Fabiano Caruana: "Caruana’s Ruy Lopez"

von Uwe Bekemann (Kommentare: 0)

Fabiano Caruana
Caruana’s Ruy Lopez
206 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-944-3
29,95 Euro

Caruana’s Ruy Lopez“ von Fabiano Caruana ist eine Transkription des dreiteiligen ChessBasse-Videos „Navigating the Ruy Lopez“, das im Herbst 2019 auf den Markt gekommen ist. Die Übertragung vom Film in Schrift hat Sean Marsh erarbeitet. Auf seinen rund 200 Seiten bietet das Werk dem Leser aus der Warte des Weißspielers Empfehlungen zum Repertoire in den wichtigsten Systemen der Spanischen Partie an. ChessBase wirbt mit einer Aussage für das Video, nach der Caruana erklärt, „wie man mit der Spanischen Eröffnung gegen alle gebräuchlichen schwarzen Systeme zum Erfolg kommt“, was im übertragenen Sinn auch für das Buch gilt. Dieses ist 2021 bei New In Chess (NIC) erschienen.


Natürlich wäre es ein hoffnungsloses Unterfangen, die umfangreiche Theorie der Spanischen Partie in der Form eines Komplettrepertoires in ein recht schmales Buch zu zwängen. Dies ist auch nicht das Anliegen des Weltklasse-Autors. Er bietet ein Basisrepertoire an. Mit diesem will er den Leser gegen die wichtigsten Erwiderungen seines Gegners präparieren. Dies geschieht, indem Weiß seine Möglichkeiten zur Lenkung des Spiels nutzt, um Schwarz bestimmte Spielweisen nicht erreichen zu lassen, und indem er Fortsetzungen empfiehlt, die Weiß Chancen auf einen zumindest schmalen Vorteil versprechen und zudem seltener als andere Züge gespielt werden. Dabei stützt sich Caruana auf Favoriten aus seiner eigenen Praxis.

Caruana strebt in den verschiedenen Systemen nach Möglichkeit ähnliche Stellungsstrukturen an, um hierdurch Synergieeffekte zu erreichen. So setzt er beispielsweise auf den Vorstoß a2-a4, um sowohl den Marshall-Angriff zu vermeiden als auch in der Klassischen Variante eine Richtung einzuleiten, in die das Spiel vergleichsweise selten kommt und mit der so mancher Schwarzspieler vermutlich weniger als mit der Hauptalternative c2-c3 vertraut sein wird.

Caruanas im Buch verfolgter roter Faden wird sehr gut am Beispiel des 7. Kapitels deutlich. In diesem behandelt er die Berliner Verteidigung, die Berliner Mauer. Nach einigen, hier auch etwas ausführlicheren einführenden Informationen behandelt er die Fortsetzung 4.0-0 und begründet dabei seine Präferenz gegenüber 4.d3. Die weitere Besprechung macht er zunächst an der Variante 4…Sxe4 5.d4 Sd6 6.Lxc6 dxc6 7.dxe5 Sf5 8.Dxd8+ Kxd8 fest, um im Anschluss sehr analytisch und instruktiv darzustellen, warum er diese … vermeidet(!). Intensiv bringt er dabei auch seine eigenen Turniererfahrungen ein.
Die Empfehlung des Autors ist 5.Te1 (statt 5.d4). Im Anschluss an die einleitenden (Haupt-)Züge 5…Sd6 6.Sxe5 Le7 7.Lf1 arbeitet er im Rahmen entstehender alternativer Stellungsstrukturen weiter. So ergeben sich im folgenden Abschnitte für die Konsequenzen, wenn Schwarz die Springer auf dem Brett belässt oder aber tauscht; die Situation nach einem Tausch wird an späterer Stelle nach gleichem Muster noch einmal differenziert.
Caruana behandelt dieses System auf rund 24 Buchseiten. Allein dies zeigt schon, dass er nur sehr eingeschränkt auf Varianten eingeht. Soweit der Leser in seiner eigenen Partie mit Abweichungen konfrontiert werden wird, will Caruana ihn mittels eines breiten Verständnisses des Systems diese versiert spielen lassen können.

Das gerade beschriebene Beispiel des 7. Kapitels steht für den Geist des gesamten Buches. Im übertragenen Sinn versucht Caruana dem Leser das Autofahren beizubringen, der sich dann aber selbst im Straßenverkehr zu bewähren hat. Er erläutert aus meiner Sicht mustergültig. Pläne, strategische Zusammenhänge, taktische Aspekte und leitet alles so grundlegend und nachvollziehbar her, dass man das Gefühl hat, schon beim ersten Lesen verstanden zu haben. Obwohl ich schon viele Repertoirebücher rezensiert habe, ist selten eines darunter gewesen, das so auf ein inneres Verständnis des Lesers hinarbeitet.
Das konkret zusammengestellte Repertoire als solches ist beschränkt und bedarf m.E. einer individuellen Erweiterung nach den persönlichen Bedürfnissen. Wie man eine Spielweise behandeln sollte, dann auch im Rahmen der eigenen Ergänzungen, ist ausgezeichnet dargestellt.

Caruana’s Ruy Lopez“ ist ein gerade den Klubspieler ganz besonders ansprechendes Werk, für mich zweifellos aber auch für den reinen Freizeitspieler sehr gut geeignet. Der Leser mit einer eigenen erheblich fortgeschrittenen Spielstärke wird die intensiven Erläuterungen des Autors nicht mehr benötigen. Er dürfte im Material etwas die Breite vermissen.

Das Video-Trio, das der Transkription zugrunde liegt, kenne ich nicht. Wenn Konfuzius Recht hat, dann wäre es dem Buch vermutlich vorzuziehen („Was du mir sagst, das vergesse ich. Was du mir zeigst, daran erinnere ich mich. Was du mich tun lässt; das verstehe ich.“). Beim Video setzt das Verstehen aber voraus, dass der Nutzer der englischen Sprache so mächtig ist, dass er auch in der gesprochenen Form gut mit ihr zurechtkommt. Das Buch stellt den Leser allerdings kaum vor Anforderungen, die nicht schon vom üblichen Schulenglisch abgedeckt werden. Der zu verarbeitende Text ist umfangreich, das verwendete Vokabular aber ist „handelsüblich“.

Fazit: „Caruana’s Ruy Lopez“ ist ein „Versteh-Buch“, das als Transkription von einem Video insbesondere dem Klub- wie auch schon dem Freizeitspieler ein Grundrepertoire zur Spanischen Partie vermittelt und dabei sehr intensiv erklärt und erläutert.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann zur Verfügung gestellt.

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