6 4.Lxc6

Kap. 4: White Castles after 3…d6
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 d6 4.0-0

Kap. 5: Spanish-Type Play: 7…b5
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 d6 4.0-0 Ld7 5.Te1 Sf6 6.c3 a6 7.La4 b5

Kap. 6: White Castles after 3…e6
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 e6 4.0-0

Kap. 7: Black Develops First: 7…Lb7
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 e6 4.0-0 Sge7 5.c3 a6 6.La4 b5 7.Lc2 Lb7

Kap. 8: The Direct Exchange 4.Lxc6
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 e6 4.Lxc6

Kap. 9: Posing Problems: 6.De2
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 e6 4.Lxc6 bxc6 5.d3 Sge7 6.De2

Kap. 10: Other Sixth Moves For White
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 e6 4.Lxc6 bxc6 5.d3 Sge7

Kap. 11: The Fianchetto With 4…bxc6
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 g6 4.Lxc6 bxc6

Kap. 12: The Fianchetto With 4…dxc6
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 g6 4.Lxc6 dxc6

Kap. 13: Black Plays 4…dxc6 and 6…Sf6
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 g6 4.Lxc6 dxc6 5.h3 Lg7 6.d3 Sf6

Kap. 14: The Immidiate 7.0-0
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 g6 4.Lxc6 dxc6 5.h3 Lg7 6.d3 Sf6 7.0-0

Kap. 15: What Would You Play?

Das Material wird im Stil eines klassischen Theoriewerkes dargestellt, die Hauptvarianten werden in der Regel von Referenzpartien aus der Praxis eingenommen. Zur optischen Auflockerung sind etliche Bilder von Spielern aufgenommen worden, die in Varianten "zu Wort gekommen sind". Vollständige Partien sind nicht aufgenommen, mir persönlich fehlen sie auch nicht. Am Ende eines Kapitels gibt Bologan in der "Conclusion" ein Resümee ab, das kurz genug ist, um sich tatsächlich auf die Kernaspekte zu konzentrieren.

Ein Qualitätsmerkmals des Werkes sind die Erklärungen des Autors. Sie machen "The Rossolimo Sicilian" zu einem Buch, das dem Leser zum Erlernen durch Verstehen verhilft. Und genau dies ist in meinen Augen auch besonders wichtig in einem Bereich des Sizilianischen Dickichts, in dem die Pfade oft erst noch richtig gefunden werden müssen.

Am Ende des Werkes finden sich ein Spielerverzeichnis, das sich auf die verwendeten Partiefragmente bezieht, und ein detailliertes Variantenverzeichnis als "Kompass" für die Orientierung über alle Buchinhalte hinweg. Eine Bibliografie gibt es nicht.

Das Werk ist in Englisch verfasst, die Anforderungen an die entsprechenden Fremdsprachkenntnisse sehe ich aber nicht als sonderlich hoch an.

Fazit: "The Rossolimo Sicilian" ist für mich ein Werk, auf das die Schachwelt gewartet hat.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

1001 Deadly Checkmates

John Nunn
1001 Deadly Checkmates
303 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-11-906454-25-8
14,45 Euro.




1001 Deadly Checkmates
"1001 Deadly Checkmates, Solve the puzzles and measure your skill!" ist der Titel des neuesten Werkes von John Nunn, jüngst erschienen bei Gambit Publications Ltd. Das Sprichwort "Übung macht den Meister" drängt sich geradezu auf, wenn man sich intensiv mit dem Buch beschäftigt. Und dass Schach Spaß macht, auch ohne Brett, dass Übung im Schach Spaß machen kann, beweist John Nunn eindrucksvoll.

Das Buch beinhaltet 17 Kapitel, die allesamt der gleichen Intention folgen und gleichartig aufgebaut sind. Immer geht es darum, in dem Leser über Diagramme vermittelten Brettsituationen ein Matt zu finden. Unterstützung bei der Suche leisten zwei direkte Hinweise und ein indirekter. So erfährt der Leser, für welche Seite, Weiß oder Schwarz, er das Matt suchen muss und welcher Art dieses ist. Indirekt kann er über die Angabe, wie viele Punkte er sich für die richtige Lösung gutschreiben darf, auf den Schwierigkeitsgrad schließen. Seine jeweils erworbenen Punkte kann er in ein Ergebnisformular eintragen, das in jedem Kapitel auf seine Werte wartet. Eine Ausnahme hinsichtlich der konkreten Tipps bilden die Kapitel 1 und 15 bis 17. Diese sind nur allgemein kategorisiert, sodass die Suche in ihren Aufgaben nicht gelenkt wird. Die Kapitel beginnen mit einer kurzen Einführung, in der die Art der im Folgenden erwarteten Mattführung kurz erläutert wird, damit der Leser das jeweils grundlegende Lösungsmuster erfährt. Die Lösungen schließen sich jeweils unmittelbar den Aufgabendiagrammen an, worauf dann nur noch das schon erwähnte Ergebnisformular folgt. Anders als in "1001 Nacht" enthält "1001 Deadly Checkmates" keine Märchen, die Diagrammstellungen stammen allesamt aus real gespielten Partien.

Die Aufgabenstellungen sind jeweils von einem wachsenden Schwierigkeitsgrad. Die ersten Beispiele in den "Elementary Mates" sind von einem geübten Spieler extrem leicht zu lösen. In "Extreme Mate Challenge" findet auch der weit fortgeschrittene Spieler für ihn schwer zu knackende Nüsse vor. So lässt sich der Aufbau des Buches gut auch dem Prinzip "von leicht nach schwer" zuordnen, sowohl innerhalb der einzelnen Kapitel als auch über die Kapitel hinweg.

Die Buchkapitel tragen die folgenden Überschriften, behandeln also wie folgt kategorisierte Mattführungen:

1. Elementary Mates
2. Back-Rank Mates
3. Mate in the Endgame
4. The Lethal Long Diagonal
5. Pawn-Promotion Mates
6. Mates with Rook and Minor Piece
7. Deadly Doubled Rooks
8. Destroying the Defences
9. Death on the Rook´s File
10. Queen Sacrifices
11. Mate by Line-Opening
12. Mate by Blocking Squares
13. Mate Involving Discovered or Double Check
14. Hunting the King
15. Miscellaneous Mates
16. Mate Revision Test
17. Extreme Mate Challenge

Die Beschäftigung mit diesem Werk macht wirklich Spaß. Natürlich kann man die Diagrammstellungen auf dem heimischen Brett aufbauen, die Aufgaben aber auch allein anhand des Diagramms zu lösen versuchen. Ich denke, dass dies für den geübten Spieler die angezeigte Methode ist, während der Anfänger vermutlich oft nicht ohne Brett wird auskommen können.
Die Unterhaltung, die dieses Werk vermittelt, ist dessen eine Seite, die Verbesserung der Fähigkeiten des Spielers die andere. Ich halte "1001 Deadly Checkmates" für ein ausgezeichnetes Trainingsbuch. Es schult das Auge für ein Matt enthaltende Stellungsmuster, brennt gleichartige Abläufe ins Gedächtnis ein und fördert die Fähigkeit der Berechnung am Brett, letzteres insbesondere bei der Lösung allein auf der Basis des Diagramms. Diesen Effekt meine ich bei mir selbst schon festzustellen, nachdem ich bei der Vorbereitung dieser Rezension Kapitel in Teilen durchgearbeitet habe.

In der Didaktik unterscheidet man das Üben nach zwei Arten, das "Mechanische Üben" und das "Durcharbeiten". Beide Arten kommen in "1001 Deadly Checkmates" zum Zuge. Durch das Wiederholen ähnlicher Aufgaben, was das Mechanische Üben kennzeichnet, werden diese Verstanden und die Lerninhalte somit verinnerlicht. Diese werden vom Buch mittels seines Aufbaus strukturiert. Damit fördert das Werk die Merkquote, das Durcharbeiten innerhalb der Kapitel führt zu einem generalisierenden Verständnis - die Art der Mattführung ist jeweils von Interesse, denn in den unterschiedlichsten Stellungen soll die Möglichkeit ihrer Umsetzung erkannt und dann in der konkreten Zugfolge realisiert werden.

"1001 Deadly Checkmates" ist in meinen Augen auch das ideale Buch für unterwegs oder für "ein bisschen Schach zwischendurch". In der Bahn, im Urlaub, in der Mittagspause am Schreibtisch - einfach mal ein paar Matts auf´s eingebildete Brett zaubern!

Das Quäntchen Englisch, das zu bewältigen ist, stellt keine Probleme. Notfalls dürfte es wohl auch ganz ohne Sprachkenntnisse gehen, wenn man sich mit den Brettstellungen und den konkreten Lösungen zufrieden gibt.

Wenn es aus meiner Rezension bis hierher nicht deutlich geworden sein sollte: "1001 Deadly Checkmates" ist ein absolut empfehlenswertes Buch.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Das Schara-Hennig-Gambit

Valeri Bronznik
Das Schara-Hennig-Gambit
142 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-931192-38-9
15,80 Euro.




Das Schara-Hennig-Gambit
Im Schachverlag Kania frisch erschienen ist ein neues Buch von Valeri Bronznik mit dem Titel "Das Schara-Hennig-Gambit". Auf 142 Seiten widmet sich Bronznik damit einer scharfen Eröffnung, die einerseits einen schon leicht legendären Ruf und überzeugte Anhänger hat, der aber andererseits auch der Makel als Verdacht anhaftet, nicht ganz korrekt zu sein. Mit dieser öffentlichen Meinung ist Bronznik allerdings nicht so ganz einverstanden und sieht, teilweise intensiv gestützt auf in Kaissiber erschienene Analysen von Stefan Bücker und Michiel Wind, im Schara-Hennig-Gambit eine gut spielbare Waffe gegen das Damengambit. Es verspricht aktives Spiel, Eröffnungsvorsprung und folgend Angriffsspiel gegen den weißen König, alles zum Preis eines einzigen Bauern.

Bronznik stellt heraus, dass das über die einleitenden Züge 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 c5 4.cxd5 cxd4 auf dem Brett erscheinende Gambit besonders im Fernschach beliebt ist, bis in die Spitze hinein. Seine Feststellung bestätigen mag auch der erfreulich hohe Anteil an Material aus dem Bereich des Fernschachs im Buch. Vielleicht kann die Beliebtheit unter den Fernschachspielern einer guten Meinung über das Gambit den Rücken stärken, denn bei aller Experimentierfreude der Fernschachspieler sind gerade auch sie darauf angewiesen, gut aus der Eröffnung in die Partie zu kommen. Ein zweifelhaftes Gambit verspräche diesen ersten Teilerfolg nicht, es könnte kaum so beliebt sein.

Das Material ist insgesamt neun Kapiteln zugeordnet, die folgende Überschriften tragen:

1. Weiß spielt 5.Dxd4
2. Weiß spielt 8.Lg5 (8.Lf4, 8.Ld2)
3. Weiß spielt 9.Db3
4. Die Hauptvariante: Schwarz rochiert lang
5. Die Hauptvariante: Schwarz rochiert kurz
6. Weiß stellt die Rochade zurück
7. Weiß hält e2-e3 zurück: 10.a3!?
8. Scharas Zugfolge 7…Sf6!?
9. Weiß weicht dem Schara-Hennig-Gambit aus

Die einzelnen Kapitel werden kurz theoretisch eingeführt und dann an Partien bzw. an als "Analyse" überschriebenen Erörterungen partienähnlich umfassend behandelt. Die Partien und Analysen sind fortlaufend ohne Unterscheidung zwischen ihnen durchnummeriert. So trägt beispielsweise die erste komplett abgebildete Partie bereits die Nummer 2, was nicht verwundern sollte. In dieser Nummerierung ist die "1" eben schon an eine Analyse vergeben worden. Ein Fazit, das eine Zusammenfassung, Wertungen oder auch unmittelbare Empfehlungen enthalten kann, schließt das Kapitel jeweils ab.

