Boris Zlotnik: "Zlotnik’s Middlegame Manual"

von Uwe Bekemann (Kommentare: 0)

Boris Zlotnik
Zlotnik’s Middlegame Manual
400 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-926-9
27,95 Euro

Meine Rezension über „Zlotnik’s Middlegame Manual“, verfasst vom in Spanien lebenden russischen Internationalen Meister und erfahrenen Trainer Boris Zlotnik und erschienen 2020 bei New In Chess (NIC), möchte ich ausnahmsweise mal mit der sinngemäßen Übersetzung eines Ausschnitts aus dem Rückentext beginnen. Diese lautet: „Zlotnik’s Middlegame Manual (Zlotniks Handbuch des Mittelspiels) ist für ein breites Spektrum von regelsicheren Anfängern bis Vereinsspielern geeignet. Es ist Ihr Passwort zu einem Wissen von unvergleichlicher Qualität, das während eines ganzen Lebens des Trainings und Coachings von Schach gesammelt wurde. Eine große Sammlung von sorgfältig ausgewählten und didaktisch optimierten Übungen hilft Ihnen, das Gelernte zu vertiefen.


Diese Beschreibung lässt sich – etwas neutraler gefasst – beinahe als Fazit verwenden. Nicht zuletzt die Bestimmung des Adressatenkreises ist m.E. gut getroffen.
Aber was bietet dieses Werk ganz konkret?

Zlotnik’s Middlegame Manual“ ist nicht als eine umfassende Behandlung aller Elemente des Mittelspiels zu verstehen. Es konzentriert sich vielmehr auf ausgesuchte, aber sehr praxisrelevante Strukturen. Auch wenn dies zu speziellen und konkreten Plänen und Manövern führt, soll darüber auch das generelle Verständnis der Spielführung gefördert werden. Es soll damit auch das Gefühl des Lesers für die richtigen Entscheidungen unterstützt werden.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Diese sind, entsprechend übersetzt:

  • Teil 1: Typische Mittelspielstrukturen
  • Teil 2: Typische Methoden der Spielführung
  • Teil 3: Übungen und Lösungen.

Die Auswahl und Gliederung des Stoffes im Teil 1 orientieren sich an den Bauernstrukturen. Zlotnik behandelt in Kapiteln jeweils die Stellungen mit

  • einem isolierten Damenbauern,
  • der Karlsbad-Struktur (weiße Bauern auf d4 und e3, schwarze Bauern auf d5 und c6, weißer c-Bauer und schwarzer e-Bauer fehlen) und
  • symmetrischen Bauernstrukturen.

Im Teil 2 geht es konkret um

  • die eingeschränkte Mobilität in der Königsindischen Verteidigung,
  • ob ein Fianchettoläufer (in verschiedenen Eröffnungen) abgetauscht werden sollte und
  • das Feld d5 in der Sizilianischen Verteidigung.

Bei jedem der sechs Kapitel der Teile 1 und 2 sollte sich der Leser zunächst intensiv mit der Einführung befassen. Sie enthält bereits konkrete, wichtige und ggf. auch die weitere Gliederung vorbereitende Informationen. Am Beispiel des Kapitel 2, das diesbezüglich besonders ins Auge fällt, sind dies eine Auflistung der Eröffnungen, aus denen heraus die besprochenen Strukturen entstehen können, sowie sich die daraus ableitenden Pläne und Methoden für die weitere Spielführung. Diese listet Zlotnik getrennt für Weiß und Schwarz auf und arbeitet sie innerhalb des Kapitelverlaufs in jeweils eigenen Abschnitten ab.
Zur Verdeutlichung dieser Organisation bleibe ich im Kapitel 2. In der Einführung nimmt Zlotnik u.a. und als erste Alternative den Minoritätsangriff als möglichen Plan für Weiß auf, um die Erörterung dazu dann sogleich anzuschließen. Nach der Darstellung aus der Perspektive von Weiß widmet er sich den in Betracht kommenden Verteidigungsplänen und –methoden für Schwarz, z.B. dem Gegenangriff mit Bauern im Zentrum. Wenn der Leser das Kapitelende erreicht hat, ist seine Arbeit „rund“ – er hat das planvolle Spiel und die taktischen Manöver aus der Warte beider Parteien aufgenommen.

Der Autor verwendet Partien aus der Meisterpraxis als Medium seiner Erörterungen. Diese stammen quasi aus allen Epochen des modernen Schachspiels. Da das Werk angabegemäß wesentlich auf praktischem Material besteht, das Zlotnik in langen Jahren seiner Arbeit als Trainer gesammelt und aufgebaut hat, ist es weder verwunderlich noch nachteilig, dass zahlreiche Beispiele aus länger vergangenen Turnierjahren stammen.
In der Kombination aus Text und Varianten erinnert die Erörterung an kommentierte Partien, ist aber inhaltlich natürlich dem Schulungs- und Trainingszweck entsprechend gestaltet. Dabei regt Zlotnik den Leser zum Mitdenken an. Teilweise erinnert die Darstellung an eine Diskussion, indem er Auffassungen, Einschätzungen und Varianten anderer Spieler und Autoren einbringt und auch Engine-Berechnungen aufführt, u.a. von Stockfish. Ähnlich wie passagenweise im Buch können die Gedanken des Spielers auf der Suche nach dem richtigen Plan und der besten Fortsetzung in der eigenen Partie laufen. So ist es nicht abwegig, sich einen positiven Effekt durch „learning by doing“ zu erhoffen.

Im dritten Teil des Buches warten 162 Übungsaufgaben auf den Leser, mit deren Hilfe er seinen Lernerfolg überprüfen und festigen kann. Die Lösungen findet er gesammelt gleich im Anschluss an die letzte ihm gestellte Aufgabe. Geordnet ist dieses Material der zuvor behandelten Theorie entsprechend.

Zlotnik’s Middlegame Manual“ ist kein Buch „für zwischendurch“. Der Leser wird zu einem konzentrierten Arbeiten mit ihm gezwungen sein, wenn er so von dem Werk profitieren will, wie der Autor es ihm anbietet. Er kann sich zwar auf bestimmte Inhalte konzentrieren, z.B. auf die Karlsbad-Struktur und dabei auf den Minoritätsangriff, wenn er dies nach seinen eigenen Verhältnissen und Vorkenntnissen für angebracht hält; diese aber sollte er dann mit so viel Zeiteinsatz am Stück bearbeiten, dass er zu logischen „Lektionen“ kommt, die den ganzheitlichen Charakter der Erörterungen nicht unterlaufen.

Die Anforderungen an die englischen Fremdsprachenkenntnisse sind allenfalls mäßig und sollten den Leser mit ordentlichem Schulenglisch nicht überfordern, auch wenn es viel Text im Buch gibt.

Fazit: „Zlotnik’s Middlegame Manual“ ist ein Handbuch zur Behandlung ausgewählter, häufig vorkommender und entsprechend wichtiger Mittelspielstellungen. Diese orientieren sich an den Bauernstrukturen und den damit verbundenen Besonderheiten.
Das Werk kann schon dem regelfesten Anfänger helfen und bis in den Bereich des schon spielstarken Klubspielers empfohlen werden.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann zur Verfügung gestellt.

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