Herman Grooten: "Sicilian Structures Part 2 – Taimanov – Kan – Richter Rauzer"
von Uwe Bekemann (Kommentare: 0)
Herman Grooten
Sicilian Structures Part 2 – Taimanov – Kan – Richter Rauzer
421 Seiten, kartoniert
ISBN: 9789464201109
27,50 Euro
„Sicilian Structures Part 2 – Taimanov – Kan – Richter Rauzer“ ist nicht das erste Werk, das ich aus der Serie „Understanding before Moving“ des belgischen Verlagshauses Thinkers Publishing rezensiere. Allerdings ist es das Erste aus einer Trilogie zur Sizilianischen Verteidigung. Es ist die Nummer 2 daraus; geschrieben vom niederländischen IM Herman Grooten, erfahrener Trainer und anerkannter Autor.
Das Buch enthält 8 Kapitel, von denen die Nummern 2 bis 5 konkret der zu studierenden Eröffnungstheorie gewidmet sind. In Form des Kapitels 2 wartet das Buch mit einer Überraschung auf. Darin bespricht Grooten das Igel-System, das im Titel nicht erwähnt wird. „Der Igel“ als ein universell einsetzbares Aufbausystem kann auch in der Sizilianischen Verteidigung zum Einsatz kommen. Also macht es natürlich Sinn, darauf einzugehen, soweit dies dem Buchtitel entsprechend in „Sicilian Structures“ passiert. In der Taimanow-Variante läuft eine typische solche Zugfolge über 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sb5 d6 6.c4 Sf6 7.S1c3 a6 8.Sa3 Le7 9.Le2 0–0 10.0–0 b6, in der Paulsen-Variante über 1. e4 c5 2. Sf3 e6 3. d4 cxd4 4. Sxd4 a6 5. Ld3 Lc5 6. Sb3 Le7 7. Dg4 g6 8. De2 d6 9. c4 Sd7 und 5.c4 Sf6 6. Sc3 Dc7 7. a3 b6.
Dieses Kapitel ist wie folgt weiter strukturiert:
Teil 1: Ideen und Konzepte
- Einführung
- Appetitmacher
- Typische Pläne für Weiß
- Typische Pläne für Schwarz
Teil 2: Musterpartien.
Die Kapitel zur über 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 entstehenden Taimanow-Variante, über die – im englischen Sprachraum u.a. als Kan-Variante bezeichnete - Paulsen-Variante (1.e4 c5 2. Sf3 e6 3. d4 cxd4 4. Sxd4 a6) sowie die Richter-Rauser-Variante (oder „Richter-Rauser-Angriff“) über 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.Lg5 sind ähnlich organisiert. Sie folgen einer weiteren Untergliederung mit
Teil 1: Ideen und Konzepte
- Einführung
- Übersicht
- Strukturbasierte strategische Ideen
- Variantenbaum und Verweise auf integrierte Musterpartien
Teil 2: Musterpartien.
Schon in seinem Vorwort erklärt Grooten die Hauptidee seiner Arbeit darin, dass der Leser sein Verständnis in der Behandlung typischer Mittelspielstellungen erweitern kann, die aus einer besprochenen Eröffnung entstehen können, so dass er ein besseres Gefühl für deren qualifizierte Behandlung in der Praxis bekommt. Exakt diese Idee setzt er nach meinem Urteil in hoher Qualität um.
Im Folgenden gehe ich am Beispiel des Kapitels zur Taimanow-Variante auf das konzeptionelle Vorgehen Grootens ein.
In der Einführung erhält der Leser allgemeine Informationen zum System, zum Namensgeber und zur geschichtlichen Entwicklung.
In der sich anschließenden Übersicht („Overview“) erwartet ihn im Anschluss nicht etwa ein Variantenverzeichnis, was man aus dem Begriff schließen könnte, sondern ein tiefes Eintauchen in die Theorie. Grooten nutzt als Rückgrat für seine Ausführungen eine Hauptvariante, die er äußerst intensiv bespricht. Bis weit in die Variante hinein wird fast jeder Zug nach Sinn und Zweck, Folgen etc. erörtert. Dies gilt vergleichbar auch für die Nebenvarianten. So dominiert nicht nur optisch der Erläuterungstext sehr deutlich gegenüber schlichten Zugfolgen.
Ergänzt werden die Darstellungen um Diagramme, die teilweise auch Konstellationen und Schlüsselfelder hervorheben, so etwa durch Pfeile und Feldumrandungen. Die Diagramme für Stellungen aus der Hauptvariante sind größer als jene für Nebenzüge, so dass sie auf einen Blick eingeordnet werden können.