Die Kommentierung ist überwiegend angenehm deskriptiv gehalten. Seine Werturteile begründet Bronznik zumeist. So wird der Leser eher selten mit einem Urteil in der Art "Weiß steht besser" oder schlicht "+/=" mit seinen Fragen nach dem hinter der Einschätzung stehenden Warum allein gelassen.
Passagenweise werden die Analysen beachtlich in die Tiefe geführt. In diesen Fällen wird dann auf deskriptive Ergänzungen überwiegend verzichtet.

Fünf der vollständig abgebildeten Partien wurden im Fernschach gespielt. Eine Reminiszenz an den vor wenigen Monaten verstorbenen Großmeister im Fernschach Dieter Mohrlok vermittelt die Partie Ruiz-Jarabo Pelayo gegen Stavridis, 2007, denn die Kommentierung erfolgte mit seiner analytischen Unterstützung.

Das Variantenverzeichnis am Ende des Buches ist anspruchsvoll.

Ein besonderes Qualitätsfähnchen wert ist die Verarbeitung des Buches. In Hardcover gebunden und mit einem Druck auf schneeweißem Papier kann es den Liebhaber des klassischen Buches nur erfreuen.

Eher unwichtig, von Kania aber ausdrücklich erwähnt, ist es, dass das Werk der früheren Rechtschreibung folgt. Anders als die Rechtschreibung ist der Theoriestand aktuell, was auch die Bibliografie unterstreichen mag.

Es ist erfreulich, dass es mit "Das Schara-Hennig-Gambit" wieder mal ein Eröffnungsbuch aus einem deutschen Verlag auf den Ladentisch geschafft hat.
Dieses erfrischende und ehrliche Buch kann ich mit gutem Gewissen zum Kauf empfehlen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachverlag Kania (www.kaniaverlag.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Your Best Move

Per Ostman
Your Best Move
222 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-660-9
19,95 Euro.




Your Best Move
Ich habe lange überlegt, wie ich den Inhalt und den Wert von "Your Best Move, A structured approach to move selection in chess", erschienen in 2011 bei Everyman Chess, möglichst anschaulich darstellen kann. Im Ergebnis habe ich mich zu dem etwas ungewöhnlichen Weg entschlossen, auf einem Gleichnis aufzubauen. In diesem Sinne …

Ein Gärtner pflanzt einen Strauch, dessen Früchte er im Herbst ernten möchte. Er weiß, dass die Pflanze anspruchsvoll ist und nach Pflege verlangt. Schon die Wahl des Standortes ist wichtig, denn sie stellt besondere Anforderungen an den Boden und zum Gedeihen braucht sie viel Licht. Der Gärtner weiß darum und hat das Plätzchen, an dem die Pflanze nun steht, gut vorbereitet.
Sträucher dieser Art entwickeln viele Triebe, von denen bis auf wenige viele abgeschnitten werden müssen. Aber es ist Vorsicht geboten, denn der Schnitt muss richtig gesetzt und sauber durchgeführt werden, weil sich sonst schädliche Pilze an den Wundstellen entwickeln können.
Im Sommer hat der Strauch viele Früchte entwickelt, die eine reiche Ernte versprechen, als der Gärtner plötzlich einen gefährlichen Schädlingsbefall feststellt. Nach reiflichem Überlegen kommt er auf die Lösung des Problems. Er wird die sichtbar befallenen und entbehrlichen Triebe abschneiden, dann die Schädlinge so weit wie möglich mit der Hand von den verblieben Trieben absuchen und zuguterletzt noch ein Spritzmittel einsetzen, das er sich beschaffen und dann nach Anleitung mit Wasser verdünnt auf die Blätter geben wird.
Nach kurzer Zeit stellt er den Erfolg seiner Maßnahme fest. Er streut noch etwas Düngemittel an den Fuß des Strauches und im Herbst erntet er viele schmackhafte Früchte.

Wie der Gärtner in unserem Gleichnis fällt auch dem Spieler der Erfolg in der Schachpartie nicht in den Schoß. Auch er muss viel wissen und dieses Wissen dann erfolgreich einsetzen. Das fängt bereits bei der Partieanlage an. Ist es beim Gärtner die Frage, wie der Standort seines Gewächses beschaffen sein muss und wie er ihn herrichtet, so ist es beim Spieler die Eröffnungskenntnis und das Wissen darum, wann was zu machen ist. Der Gegner des Gärtners mögen die Unbillen der Natur sein, der Schachspieler hat einen Gegner aus Fleisch und Blut, im Fernschach mit allen denkbaren Hilfsmitteln ausgestattet. Um nicht jeweils dem Gegner den Erfolg zu überlassen, müssen beide Spieler ihre Kenntnisse und Fähigkeiten haben und gut einsetzen.
Der Gärtner muss entscheiden, welche Triebe bleiben und welche er abschneiden sollte. Der Spieler muss seine Kandidatenzüge erkennen und aus ihnen den "Trieb" auswählen, der den Erfolg verspricht, und die anderen Züge dem Gärtner ähnlich abschneiden. Aber wie macht er dies am Erfolg versprechendsten?
Der Gätner muss wissen, dass er auf Schädlingsbefall zu achten hat und wie er diesen erkennt, wenn er denn eingetreten ist. Er muss die Methoden zu dessen Beseitigung kennen und diese planvoll und sachgerecht anwenden. Er muss die Anforderungen kennen, die von diesen Methoden gesetzt werden, wie etwa das Mischungsverhältnis des Spritzmittels sowie die Art und Weise des Einsatzes und dem allem in seinem Handeln Rechnung tragen. Dem Spieler geht es nicht anders. Auch er muss ständig die Stellung beobachten und analysieren, die Werte kennen, an denen der aktuelle Stand abgewogen werden kann, strategische und taktische Motive zur Beseitigung von Störungen, so wie beim Gärtner der Schädlingsbefall, und auch die Wege kennen und aktuell finden, um den Sieg mit dem richtigen "Düngemittel" zu forcieren.

Per Ostman, Autor von "Your Best Move", hat sich die Prozesse, die beim Spieler während der Partie ablaufen, analytisch vorgenommen. Er hat sie in ihre einzelnen Etappen zerlegt und geht dann einzeln auf diese ein. Insbesondere auf der Ebene dieser Etappen zeigt er die Schnittstellen zum Gegenstand des Spiels auf, um den es gerade geht. "Um welche Dinge des Schachspiels muss sich der Spieler in dieser Etappe kümmern und welcher Mittel des Spiels bedient er sich, welche Werkzeuge bietet das Schachspiel hierzu an" ist die hier hinter allem stehende Frage.
Zur Verdeutlichung ein Beispiel: Auf den Seiten 182 ff. setzt sich Ostman mit dem Plan im Schach auseinander. Das Fassen eines Plans sieht er über die folgenden Schritte laufen: 1. Analyse, 2. Synthese, 3. Planentwicklung, 4. Überprüfung, 5. Ausführung. Die Analyse umfasst das Erkennen der Besonderheiten der aktuellen Stellung nach allgemeinem Schachverständnis, also beispielsweise über die Einschätzung anhand des Stellungsmerkmals eines rückständigen Bauern und der daraus für beide Seiten resultierenden Folgen. Die Synthese führt zur Entwicklung des Motivs für das weitere Vorgehen, beispielsweise das Spiel gegen einen rückständigen Bauern. Die Planentwicklung geht am besten von der Stellung aus, die erreicht werden soll, und mündet in den Plan zum konkreten Vorgehen. Dieser Plan kann gut oder falsch sein, so dass es des vierten Schrittes bedarf, der Überprüfung. Schließlich wird der Plan dann ausgeführt.
Ostman macht dabei deutlich, dass das Wissen im Schach von einer herausragenden Bedeutung ist. So kann der Spieler beispielsweise eine Stellung nur dann qualifiziert analysieren, wenn er weiß, welche Dinge eine Stellung zu einer guten oder schlechten machen. Er kann einen Plan nur dann bestmöglich fassen, wenn er u. a. die taktischen Mittel von Fesselung bis Zugzwang kennt usw.

Ein Wert von "Your Best Move" liegt darin, dass es das Verständnis der Prozesse, die im Spieler ablaufen und die sein Schachspielen ausmachen, klar fördert. Indem die einzelnen Schritte eines Vorgangs erkannt und alles um sie herum spezifisch herausgearbeitet wird, können sie auch bewusst in die (eigene) Betrachtung des Spielers einbezogen werden. Hinter beispielsweise "dem Planen im Schach" steht das Durchlaufen verschiedener Schritte, ohne die ein guter Plan nicht erreichbar ist. Indem der Leser sich diese Schritte bewusst zu eigen macht, wird er sein Spiel verbessern.

Gelegentlich sieht es so aus, als seien Ostmans Ausführungen recht "technisch" geprägt und die Art der Darstellung wissenschaftlichen Werken ähnlich. Ich empfinde dies jedoch keinesfalls als unangemessen sondern vielmehr sogar als hilfreich. Die analytische Vorgehensweise und die Einbindung veranschaulichender Grafiken, wie sie solchen in wissenschaftlichen Werken ähnlich sind, sind sogar Kern bzw. eines seiner Qualitätsmerkmale. Gerade die Grafiken sorgen für eine hilfreiche Visualisierung und so für ein besseres ganzheitliches Verständnis der Prozesse und der Etappen/Elemente, aus denen sie sich zusammensetzen.
Das Inhaltsverzeichnis ist ein gutes Abbild auch zum inneren Zusammenhang der behandelten Materie, zum Ablauf der Prozesse und mehr. Deshalb empfehle ich dem interessierten Leser einen aufmerksamen Blick auf den folgenden Auszug, der alle wesentlichen Inhalte enthält.

