Thomas Willemze: "The Scandinavian for Club Players"

von Uwe Bekemann (Kommentare: 0)

Thomas Willemze
The Scandinavian for Club Players
267 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-976-4
19,95 Euro

Mit „The Scandinavian for Club Players“, New In Chess (NIC) 2021, hat sich der niederländische IM Thomas Willemze die Aufgabe gestellt, den Klubspieler für den verständigen Einsatz der Skandinavischen Verteidigung vorzubereiten. Indem Schwarz die weiße Eröffnung 1.e4 mit 1…d5 kontert, limitiert er die für die Partie als erforderlich in Betracht kommende Eröffnungstheorie entscheidend. Wenn er sich nun in der Skandinavischen Verteidigung, insbesondere ihren Ideen, Plänen und Manövern sehr gut auskennt, hat er nicht nur gute Aussichten auf objektiv gesunde Stellungen, sondern auch die Chance auf einen Wissensvorsprung gegenüber seinem Gegner. Für diesen ist, so auch Willemzes Argumentation, diese Eröffnung nur eine von vielen, die nach 1.e4 auf das Brett kommen können, und eben viel seltener zu erwarten als die Standardantworten. Entsprechend wird der Klubspieler in seiner Vorbereitung seine begrenzten zeitlichen Ressourcen eher auf das Studium der Hauptsysteme richten und sich zu einer Eröffnung wie die Skandinavische Verteidigung auf grundlegende Dinge beschränken.


The Scandinavian for Club Players“ ist für den Spieler mit Schwarz und aus dessen Warte geschrieben. Dies wird rein optisch auch schon daran erkennbar, dass die im Buch eingesetzten Diagramme um 180 Grad gedreht sind, also die schwarzen Steine „unten“ aufweisen.
Das Werk ist aber ohne Zweifel auch für den Weißspieler von Nutzen. Auch die für sein Spiel wichtigsten Ideen, Pläne und Manöver arbeitet Willemze heraus, aber eben vor dem Hintergrund, dass Schwarz ihnen bestmöglich begegnen können soll. Und wie auch bei einem Repertoirebuch, das mit ähnlichen Ansätzen geschrieben wird, behandelt das vorliegende Werk nicht alles, was für eine Vorbereitung für den Einsatz mit Weiß notwendig sein kann, sondern nur das, was den schwarzen Weichenstellungen entsprechend relevant werden kann.

Ein Repertoirebuch im engen Sinne ist „The Scandinavian for Club Players“ nicht, sondern eben ein Handbuch. So geht es dem Autor nicht darum, den Leser mit konkreten Zügen und Varianten für alle wesentlichen Eventualitäten auszustatten, die eben in sich ein möglichst geschlossenes System ergeben sollen. Seine Ausführungen bewegen sich ganz überwiegend auf der „ersten Ebene“, Varianten spielen eine untergeordnete Rolle im Buch. Es ist sehr gut geeignet, um sich auf seiner Basis ein eigenes Repertoire zusammenzustellen, bildet hierfür also einen sehr guten Rahmen.

The Scandinavian for Club Players“ ist in sechs Teile gegliedert, auf die sich insgesamt 13 Kapitel verteilen. Willemze hat das Material wie folgt geordnet:

  • Teil 1: Hauptvariante (1.e4 d5 2.exd5 Dxd5 3.Sc3 Da5 4.d4 Sf6 5.Sf3)
  • Teil 2: Alternativen im 5. Zug: Aufbau mit Sge2
  • Teil 3: Alternativen im 4. Zug: Aufbauten mit b2-b4, g2-g3 und d2-d3
  • Teil 4: Alternativen im 3. Zug: das flexible Sf3
  • Teil 5: Alternativen im 2. Zug: frühe Abweichungen
  • Teil 6: Lösungen zu den im Buch gestellten Aufgaben.

Auch auf der Ebene der Kapitel ist „The Scandinavian for Club Players“ ausgezeichnet strukturiert. Bis auf den 4. Teil sowie des (Lösungs-)Teil 6 besteht jeder Teil aus mehreren Kapiteln, die sich mit einer spezifischen Fortsetzung für Weiß befassen. Hier sieht der Aufbau jeweils wie folgt aus:

  • Einführung
  • Wichtigste Werkzeuge/Mittel/Instrumente für Weiß (Willemze verwendet den Begriff „tools“)
  • Wichtigste Werkzeuge/Mittel/Instrumente („tools“) für Schwarz
  • Theoretische Erörterung
  • Schlüsselpositionen mit Handlungshinweisen („flash cards“).