Wer diesen Teil des Buches intensiv durcharbeitet, verschafft sich ein immenses Wissen über die Theorie zum System. Es wird den Leser in die Lage versetzen, das System unabhängig davon qualifiziert anzuwenden, ob in seiner Partie gerade eine im Buch abgebildete konkrete Stellung erreicht worden ist. Die Erläuterungen sind so intensiv und auf ein inneres Verstehen angelegt, dass der Leser sein Wissen universell einsetzen kann.
Nach meiner Einschätzung sollte bereits der wenig erfahrene Spieler von diesem Werk profitieren können, nicht zuletzt der Spieler ab einem unteren Klubniveau. „Sicilian Structures Part 2 – Taimanov – Kan – Richter Rauzer“ vermittelt nicht nur Eröffnungswissen, sondern viel zum Positionsspiel darüber hinaus. Dies dürfte den Wert des Buches gerade auch für den unerfahrenen Spieler noch deutlich steigern.
Im Anschluss an die „Übersicht“ folgt ein kurzer Abschnitt, der sich den zentralen strategischen Ideen widmet. Ausgehend von Diagrammen, die teilweise zur Visualisierung erläuternde Pfeile und Feldumrandungen enthalten, stellt Grooten die wesentlichen Ideen, Pläne und Ziele für die Parteien dar und vor allem auch zusammen. Wer während seines Studiums mal wieder eine Rückbesinnung auf das Wesentliche oder einen Kompass braucht, der schlägt am besten hier nach.
Der sich anschließende Abschnitt „Variantenbaum und Verweise auf integrierte Musterpartien“ ist de facto ein differenziertes Variantenverzeichnis, das zugleich um Hinweise ergänzt ist, in welcher der folgenden Musterpartien ein bestimmter (Schlüssel-)Zug ausgeführt worden ist. So kann der Leser zielgerichtet weiter vorgehen.
Kommentierte Musterpartien schließen das jeweilige Kapitel ab. Sie erweitern die Darstellungen zur Theorie, indem sich deren Verlauf auf besprochene Wege draufsattelt bzw. auch Nebenwege einschlägt. Den ganz besonderen Zweck, den er mit ihnen verfolgt, verrät Grooten aber an einer ganz anderen Stelle, nämlich in seinen einführenden Worten zum Kapitel 6 – „Übungen“. Er schreibt: „Alle aufgenommenen Musterpartien illustrieren Entscheidungen zur Taktik, die man kennen sollte, allgemein zur Sizilianischen Verteidigung wie auch zum System, für das sie aufgenommen worden sind“ (sinngemäß ins Deutsche übersetzt). Der Leser bekommt hier auch einen ganzheitlichen Überblick zum System, von der Eröffnung über die daraus entstehenden Mittelspielstrukturen bis zu typischen Endspielen.
Das kurze Kapitel 6 hält acht Übungsaufgaben für den Leser bereit. Mit ihnen kann er überprüfen, ob sein Lernerfolg ausreicht, um wesentliche Weichenstellungen in der Anwendung eines Systems entscheiden zu können. Hierzu soll er die zugrundeliegende Partie, die bis zur Aufgabenstellung unkommentiert abgebildet ist, komplett durchspielen. Er kann allerdings auch das jeweilige Diagramm nutzen, um die zu beurteilende Brettposition aufzubauen. Ob seine Lösung richtig ist, erfährt er jeweils im Folgekapitel 7 anhand der dann bis zum Ende durchkommentierten Partien.
Fremdsprachenkenntnisse auf Schulniveau sollten größtenteils ausreichen, um bequem mit dem Buch arbeiten zu können, auch wenn es sehr viel Text zu verarbeiten gilt.
Fazit: „Sicilian Structures Part 2 – Taimanov – Kan – Richter Rauzer“ ist ein Werk, das bereits vom wenig erfahrenen Spieler und mindestens vom Spieler auf Klubniveau genutzt werden kann. Es stellt zum Igel-System und zu den im Buchtitel genannten Systemen innerhalb der Sizilianischen Verteidigung ein Repertoire zusammen und leitet den Leser sehr qualifiziert an, dieses zu verstehen, um das jeweilige System mit Sinn und Verstand und unabhängig von einer konkreten Stellung in der eigenen Partie anwenden zu können. Dabei vermittelt das Werk nicht nur Eröffnungswissen, sondern viel zum Positionsspiel darüber hinaus.
„Sicilian Structures Part 2 – Taimanov – Kan – Richter Rauzer“ ist sehr gut gelungen und für mich eine klare Kaufempfehlung.
Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann.
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