Part 1: Process

Update
Created Threats
Resulting Drawbacks
Other Changes

Select
Move Scan
Candidate Moves
Move Selection

Verify
Reply Scan
Candidate Replies
Reply Evaluation

Check
Resulting Drawbacks
Other Changes
Overlooked Replies

Execute
Move
Clock
Notate

Prepare
Prophylaxis
Objectives
Plan

Full Example
Prepare
Update
Select
Verify
Check
Execute


Part 2: Potential Candidate Moves

Known Moves
Forcing Moves
Moves Meeting Threats
Pricipled and Thematic Moves
Pawn Breaks
Moves as Part of a Plan
Prophylactic Moves
Moves Creating Tactical Patterns
Moves Aimed at Imbalances


Part 3: Knowledge

Opening
Development
Board Control
The First Move Advantage
Specifics

Endgame
Pawns
Pieces
Turn
Phases

Imbalances
Nature
King
Pieces
Pawns
Board
Time

Combinations
Definition
Threats
Sinple Threats
Multiple Threats
Combination of Threats
Specifics

Attack
Area
Weakness
Power
Time
Breakthrough
Typical Attacks


Part 4: Skills

Calculation
Theory
Visualization
Termination
Pruning
Order

Evaluation
Dynamic Value
Static Value
Expectation
Uncertainty

Planning
Analysis
Synthesis
Formulation
Verification
Realization

Creativity

Time
Distribution
When Time is Running Out
The Big Think
Indeciviveness


Part 5: Preparation

Physical
Rest
Exercise
Food and Drink

Mental
Goal Visualization
Attitude

Training
Process
Knowledge
Skills

Opponent
Opening
Style
Strenghts and Weaknesses
Rating
Psychology

Failure
Calculation
Planning Time
Attitude
Knowlwdge

"Your Best Move" ist ein Werk, das Methodik vermittelt und so eine Anleitung zur Verbesserung des Denkens im Schach ist. Es hilft dem Spieler, seine Denkprozesse bewusster ablaufen zu lassen und so auf deren Verbesserung hinzuwirken.
Besonders geeignet ist "Your Best Move" für diejenigen Spieler, deren Leistungsvermögen im Schach ein noch zartes Pflänzchen ist, wobei ich mich schwertue, hier etwa eine Grenze nach FWZ, DWZ oder ELO zu ziehen. Aber auch der fortgeschrittene Spieler wird kaum befürchten müssen, seine Zeit zu verschwenden, wenn er mit diesem Buch arbeitet.
Eine ausdrückliche Empfehlung möchte ich in die Richtung der Schachtrainer abgeben. Gerade ihnen bietet das Werk Konzept und Material.
Ob Anfänger oder Fortgeschrittener - englische Sprachkenntnisse in etwa auf Schulniveau sollten vorhanden sein.

Fazit: "Your Best Move" ist ein etwas anderes Schachbuch, das ich mit den vorstehenden Schwerpunkten gut empfehlen kann.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Cutting Edge: Sicilian Najdorf 6.Le3

Milos Pavlovic
The Cutting Edge: Sicilian Najdorf 6.Le3
216 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-906552-58-9
21,99 Euro.




The Cutting Edge: Sicilian Najdorf 6.Le3
Abraham Lincoln, 1809-1865, US-amerikanischer Präsident, wird das folgende Zitat zugeschrieben: "Wenn ich acht Stunden Zeit hätte, einen Baum zu fällen, würde ich sechs Stunden die Axt schleifen." Was hat dieser wunderbare, jedoch nur allgemein auf die Vorbereitung einer Arbeit gemünzte Satz mit Schach zu tun? Sehr viel! Und dies gilt ganz besonders für das heutige Fernschach, und hier noch einmal gesteigert für das Spitzenfernschach. Nie zuvor war es so wichtig wie heute, gut aus der Eröffnung in die Fernpartie zu kommen. Ob der Spieler einen halben oder ganzen Punkt erringen kann, entscheidet sich im besonderen Maße auch danach, ob der Gegner nach der Eröffnungsphase auf Augenhöhe ist oder, im Gegenteil, aus einer nicht im Gleichgewicht befindlichen Position heraus trotz kräftiger Unterstützung seiner Engines den Nachteil nicht mehr ausgleichen kann. Der Eröffnungsvorteil ist die halbe Miete, aktuelle Spitzenliteratur ist der halbe Eröffnungsvorteil!

Neu auf dem Markt ist "Sicilian Najdorf 6.Le3" aus der Serie "The Cutting Edge" von Quality Chess. Diese Serie folgt dem Ziel, die wichtigsten Bereiche der Schachtheorie zu identifizieren und diese dann auf der Suche nach Verbesserungen so tief wie möglich zu analysieren. Mit dem vorliegenden Band gibt der Autor, GM Milos Pavlovic, dem Spieler einen Schleifstein der Spitzenklasse an die Hand, mit dem dieser sein Spiel in der Najdorf-Variante in der Sizilianischen Verteidigung nach dem Initialzug 6.Le3 sowohl mit Schwarz als auch mit Weiß zu einer scharfen Waffe macht. Das Werk ist so breit und tief und so ausführlich angelegt, dass es für die Themavariante in meinen Augen als das Maß aller Dinge angesehen werden kann. Es stellt den Stand der Theorie in den untersuchten Varianten umfassend dar und ist dabei natürlich voll auf der Höhe der Zeit. Eine ganze Reihe von Neuerungen bieten zudem auch dem "Najdorf-Experten" genügend Stoff, um dem Gegner geprüft Probleme zu stellen, die dieser mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zum ersten Mal sieht und sicher noch nicht auf dem Brett erlebt hat.

Statt des Inhaltsverzeichnisses bilde ich an dieser Stelle die einleitenden Züge aller 13 Kapitel ab, um dem Leser so die punktgenaue Einschätzung zu ermöglichen, ob auch sein Eröffnungsacker von diesem Werk bestellt wird. Die behandelten Zugfolgen sind nach 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le3 …

Kap. 1: 6…e6 7.f3 b5 8.Dd2 b4 9.Sa4 Sbd7
Kap. 2: 6…e6 7.f3 b5 8.g4 h6 9.Dd2 b4 10.Sce2 e5
Kap. 3: 6…e6 7.g4 e5 8.Sf5
Kap. 4: 6…e6 7.g4 h6 8.Lg2
Kap. 5: 6…e6 7.g4 h5 8.g5 Sg4 9.Lc1 Db6 10.h3 Se5 11.Sb3
Kap. 6: 6…e6 7.f3 b5 8.g4 h6 9.Dd2 Sbd7 10.0-0-0 Lb7 11.h4 b4 12.Sa4 Da5 13.b3 Sc5 14.a3
Kap. 7: 6…e6 7.f3 Sbd7 8.Dd2 b5 9.g4 Sb6 10.a4
Kap. 8: 5…Sc6 6.Le3 e6 7.Dd2 Le7 8.0-0-0 0-0 9.f3 d5 10.Le2!?
Kap. 9: 6…e5 7.Sf3
Kap.10: 6…e5 7.Sb3 Le6 8.f3 Le7 9.Dd2 0-0 10.0-0-0 Sbd7 11.g4 b5 12.g5 b4 13.Se2 Se8 14.f4 a5 15.f5
Kap.11: 6…e5: Linie mit 10…a5: 7.Sb3 Le7 8.f3 Le6 9.Dd2 0-0 10.0-0-0 a5
Kap.12: 6…e5 7.Sb3 Le6 8.f3 Sbd7 9.Dd2 h5
Kap.13: 6…e5: f2-f4 - Linien

Jedes Kapitel wird mit einer Binnenübersicht der Varianten eingeleitet. Zumeist finden sich auf dieser Seite auch mehrere kleine Diagramme, die eine besondere Stellung inmitten einer der nachfolgenden Theorieinhalte zeigen, z. B. nach einer Neuerung oder einem ausgezeichneten Zug. Diesen zusätzlichen smarten Service wird besonders der ausgewiesene Najdorf-Spezialist zu schätzen wissen, der mit einem Blick schon etwas mit der hervorgehobenen Brettstellung wird anfangen können.

Für den Spieler, der nicht aufgrund seiner besonderen Najdorf-Kenntnisse ganz gezielt einzelne Buchinhalte unmittelbar aufruft, habe ich einen Tipp zum Vorgehen, um sich beispielsweise zur Vorbereitung auf einen bestimmten Gegner oder auf der Suche nach einer neuen Spezialvariante, die ihm mehr als andere liegen dürfte, "erfolgsorientiert" im Werk zu bewegen. Gehen Sie über das Variantenverzeichnis am Ende des Buches in das Material und finden Sie so den Komplex, der die für Sie relevanten Inhalte - z. B. nach Ihren in einer Partie schon getätigten einleitenden Züge - hat. Hier suchen Sie zunächst die Variantenübersicht des Kapitels auf. Bevor Sie dann tiefer in das Material einsteigen, werfen Sie einen Blick in die wertende Zusammenfassung des Autors ("Conclusion"), die das Kapitel beendet. Die darin zu findenden Aussagen dürften so manchem Leser nicht selten bei der frühen Einschätzung helfen, ob gerade diese Variante die für ihn geeignete sein kann.

Für mich ist dieses Werk für jeden ambitionierten Fernschachspieler geeignet, grundsätzlich unabhängig von der Spielstärke, ausdrücklich aber auch für den Spitzenspieler. Seinen besonderen Wert dürfte es zusammen mit einer gut sortierten Datenbank entfalten; in diesem Zusammenspiel kann es die statistischen Ergebnisse der Datenbankauswertung erklären und begründen, indem es sie um die Werturteile und Hintergründe bereichert, die der Autor als erfahrener Großmeister und Kenner des Systems anzubieten hat.

Die Serie "The Cutting Edge" verdient eine besondere Aufmerksamkeit. Sie lässt für die Zukunft einiges hinsichtlich der noch folgenden Bände hoffen. Diese werden dann sowohl für sich allein genommen als auch im Gefüge der Reihe ihren Wert demonstrieren.
"Sicilian Najdorf 6.Le3" ist praktisch für jeden Najdorf-Interessenten, der über englische Sprachkenntnisse im Schulstandard verfügt, eine klare Kaufempfehlung.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

play the Dutch

Neil McDonald
play the Dutch
176 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-641-9
18,95 Euro.




play the Dutch
Das Angebot an Literatur zur Holländischen Verteidigung (1.d4 f5) ist in den vergangenen Jahren erheblich angewachsen. In diese Reihe gliedert sich "play the Dutch" von Neil McDonald ein, das 2010 von Everyman Chess auf den Markt gebracht worden ist. Es basiert auf der Leningrader Variante (1. d4 f5 2. c4 Sf6 3. g3 g6 4. Lg2 Lg7) und versteht sich als Repertoirebuch, doch übernimmt es in meinen Augen darüber hinaus auch eine Rolle als fundamentale Anleitung, wie die Abspiele aus dem Themabereich generell zu spielen sind.

Das verwendete Material ist ganz überwiegend neu und geht bis in das Jahr 2010 hinein. Deshalb gibt das Vorwort, dem das Datum "September 2008" beigestellt ist, Rätsel auf. Für mich ist die einzige Erklärung hierfür ein Druckfehler; hinsichtlich der Aktualität von "play the Dutch" ist das Datum unbeachtlich.

McDonald hat das Buch nach Szenarien organisiert, die sich daraus ergeben, was Weiß macht. Die aus beispielsweise "Weiß spielt (…)" oder "Weiß vermeidet (…)" resultierende Situation bildet dann die Basis der Erörterungen.

Sehr gut gefällt mir, wie McDonald ein Grundverständnis für die jeweilige Stellungsstruktur zu vermitteln versucht, einen roten Faden für deren angezeigte generelle Behandlung. "Was bedeutet es, wenn Weiß dieses oder jenes zieht, welche grundlegenden Konsequenzen ergeben sich daraus für die Stellungsstruktur, für deren Beurteilung in jedweder Hinsicht und für die eigene Partiebehandlung" ist dabei seine klare Linie. Im Ergebnis erfährt der Leser sehr viel über die strategischen Hintergründe und die grundlegenden Pläne, dem gegenüber erhält er nur wenige tiefschürfende Varianten. Letztere fehlen natürlich nicht völlig, nur prägen sie das Werk nicht.