In der Einführung stellt das Buch auf zumeist einer bis maximal 1,5 Seiten die ganz wesentlichen Aspekte der jeweiligen Variante heraus. Anhand von Beispielen aus der Praxis (Partien und Partiefragmente) stellt Willemze im Anschluss für beide Seiten die Eckpunkte der Spielführung vor. Hier erfährt der Leser ganz konkret, auf was es in seiner Partie für ihn besonders zu achten gilt und nach welchen konkreten Methoden er vorgehen sollte. In einer kurzen Zusammenfassung („conclusion“) hält er den Kerngedanken jeweils abschließend fest.
Die theoretische Erörterung, die Vermittlung des Theoriestandes also, entspricht der gebräuchlichen Gestaltung von Eröffnungsbüchern. Hierfür gilt allerdings mein Hinweis zu Beginn der Rezension, dass der Schwerpunkt nicht auf der Abbildung von Varianten liegt. Hier geht es im Wesentlichen um die korrekten Wege und die Klärung, warum sie korrekt sind bzw. auch welche Fehler zu vermeiden sind und was sie zu einem Fehler macht.
Nicht selten ist die theoretische Erörterung in Blöcke unterteilt, die sich unter einer jeweils markanten Überschrift einer einzelnen zu klärenden Problematik zuwenden. Auch hier arbeitet Willemze wieder mit einer abschließenden Zusammenfassung.

Der Autor ist nicht nur ein erfolgreicher Spieler und Autor, sondern auch erfahrener Trainer. Dabei greift er auch auf seine Erfahrung als früherer Jugend-Nationaltrainer der Niederlande zurück. Die Art und Weise, wie er einerseits das Material strukturiert und in Blöcke gegliedert hat und andererseits engagiert erklärt und erläutert, zeugt von seinem Wissen, wie man seine Schützlinge erfolgreich lernen lässt. Ich bin davon überzeugt, dass der Leser, der „The Scandinavian for Club Players“ intensiv studiert, die Bucheröffnung verinnerlicht. Er erwirbt das Verständnis, um mit Sinn und Verstand diese Verteidigung in seiner praktischen Partie einsetzen zu können, ohne sich ein Variantenwissen verschafft zu haben. Die Hauptlinien werden ihm über den angebotenen Stoff ohnehin geläufig werden. Sein Repertoire kann er sich auf dieser Basis und auf seine Vorlieben ausgerichtet selbst ergänzend „rund machen“.

Einprägen sollte sich der Leser allerdings die Schlüsselpositionen und die Hinweise zum Handeln bei deren Erreichen. Diese „flash cards“ ziehen die Positionen bzw. auch Stellungsarten quasi aus der Masse heraus, weil sie für die richtige Behandlung der Spielweise entscheidend sind.

Am Ende jedes der Teile 1 bis 5 findet der Leser 6 oder 12 Aufgabenstellungen vor, in denen wegen der Ausrichtung des Werkes immer Schwarz am Zuge ist. Von ihm wird die Fortsetzung des Spiels unter Rückgriff auf das Erlernte erwartet. Spezielle konkrete Hinweise zur Richtung, in die er denken soll, erhält er nicht. Die Lösungen für alle Übungen enthält der 6. Teil gesammelt. Diese sind ausführlich gestaltet und erinnern dabei an die theoretische Erörterung in den Kapiteln zuvor. Die „conclusion“ stellt auch hier den wesentlichen Aspekt, der den Grund für die Aufnahme gegeben hat, heraus. Sie leistet einen Brückenschlag zur Erörterung vorne, beispielsweise auch durch den Hinweis auf eine Merkregel, die bei der Lösung der Aufgabe zu beachten war.

Ein kurzes, aber ausreichendes Variantenverzeichnis am Buchende erlaubt ein gezieltes Nachschlagen über alle Buchinhalte hinweg.

Der Leser hat einiges an Text zu verarbeiten. Mit Fremdsprachenkenntnissen auf Schulniveau sollte das Werk dabei aber gut zu bewältigen sein.

Fazit: „The Scandinavian for Club Players“ ist ein sehr gelungenes Handbuch zur Skandinavischen Verteidigung, optimiert für die Anwendung aus der Sicht von Schwarz. Das Studium dieses Werkes wird den Leser in die Lage versetzen, die Skandinavische Verteidigung auf der Basis eines tiefen Verständnisses anzuwenden und damit die meiste Theorie nach 1.e4 auszublenden.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann zur Verfügung gestellt.

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