Die insgesamt acht Kapitel tragen, sinngemäß übersetzt, die folgenden Überschriften:

1. Gambitlinien und frühe unübliche Abweichungen"
2. Weiß spielt 2.Sc3
3. Weiß spielt 2.Lg5
4. Weiß vermeidet ein frühes g2-g3 gegen einen Leningrader Aufbau
5. Seitenlinien in der Leningrader Variante
6. Die Hauptlinie in der Leningrader Variante: 7.Sc3 c6
7. Die Hauptlinie in der Leningrader Variante: 7.Sc3 Sc6
8. Holländisch gegen 1.Sf3 und 1.c4

Das Buch enthält 65 vollständige Partien, Fernpartien sind nicht darunter. Diese sind in einem Partienverzeichnis, das sich einem Variantenverzeichnis anschließt, am Buchende zusammengestellt.
"play the Dutch" ist, wie der Titel schon belegt, in Englisch verfasst. Es kann aber mit Sprachkenntnissen "im Schulstandard" problemlos genutzt werden.

Für wen ist dieses Werk ein Gewinn? "play the Dutch" richtet sich an den Schwarz-Spieler, der sich mit Verstand ein gesundes Repertoire mit Holländisch aufbauen möchte. Dies gilt nicht zuletzt für den Fernschachspieler. Dieser sollte dann auf das Werk vertrauen dürfen, wenn er ein zweites Standbein als Hilfsmittel für den Eröffnungseinsatz nutzen kann. Dies kann ein Buch sein, das möglichst viel Variantenwerk bietet, und/oder eine gut sortierte Partiendatenbank.
Vor allem in diesem Verbund ist "play the Dutch" ohne Zweifel für die Zielkunden ein eindeutiger Gewinn.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Prepare To Attack

Prepare To Attack
192 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-650-0
19,95 Euro.




Prepare To Attack
In seinem Buch "Prepare To Attack", 2010 bei Everyman Chess erschienen, versucht der Autor Gary Lane, Internationaler Meister aus Australien, dem Leser Anleitung zu geben und Hilfestellung zu leisten, um dessen Angriffsspiel zu verbessern. Anhand von 50 vollständigen Partien und einigen Fragmenten stellt er Methoden vor, die dem Spieler helfen sollen, in der Praxis die Reife einer Partie für einen Angriff, Bedarf und Voraussetzungen für bestimmte Maßnahmen zur Einleitung oder Fortsetzung des Angriffs oder auch für das "Einfahren der Miete" zu erkennen. Die gute oder auch mal weniger gute Umsetzung des jeweiligen Gegenstandes des Interesses in den gewählten Beispielpartien dienen Lane dann als Basis für weitere Erörterungen. Die verwendeten Partien entstammen der Meisterpraxis und wurden ganz überwiegend in der jüngsten Vergangenheit, bis ins Jahr 2010 hinein, gespielt.

Nach meiner Einschätzung richtet sich das Werk vor allem an den noch unerfahrenen Spieler. Dies mache ich an den vorgestellten Methoden selbst fest wie auch an der Eingängigkeit der thematisierten Partiesituationen. Aus der Sicht des Fernschachs ist die Mehrzahl der Methoden auch hier hilfreich, ausnahmsweise aber dürften sie in unserer Zeit der Unterstützung durch Engines weniger Aussicht auf Erfolg in sich tragen als im Nahschach. Ein Blick auf die - hier sinngemäß übersetzten - Buchkapitel, von denen es sieben gibt, dürfte die voran stehenden Einschätzungen unterstützen:

1. Die Figuren zählen (die Zahl der Steine, die dem Angreifer zur Verfügung stehen, wird durch Zählen ermittelt und mit der Zahl der bereit stehenden Verteidiger verglichen; ob der Angriff durchschlagen wird, soll auf diesem Wege (besser) eingeschätzt werden).
2. Weiter im Angriff (ausgehend von fünf Regeln wie "ein Angriff mit Bauern ist für den Spieler von Vorteil, der die Initiative erringt" stellt Lane dar, wie ein Angriff forciert werden kann, insbesondere über ein Vorrücken von Bauern).
3. Direkte Angriffe aus der Eröffnung heraus (hier geht es u.a. um allgemeine Eröffnungsprinzipien, um schnellstmöglich zu Angriff zu kommen, beispielsweise um die schnelle Figurenentwicklung und um das Gambitspiel.
4. Geheimnisse des Erfolges (einen gegnerischen Zug vorhersehen, um dann einen eigenen (vernünftigen) Zug zu machen, der den Gegner im falschen Glauben zum eigenen Vorhaben lässt, und ihm dabei eine Falle zu stellen, steht hier im Vordergrund).
5. Die Miete einfahren (soll man den Angriff fortsetzen oder das, was man bis jetzt erreicht hat, sichern und "kontrolliert" den Sieg zu erringen versuchen?).
6. Geschichte wiederholt sich (bekannte Motive, Kombinationen etc. können durch Erinnerung zum erfolgreichen Angriff beitragen).
7. Verschiedene Tricks (Umgang mit Zeitnot, verpassten Chancen etc.).

Ein Eröffnungs- und ein Spielerverzeichnis schließen das Werk ab.
Es kam einige Male vor, dass ich beim Vorbereiten der Rezension ein Wörterbuch zur Hand nehmen musste, da mir von Lane verwendete Vokabeln nicht bekannt waren. Mit diesem Hilfsmittel aber war das in Englisch verfasste Werk ohne große Probleme zu verstehen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

the Sniper

Charlie Storey
the Sniper
175 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-643-2
19,95 Euro.




the Sniper
"the sniper" von FM Charlie Storey, erschienen 2011 bei Everyman Chess, behandelt ein Eröffnungssystem, dass von Schwarz universell gegen so gut wie alle weißen Eröffnungszüge eingesetzt werden können soll, besonders gegen 1.e4 und 1.d4. Es basiert auf den obligatorischen Zügen …g6, …Lg7 und …c5, die in ihrer reinen Form ("the pure sniper") als erstes erwidert werden.

Ich fange mal dem dem an, was mir nicht gefällt, auch wenn es wenig mit dem Kern des Buches, der eröffnungstheoretischen Behandlung zu tun hat. Storey vergleicht das System mit Soldaten und bezieht seine Leser mit ein, indem er sie als "Sniper-Gefolgsleute" ebenfalls dazu macht. Es ist sicher eine besondere Art von Humor, den Lesern zunächst das Lesen der Einleitung zu befehlen, aber nicht jedermanns Sache. Auch stelle ich mir die Frage, ob man ein Eröffnungssystem im Schach wirklich als "sniper" benennen muss, was in seiner ursprünglichen Übersetzung "Heckenschütze" heißt.

Aber nun genug mit dem formellen Drumherum und in medias res!
Das System kann zu sehr eigenständigen Stellungen führen, in denen sich, nicht zuletzt auch im Fernschach, sicher viel Neues entdecken lässt. Der Weißspieler, der nicht mit ihm vertraut ist, wird dem Schwarzen und dessen Kenntnisvorsprung früh auf seine eigenen Fähigkeiten gestützt begegnen müssen. Wie der erfahrene Spieler aber sicher schon aus den genannten Initialzügen erkannt haben wird, kann das Spiel oft in bekannte Systeme übergehen. Die Drachenvariante in der Sizilianischen Verteidigung, der beschleunigte Drachen, Königsindisch und auch das Wolga-Benkö-Gambit sind hier an vorderer Stelle zu nennen, die Aufzählung ist aber nicht abschließend.

Storey hat das Material insgesamt sieben Buchkapiteln zugeordnet, die er entsprechend der jeweils typischen Entscheidungs- und Fortsetzungsalternativen von Weiß herausgearbeitet hat, als Reaktion des Nachziehenden auf die weiße Vorgabe. So werden beispielsweise die Alternativen nach 3.Sc3 c5 (Kapitel 1), 3.Sf3 c5 (Kapitel 2) oder der weiße Versuch, das Zentrum mit 3.f4 anzugehen (Kapitel 4), eigenständig behandelt.

Storey stellt das System, das er auch selbst und mit gutem Erfolg in der Praxis anwendet, anhand von gespielten Partien vor. In der Kommentierung überwiegen die Textpassagen ganz eindeutig gegenüber den Zuganalysen, die man passagenweise sogar als selten eingebracht bezeichnen kann. Dies belegt, dass es dem Autor darum geht, dem Leser grundlegende Fähigkeiten zu vermitteln, einen generalisierenden Überblick zu geben und auch das Gefühl des Lesers zu entwickeln oder zu schärfen, damit er nach Strukturen in der eigenen Partie entscheiden kann. "the sniper" fördert Verständnis und Intuition und vermeidet Variantenketten, könnte man sagen, um diesen Wert des Buches auf den Punkt zu bringen.

Mir ist kein Werk bekannt, das sich in dieser oder in einer ähnlichen Weise mit der oben genannten Initialzugfolge als universelles Eröffnungssystem beschäftigt, also quasi als "System aus allen Lagen". Insofern möchte ich "the sniper" ein Alleinstellungsmerkmal verleihen.
Es ist in Englisch geschrieben, aber leicht verständlich. Das Partienverzeichnis umfasst 70 Beispiele, eine Fernpartie ist nicht dabei. Ein ordentliches Variantenverzeichnis hilft dem Leser bei der Orientierung im Buch.

Wem kann ich dieses Buch zum Kauf empfehlen?
1. Demjenigen, der ohne breite Theoriekenntnisse der eigenen Partie den Eröffnungsstempel aufdrücken möchte.
2. Dem an Neuland interessierten Spieler.
3. Dem Spieler, der über Transposition aus dem "sniper-" System die Partie in ein anderes System, das sonst schwerer zu erreichen wäre, lenken möchte.
4. Dem Spieler, der mit Schwarz den Gegenüber frühzeitig aus der Theorie zwingen möchte.

Das Buch ist gut und wäre ohne die "militärischen Anleihen" gewiss nicht schlechter gewesen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

the Blackmar-Diemer gambit

Christoph Scheerer
the Blackmar-Diemer gambit
336 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-598-5
20,75 Euro.




the Blackmar-Diemer gambit
Sehr zur Freude der "Blackmar-Diemer-Gemeinde" dürfte eine Neuerscheinung bei Everyman Chess reichen: "the Blackmar-Diemer gambit" von Christoph Scheerer. Aber auch für die Spielerinnen und Spieler, die nicht der "echten" BDG-Gemeinde angehören, ist dieses Werk ganz sicher ein Gewinn.

Auf insgesamt 336 Seiten führt Scheerer, deutscher IM mit der aktuellen FIDE-ELO von 2422, den Leser durch das Material, das er in 13 Kapitel mit den folgenden Überschriften (übersetzt) unterteilt hat:

1. Lemberger Gegengambit (3…e5)
2. Seltene 3. Züge für Schwarz
3. Seltene 4. Züge für Schwarz
4. Langeheinicke-Verteidigung (4…e3)
5. O´ Kelly-Verteidigung (4…c6)
6. Wiener Verteidigung (4…Lf5)
7. Seltene 5. Züge für Schwarz
8. Euwe-Verteidigung (5…e6)
9. Bogoljubow-Verteidigung (5…g6)
10. Gunderam-Verteidigung (5…Lf5)
11. Teichmann-Verteidigung (5…Lg4)
12. Ziegler-Verteidigung (5…c6)
13. Indische Systeme: Das Hübsch-Gambit.

Scheerer gibt sich Mühe, jeweils die wesentlichen Hauptlinien wie auch die Möglichkeiten in Abweichungen nicht nur darzustellen, sondern auch hinsichtlich ihrer vorderrangigen Merkmale, Anforderungen an die Partieentwicklung, taktischen Besonderheiten etc. zu beleuchten. Die Kapitel werden zunächst kurz eingeführt, wobei bereits wesentliche Aspekte angesprochen werden, bevor die Behandlung weiter in die Tiefe geht. Dabei hat Scheerer den Weg gewählt, sich nicht gespielter Partien als Grundgerüst zu bedienen, sondern eine komplette Darstellung an einer von ihm auserkorenen Hauptlinie vorzunehmen und sich den von diesem "roten Faden" abweichenden Alternativen als Nebenvarianten zu widmen. Die oben schon erwähnten Erläuterungen zu den Systemen fallen regelmäßig knapp aus, sind in meinen Augen aber ausreichend und auf jeden Fall erfreulich präzise. Den Abschluss der Kapitel bildet jeweils eine wertende Zusammenfassung, in der Scheerer die Inhalte der Darstellungen noch einmal auf den Punkt bringt.

Beim Durcharbeiten des Buches drängt sich der Eindruck auf, dass das BDG ganz besonders auch eine unter Fernschachspielern beliebte Eröffnung ist. Es wimmelt nur so von Fragmenten aus Fernpartien. Weiter drängt sich auch der Eindruck auf, dass die Eröffnung in Deutschland ihre Hochburg hat. Sehr viele Spieler stammen aus Deutschland und sind als Mitglied des Deutschen Fernschachbundes e.V. bekannt. Ich sehe mich beinahe zur - zugegeben etwas überzogenen - Einschätzung veranlasst, dass jeder, der im deutschen Fernschach schon einmal eine BDG-Partie gespielt hat, seinen Namen mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit im Buch findet. Und wer dabei sogar schon mal gegen Peter Leisebein gespielt hat, hat kaum eine Chance, seinen Namen nicht zu finden!
Peter Leisebein hat sich in den vergangenen Jahren sehr um das BDG verdient gemacht und dabei so manche Möglichkeit in praktischen Partien getestet. "the Blackmar-Diemer gambit" trägt dem Rechnung, indem eben viele Fragmente Peter Leisebein als einen der beiden beteiligten Spieler zeigen.

Die Bibliografie ist ungewöhnlich umfangreich. Sie enthält jüngere Artikel, ältere und junge Bücher, die sich (auch) dem BDG gewidmet haben, Periodika und Websites und nicht zuletzt CDs, DVDs und Datenbanken. Gerade auf die letztgenannten Quellen dürfte sich Scheerer besonders gestützt haben, weil diese über den mehrfach erscheinenden Namen des hierfür Verantwortlichen Peter Leisebein die Verbindung zu weiten Passagen des Buches aufzeigen.

Das obligatorische Variantenverzeichnis am Buchende ist kurz gehalten, in der Systematik des Buches aber ausreichend.

Mein Fazit ist: Für den BDG-Fan ist "the Blackmar-Diemer gambit" ein absolutes Muss, für alle anderen Schachspieler auf jeden Fall auch ein Gewinn! "the Blackmar-Diemer gambit" sollte ein echter Kandidat für eine spätere Übersetzung ins Deutsche sein!


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Gambit Files

Bill Harvey
The Gambit Files
155 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-9362771-1-7
13,95 Euro.




The Gambit Files
Eine interessante Buchidee hat der Amerikaner Bill Harvey mit seinem Werk "The Gambit Files", Untertitel "Tactical Themes to Sharpen Your Play" umgesetzt. In 15 Kapiteln stellt er 15 mehr oder weniger bekannte und gängige Gambits vor, macht den Leser über mehrere Diagramme und daran vorgestellte Zugfolgen auf jeweils typische Wendungen aufmerksam und nimmt ihn dann in die "Pflicht", durch das Lösen von gestellten Diagrammaufgaben eigenes Gehirnschmalz zu investieren. Einerseits wird durch diese Aufgaben das Auge auf der Suche nach typischen Aktionen geschult, andererseits vermitteln diese auch etwas vom Wesen des gerade behandelten Gambits. Folgende Gambits sind, in der Reihenfolge der Kapitel, im Buch enthalten:
Lisitsin-Gambit, Skandinavisch (Portugiesisches Gambit), Caro-Kann (Fantasy-Variante), Sizilianisches Flügelgambit, Tal-Gambit im Grand-Prix-Angriff, Milner-Barry-Gambit in der Französischen Verteidigung, Rosentreter-Gambit (Königsgambit), Cochrane-Gambit (Russische Verteidigung), Schottisches Gambit, Gajewski-Gambit (Spanische Partie), Albins Gegengambit, Winawer-Gegengambit (Damengambit), Geller-Gambit (Damengambit), Blumenfeld-Gambit und Polugajewski-Variante in der Damenindischen Verteidigung.

Im Anschluss an diese Kapitel schließen die Lösungen der oben genannten Aufgaben das Werk ab.

Mehr als ein ernstes Werk zur Theorie- und Taktikschulung ist "The Gambit Files" ein gelungener Beitrag zur Schachunterhaltung. Erlernen im engeren Sinne kann man eine Gambiteröffnung hiermit nicht. Auf eine solche scharfe Waffe aufmerksam werden aber kann man hierdurch sehr wohl. Auch kann das Buch dem Spieler, der mindestens eines der behandelten Gambits bereits im Repertoire hat, zusätzlichen Stoff geben. Jeden Leser aber kann es unterhalten.

Aus meiner Sicht ist "The Gambit Files" ein hervorragender Urlaubsbegleiter oder die Lektüre zum geruhsamen Feierabend oder Wochenende. Ein Kapitel am Tag dürfte regelmäßig zu schaffen sein; ausnahmsweise aber kann dieses Pensum, wenn der Autor dem Leser eine besonders stattliche Zahl an Aufgaben stellt, zu ehrgeizig sein.

Die Anforderungen an die englischen Sprachkenntnisse des Lesers sind niedrig, die ohnehin nur kurzen Texte sind einfach geschrieben und kommen weitgehend mit Standardvokabeln aus.

"The Gambit Files" ist eine Bereicherung am Büchermarkt!


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Play the Najdorf Sicilian

James Rizzitano
Play the Najdorf Sicilian
143 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-906454-16-6
13,20 Euro.




Play the Najdorf Sicilian
"Play the Najdorf Sicilian" von James Rizzitano und aus dem Hause Gambit Publications Ltd. läuft ein wenig Gefahr, im Reigen der 2010 erschienenen Sizilianisch-Bücher übersehen zu werden, was äußerst schade wäre. Denn schon zu Beginn dieser Rezension kann ich verraten, dass dieses Werk in meinen Augen eine klare Empfehlung ist.

Rizzitano befasst sich mit der Najdorf-Variante in der Sizilianischen Verteidigung (ECO B90/99), also mit den Eröffnungszügen 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6. Er setzt den Schwerpunkt auf diejenigen Abspiele, in denen Schwarz in traditionellen Linien …e5 spielt, und spart nur diejenigen aus, in denen …e5 als Fehler gilt (beispielsweise nach 6.Lc4 oder 6.Lg5). Das dabei aus der Sicht sowohl von Schwarz als auch von Weiß vorgestellte Repertoire versteht der Autor als Anleitung für den Spieler.

Über die Inhalte eines herkömmlichen Repertoirebuches hinaus weiht Rizzitano den Leser zunächst in grundlegende Aspekte und Prinzipien des Eröffnungskomplexes ein. Im Rahmen der Einführung gibt er einen Ausblick auf die weiteren Kapitel und deren spezielle Inhalte. Dem schließt sich der Abschnitt "Typical Najdorf Themes" an. Mittels Diagrammstellungen, die aktuellen Partien entnommen sind, demonstriert Rizzitano typische Problemstellungen und die Art und Weise, diese zu lösen, in folgender Reihenfolge: Timing, Gegenangriff, Figurenaktivität, Angriff gegen schwache Bauern, Um Raum kämpfen, Vereinfachung, Qualitätsopfer auf c3, Angriff auf dem Damenflügel, Angriff auf dem Königsflügel und Durchbruch im Zentrum.
Der Einführung folgen 11 weitere Kapitel mit dem theoretischen Material. Diese Kapitel tragen die folgenden Überschriften:
1 Fischer-Angriff: 6.Lc4
2 6.f3 Db6 und 6.Lc3 Sg4
3 6.Le3 e5 und der Englische Angriff
4 Fianchetto-Variante: 6. g3
5 Klassische Variante: 6.Le2 e5
6 Das aggressive 6.f4
7 Gelfand-Variante: 6.Lg5 e6 7.f4 Sbd7
8 Kasparow-Variante: 6.Lg5 e6 7.f4 Dc7
9 Vergifteter Bauer- und Polugajwski-Variante
10 Hauptlinie: 6.Lg5 e6 7.f4 Le7
11 Weiße Alternativen im 6. Zug.

Die einzelnen Kapitel werden mit allgemeinen Aspekten des jeweiligen Abspiels eingeleitet. Neben der Darstellung der jeweils zentralen Ideen wird das Wesentliche der folgenden Partien angekündigt, mittels derer er die theoretische Erörterung ordnet. Damit ist auch das Kernelement im Aufbau des Buches beschrieben. Rizzitano hat sein Werk vollständig auf aktuellen Partien der Meisterpraxis aufgebaut, die somit die Grundlage aller Ausführungen bilden.
Mit seinem Ausblick auf die Partien eines Kapitels und deren "Knackpunkte" erlaubt der Autor seinen Lesern, bereits entsprechend vorbereitet in die Darstellungen zu gehen und auf markante Aspekte zu achten.
Die Partien sind so gewählt und werden so um Kommentare erweitert, dass damit das gesamte Spektrum der Theorie - in den selbst gesetzten Grenzen - abgedeckt wird, die erforderliche Tiefe und Breite des Repertoires also erreicht wird. Die in die Kommentierung eingefassten Varianten sind teilweise so detailliert, wie man dies eher von einer systematischen Volldarstellung einer Eröffnung, einem Monolog u.ä. kennt. Dies sehe ich im vorliegenden Fall aber als klares Qualitätsmerkmal an, denn einerseits habe ich an keiner Stelle das Gefühl einer unangemessenen Behandlung von vielleicht sogar weniger wichtigen Abzweigen bekommen und andererseits steigert diese Umsetzung den Wert des Werkes im Sinne eines kleinen Handbuches.

Positiv fällt das Anliegen des Autors auf, dem Spieler beständig die für das System bekannten besonderen Möglichkeiten, Gefahren etc. vor Augen zu halten, ihn somit u.a. für die in der Einführung vorgestellten "Typischen Themen" zu sensibilisieren. In einem Beispiel sieht das so aus, dass Rizzitano in der entsprechend "nahen" Stellung deutlich darauf hinweist, dass - hier Schwarz - immer mit einem Figurenopfer auf e6 rechnen muss. Solche typischen Wendungen wie hier ein Einschlag auf e6 überraschen den sorglosen Spieler, ein auf diese weiße Option aufmerksam gemachter Leser ist vorbereitet und bezieht sie in seine Überlegungen während der eigenen praktischen Partie mit ein. Er ist dieser Gefahr quasi gewärtig, wenn die Stellung "danach riecht".

Das Werk ist absolut auf der Zeit der Theorie. Dies bestätigt auch die Bibliografie, die das aktuelle "Who-Is-Who" der Najdorf-Variante enthält.

"Play the Najdorf Sicilian" ist ein Gewinn nicht zuletzt auch für den Fernschachspieler. Das Buch gibt einerseits den vom Autor beabsichtigten roten Faden und ist andererseits aufgrund seiner Detaillierung in der Variante auch für ein gezieltes Nachschlagen geeignet, und dies besonders vor dem Hintergrund, dass der Spieler nicht nur schlicht einen "Theorievorschlag" sucht, sondern auch dessen Einbettung in die wesentlichen Merkmale des Systems mit der Beschreibung der wesentlichen Ideen haben will.

Einen besonderen Wert dürfte das Buch im Zusammenwirken mit einer Partiendatenbank entfalten, weil es deren "statistische" Daten um das schachliche Knowhow dahinter ergänzt. Unter diesem Aspekt kann es ganz besonders zur qualifizierten Vorbereitung und Begleitung der eigenen Partie beitragen und auch dabei helfen, sich vorab auf einen bestimmten Gegner mit "Najdorf-Affinität" vorzubereiten.
Ein ordentliches Variantenverzeichnis als abschließender Inhalt hilft bei der jederzeitigen Orientierung im Stoff.

Das in Englisch verfasste Werk kann grundsätzlich mit schulenglischen Sprachkenntnissen genügend verstanden werden. Den Rest verrichtet ein Wörterbuch.

Mit einem Preis von 13,20 Euro wird es vergleichsweise günstig angeboten. So ist es dem Spieler möglich, sich ein wirklich empfehlenswertes Werk zu verschaffen, ohne allzu tief in die Tasche greifen zu müssen.

"Play the Najdorf Sicilian" ist, wie schon einleitend aufgezeigt, eine klare Kaufempfehlung.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

a ferocious opening repertoire

Cyrus Lakdawala
a ferocious opening repertoire
304 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-661-6
14,95 Euro.




a ferocious opening repertoire
"a ferocious opening repertoire" von Cyrus Lakdawala Everyman Chess 2010, offeriert dem Weißspieler eine Universalwaffe gegen alle wichtigen schwarzen Eröffnungswege, das Veresov-System. Dieses basiert auf den einleitenden weißen Zügen d4, Sc3 und Lg5 und wird vom Autor als "scharf" eingeschätzt, womit das im Titel verwendete Wort "ferocious" wohl am besten übersetzt werden dürfte.
Die 11 Buchtitel tragen - in Übersetzung - die Überschriften

1. Veresov mit 3…Sbd7 4.f3!? (Anmerkung: nach 1.d4 Sf6 2.Sc3 d5 3.Lg5 Sbd7)
2. Veresov mit 3…Sbd7 4.Dd3
3. Veresov: Andere Verteidigungen
4. Veresov gegen Französisch: Linien mit …Sf6
5. Veresov gegen Französisch: Linien ohne …Sf6
6. 1.d4 d5 2.Sc3: Alternativen im zweiten Zug
7. Veresov gegen Caro-Kann
8. Veresov gegen Holländisch
9. Moderne Verteidigung, Pirc und Philidor
10. Schmid-Benoni und Tschechisches Benoni
11. 1…Sc6 und Owen-Verteidigung.

Lakdawala führt den Leser über insgesamt 105 Partien in das System ein, wobei jedes Kapitel kurz eingeleitet wird. Am Ende jeder Partie gibt es eine kurze wertende Zusammenfassung ("Summary"), die aber nicht immer "ernst" als "Merksatz" zu verstehen ist. Vielmehr bringt sie das Gesehene noch einmal auf den Punkt oder gibt einen irgend gearteten Hinweis.

Die Art und Weise, in der Lakdawala erklärt, veranschaulicht und herausstellt, gefällt mir ausgesprochen gut. Man fühlt sich auf seinem Weg mitgenommen, da er kontinuierlich den Leser in das einweiht, was er als maßgeblichen Plan sieht, welche taktischen Motive zu beachten sind, warum etwas gut oder schlecht ist usw. Dementsprechend liegt der Schwerpunkt der Kommentierung auf Textaussagen, was aber nicht heißt, dass es an Varianten mangeln könnte. Diese beschränken sich auf das Wesentliche - der Leser soll das System erlernen im Sinne von begreifen, nicht im Sinne von Varianten-Pauken.
Dies soll auch ein wichtiger Hinweis für den Fernschachspieler sein. Er kann "a ferocious opening repertoire" weniger als Nachschlagewerk für konkrete Züge und Varianten verwenden, mehr als "Anleitung zum roten Faden" in der eignen Partie. In meinen Augen erlangt das Werk im Fernschachspiel im Verbund mit einer gut sortierten Partiendatenbank die größte Wirkung.

"a ferocious opening repertoire" ist erfrischend geschrieben, einige Passagen erinnern sogar an eine nette Plauderei. Schulenglisch reicht weitgehend aus, um gut mit dem Werk arbeiten zu können.
Ein genügend detailliertes Variantenverzeichnis sowie ein Partienverzeichnis machen den Abschluss. Drei Partien übrigens sind "echte" Fernschachpartien.

Wer eine Universalwaffe sucht, wenig Zeit in das Studieren von Eröffnungen aufwenden kann oder will und den Gegner mit einem scharfen und nicht alltäglichen System überraschen möchte, ist mit "a ferocious opening repertoire" bestens bedient.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Improving Annotator, From Beginner to Master

Dan Heisman
The Improving Annotator, From Beginner to Master
227 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-9362770-4-9
14,95 Euro.




The Improving Annotator, From Beginner to Master
"The Improving Annotator, From Beginner to Master" ist ein Werk, das sich einem speziellen Aspekt aus der Welt des Schachs widmet. Dan Heisman, der Autor, ist ein erfahrener Schachmeister, -autor und -trainer. In seinem 2010 bei Mongoose Press erschienenen Buch zeigt er auf, warum man seine eigenen Partien kommentieren sollte und wie man es macht. Die Kommentierung soll dem Spieler helfen. Seine Spielstärke zu steigern. Allerdings vergisst Heisman nicht zu erwähnen, dass Partien auch zur Unterhaltung wie auch aus geschichtlichen Gründen kommentiert werden.

Das von ihm vermittelte Handwerkszeug ist gut geeignet, um auch den weniger erfahrenen Spieler in die Kommentierung einzuführen. Er beschreibt das Vorgehen wie auch die einzelnen Schritte und geht zudem speziell auf den Einsatz von Schachprogrammen zur Unterstützung ein. Zum Beispiel aus dem handwerklichen Bereich oder zur Kfz-Technik sind wohl jedem schon einmal Bücher in die Hand gelangt, die sich der Darstellung "wie man es macht" widmen. Vom Fliesenlegen im heimischen Bad bis zum Ölwechsel beim eigenen Auto - es gibt fast nichts, wofür die Literatur keine Anleitung bereit hält. Und exakt in diesen Sektor fällt"The Improving Annotator, From Beginner to Master", nur eben nicht zum Fliesenlegen oder Ölwechsel, sondern für die Kommentierung von Schachpartien.

Der theoretischen Einführung schließt sich die Darstellung von 28 Partien an, die Heisman in 40 Jahren seiner Karriere gespielt und kommentiert hat. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Hauptteil des Werkes als "Praktikum" für den Leser fungieren kann und muss diese Frage deshalb dem Urteil jedes Lesers für sich selbst überlassen. Auf jeden Fall aber hat Heisman in diesen Partien das umgesetzt, was er zuvor theoretisch dargestellt hat, und vermag den Leser damit zu unterhalten. Auch wird in der Folge der Partien eine zunehmende Qualifizierung erkennbar, die auch den Weg des Lesers - von einfachen Anfängen bis zur tieferen Analyse - vorzeichnen kann.

Heisman hat seine Partien grundsätzlich in der damaligen Fassung belassen, auch wenn er sie mit Rybka überprüft hat. Soweit es ihm geboten erschien, hat er Ergebnisse von Rybka eingefügt, aber speziell gekennzeichnet. Zwei Partien hat er daneben auch noch einmal neu mit Rybka analysiert und kommentiert. Das Ergebnis eröffnet einen interessanten Vergleich zum "Produkt aus rein menschlichem Denken".
Ergänzt wird der Partienteil um zwei Fragmente, die ich der Vollständigkeit halber nicht vergessen möchte.

Vertieft gewidmet habe ich mich der Partie 25, die mit "Playing Postal Chess With Computer Help" überschrieben ist. Auch wenn Heisman sich für ein Engineverbot im Postfernschach ausspricht, was man inhaltlich dann wohl auf jede Form des Fernschachs bezogen sehen muss, und damit die allgemeine Ausgangssituation im offiziellen Weltfernschach nicht gedeckt wird, ergeben sich für das Spiel mit Engineeinsatz ein paar zusätzliche interessante Hinweise und Aspekte. Sie sind auf jeden Fall gut geeignet, der Computerhörigkeit im Fernschach zumindest dann eine Absage zu erteilen, wenn der Spieler den Status des Anfängers hinter sich gelassen hat.

Wie der Titel schon zeigt, ist "The Improving Annotator, From Beginner to Master" ein englischsprachiges Werk. Es ist verständlich geschrieben, so dass es mit Schulenglisch genutzt werden kann.
Es ist in meinen Augen auch eine Anleitung und ein Ratgeber, besonders aber der Unterhaltung dienend. Über einen nochmaligen und abschließenden Rückgriff auf den Vergleich mit dem Fliesenleger im Baderzimmer zeigt sich "The Improving Annotator, From Beginner to Master" wie folgt: Erst wird genau geschrieben, wie man Fliesen legt, und dann werden 28 Badezimmer von damals bis heute gezeigt, um sich an deren Gesamtbild wie auch an den verlegten Fliesen im Speziellen zu erfreuen und auch ein wenig aus diesen Beispielen zusätzlich zu lernen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Gambit Busters

Sam Collins
Gambit Busters
207 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-642-5
19,95 Euro.




Gambit Busters
"Gambit Busters" vom irischen IM Sam Collins, Everyman Chess 2010, nimmt sich des Spielers an, der vom Gegner ein Gambit vorgesetzt bekommt. "Meisterlich gegen Gambits spielen" ist die, zugegebenermaßen sehr freie, Übersetzung des Buchtitels, die aber die Intention des Werkes gut vermitteln dürfte. Unabhängig davon, welche Seite in der Partie ein Gambit spielt, will das Buch die Fähigkeiten des gegen ein Gambit antretenden Kontrahenten fördern. Dieser Ansatz ist sehr global, denn es sollen nicht die besten Wege, Varianten etc. in bestimmten Gambiteröffnungen dargestellt werden, wie es für ein Buch zur Eröffnungstheorie gelten würde, wie man also gerade gegen dieses oder jenes Gambit bestehen kann. Vielmehr geht es um die allgemeinen Prinzipien, die universell und teilweise auch mit einem psychologischen Hintergrund im Spiel gegen Gambits beachtet werden sollten. Collins geht diesem Anspruch in insgesamt 14 Kapiteln nach, die folgende Überschriften tragen (sinngemäß unter Beiziehung der jeweils konkreten Kapitelinhalte übersetzt):

Die Angst
Historische Entwicklung
Der Plan
Romantische Varianten harsch behandeln
Der defensiven Haltung entkommen
Gambits den Schneid nehmen
"Für etwas leiden"
Korschnoi und Karpov
Profil eines Bauer-Schnappers
Gegenangriff!
Weitere Themen
Gambit-Eröffnungen
Irrationale Stellungen
Moderne Gambitbeispiele.

Die Basis aller Darstellungen bilden Gambitpartien, die vom Autor, vor allem aber von anderen gespielt worden sind. Diese Partien stammen aus allen Epochen bis in unsere Tage.
Die Kommentierung dieser Partien ist deskriptiv gehalten, nur in seltenen Ausnahmen gehen Varianten in weite Verzweigungen. Die Anmerkungen reduzieren sich nicht auf das, was im Sinne der Intention des Werkes zu sagen ist, vielmehr ergänzen diese Aspekte die jeweilige "Vollkommentierung".
Im Anschluss an die Partien zieht der Autor Rückschlüsse aus ihnen, die teilweise den Charakter von Merksätzen annehmen. Diese sind allerdings überwiegend sehr allgemein gehalten und dürften dem erfahrenen Spieler bekannt sein. Dem entsprechend ordne ich "Gambit Busters" der Zielgruppe der Spieler mit einer DWZ von maximal 1800 zu, soweit es um die schulenden Inhalte geht. Für Spieler oberhalb dieses Leistungsspektrums hält das Buch die schon erwähnten, sehr unterhaltsam kommentierten Partien bereit, 73 an der Zahl.

Ein Eröffnungs- und ein Partienindex schließen das Werk ab.
Aufgefallen ist mir, dass mir eine ganze Reihe englischer Vokabeln nicht bekannt war, so dass ich immer wieder mal auf ein Wörterbuch zurückgreifen musste. Die Anforderungen an die Englischkenntnisse sind insgesamt aber mit Schulsprachkenntnissen durchaus zu meistern.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Skandinavisch (aus der starting out-Reihe)

Jovanka Houska
Skandinavisch (aus der starting out-Reihe)
336 Seiten, gebunden, 1. deutsche Auflage 2010
ISBN: 978-3-942383-05-9
24,95 Euro.




Skandinavisch (aus der starting out-Reihe)
"Skandinavisch" aus der Feder der englischen Spitzenspielerin Jovanka Houska ist ein weiteres Buch von Everyman Chess, das aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt worden ist. Anders als die 2009 erschienene Originalausgabe ist die deutsche Ausgabe, die über die Firma Schach E. Niggemann vertrieben wird, mit einem festen Einband versehen. In dieser gebundenen Form hat man sofort das Gefühl, ein "besseres Buch" in der Hand zu halten.
"Skandinavisch" ist eine weit angelegte Darstellung der Hauptlinien in der Skandinavischen Verteidigung. Sie widmet sich den Zugfolgen 1.e4 d5 2.exd5 Dxd5 und 2...Sf6 sowie - kurz - weißen Abweichungen im 2. Zug. Rund ein Dreiviertel des Inhaltes befasst sich mit 2...Dxd5.

Das Buch hat einen starken Teil, jenen zu 2...Dxd5, und einen zweiten, den ich aufgrund der inhaltlichen Zusammenstellung und auch der einen oder anderen Stellungseinschätzung als etwas schwächer ansehe. Zu 2...Sf6 habe ich ein "echtes Heimspiel", als Autor eines inzwischen vergriffenen eigenen Werkes zu 1.e4 d5 2.exd5 Sf6 bin ich noch eng mit dem Variantenwerk vertraut.

Zu 2...Dxd5:
Zunächst werden die grundsätzlichsten Belange der Eröffnung dargestellt, jene positioneller Art, Ideen, Pläne und wesentliche Merkmale der Bauernstrukturen. In neun Folgekapiteln werden dann die verschiedenen Abspiele untersucht. Den Abschluss bildet das 10. Kapitel, welches Alternativen des Weißen im 3. Zug aufzeigt, in Abweichung von den zuvor behandelten Hauptlinien.
Das Material ist aktuell und wird auf verständliche Weise aufbereitet. Die Autorin spart nicht mit Anmerkungen, die einen Blick hinter die Kulissen der Züge werfen. Analysen zu einzelnen Zügen werden bei Bedarf ausgeweitet und können auch schon mal den Raum einer halben Buchseite einnehmen.

Zu 2...Dxd5 ist das Werk von Jovanka Houska eine empfehlenswerte Einführung.

Zu 2...Sf6:
Die Hauptfortsetzung für Weiß ist immer noch 3.d4. Wegen der Möglichkeit des Nachziehenden, über 3...Lg4 die Portugiesische Variante einzuleiten, steht Houska dieser weißen Wahl mit einer erkennbaren Skepsis gegenüber. Diese halte ich für übertrieben, denn wirklich fürchten muss Weiß die Entwicklungen nicht. Zudem ist Schwarz nicht gezwungen, 4...Sxd5 zu spielen.
Vielleicht ist die Bevorzugung von 3.Sf3 auch damit zu erklären, dass die Autorin nach 3.d4 Sxd5 den Zug 4.c4 mehr oder weniger außen vor lässt.

Für mich unverständlich ist das Urteil "?!" zu 3.c4, auch wenn ich die Begründung hierzu lese. Nach Houska verspricht 3.c4 dem Anziehenden zwar einen Vorteil, doch sollen die anderen Linien vielversprechender sein. Das Isländische Gambit (auch Palme-Gambit genannt), das über 3...e6 entsteht, wird anhand (nur) einer Partie besprochen. Präferiert wird 3...c6, was man sich aber überlegen sollte, weil Weiß mit 4.d4 in die Panow-Variante der Caro-Kann-Verteidigung überleiten kann.

Mein Urteil zum Buchteil zu 2...Sf6: Beide Seiten erhalten Material, dessen Zusammenstellung eher einem Repertoirebuch als einer Eröffnungseinführung entspricht. Dieser Teil des Werkes kann mich nicht ganz überzeugen.

Weiße Abweichungen im 2. Zug werden genannt, schwarze Abweichungen nicht.

Zwei der insgesamt eingearbeiteten 71 Partien sind im Fernschach gespielt worden, eine Aufstellung steht am Ende des Buches. Dort findet der Leser auch das Variantenverzeichnis, das ausreichend detailliert ist.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Großmeister-Repertoire 1.d4 Band Zwei

Boris Awruch
Großmeister-Repertoire 1.d4 Band Zwei
647 Seiten, gebunden
ISBN: 978-1-906552-29-9
29,99 Euro




Großmeister-Repertoire 1.d4 Band Zwei
Mit "Großmeister-Repertoire 1.d4 Band Zwei" von Boris Awruch hat Quality Chess ein weiteres Buch, das 2010 in der englischen Originalversion erschienen ist, nun auch in deutscher Sprache und unter Distribution durch die Firma Niggemann auf den Markt gebracht. Und diese deutsche Fassung ist noch besser als die schon hervorragende englische. Der Inhalt ist um einen Anhang erweitert worden, der sich mit einer seltenen Variante aus der Holländischen Verteidigung beschäftigt, die Awruch zunächst vergessen hatte; besonders erfreulich ist, dass das Buch, anders als sein englischer Vorgänger, in einer gebundenen Form angeboten wird.

Schon die englische Originalfassung hat zu den seltenen Werken gezählt, deren Erscheinen ich mit sehr hoher Erwartung entgegengesehen habe. Diese hohe Erwartung, die sich mit der Qualität des Bandes "1.d4 Volume One" begründete (die Rezension ist in der Ausgabe 6/2009 der Fernschachpost erschienen, zur deutschsprachigen Ausgabe) wird von diesem Werk vollauf gedeckt, es ist hervorragend.
Auf 647 Seiten stellt Awruch in diesem Band ein d4-Repertoire für Weiß zusammen, das dann Anwendung finden kann, wenn Schwarz nicht mit 1...d5 antwortet. Dabei setzt er besonders auf die Fianchettierung des Königsläufers mit g3/Lg2, was zumindest den weißen Aufbau prägt.
In den 38 Buchkapiteln werden die folgenden Eröffnungen behandelt:

- Bogoljubow-Indisch
- Budapester Gambit/Fajarowicz-Gambit
- Benoni-Systeme
- Holländisch
- Grünfeld-Indisch
- Königsindisch
- Moderne Verteidigung
- Nebensysteme, also verschiedene seltene Systeme bei frühen schwarzen Abweichungen.

Das Ziel des Werkes ist es, den Spieler mit einem Repertoire auszustatten, das so qualifiziert ist, um damit in Eliteturnieren bestehen zu können. Es folgt dabei den Hauptlinien der Systeme.

Wie schon Band 1 ist auch der Band 2 eine sehr gute Grundlage auch für den Fernschachspieler. Awruch geht mit der Gründlichkeit vor, für die er schon bestens bekannt ist. Die Erörterungen und Analysen gehen angemessen in die Tiefe, der Leser bekommt das Verständnis für das System und die Varianten und wird nicht dazu verleitet, stupide einer Empfehlung zu folgen, ohne zu wissen, warum es gut sein soll, was er auf dem Brett macht.

Awruch bleibt sich auch treu, was die Zahl seiner Neuerungen in den jeweiligen Hauptvarianten betrifft. Ich habe mehr als 200 "Ns" in diesen Linien gezählt und bin mir sicher, dass ich noch einige übersehen haben muss. Hinzu kommen dann noch zahlreiche Neuerungen, die mir in den Nebenvarianten, in den Analysen aufgefallen sind.

Das Variantenverzeichnis ist, abweichend von der englischen Ausgabe, nicht ganz am Ende des Buches zu finden, weil dort der schon oben erwähnte Anhang steht. Er beginnt auf Seite 630 und ist für den Spieler der qualifizierte Kompass, der den vorzüglichen Gesamteindruck des Werkes gelungen abrundet.

"Großmeister-Repertoire 1.d4 Band Zwei" ist ein Top-Werk und gehört nach meiner Einschätzung in die Hand jedes Fernschachspielers, ob als d4-Weißspieler oder eben als Schwarzer, dem 1.d4 vom Gegner präsentiert wird.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Zukertort System: A Guide for White and Black

Grigory Bogdanovich
The Zukertort System: A Guide for White and Black
340 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-936277-05-6
22,95 Euro




The Zukertort System: A Guide for White and Black
"The Zukertort System: A Guide for White and Black" von Grigory Bogdanovich ist ein "etwas anderes Eröffnungswerk". Nach dem Rückentext versteht es sich als Monografie, also als umfassende, in sich vollständige Abfassung über die Themaeröffnung, und diese Einordnung ist sicher richtig.

Zunächst ist zu klären, was mit "Zukertort System" im Sinne des Buches gemeint ist, auch um eine Vorstellung zu der Familie von Schacheröffnungen zu geben, in deren Kreis es gehört. Der Gegenstand der Betrachtung zählt zu verwandten Systemen, für die es, leider nicht ganz einheitlich und auch landessprachlich unterschiedlich, Namen gibt wie Damenbauernspiel (sehr allgemein), Londoner System, Barry-Angriff, Colle-System und mehr. Das Zukertort-System im Sinne des Autors basiert auf dem Aufbau mit Bauern auf d4, e3 und b3 sowie dem Springer auf f3 und dem Läufer auf d3. Ausschließlich darum geht es in diesem Werk aus dem Haus Mongoose Press. Allerdings sind sich die genannten Aufbauten teilweise so ähnlich, dass sich vieles von Bogdanovichs Betrachtungen auch auf die genannten anderen Systeme übertragen lässt.

Das Zukertort-System ist ein universeller Aufbau, mit dem verschiedenen Eröffnungen nach der Wahl des Schwarzen begegnet werden kann. Es ist somit tatsächlich ein System und nicht "nur" eine spezielle Eröffnung, dem sich "The Zukertort System: A Guide for White and Black" widmet.
Bogdanovich ordnet seine Ausführungen nicht nach Zügen und Zugfolgen, beispielsweise "1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 e6 4.b3; 4.Ld3", sondern nach taktischen Methoden und strategischen Themen. So sucht man ein Variantenverzeichnis vergeblich, man findet stattdessen ein Verzeichnis mit der Überschrift "Tactical Methods and Strategic Themes". Was dies heißt und bedeutet, kann am besten anhand von Beispielen gezeigt werden.
Die weißen Angriffschancen steigen, wenn er die Diagonale a1/h8 für sich öffnen kann. So trägt denn auch das zweite von insgesamt 14 Kapiteln den Titel "Opening Up the a1-h8 Diagonal". Dieses strategische Mittel wird umfassend erörtert, unabhängig davon, wann genau in der Partie und nach welchem exakten Zugverlauf es erscheint. Im vg. Verzeichnis findet sich dem entsprechend das Mittel wieder, ergänzt um die Seiten, auf denen es im Buch dazu kommt. Dies sind dann nicht nur jene im Schwerpunktkapitel, sondern auch Seiten in anderen Kapiteln, in denen etwas anderes vorgestellt wird und es auch zur Öffnung der Diagonale kommt.
Im "Taktik- und Strategie-Verzeichnis", wenn ich es mal so nennen darf, finden sich aber auch sehr viele weitere Elemente, denen kein eigenes Kapitel gewidmet ist. Ein solches Beispiel ist "Schwarz rochiert lang". Die Seiteneinträge erlauben den schnellen Zugriff auf die einschlägigen Buchseiten. Für den Spieler hat dieses Vorgehen den Vorteil, dass er von einer eigenen Partie aus schnell über deren Merkmale zur Darstellung im Buch kommt, was dem Fernschachspieler in der laufenden Partie helfen wird.
Insoweit ist das Buch ausgesprochen gut organisiert; man erkennt ein Merkmal/ein Problem in der Stellung, schaut ins Verzeichnis und steuert gezielt die Partien an, in denen es vorgekommen ist.
Damit ist zugleich einiges zur Methodik von Bogdanovich gesagt, denn er arbeitet an vollständigen Partiebeispielen. Die einzelnen Kapitel werden zunächst kurz eingeführt, wobei die Besonderheiten, Schwerpunkte und bisweilen auch schon Aspekte zum angebrachten Vorgehen behandelt werden.

"The Zukertort System: A Guide for White and Black" ist eine Monografie und nicht etwa ein Repertoirebuch, was sich auch dadurch bestätigt, dass es aus zwei Teilen besteht. Teil 1, "Play for White", konzentriert sich auf die Sicht des Weißen, Teil 2 "Play for Black", auf jene von Schwarz.

Ich halte "The Zukertort System: A Guide for White and Black" nicht für ein Buch, dass man kurz mal aufschlägt, wenn man in der Eröffnungsphase einen Zug in einer konkreten Stellung mit der Erwartung sucht, genau ihn jetzt, möglichst zusätzlich versehen mit der Bewertung "!", zu finden. Es ist dazu geschaffen, die Themaeröffnung zu verstehen und die eigene Partie unter einem quasi ganzheitlichen Ansatz zu spielen. Das Wissen um das Wie und das Warum wird dabei helfen, die guten Züge in der eigenen Partie zu finden, ohne sie exakt als Glied in der Variantenkette vorgesetzt zu erhalten.

"The Zukertort System: A Guide for White and Black" ist ein gutes, ein ehrliches Buch, es ist sehr sachlich geschrieben. In den vergangenen Monaten sind mehrere Bücher aus der oben einmal umschriebenen "Eröffnungsfamilie" erschienen, die ich auch jeweils rezensiert habe. Das vorliegende Werk von Bogdanovich ist eine Bereicherung hierzu, sein Inhalt gliedert sich harmonisch in den gesamten beschriebenen Komplex ein und vervollständigt dessen Darstellung dabei.
Ich kann den Kauf guten Gewissens empfehlen!


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Dangerous Weapons: The Caro-Kann

John Emms, Richard Palliser, Jovanka Houska
Dangerous Weapons: The Caro-Kann
304 Seiten, kartoniert
ISBN: 9781-85744-635-7
18,95 Euro




Dangerous Weapons: The Caro-Kann
Noch vor gar nicht allzu langer Zeit galt die Caro-Kann-Verteidigung als wenig ambitioniert. Nach dem verbreiteten Urteil war sie etwas für leicht hasenfüßig veranlagte Spieler, die mit Schwarz in möglichst seichten Gewässern in den Remishafen zu gelangen trachteten.
Aus der Sicht des Weißen wurde der Panov-Angriff zum Liebling der Theorie, mit dem Schwarz durch dynamisches Spiel ein Strich durch die Rechnung gemacht werden sollte. Außerhalb dieser Variante sah man wenig, was den Anziehenden in seinem Streben nach Dynamik unterstützen konnte.

Inzwischen hat sich das Bild von Caro-Kann doch erheblich verändert. An die Stelle des früheren Hauches von Langeweile ist das Wissen getreten, dass diese Eröffnung mannigfaltige Chancen auf scharfes, dynamisches Spiel bietet.
So war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, dass Everyman Chess auch ein Buch aus der Serie "Dangerous Weapons" über Caro-Kann auf den Markt bringen würde. Mit "Dangerous Weapons: The Caro-Kann" ist dies nun passiert.

Es fällt auf, dass der Leser in diesem Buch viel Neues erhält. Dies kann darin liegen, dass die grundsätzliche Idee für eine Variante selbst erst jüngst entstanden ist und somit sowohl das praktische Material als auch die Analysen und Kommentierungen frisch sein müssen, aber auch darin, dass eine schon länger bekannte Fortsetzung jetzt erst ernsthaft und somit tiefer untersucht worden ist.
Ich möchte dies anhand von zwei ausgewählten Kapiteln veranschaulichen, und zwar an den Kapiteln 2 und 12 (das Werk enthält insgesamt 12 Kapitel).

Kapitel 2 trägt den Titel "The charging h-pawn" mit 1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Sf6 5.Sxf6 gxf6 6.c3 h5 und Kapitel 12 "Stealing White´s Fun after 2 Se2" mit 1.e4 c6 2.Se2 d5 3.e5 d4.

Das Vorpreschen des h-Bauern in Kapitel 2 kam schon früher in Partien vor. Ernsthaft und breit untersucht wurde diese Möglichkeit bisher aber nicht.
Die Autoren John Emms, Richard Palliser und Jovanka Houska, federführend hier Richard Palliser, führen die Variante kurz ein und gehen dann über zwei intensiv kommentierte Partien an die Erörterung. Bemerkenswert ist, dass nach einer Partie Naiditsch-Seirawan, Vlaardingen 2005, eine Fernschach-Weltmeisterschaftspartie mit deutscher Beteiligung, gespielt zwischen Hagen Tiemann und J. Mannermaa, 2002, folgt. Die eigentliche theoretische Untersuchung folgt dann, wie für die Buchreihe üblich, im Abschnitt "Looking a Little Deeper". Ebenfalls für die Serie typisch ist die Verwendung von Symbolen, mit denen die Autoren auf Besonderheiten hinweisen. Auf Schlüsselzüge zur gefährlichen Waffe wird mit dem Symbol einer Kanone aufmerksam gemacht, ein Blitz symbolisiert eine unmittelbare Gefahr, das aufgeschlagene Buch steht für eine trickreiche Überleitung in eine andere Eröffnung und zwei Würfel merken an, dass eine Variante eher für beispielsweise Blitzpartien geeignet ist.
Abgeschlossen wird das Kapitel mit einer wertenden Zusammenfassung.
"Dangerous Weapons: The Caro-Kann" gibt Schwarz hier eine Spezialvariante an die Hand, die gesund ist, dynamisches Spiel verspricht und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Gegner vor neue Aufgaben stellt.

Das zweite als Beispiel ausgewählte Kapitel, die abschließende "Hausnummer 12", beinhaltet fast nur Neuland. Wann hat man als Schwarzer schon mal die Möglichkeit, bereits im 3. Zug einer Standarderöffnung abzuweichen, und dies auch noch mit einer wohl gesunden Alternative? Die referenzierten Partiefragmente stammen zumeist aus den vergangenen vier Jahren. Vieles aber sind Originalanalysen der Autoren, auch hier von Richard Palliser.
Ein Quellenverzeichnis enthält das Werk zwar leider nicht, interessant ist aber ein kleiner Eintrag in diesem Kapitel auf Seite 295. Darin wird auf eine Betrachtung von Jeroen Bosch in einem "SOS-Werk" verwiesen. Diese Reihe kann man ein wenig als in Konkurrenz zur "Dangerous Weapons"- Reihe sehen. Offene Augen, wie sollte es auch anders sein, werden also auch und sicher gegenseitig den Entdeckungen des anderen gewidmet.

Die Kapitel 1 sowie 3 bis 11 sind:

1. The Active Queen (1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Sf6 5.Sxf6 gxf6 6.c3 Dd5)
3. Annoying the Caro-Kann Bishop (1. 1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Lf5 5.Sg3 Lg6 6.S1e2
4. Opposites Attract (1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Sd7 5.Sg5 Sgf6 6.Ld3 e6 7.S1f3 Ld6 8.De2 h6 9.Se4 Sxe4 10.Dxe4)
5. The Subtle 4…a6 (1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 Lf5 4.Sc3 a6)
6. Don´t Let Black Have all the Fun! (1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 c5 4.c4 und 4.Sf3 Sc6 5.c4)
7. Tackling the Three Knights: Part I (1.e4 c6 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4.c4 Sf6 5.Sc3 Sc6 6.Lg5 dxc4: 7.Lxc4)
8. Tackling the Three Knights: Part II (1.e4 c6 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4.c4 Sf6 5.Sc3 Sc6 6.Lg5 dxc4: 7.d5)
9. Mixing … Sc6 and …g6 (1.e4 c6 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4.c4 Sf6 5.Sc3 Sc6 6.Sf3 g6)
10. Challenging the Two Knights (1.e4 c6 2.Sf3 d5 3.Sc3 Sf6)
11. Advancing in Instalments (1.e4 c6 2.d3 d5 3.Sd2 e5 4.Sgf3 Sd7 5.d4)


"Dangerous Weapons: The Caro-Kann" ist eine wichtige Ergänzung in der Reihe der Theoriewerke zur Caro-Kann-Verteidigung. Wer diese Eröffnung als Schwarzer im Repertoire hat oder als Weißer mit e4 eröffnet und so auf diese Verteidigung stoßen kann, wird von diesem neuen Werk profitieren.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)